Arbeitsgericht Trier

Urteil vom - Az: 3 Ca 880/11

Tarifunfähigkeit der CGZP - "Equal-Pay"-Ansprüche und Ausschlussfristen

1. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne ist jedenfalls dann (noch) nicht gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, wenn sämtliche Einzeltarifverträge des mehrgliedrigen Tarifvertrages wortidentisch in einer einzigen Vertragsurkunde enthalten sind und es daher inhaltlich nur „ein“ Regelungswerk gibt.

2. Vertragliche Ausschlussfristen für Ansprüche auf „equal pay“, die infolge der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) erhoben werden, beginnen spätestens mit dem Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 (23 TaBV 1016/09) zu laufen.
(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3.) Der Streitwert wird auf 67.134,69 € festgesetzt.

4.) Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche auf "equal pay" nach § 10 Abs. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG.

Der Kläger ist seit dem 10.04.2006 bei der Beklagten beschäftigt, einem Unternehmen der Zeitarbeitsbranche, welches Arbeitnehmer mit behördlicher Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen vom 24.03.1977 gemäß den Regelungen des AÜG "verleiht". Ab dem 10.06.2006 wurde er von der Beklagten bei der U Niederlassung B-Stadt (im Folgenden: Entleiher) als Stromableser eingesetzt, seine spätere Tätigkeit ist zwischen den Parteien streitig. Der Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:

"1. ... Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach den zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).

6.4 Die Vergütung wird nach Abzug der gesetzlichen Beiträge, wie Steuern und Sozialversicherung, monatlich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein vom Mitarbeiter anzugebendes Konto überwiesen...

14. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten..."

Nach dem Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 (23 TaBV 1016/09), in welchem dieses der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) die Tariffähigkeit absprach, schloss der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) am 15.03.2010 mit der CGZP, der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV, dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) sowie der Gesundheitsgewerkschaft medsonet auf Gewerkschaftsseite einen Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV CGB) - gemäß dessen Ziffer 25 größtenteils rückwirkend zum 01.01.2010 - , der auszugsweise wie folgt lautet:

"Präambel

Die zwischen AMP und CGZP abgeschlossenen Tarifverträge, und zwar Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifverträge West und Ost, Manteltarifvertrag für die Auszubildenden sowie Beschäftigungssicherungstarifvertrag werden nunmehr auf Arbeitnehmerseite neben der CGZP auch von CGM, DHV, BIGD, ALEB und medsonet jeweils als selbstständige Tarifvertragspartei abgeschlossen. Die Tarifverträge sind also jeweils ein "mehrgliedriger Tarifvertrag im engeren Sinne" und nicht ein "Einheitstarifvertrag" im Sinne der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Jede Tarifvertragspartei kann ihre Rechte hinsichtlich des jeweiligen Tarifvertrages (z.B. Kündigung, Vereinbarung von Änderungen der tarifvertraglichen Bestimmungen) selbstständig und unabhängig von den übrigen Tarifvertragsparteien ausüben."

19.2 Beide Arbeitsvertragsparteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.

19.3 Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutender Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten.

19.4 Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

Am 26.04.2010 trafen die Parteien folgende schriftliche "Zusatzvereinbarung":

"Zwischen den Vertragsparteien besteht Einigkeit, dass ab dem 01.01.2010 ... auf das bestehende Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Diese bestehen derzeit aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV). Der Tarifvertragspartner CGB tritt somit an die Stelle der unter Ziffer 1. des geschlossenen Arbeitsvertrages genannten Tarifvertragspartei Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP)."

Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) die o. g. Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zur Tarifunfähigkeit der CGZP bestätigt hatte, machte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 25.02. und 03.03.2011 rückwirkend ab 01.01.2007 Zahlungsansprüche nach § 16 des beim Entleiher geltenden Manteltarifvertrages der Tarifgruppe U (im Folgenden: MTV U) i.V.m. der dort benannten Vergütungsordnung geltend, ferner für die Jahre 2007 bis 2010 Weihnachts- und Sonderzuwendungen ("Urlaubsgeld") nach §§ 10, 11 MTV U sowie Fahrtkostenerstattung/Kilometergeld für die Jahre 2006, 2007, 2009 und 2010. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 18.03.2011 jegliche Zahlung ab, woraufhin der Kläger Klage erhoben hat.

