Arbeitsgericht Ludwigshafen

Urteil vom - Az: 3 Ca 1929/07

Zur Wirksamkeit der Kündigungserklärung gegenüber einem Geschäftsunfähigen

Der wirksame Zugang einer Willenserklärung setzt voraus, dass der Kündigungsadressat zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigungserklärung geschäftsfähig ist.

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites, längstens jedoch zunächst bis 31.03.2009 als Chemiker zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen.

III. Der Streitwert wird auf EUR 29.000,00 festgesetzt.

 

Tatbestand

Der am ... 1956 geborene Kläger trat am 01.05.1988 als Chemiker bei der Beklagten ein. Der Kläger ist verheiratet und Vater von zwei unterhaltsberechtigten Kindern. Der Kläger war zunächst im Hauptlabor der Beklagten beschäftigt. Zum 01.06.1998 wechselte er als stellvertretender Betriebsleiter der T.-fabrik in den Unternehmensbereich der Pflanzenschutz, wo er ab 01.01.2000 als Betriebsleiter tätig war. Zum 01.05.2001 wurde seine Stellung als leitender Angestellter festgestellt. Der Kläger war in der Zeit vom 01.07.2003 bis zum 30.06.2005 im Rahmen eines Entsendungsvertrages bei der Firma D. GmbH beschäftigt. Nach seiner Rückkehr zur Firma C. war er ab 01.07.2005 im Unternehmensbereich Pflanzenschutz in der Abteilung Global Operations für verschiedene Projektaufgaben zuständig. In dieser Abteilung wurde er ab 11.07.2005 mit vier verschiedenen Projekten beauftragt, nämlich der Optimierung des Laborinformations- und Managementssystems SLIMS am Standort V 5, der Optimierung des Probenhandlings im Laborbereich, der Erstellung eines Konzepts für das Abfüllzentrum (speziell für Flüssigabfüllungen) sowie die Entwicklung von Implementierungsplänen für Effizienzmaßnahmen aus dem Standortprojekt in B 510. Bezogen auf diese Projekte zeigte der Kläger nicht die von ihm erwarteten Leistungen. Auf die insoweit durch die Beklagte festgestellten Leistungsmängel ist zur Begründung der vorliegenden Entscheidung nicht weiter einzugehen, so dass von deren Darstellung abgesehen wird. Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 05.05.2006 sowohl den Sprecherausschuss als auch den Kündigungsausschuss des Betriebsrates zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Der Sprecherausschuss hat mit Schreiben vom 11.05.2006 der beabsichtigten ordentlichen Kündigung zugestimmt. Der Kündigungsausschuss hat sich mit Hinweis darauf, dass der Kläger leitender Angestellter sei, für nicht zuständig erklärt. Mit Schreiben vom 12.05.2006 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2007. Gegen die ihm am 15.05.2006 übergebene Kündigung hat der Kläger am 29.05.2006 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht C.-Stadt erhoben. Nach Durchführung des Gütetermines und während der laufenden Schriftsatzfristen hat der Kläger im Verfahren 4 Ca 1193/06 mit Schreiben vom 24.11.2006 seine Kündigungsschutzklage persönlich zurückgenommen. Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien erneut um die Rechtswirksamkeit der dem Kläger mit Schreiben vom 12.05.2006 gegenüber ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Mit Beschluss vom 17.09.2007 hat das Amtsgericht E.-Stadt Herrn Rechtsanwalt B. zum gesetzlichen Betreuer bezogen auf den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensverwaltung, Behörden- und Versicherungsangelegenheiten, Renten- sowie Sozialleistungsangelegenheiten bestellt. Zur Begründung ist in der Bestellung vom 17.09.2007 (vgl. Fotokopie des Beschlusses des Amtsgerichtes E.-Stadt Bl. 7 und 8 d. A.) ausgeführt, dass es erforderlich sei, für Herrn Dr. A. einen Betreuer zu bestellen, weil dieser aufgrund einer der in § 1896 BGB aufgeführten Krankheiten psychischer Art nicht in der Lage ist, die oben beschriebenen Angelegenheit selbst zu besorgen und eine andere Hilfe, die die Bestellung eines Betreuers nicht erfordern würde, nicht möglich ist. Herr Rechtsanwalt B. hat als Betreuer des Klägers am 05.10.2007 bezogen auf die dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung Feststellungsklage zum Arbeitsgericht C.-Stadt eingereicht. Unter Hinweis darauf, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Zuganges der mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung der Beklagten geschäfts- und prozessunfähig gewesen sei, begehrt der Kläger über seinen gesetzlichen Betreuer die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung zum 30.06.2007 nicht aufgelöst worden sei. Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Vortrag des Klägers nicht dessen Behauptung stütze, im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung geschäftsunfähig gewesen zu sein. Selbst von mehreren Ärzten sei im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung - noch - keine Geschäftsunfähigkeit festgestellt worden. Selbst der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers im Kündigungsschutzverfahren 4 Ca 1193/06 habe keine Geschäftsunfähigkeit des Klägers festgestellt, vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger gesundheitlich in der Lage sei, eine vertragsgerechte Arbeitsleistung zu erbringen und diese auch erbringe. Im Hinblick auf die Rücknahme der Klage im Verfahren 4 Ca 1193/06 gehe sie daher von der Fiktion des § 7 KSchG und damit der Bestandskraft ihrer mit Schreiben vom 12.05.2006 dem Kläger gegenüber ausgesprochenen ordentlichen Kündigung aus.

