Arbeitsgericht Trier

Urteil vom - Az: 3 Ca 1880/00

Eigenmächtige Urlaubnahme (sog. Selbstbeurlaubung)

Die unberechtigte Selbstbeurlaubung eines Arbeitnehmers, insbesondere die Selbsbeurlaubung gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Arbeitgebers, ist ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es in der Regel nicht.

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. 

II. Die Klägerin trägt 3/4, die Beklagte 1/4 der Kosten des Rechtsstreits. 

III. Der Streitwert wird auf 9.400,- DM festgesetzt. 

 

Tatbestand 

Die am 22.07.1945 geborene, verheiratete Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.10.1998 als Näherin/Produktionshelferin beschäftigt.

Sie verdiente zuletzt etwa 2.300,- bis 2.400,- DM brutto monatlich.

Die Parteien schlossen einen schriftlichen Arbeitsvertrag in dessen Ziff. 9. auf einen Anhang verwiesen wird, in dem es u.a. heißt: Urlaubsanträge sind schriftlich bei der Geschäftsleitung einzureichen und zu genehmigen. Saisonbedingt Urlaubssperre ist vom 01.09. bis 15.12. und vom 15.01. bis Ostern des jeweiligen Jahres. Etwa Mitte Oktober fragte die Klägerin bei der Beklagten nach, ob ihr am 02. und 03.11.2000 Urlaub gewährt werden könne. Sie beantragte den Urlaub schriftlich und nannte der Beklagten eine Ersatzperson, die an den beiden Tagen ihre Arbeit übernehmen würde. Die Beklagte lehnte den Antrag im Hinblick auf die Urlaubssperre und den hohen Auftragsbestand klar ab. Zur Begründung des Urlaubsantrages wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass ihr und ihrem Ehemann anlässlich des 60. Geburtstages des Ehemannes eine Urlaubsreise geschenkt worden sei, die vom 01. bis 05.11.2000 andauern sollte. Am 31.10.2000 fragte die Klägerin nochmals nach, ob ihr der Urlaub genehmigt würde. Die Beklagte lehnte den Urlaubsantrag erneut ab. Dennoch fuhr die Klägerin in der Zeit vom 01. bis 05.11.2000 mit ihrem Ehemann in Urlaub. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 06.11.2000 fristlos „wegen eigenmächtiger Urlaubsnahme in der Zeit vom 02./03.11.2000“ und zusätzlich ordentlich zum nächst zulässigen Zeitpunkt.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigungen und verlangt Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses. 

Sie trägt vor:
Die Urlaubsreise sei ihr und ihrem Ehemann von dessen Kindern geschenkt worden. Die Reise sei nicht verschiebbar gewesen. 

Die Klägerin beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 06.11.2000, zugegangen am selben Tage, beendet worden ist. 

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt. 

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 

Hilfsweise beantragt sie,
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziff. 1. beantragt sie, die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Näherin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen. 

Die Beklagte beantragt
Klageabweisung. 

Sie trägt vor:
Wenige Tage vor dem ersten Urlaubsantrag der Klägerin seien die Urlaubsanträge zweier anderer Mitarbeiterinnen wegen der Urlaubssperrklausel und des hohen Auftragsbestandes abgelehnt worden. Als die Klägerin zum zweiten Mal nach Urlaub gefragt habe, sei ihr gegenüber klar zum Ausdruck gebracht worden, dass die eigenmächtige Urlaubsnahme unweigerlich eine fristlose Kündigung zur Folge habe. Die Klägerin habe hierauf sogar geantwortet, „das ist mir durchaus bekannt“. Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt ihrer vorbereitenden Schriftsätze und ihre Erklärungen zu Gerichtsprotokoll verwiesen.

 

Entscheidungsgründe 

Die Klage ist überwiegend unbegründet.

Die fristlose Kündigung vom 06.11.2000 ist rechtswirksam nach § 626 BGB. Die unberechtigte Selbstbeurlaubung eines Arbeitnehmers insbesondere die Selbsbeurlaubung gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Arbeitgebers ist ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 16.03.2000 2 AZR 75/99, Seite 7 der Gründe). Einer vorherigen Abmahnung bedarf es in der Regel nicht (KR Fischermeier 5. Aufl. Randziff. 452 zu § 626 BGB m.w.N.).

Unstreitig hat die Klägerin an zwei Arbeitstagen eigenmächtig Urlaub genommen, obwohl ihr der Urlaub von der Beklagten zweimal ausdrücklich abgelehnt worden ist. Die Klägerin hat damit vorsätzlich ihre Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag in erheblicher Weise verletzt. Unter diesen Umständen bedurfte es weder einer Abmahnung, noch eines Hinweises durch die Beklagte auf die Folgen der eigenmächtigen Urlaubsnahme, denn die Vertragsverletzung war ganz offensichtlich. Die Beklagte hat den Urlaubsantrag der Klägerin auch nicht grundlos oder willkürlich abgelehnt. Vielmehr bestand zum Zeitpunkt des vorgesehenen Urlaubs eine saisonbedingte Urlaubssperre, die der Klägerin bekannt sein musste, weil sie in einem Anhang zu ihrem Arbeitsvertrag festgelegt war. Von dieser Urlaubssperre konnte die Beklagte auch im Hinblick auf mögliche Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer im Einzelfall ohne trifftige Gründe nicht abweichen. Es bedurfte unter diesen Umständen nach Auffassung der Kammer keiner Beweisaufnahme darüber, ob die Beklagte kurz zuvor tatsächlich die Urlaubsanträge zweier Arbeitnehmerinnen im Hinblick auf die saisonbedingte Urlaubssperre abgelehnt hat. Auch die erforderliche umfassende Abwägung der Interessen beider Vertragsteile führte zu keinem anderen Ergebnis. Die Auffassung der Klägerin, dass ihr noch offener Jahresurlaubsanspruch von 8,5 Tagen zu verfallen drohte, wenn ihr nicht am 02. und 03.11. Urlaub gewährt wurde, ist nicht richtig. Da die saisonbedingte Urlaubssperre bis zum 15.12. des Jahres dauerte, hätte die Klägerin ohne weiteres für die Zeit danach den noch offenen Urlaub beantragen können, ohne dass dieser verfiel. Im Zweifel war der Urlaub, soweit er im Jahre 2000 aus betrieblichen Gründen nicht gewährt werden konnte, auch auf das Urlaubsjahr 2001 zu übertragen. 

Die Tatsache, dass sich die Klägerin nur für zwei Urlaubstage selbst beurlaubt hat, ändert nichts an der grundsätzlichen Schwere der Verfehlung. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass die Klägerin den Urlaub wegen einer geschenkten Urlaubsreise beantragt hat. Auch sonstige Umstände, wie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und anderes sprechen nicht entscheidend gegen die Berechtigung der fristlosen Kündigung. Da das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung beendet worden ist, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung. Jedoch ist der Klageantrag zu 4. begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 630 BGB einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, nachdem das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 06.11.2000 beendet worden ist und sie zumindest mit der Klage auch die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses von der Beklagten verlangt hat.

Die Kosten des Rechtsstreites waren nach § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 3 ZPO. 



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