Der Kläger vertritt die Ansicht, nach Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das Bundesarbeitsgericht laufe die arbeitsvertragliche Verweisung auf die mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge leer, weshalb er gemäß § 10 Abs. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG Anspruch auf Vergütung zu den im Entleiherbetrieb gültigen Bedingungen habe, namentlich dem MTV U einschließlich Vergütungsordnung. Hierzu behauptet er, er sei für seine Tätigkeit als Stromableser beim Entleiher ab dem 10.06.2006 (hiervon eingeklagt ab 01.01.2007) bis 30.06.2007 wie alle anderen dortigen Stromableser nach Vergütungsgruppe B 1 (abgesenkte Lohnstufe) i.H.v. 2.102,00 € brutto pro Monat zu entlohnen. Für seine ab 01.07.2007 anschließende Tätigkeit im Kombiaußendienst (KAD) sei er wie die anderen KADler des Entleihers nach Vergütungsgruppe B 2 (abgesenkte Lohnstufe) zu entlohnen, was bis zum 31.12.2007 einem monatlichen Bruttogehalt von 2.281,00 € entspreche, für die Zeit 01.01. - 31.12.2008 von 2.370,00 €, für die Zeit 01.01. - 31.12.2009 (infolge einer Höherstufung innerhalb der VGr B 2 nach zweijähriger dortiger Tätigkeit in die Erfahrungsstufe 1) von 2.786,00 €, für die Zeit 01.01. - 31.10.2010 von 2.846,00 €, ab 01.11.2010 infolge einer Tariflohnerhöhung bis 30.06.2011 von 2.944,00 € und für die Zeit 01.07. - 31.10.2011 (infolge einer weiteren Höherstufung innerhalb der VGr B 2 nach weiterer zweijähriger dortiger Tätigkeit in die Erfahrungsstufe 2) von 3.057,00 €. Die Weihnachtszuwendungen nach § 10 MTV U begehrt er in Höhe eines Bruttomonatsgehalts, für die Jahre 2007 und 2008 i.H.v. jeweils 2.518,00 € und für die Jahre 2009 und 2010 i.H.v. jeweils 2.846,00 €. Die Sonderzuwendung nach § 11 MTV U beziffert er für die Jahre 2007 bis 2010 mit 300,00 €, 321,00 €, 341,00 € und 353,00 €. Hinsichtlich der Fahrtkosten behauptet er, die Beklagte hätte ihm für die mit seinem Privat-PKW zurückgelegten Dienstfahrten statt der gezahlten 0,20 € pro Kilometer richtigerweise 0,32 € pro Kilometer erstatten müssen, da diesen Betrag auch der Entleiher an die vergleichbaren Mitarbeiter zahle.

Selbst wenn er die im MTV U genannten Voraussetzungen für eine entsprechende Eingruppierung nicht erfüllen würde, ergäbe sich sein Anspruch jedenfalls aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, da im Entleiherbetrieb sämtliche Stromableser nach VGr B 1 und sämtliche KADler nach VGr B 2 vergütet würden, und zwar unabhängig von ihrer jeweiligen Vor-/Ausbildung, da es hierzu interne Schulungen gebe, welche er alle absolviert habe und die dem Entleiher genügten. Auf Ausschlussfristen könne sich die Beklagte nicht berufen, da die diesbezügliche arbeitsvertragliche Regelung von zwei Monaten (1. Stufe) und einem Monat (2. Stufe) unwirksam sei. Auch die in Ziffer 19 des MTV CGB vom 15.03.2010 enthaltene Verfallregelung komme nicht zur Anwendung, da die diese in Bezug nehmende arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung vom 26.04.2010 unwirksam sei, denn sie benenne als Tarifpartner fälschlicherweise "den CGB", was aber missverständlich sei und daher gemäß §§ 307 ff. BGB zu Lasten der Beklagten gehe. Auch sei keiner der geltend gemachten Ansprüche verjährt, da die Verjährungsfrist erst mit Bekanntgabe der Entscheidungsgründe des BAG-Beschlusses vom 14.12.2010 zu laufen begonnen habe.