Im Kammertermin am 27.02.2008 hat der Kläger beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung zum 30.06.2007 nicht aufgelöst worden ist. 

Die Beklagte hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht C.-Stadt hat aufgrund des schriftsätzlichen Sachvortrages beider Parteien - auf den ausdrücklich Bezug genommen wird - sowie der am 27.02.2008 durchgeführten Kammerverhandlung beschlossen, ein Sachverständigengutachten bezüglich der Behauptung des Klägers, er sei zum Zeitpunkt des Zuganges der mit Schreiben vom 12.05.2006 ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung geschäftsunfähig erkrankt gewesen, einzuholen. Das Arbeitsgericht C.-Stadt hat zum Sachverständigen Herrn Prof. Dr. F. vom Institut für Forensische Psychotherapie E.-Stadt berufen. Insoweit wird ergänzend zum Beweisbeschluss Bezug genommen auf den Beschluss vom 11.03.2008 (vgl. Bl. 123 bis 125 d. A.). Die Beklagte sprach dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 20.03.2008, dem gesetzlichen Betreuer des Klägers zugestellt am 20.03.2008, eine weitere vorsorglich fristgemäße Kündigung zum 31.03.2009 aus. Mit Schriftsatz vom 04.04.2008 hat der Kläger über seinen Betreuer am 06.04.2008 klageerweiternd einen gegen diese Kündigung gerichteten Feststellungsantrag beim Arbeitsgericht C.-Stadt in das Verfahren eingebracht. Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat unter Datum des 10.07.2008 sein psychiatrisches Gutachten erstellt und am 15.07.2008 zur Gerichtsakte gegeben. Das Gutachten ist beiden Parteien zur Stellungnahme zugeleitet worden. Auf den Inhalt des Gutachtens (vgl. Bl. 148 bis 173 d. A.) wird Bezug genommen. Insoweit wird insbesondere auf die Beurteilung im Gutachten (vgl. ab Seite 21 des Gutachtens - Bl. 168 bis 173 d. A.) verwiesen. Am Ende des Gutachtens führt der Gutachter unter anderem aus: Die durchgeführten Untersuchungsgespräche sowie die Stellungnahmen des Dr. G... und der psychiatrischen Universitätsklinik H...-Stadt lassen keinen Zweifel daran, dass Herr Dr. A. in der Zeit zwischen Beginn des Jahres 2004 und Ende 2007/Anfang 2008 an einer schizophrenen Psychose litt, die neben Sinnestäuschungen und Störungen des Ich-Erlebens geprägt war durch eine wahnhafte Realitätswahrnehmung. Diese war ursächlich dafür, dass er die Kündigung vom 12.05.2006 im Kontext eines damals bereits fixierten Wahns erlebte, sie nicht als eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses, sondern als Teil einer Prüfung verstand, die er, seinem Wahn folgend, nur dann verstehen konnte, wenn er die hinter der als scheinbar gewähnten Kündigung stehende tatsächliche Intension der Firmenleitung erkannte und sich entsprechend dieser Einsicht verhielt. Zweifellos war Herr Dr. A. zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung vom 12.05.2006 geschäftunfähig und zwar aufgrund einer ihrer Natur nach nicht vorübergehenden krankhaften Störung der Geistestätigkeit in Gestalt einer akuten schizophrenen Psychose. Diese ist zwischenzeitlich nach einer stationären und ambulanten medikamentösen Behandlung abgeklungen, im Interesse einer dauerhaften Stabilisierung des Behandlungserfolges wird Herr Dr. A. weiterhin in fachärztlicher Betreuung bleiben. Der Kläger, dessen Betreuung am 07.07.2008 durch das Amtsgericht E.