Nach mehreren Klageänderungen, -korrekturen und -erweiterungen hat der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn

1. 13.926,00 € brutto, abzüglich gezahlter 10.763,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 zu zahlen,

2. 15.108,00 € brutto, abzüglich gezahlter 10.111,78 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 zu zahlen,

3. 30.216,00 € brutto, abzüglich gezahlter 22.079,74 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen,

4. 34.152,00 € brutto, abzüglich gezahlter 23.061,11 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2010 zu zahlen,

5. 10.599,99 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen,

6. 10.728,00 € brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

7. 1.315,00 € brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

8. 6.818,28 € netto seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

9. 4.672,48 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

10. 1.444,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

11. 1.740,11 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

12. 875,38 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2011 zu zahlen,

13. 1.117,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2011 zu zahlen,

14. 437,40 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Klage zunächst als unschlüssig. Weder habe der Kläger vorgetragen, dass und warum er in VGr B 1 bzw. B 2 einzustufen oder mit den nach diesen Vergütungsgruppen zu entlohnenden Arbeitnehmern des Entleihers vergleichbar sein solle, noch habe er dargelegt, warum er aus der abgesenkten Lohnstufe eine Höherstufung nach zwei Jahren nicht in die Basisstufe, sondern direkt in die Erfahrungsstufe 1 sowie nach zwei weiteren Jahren in die Erfahrungsstufe 2 beanspruchen können solle. Jedenfalls habe er die von § 16 MTV U verlangten Eingruppierungsvoraussetzungen wie insbesondere Kenntnisse einer abgeschlossenen Ausbildung in einer einschlägigen Fachrichtung nicht dargelegt. Zudem beziehe sich das in der Vergütungsordnung ausgewiesene Bruttomonatsgehalt in Anlehnung an den MTV U auf eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden, wohingegen er nach seinem Arbeitsvertrag nur 35 Stunden pro Woche zu leisten habe.

Im Übrigen habe das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 14.12.2010 eine Tarifunfähigkeit der CGZP nur gegenwartsbezogen festgestellt, weshalb - auch aus Gründen des Vertrauensschutzes - eine Unwirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen und hier in Bezug genommenen Tarifverträge jedenfalls für die Zeit vor dem 14.12.2010 nicht ersichtlich sei. Ab 01.01.2010 gelange ohnehin der mit Zusatzvereinbarung vom 26.04.2010 in Bezug genommene MTV CGB zur Anwendung, sodass für eine Geltung der Entleihertarifverträge kein Raum verbleibe. Zudem seien für die Zeit vor 2010 sämtliche eventuellen Ansprüche verfallen, da der Kläger sie erst im Jahre 2011 und damit außerhalb der Ausschlussfristen des MTV CGB geltend gemacht habe. Ab 01.05.2011 gelte ohnehin das Tarifwerk zwischen dem Bundesverband Zeitarbeitspersonaldienstleistungen e.V. (BZA) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (DGB). Schließlich seien etwaige Ansprüche für die Jahre 2006 und 2007 auch verjährt, da es für den Beginn des Fristlaufs auf den objektiven Entstehungszeitpunkt der betreffenden Ansprüche ankomme, welcher im Arbeitsvertrag mit dem 20. des jeweiligen Folgemonats benannt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Parteien haben den MTV CGB wirksam in Bezug genommen. Dieser steht "equal pay"-Ansprüchen des Klägers ab dem 01.01.2010 als "abweichender Tarifvertrag" i.S.v. § 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG entgegen. Etwaige Ansprüche bis 31.12.2009 sind infolge der nicht beachteten Ausschlussfristen des MTV CGB verfallen.

I.

Dies gilt zunächst für die eingeklagten (Differenz-)Lohnansprüche.

1. Die Parteien haben mit ihrer Zusatzvereinbarung vom 26.04.2010 den MTV CGB wirksam in Bezug genommen.

a) Eine Bezugnahmeklausel unterliegt von vornherein gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur einer eingeschränkten Wirksamkeitskontrolle, da sich ihr Regelungsgehalt auf die Verweisung als solche beschränkt und die Beklagte sich auch kein einseitiges Abänderungsrecht eingeräumt hat (vgl. dazu BAG 15.04.2008 NZA-RR 2008, 586, 594; 10.12.2008 NZA-RR 2010, 7, 12; 16.02.2010 NZA 2011, 42, 46). Ob und inwieweit der Wirksamkeit des arbeitsvertraglichen Tarifwechselvorbehalts Bedenken entgegenstehen, kann offen bleiben, da die Beklagte von diesem keinen Gebrauch gemacht hat.

b) Allerdings hat auch eine Verweisungsklausel gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB dem Transparenzgebot zu genügen. Dies ist vorliegend noch der Fall.

aa) Ihre Ausgestaltung als (auch große) dynamische Verweisung ist als im Arbeitsrecht und Arbeitsleben gebräuchliche Regelungstechnik sowie angesichts der Zukunftsgerichtetheit des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig und begründet für sich genommen noch keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot (BAG 15.04.2008 NZA-RR 2008, 586, 594; 24.09.2008 NZA 2009, 154, 157 f.; 10.12.2008 NZA-RR 2010, 7, 12; 16.02.2010 NZA 2011, 42, 46).

bb) Ebenso wenig kann der Kläger geltend machen, die Zusatzvereinbarung benenne missverständlich "den Tarifvertragspartner CGB", da sie vorher ausdrücklich auf die Tarifverträge zwischen dem Arbeitgeberverband (AMP) und "den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB)" verweist. Damit ist der CGB als Sammelbegriff und gerade nicht als eigenständige Tarifvertragspartei auf Arbeitnehmerseite erkennbar.

cc) Als problematisch erweist sich dagegen der Umstand, dass die Verweisung auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne Bezug nimmt und damit streng genommen auf mehrere Einzeltarifverträge. Angesichts dessen halten mehrere Stimmen im Schrifttum eine solche Verweisungsklausel mit guten Gründen für intransparent und damit rechtsunwirksam (so etwa LAG Berlin-Brandenburg 20.09.2011 - 7 Sa 1318/11; ArbG Lübeck 15.03.2011 - 3 Ca 3147/10; ArbG Frankfurt/Oder 09.06.2011 - 3 Ca 422/11; Heimann, AuR 2012, 50, 53 f.).

Dennoch vermochte sich die Kammer dem vorliegend mit der Gegenansicht (Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27, 33 ff.; Bayreuther, NZA 2012, 14, 17; Lützeler/Bissels, DB 2011, 1636, 1639; Lembke, NZA 2011, 1062, 1065) nicht anzuschließen.