-Stadt wieder aufgehoben worden ist, hält sein Feststellungsbegehren im Hinblick auf die Aussage des Sachverständigen für begründet. Die Beklagte hingegen hält die mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung gleichwohl für wirksam, da sie dem gesetzlichen Betreuer des Klägers wirksam zugegangen sei. Insoweit führt die Beklagte schriftsätzlich aus: Zwar ist die Kündigung dem Kläger nicht rechtwirksam nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen; ein wirksamer Zugang der Kündigungserklärung erfolgte allerdings gegenüber dem gesetzlichen Betreuer des Klägers, dem Rechtsanwalt B. Eine Willenserklärung, die gegenüber einem Geschäftsunfähigen abgegeben wird, wird mit Zugang gegenüber dem gesetzlichen Vertreter wirksam (§ 131 Abs. 1 BGB). Der Zugang gegenüber dem Rechtsanwalt B. erfolgte am 26.09.2007. Rechtsanwalt B. hatte der Beklagten in einem Schreiben vom 25.09.2007 Folgendes mitgeteilt:  „Darüber hinaus teile ich mit, dass ich von Ihrer Kündigung, datiert vom 12.05.2006 am gestrigen Tag, dem 26.09.2007 Kenntnis erhalten habe“. Eine solche Kenntnisnahme durch den gesetzlichen Betreuer ist für einen wirksamen Zugang der Kündigung ausreichend. Nach Ansicht der Rechtsprechung und Literatur genügt es für das Wirksamwerden der Kündigung, dass der gesetzliche Vertreter von ihr Kenntnis erlangt (LAG Hamm, Urteil vom 20.10.1974 - 3 Sa 881/74 -; Mues-Eisenbeis, Handbuch zum Kündigungsrecht, 1. Auflage, 2005, Rnr. 232). Zudem wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn sich der Betreuer nunmehr darauf beruft, dass ihm die Kündigung nicht am 26.09.2007 wirksam zugegangen ist. Zum einen hat er den Zugang ausdrücklich gegenüber der Beklagten schriftlich erklärt. Er hat in einem Schreiben an die Beklagte mitgeteilt, dass er von der Kündigung vom 12.05.2006 Kenntnis erhalten hat. Durch dieses Schreiben hat er den Zugang gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt. Der gesetzliche Vertreter hat gegenüber der Beklagten deutlich gemacht, dass ihm die Kündigung, als gesetzlicher Vertreter des Klägers, wirksam zugegangen ist. Ein Berufen auf den fehlenden Zugang wäre nach Ansicht der Beklagten aufgrund dieses Verhaltens des gesetzlichen Vertreters rechtsmissbräuchlich. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 19.08.2008 einen Weiterbeschäftigungsantrag in das Verfahren eingebracht. Der Kläger trägt abschließend vor, die ihm gegenüber mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochen Kündigung sei unwirksam, da ihm rechtswirksam zu keinem Zeitpunkt zugegangen. Die ihm gegenüber ausgesprochene weitere vorsorgliche fristgerechte Kündigung sei sozial unbegründet. Spätestens ab Mai 2008 sei er wieder voll geschäfts- und arbeitsfähig. 

Der Kläger beantragt, 

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung zum 30.06.2007 nicht aufgelöst worden ist, 

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 20.03.2008, seinem gesetzlichen Vertreter zugegangen am 25.03.2008, nicht aufgelöst wird, 

3. die Beklagte für den Fall des Obsiegens gemäß dem Klageantrag vom 05.10.2007 zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 30.06.2007 hinaus als Chemiker weiter zu beschäftigen. 

Die Beklagte beantragt,
die Klageanträge abzuweisen.