Trotz der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte der Parteien war weder bei Abschluss der Zusatzvereinbarung noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unklar, welche tariflichen Regelungen von der Verweisung erfasst sein sollten. Zwar mag es mehrere mit den jeweiligen Einzelgewerkschaften geschlossene Tarifverträge geben, da es sich nicht nur nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 08.11.2006 NZA 2007, 576, 577; 07.05.2008 AP Nr. 45 zu § 1 TVG) im Zweifel, sondern vorliegend auch nach der ausdrücklich hierauf hinweisenden Präambel des MTV CGB um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne handelt, weshalb die Zusatzvereinbarung auch nicht auf einen Tarifvertrag, sondern auf "die Tarifverträge" verweist. Sämtliche Tarifverträge sind jedoch inhaltsgleich, da die Tarifpartner wohl lediglich die vom LAG Berlin-Brandenburg angenommene Tarifunfähigkeit der CGZP auffangen und daher auf Gewerkschaftsseite (jedenfalls auch) tariffähige Vertragspartner etablieren wollten. Rein äußerlich handelt es sich um eine Vertragsurkunde. Zwar mag sich das Schicksal der einzelnen Tarifverträge in Zukunft unterschiedlich weiter entwickeln. Bislang existiert inhaltlich jedoch lediglich ein Manteltarifvertrag mit einer Ausschlussfristenregelung. Sinn und Zweck des Transparenzgebotes ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu verhindern, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (BAG 15.04.2008 NZA-RR 2008, 586, 594; 24.09.2008 NZA 2009, 154, 157; 10.12.2008 NZA-RR 2010, 7, 12). Davon kann aber keine Rede sein, solange es nur einen identischen Tarifvertragstext und eine Ausschlussklausel gibt, da sich eine Unklarheit dann allenfalls darauf beziehen kann, aus welchem der Tarifverträge das jeweils gleiche Ergebnis konkret folgt (so zutr. ArbG Mainz 29.11.2011 - 6 Ca 755/11; Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27, 33). Auch der Kläger hat nicht vorgetragen, worüber die Beklagte ihn im Unklaren gelassen haben soll und von der Ausübung welcher Rechte er gerade durch die Formulierung der Zusatzvereinbarung abgehalten worden sein will, zumal sein Arbeitsvertrag noch kürzere Ausschlussfristen als der MTV CGB vorsieht.

Zudem kommt es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Beurteilung der Intransparenz darauf an, ob die in Bezug genommenen Regelungen im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Anwendung hinreichend bestimmbar sind (BAG 14.03.2007 AP Nr. 45 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; 03.04.2007 AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2l; 15.04.2008 NZA-RR 2008, 586, 594; 24.09.2008 NZA 2009, 154, 158; 16.02.2010 NZA 2011, 42, 46). Da aber bislang lediglich "mehrere" inhaltsgleiche in einer Urkunde zusammengefasste Manteltarifverträge existieren - keine der Parteien hätte eine zwischenzeitliche Änderung behauptet -, sind die Bestimmungen unter Ziffer 19 des Manteltarifvertrages/der Manteltarifverträge im Zeitpunkt ihrer Anwendung hinreichend klar und bestimmt (Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27, 33). Ob sich hieran in Zukunft evtl. einmal etwas ändert, mag offen sein, führt aber angesichts der wortidentischen Bestimmungen nicht zu einer jetzt sozusagen vorgegriffenen Unklarheit (hierzu ausf. Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27, 34 ff.).

Unabhängig hiervon lässt sich der Verweisung auf "die Tarifverträge" auch entnehmen, welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis jeweils Anwendung finden soll, nämlich derjenige, in dessen Geltungsbereich hinein der Arbeitnehmer verliehen wird (dies betonen Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27, 32 ff. und Bayreuther, NZA 2012, 14, 17; hiergegen LAG Berlin-Brandenburg 20.09.2011 - 7 Sa 1318/11), wie auch das Bundesarbeitsgericht im Zweifel denjenigen Tarifvertrag zur Anwendung bringen will, der dem Arbeitsverhältnis aus Sicht der Vertragsparteien am nächsten steht (BAG 07.05.2008 AP Nr. 45 zu § 1 TVG; 27.01.2010 - 4 AZR 591/08).

c) Die Zusatzvereinbarung der Parteien vom 26.04.2010 erwies sich damit unter den gegebenen Umständen als wirksam. Insbesondere stellt sich nicht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auf einen unwirksamen Tarifvertrag verwiesen werden kann, da die Wirksamkeit des MTV CGB als mehrgliedrigem Tarifvertrag im engeren Sinne nicht von einer (auch rückwirkend einmal unterstellten) Tarifunfähigkeit der CGZP abhängt (vgl. BAG 15.11.2006 NZA 2007, 448, 451; LAG Düsseldorf 08.12.2011 - 11 Sa 852/11; Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Aufl. 2007, § 2 Rn. 17; Bayreuther, NZA 2012, 14, 18; Lembke, NZA 2011, 1062, 1065).