Wegen des Sachvortrages beider Parteien sowie der Prozessgeschichte wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen. Das Arbeitsgericht C.-Stadt hat aufgrund der Kammerverhandlung vom 05.11.2008 der Beklagten bezogen auf die mit Schreiben vom 20.03.2008 vorsorglich  ausgesprochene Kündigung eine Auflage zum ergänzenden Sachvortrag gesetzt. Des Weiteren hat das Arbeitsgericht C.-Stadt bezogen auf den Klageantrag zu 1. sowie den Klageantrag zu 3. am 05.11.2008 ein Teil-Urteil erlassen. 

 

Entscheidungsgründe 

Das Rechtsschutzbegehren des Klägers ist - soweit zum Zeitpunkt der Kammerverhandlung am 05.11.2008 entscheidungsreif - begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die mit Schreiben vom 12.05.2006 dem Kläger gegenüber ausgesprochen ordentliche Kündigung nicht beendet.

Die Beklagte war folglich zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites, längstens jedoch zunächst bis zum 31.03.2009 als Chemiker zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Diese Entscheidung beruht auf nachfolgenden wesentlichen Erwägungen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, §§ 495, 313 Abs. 3 ZPO): Eine Kündigung ist eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis unmittelbar für die Zukunft sofort oder nach Ablauf einer Kündigungsfrist beenden soll, ohne dass noch irgendein Akt der Mitwirkung des Gekündigten erforderlich ist. Bei der Kündigung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach § 130 BGB mit ihrem Zugang wirksam wird. Bei der Kündigung können sich beide Seiten vertreten lassen, der Kündigende nach § 164 Abs. 1 BGB beim Ausspruch, der Gekündigte nach § 164 Abs. 3 BGB beim Empfang der Kündigung (vgl. BAG 29.10.1992 - Der Betrieb 1993, 541). Die einem Anwesenden ausgehändigte schriftliche Kündigung geht ihm mit der Übergabe zu, unabhängig davon, ob und wann der Gekündigte die Kündigungserklärung liest (vgl. BAG 16.02.1983, 7 AZR 134/81, AP BGB § 123 Nr. 22).Die einem Abwesenden erklärte Kündigung wird nach § 130 Abs. 1 BGB mit ihrem Zugang wirksam. Sie geht zu, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, dass der Empfänger von ihr Kenntnis erhält (BAG 02.03.1989, DB 1989, 2619). Der wirksame Zugang einer Willenserklärung setzt allerdings in all diesen Fallgruppen voraus, dass der Kündigungsadressat zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigungserklärung geschäftsfähig ist. Ist hingegen der Kündigungsadressat zum Zeitpunkt des Zuganges einer Kündigungserklärung nicht voll geschäftsfähig, so bestimmt sich das Wirksamwerden der Kündigungserklärung nach § 131 BGB. § 131 Abs. 1 BGB bestimmt, dass eine Willenserklärung, die einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben wird, nicht wirksam wird, bevor sie dem  gesetzlichen Vertreter zugeht. § 131 BGB normiert die Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen Willenserklärung, die gegenüber einem nicht voll Geschäftsfähigen abgegeben wird. Die Vorschrift bildet das Spiegelbild zu den Bestimmungen über die Abgabe einer Willenserklärung durch diesen Personenkreis und dient ebenfalls dessen Schutz. Die gegenüber einem Geschäftsunfähigen abzugebende Willenserklärung wird nach § 130 Abs. 1 BGB ebenso wenig durch Zugang an ihn wirksam, wie seine Willenserklärung gemäß § 105 Abs. 1 BGB wirksam ist. § 131 Abs. 1 BGB gilt für empfangsbedürftige Willenserklärungen, somit auch Kündigungserklärungen, sowie geschäftsähnliche Handlungen. Die gegenüber einem Geschäftsunfähigen abzugebende Willenserklärung wird wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Nach überwiegender Rechtsprechung und Kommentarliteratur muss die Erklärung gegenüber dem Vertreter abgegeben sein. Eine bloß zufällige Kenntnis des gesetzlichen Vertreters genügt nicht (vgl. Ahrens in BGB - Kommentar, Prütting-Wegen-Weinreich, § 131, Anmerkung 3, m. w. N. auf Rechtsprechung und Kommentarliteratur). Gemäß § 104 BGB ist unter anderem geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern der Zustand seiner Natur nach nicht ein vorübergehender ist. Generelle Geschäftsunfähigkeit liegt vor, wenn eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit mit einem gewissen Dauerzustand festzustellen ist. Hierbei können sowohl Geisteskrankheiten als auch Geistesschwäche den Begriff der krankhaften Störung der Geistestätigkeit ausfüllen. Wird die krankhafte Störung der Geistestätigkeit durch eine Geisteskrankheit ausgelöst, so ist die genaue medizinische Einordnung der Störung unerheblich. Es muss sich jedoch um einen Dauerzustand handeln. Dauerzustand bedeutet aber nicht, dass die krankhafte Störung der Geistestätigkeit zukünftig fortdauernd festgestellt werden müsste. Auch bei heilbaren Störungen, deren Heilung aber einen längeren Zeitraum beansprucht, ist die krankhafte Störung der Geistestätigkeit feststellbar. Aufgrund des durch die Kammer eingeholten Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. F. bestehen seitens der Kammer keinerlei Zweifel mehr daran, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigungserklärung vom 12.05.2006 geschäftsunfähig war und folglich die Kündigungserklärung der Beklagten den Kläger nicht rechtswirksam zugegangen ist. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten berührt der Rechtsstreit 4 Ca 1193/06 weder das Arbeitsverhältnis der Parteien noch den vorliegenden Rechtsstreit. Aufgrund der fehlenden Geschäftsfähigkeit konnte der Kläger seinen früheren Prozessbevollmächtigten nicht ordnungsgemäß mandatieren. Aufgrund der infolge der zum damaligen Zeitpunkt fehlenden Geschäftsfähigkeit bestand bezogen auf den Kläger bei Einleitung des Rechtsstreites 4 Ca 1193/06 keine Prozessfähigkeit. Sowohl Klageerhebung als auch Klagerücknahme haben daher bezogen auf das vorliegende Verfahren sowie bezüglich der Bewertung der gesetzlichen Fiktion gemäß § 7 KSchG keine Auswirkung. Darüber hinaus könnte die gesetzliche Fiktion des § 7 KSchG nur dann eintreten, wenn die Kündigung zuvor rechtswirksam zugegangen ist. Dies gerade muss vorliegend aber als nicht gegeben festgestellt werden. Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der gutachterlichen Folgerung und Feststellung zu zweifeln. Von einer weiteren Darstellung der vom Sachverständigen gemachten schriftlichen Begründung wird in Anbetracht dessen, dass auch beide Parteien von Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Zugang der Kündigungserklärung ausgehen, abgesehen. Bei dem Sachverständigen Prof. Dr. F. handelt es sich um einen in Fachkreisen äußerst anerkannten Sachverständigen, dessen Gutachten in gerichtlichen Verfahren immer wieder zur Entscheidungsfindung und -begründung herangezogen werden. Ansatzpunkte dafür, dass die vom Sachverständigen aufgrund der von ihm durchgeführten Untersuchungsgespräche sowie unter Berücksichtigung der durch das Arbeitsgericht C.-Stadt übersandten Unterlagen gewonnen Ergebnisse widersprüchlich und daher zu hinterfragen sind, hat die Kammer keine feststellen können. Die Kammer ist daher bei ihrer Entscheidung mit dem Sachverständigen davon ausgegangen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigungserklärung am 12.05.2006 aufgrund einer ihrer Natur nach nicht vorübergehenden krankhaften Störung der Geistestätigkeit in Gestalt einer akuten schizophrenen Psychose geschäftsunfähig war. Die dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung ist dem Kläger auch nicht durch Kenntniserlangung des durch das Amtsgericht E.-Stadt eingesetzten Betreuers rechtswirksam zugegangen. Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass der Betreuer anlässlich der Übernahme der Betreuung die mit Schreiben vom 12.05.2006 dem Kläger gegenüber erklärte Kündigung - nach eigenen Angaben - am 26.09.2007 zur Kenntnis genommen hat. Die gesetzlichen Vorgaben schreiben jedoch bezüglich des Wirksamwerdens einer Willenserklärung gegenüber einem Geschäftsunfähigen ausdrücklich vor, dass die Willenserklärung dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Insoweit wird - und ist nach Auffassung der Kammer - zum Schutz des Geschäftsunfähigen zu fordern, dass die Erklärung gegenüber dem Vertreter abgegeben sein muss. Insbesondere genügt eine bloß zufällige Kenntnis des Betreuers als gesetzlichem Vertreter nicht, den Eintritt der Wirksamkeit der Willenserklärung gegenüber dem Geschäftunfähigen zu bewirken. Soweit die Beklagte ihre diesbezüglich abweichende  Rechtsauffassung mit abweichenden Fundstellen aus Rechtsprechung und Literatur stützt, wird hierbei nach voller Überzeugung der Kammer unberücksichtigt gelassen, dass die Vorschrift des § 131 Abs. 1 BGB aufgrund der gesetzlichen Zweckbestimmung, nämlich dem Schutz des Geschäftsunfähigen, eng auszulegen ist, so das jegliche Zufälligkeit der Kenntniserlangung aus Gründen des Schutzes des Geschäftsunfähigen sowie der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ausgeschlossen sein muss. Aus der Tatsache, dass der Betreuer am 05.10.2007 eine  Feststellungsklage zum Arbeitsgericht C.-Stadt erhoben hat, kann gleichfalls kein anderes Ergebnis gewonnen werden. Der Betreuer hat die Beklagte nämlich mit Schreiben vom 25.09.2007 vor Klageerhebung angeschrieben und darauf hingewiesen, dass er von der Kündigung vom 12.05.2006 am gestrigen Tage Kenntnis erlangt habe. Des Weiteren hat der Betreuer ausgeführt, dass sich die Frage der Wirksamkeit der Kündigung stelle und die entsprechenden Fristen unter den besonderen Voraussetzungen des Schutzes des Geschäftsunfähigen zu prüfen seien. Schließlich hat der Betreuer zur Vermeidung einer jetzt wohl notwendigen erneuten Kündigungsschutzklage nachgefragt, inwieweit Interesse bestehe, die Angelegenheit zügig außergerichtlich zu regeln. Da eine außergerichtliche Regelung nicht erfolgt ist, hatte der Betreuer aufgrund seiner ihm übertragenen Verpflichtung die Aufgabe, die Unwirksamkeit der dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochenen Kündigung gerichtlich feststellen zu lassen. Die Klagebegründung vom 05.10.2007 nimmt ausdrücklich Bezug auf § 131 BGB und dem nicht wirksamen Kündigungszugang. Für die Kammer ist daher in keinster Weise erkennbar, dass dem Kläger aufgrund des Verhaltens seines Betreuers über den Grundsatz von Treu und Glauben rechtsmissbräuchliches Verhalten im Hinblick darauf vorgehalten werden kann, dass er zwar von der Kenntniserlangung der Kündigung und der möglichen Kündigungsschutzklage gesprochen habe, sich sodann aber mit Einleitung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens auf § 131 Abs. 1 ZPO und dessen Voraussetzungen berufe. Spätestens nach Zustellung der Klageschrift vom 05.10.2007 war für die Beklagte erkennbar, dass die Voraussetzungen des Wirksamwerdens einer Willenserklärung gegenüber einem Geschäftsunfähigen gemäß § 131 Abs. 1 BGB im vorliegenden Verfahren zu prüfen waren. Insoweit hätte die mit Schreiben vom 20.03.2008 nunmehr über den Betreuer dem Kläger gegenüber ausgesprochene vorsorgliche fristgemäße Kündigung zum 31.03.2009 bereits früher ausgesprochen werden können. Zumindest hätte die Beklagte die mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung dem Kläger nochmals über den Betreuer zugehen lassen können. Letzteres ist nicht geschehen, ersteres ist Auslöser für den in das Verfahren mit Schriftsatz vom 04.04.2008 eingeführten weiteren Kündigungsschutzantrag. Nach voller Überzeugung der Kammer kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Wiedererlangung der Geschäftsfähigkeit seitens des Klägers im Sommer 2008 dazu geführt hat, dass die ihm gegenüber mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochene ordentliche Kündigung nunmehr - nach Wegfall des Zuganghindernisses - zugegangen ist. Es handelt sich insoweit nämlich um eine rein akademische Fragestellung, da durch die Beklagte zwischenzeitlich das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.03.2008, dem Kläger rechtswirksam über seinen Betreuer am 25.03.2008 zugegangen, ordentlich zum 31.03.2009 aufgekündigt hat. Da insoweit der gesamte Lebenssachverhalt zur Begründung dieser Kündigung durch die Beklagte herangezogen wird, ist für den Bestand einer weiteren, späteren Kündigung kein Anhaltspunkt mehr gegeben. Die Beklagte hat nach Ansicht der Kammer vielmehr mit Ausspruch der vorsorglichen Kündigung zu erkennen gegeben, dass diese das Arbeitsverhältnis beenden soll, sollte die zunächst mit Schreiben vom 12.05.2006 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung nicht - zuvor - wirksam zugegangen sein. Ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten, ausgesprochen mit Schreiben vom 12.05.2006, aufgrund fehlendem rechtsverbindlichen Zuganges der Kündigungserklärung gegenüber dem Kläger nicht beendet worden, so besteht aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG, GS, NZA 1985, 702) für den rechtsunwirksam gekündigten Arbeitnehmer ein sogenannter - kündigungsrechtlicher - Weiterbeschäftigungsanspruch. Aufgrund dieses, durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes vorgegebenen - Weiterbeschäftigungsanspruches ist der Arbeitgeber nach erstinstanzlicher Feststellung der Unwirksamkeit einer umstrittenen Kündigung verpflichtet, den gekündigten Arbeitnehmer bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Diese Weiterbeschäftigungsverpflichtung entfällt, wenn das erstinstanzliche Urteil aufgehoben oder der Rechtsstreit rechtskräftig entschieden bzw. beendet wird. Darüber hinaus kann der Anspruch entfallen, wenn aufgrund eines neuen Lebenssachverhaltes ein neuer Beendigungstatbestand, der nicht offensichtlich unbegründet ist, eintritt. Ist dieser neue Lebenssachverhalt bei Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag erkennbar, muss er auch von der entscheidenden Kammer mitberücksichtigt werden. Bezogen auf den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers hatte die Kammer nicht zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt konkret die Geschäftsfähigkeit und damit die Einsatzfähigkeit des Klägers bei der Beklagten wieder eingetreten ist. Zumindest zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung war aufgrund der vom Kläger in Kopie vorgelegten Atteste (vgl. Attest des Dr. med. G... vom 19.08.2008 sowie fachärztliches Attest von Dr. G... vom 10.09.2008, vgl. Fotokopien Bl. 208 und 211 d. A.) davon auszugehen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kammerverhandlung am 05.11.2008 wieder arbeitsfähig und einsatzfähig war. Aus diesem Grunde war die Beklagte im Hinblick auf die Rechtsunwirksamkeit der mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochenen Kündigung zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites, längstens jedoch zunächst bis zum 31.03.2009 als Chemiker zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen. Einer Klageabweisung im Übrigen bedurfte es bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrages des Klägers nicht, denn der Kläger hat erkennbar allein den sogenannten kündigungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsantrag in das Verfahren eingebracht. Die diesbezüglich rechtlichen Grenzen waren bezogen auf diesen Antrag daher im Wege der Auslegung antragsbegrenzend durch die Kammer aufzunehmen. Nach alledem hatte die Kammer wie tenoriert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteilstenor festzusetzen. Im Hinblick auf die Beschäftigungsdauer des Klägers sowie die Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers war ein Betrag in Höhe eines durchschnittlichen vierfachen Bruttomonatsverdienstes in Ansatz zu bringen. Gegen diese Entscheidung kann die Beklagte entsprechend nachfolgender Rechtsmittelbelehrung Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einlegen. Für den Kläger ist kein Rechtsmittel gegeben. Gründe, die Berufung, soweit nicht bereits kraft Gesetzes statthaft, ausdrücklich zuzulassen, lagen keine vor. Das Arbeitsgericht C.-Stadt konnte über die Klageanträge Ziffer 1 und 3 aufgrund der Kammerverhandlung am 05.11.2008 abschließend entscheiden, da es sich um von dem übrigen Streitgegenstand des Verfahrens abgetrennte eigenständige Streitgegenstände handelt, in Bezug auf die eine gerichtliche Entscheidung unbeachtlich des mit dem Klageantrag zu 2. angesprochenen weiteren Streitgegenstandes möglich war. Dies war insbesondere auch bezüglich des gestellten Weiterbeschäftigungsantrages festzuhalten, da der hinter diesem Antrag stehende Weiterbeschäftigungsanspruch rechtlich definiert und insbesondere daran ausgerichtet ist, inwieweit weitere Lebenssachverhalte den Umfang des Antrages zeitlich eingrenzen. 



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