2. Folglich scheiden Ansprüche auf Zahlungen nach dem MTV U ab 01.01.2010, jedenfalls aber ab 26.04.2010, aus, da mit dem MTV CGB "ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen" im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 2, § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG trifft. Ansprüche des Klägers auf equal pay sind damit gesperrt.

3. Eventuelle bis dahin entstandene Ansprüche sind gemäß Ziffer 19.2-4 MTV CGB verfallen. Diese gemäß Ziffer 6.4 des Arbeitsvertrages spätestens zum 20. des Folgemonats fällig gewordenen Vergütungsansprüche hat der Kläger erstmals mit Schreiben vom 25.02.2011 und damit deutlich zu spät geltend gemacht. Hinsichtlich ihres Wortlauts erfasst die tarifliche Verfallklausel "sämtliche" Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch solche, die bereits vor dem 01.01.2010 bestanden haben mögen (so ausdr. und naheliegend ArbG Düsseldorf 06.06.2011 - 4 Ca 8180/10; LAG Düsseldorf 08.12.2011 - 11 Sa 852/11).

Der Lauf der Ausschlussfristen begann auch nicht erst mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010.

Grundsätzlich wird ein Anspruch dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn wenigstens annähernd beziffern kann und entsprechend der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB sowohl von der Person des Schuldners wie auch von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Insoweit genügt es, dass der Gläubiger den Hergang des Geschehens in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet (Stoffels, NZA 2011, 1057, 1059; Bissels, jurisPR-ArbR 6/2012 Anm. 5). Der Kläger war vorliegend stets in der Lage, seinen Schuldner (die Beklagte) zu kennen und seine in objektiver Hinsicht fälligen Ansprüche nach dem MTV U zu beziffern. Sofern er sich über die Wirksamkeit des in der Zusatzvereinbarung in Bezug genommenen MTV CGB geirrt haben sollte, stellt dies keinen Irrtum über anspruchsbegründende Tatsachen dar - der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung ist ohnehin nicht geschützt (BAG 15.11.2006 NZA 2007, 448, 451; ErfK/Franzen, 12. Aufl. 2012, § 2 TVG Rn. 5; Wiedemann/Oetker, § 2 Rn. 15) - , sondern einen grundsätzlich unbeachtlichen Rechtsirrtum (LAG Düsseldorf 08.12.2011 - 11 Sa 852/11; Sächsisches LAG 23.08.2011 - 1 Sa 322/11). Ein solcher wäre allenfalls dann beachtlich, wenn der Kläger ihm unverschuldet unterlegen wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Die Beteiligung der CGZP an den Tarifvertragsschlüssen auf Arbeitnehmerseite war ihm bereits aus seinem Arbeitsvertrag bekannt. Sowohl die öffentliche Diskussion in den Medien über die Tariffähigkeit der CGZP wie auch die fachspezifische in der juristischen Literatur setzte bereits früh ein (dies betonen Sächsisches LAG 23.08.2011 - 1 Sa 322/11; Stoffels, NZA 2011, 1057, 1059) und bot spätestens ab der Entscheidung des ArbG Berlin vom 01.04.2009 (35 BV 1708/08), allerspätestens aber ab der diese bestätigenden zweitinstanzlichen Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 (23 TaBV 1016/09) hinreichenden Anlass, von einer möglichen Unwirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge wegen deren Tarifunfähigkeit auszugehen (LAG Düsseldorf 08.12.2011 - 11 Sa 852/11; Sächsisches LAG 23.08.2011 - 1 Sa 322/11; ArbG Stade 28.06.2011 - 2 Ca 21/11; a.A. LAG Berlin-Brandenburg 20.09.2011 - 7 Sa 1318/11; ArbG Frankfurt/Oder 09.06.2011 - 3 Ca 422/11).

Damit hätte die Ausschlussfrist jedenfalls mit der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg begonnen. Die Geltendmachung der Lohnansprüche durch den Kläger erst im Februar 2011 erfolgte daher zu spät, er war nicht i.S.v. Ziffer 19.3 des MTV CGB "trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert", die Ausschlussfristen zu beachten und einzuhalten.

4. Aus den vorgenannten Gründen kam es nicht mehr darauf an, dass der Kläger für das Jahr 2008 unter Berufung auf die "Tarif-Info Nr.10" der Gewerkschaft ver.di vom 18.01.2008 ein Bruttomonatsgehalt mit 2.370,00 EUR beziffert, seinem Schriftsatz vom 02.11.2011 dagegen eine Vergütungstabelle beigefügt hat, die lediglich einen Betrag von 2.212,00 EUR anführt.

II.

Entsprechend obigen Ausführungen waren die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung einer Sonderzuwendung nach § 10 MTV U ebenfalls abzuweisen. Auch hier konnte dahinstehen, dass der Kläger die von ihm mit Schriftsatz vom 02.11.2011 herabgesetzte begehrte Bruttomonatsvergütung bei seinen Anträgen auf Zahlung der Weihnachtszuwendungen 2007 bis 2009 nicht berücksichtigt hat.

III.

Gleichfalls aus den unter I. genannten Gründen abzuweisen waren die Ansprüche auf Zahlung einer Sonderzuwendung nach § 11 MTV U. Hier konnte dahinstehen, warum der Kläger für das Jahr 2009 einen Betrag von 341,00 EUR und für 2010 von 353,00 EUR begehrt, obwohl die von ihm selbst als Anlage zum Schriftsatz vom 29.08.2011 eingereichte Mitteilung der Gewerkschaft ver.di (Bl. 97 d.A.) ab 01.01.2009 334,00 EUR und ab 01.01.2010 341,00 EUR ausweist; dem ab 01.11.2010 zu zahlenden Betrag von 353,00 EUR dürfte für die gemäß § 11 Nr. 1 MTV U jährlich bis spätestens Juni zu zahlende Sonderzuwendung hinsichtlich des Jahres 2010 noch keine Bedeutung zukommen.

IV.

Auch die vom Kläger geltend gemachten Kilometergeldansprüche sind zum einen größten Teils nach den tariflichen Ausschlussfristen verfallen. Zwar hat er Ansprüche nicht aus dem MTV U hergeleitet. Die Verfallklausel erfasst aber "sämtliche" Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Zum anderen hat er trotz Bestreitens der Beklagten seinen Anspruch nicht näher begründet, sondern sich darauf beschränkt, in der Klageschrift mit einem Satz pauschal zu behaupten, an "die vergleichbaren Mitarbeiter im Entleiherbetrieb (würden) 0,32 € Kilometergeld gezahlt", und selbst diesen unsubstantiierten Vortrag hat er nicht unter Beweis gestellt. Daher war die Klage auch insoweit abzuweisen.

V.

Damit konnte dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich die Eingruppierungsvoraussetzungen für die Vergütungsgruppen B 1 und B 2 MTV U erfüllt und insbesondere eine Vergütung nach den Erfahrungsstufen 1 und 2 zu Recht beansprucht. Ebenso bedurfte die Frage der (teilweisen) Verjährung der Ansprüche (hierzu ausführlich und instruktiv Stoffels, NZA 2011, 1057 ff. m.w.N.) keiner näheren Erörterung.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

C. Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.



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