Arbeitsgericht Trier

Urteil vom - Az: 3 Ca 1013/11

(Teil-)Rechtswidrigkeit einer unkonkreten Sammelermahnung

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der eine sog. Sammelabmahnung schon dann insgesamt aus den Personalakten des Arbeitnehmers zu entfernen ist, wenn nur einer der in ihr enthaltenen Vorwürfe nicht zutrifft, kann auf eine vom Arbeitgeber ausgesprochene und zu den Personalakten des Arbeitnehmers genommene schriftliche „Ermahnung“ übertragen werden.
Auch in einer solchen „Ermahnung“ hat der Arbeitgeber das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Fehlverhalten so konkret aufzuführen, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, aus welchem Grund er nach Ansicht des Arbeitgebers gegen welche Pflicht verstoßen haben soll.

Tenor:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 31.05.2011 erteilte Ermahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte alle damit im Zusammenhang stehenden Schreiben zu entfernen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.) Der Streitwert wird auf 3.724,00 € festgesetzt.

4.) Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

 

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer Ermahnung.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.08.1971 als Lehrkraft am Landesuntersuchungsamt (Standort B-Stadt) beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt lag zuletzt bei 3.724,00 Euro. Zudem fungierte er als Koordinator für die MTA-Schulzweige an den Gesundheitsfachschulen ..., zu dessen Aufgaben unter anderem die Mitwirkung bei der Semester-/Lehrgangsplanung sowie die Vereinheitlichung der Prüfungsbedingungen und -durchführung zählen.

Am 07.10.2009 bemängelte der Schulleiter der MTA-Schule C-Stadt, Herr T, gegenüber den dortigen Lehrkräften S und R, weder er noch der Kläger seien über Verschiebungen im Stundenplan informiert worden. Hierauf erwiderte Frau R mit Mail vom 09.10.2009, sie habe dem Kläger den geänderten Stundenplan am 07.09.2009 um 15.47 Uhr zugemailt, ihm am 08.09. telefonisch den Sachverhalt geschildert, und die Änderungen in das Programm Easy-Soft eingegeben wie auch im Klassenbuch markiert, wie es in solchen Fällen vorgesehen sei.

Am 17.05.2010 wurde in einer Sitzung beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) unter anderem dem Kläger das Prozedere der Notenfindung für das Examen an der MTA-Schule C-Stadt erläutert und im Nachgang in einer Mail an ihn vom 18.05.2010 noch einmal zusammengefasst festgehalten, insbesondere Neuerungen im Vergleich zum Vorjahr. Noch am 17.05.2010 teilte er den Dozenten der MTA-Schule C-Stadt in einer sich an die LSJV-Sitzung anschließenden Notenkonferenz CDs zur Notenfindung im Examen aus, die dem alten Verfahren entsprachen. Erst am 31.05.2010 informierte er sie über die Neuerungen und erklärte, von diesen erst nach der Notenkonferenz erfahren zu haben.

Am 28.05.2010 brachten drei Schülervertreterinnen der MTA-Schule C-Stadt gegenüber ihrer Schulleitung Kritik an der Lehrkraft S zum Ausdruck. Als seitens der Schulleitung keine sichtbare Reaktion erfolgte, bat Frau S über ihre Rechtsanwältin um Aufklärung, woraufhin am 04.10.2010 ein weiteres Gespräch mit den Schülervertreterinnen erfolgte. Ergebnis war, dass die betreffende Klasse und Frau S „einen Schlussstrich zogen“ und für die weitere Zusammenarbeit eine „Zielvereinbarung“ trafen, woraufhin sich die Situation beruhigte. Am 03.11.2010 traf sich der Kläger mit den Schülervertreterinnen auf deren Wunsch hin zu einem Gespräch, welches in einem außerhalb des Schulgeländes befindlichen Cafe stattfand. Die Schülervertreterinnen wurden für diese Zeit im Klassenbuch als unentschuldigt fehlend vermerkt. Mit Schreiben vom 16.12.2010 wandte sich die Gewerkschaft ver.di an die Schulleitung der MTA-Schule C-Stadt und bezeichnete die näheren Umstände des mit den Schülervertreterinnen am 04.10.2010 geführten Gesprächs als Verhör-/Tribunalsituation, die diese sehr belastet habe, weswegen man sich auch an das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen (MASGFF) wenden werde.

Mit Schreiben vom 22.11.2010 schließlich erhob Frau S über ihre Rechtsanwältin verschiedene Mobbing-Vorwürfe gegen den Kläger, woraufhin die Beklagte am 09.12.2010 ein „arbeitsrechtliches Ermittlungsverfahren“ gegen diesen einleitete, in dessen Verlauf er sich von der Gewerkschaft ver.di vertreten ließ. Mit an die Gewerkschaft gerichtetem Schreiben vom 31.05.2011 sprach die Beklagte die streitgegenständliche Ermahnung des Klägers aus. Dieses als „schriftliche Ermahnung“ betitelte Schreiben, auf dessen Inhalt im Einzelnen verwiesen wird, lautet auszugsweise wie folgt:

„Mit Schreiben vom 09.12.2010 wurde Herr A. darüber in Kenntnis gesetzt, dass ... Frau ... S ... „Mobbing-Vorwürfe“ gegen ihn erhebt ... Herr A. soll seit dem Jahre 2008 ... durch zielgerichtete Angriffe in unterschiedlicher Art und Weise ... den „Tatbestand des Mobbings“ erfüllt haben. Die einzelnen Vorwürfe wurden ausführlich dargelegt ... So soll sich Herr A. bei verschiedenen Gelegenheiten gegenüber Frau S abwertend und ungebührlich verhalten haben. Er soll ohne Grund massive Kritik ... geübt haben und soll diese Kritik in unsachlicher und den Umgangston vernachlässigender Weise vorgebracht haben ... Zudem soll sich Herr A. nach einem Gespräch mit Schülervertreterinnen gegen die anstehende Vertragsverlängerung bei Frau S ausgesprochen haben. Herrn A. wurde im allgemeinen unkollegiales Verhalten und unangemessenes Agieren vorgeworfen ... Nach den durchgeführten Ermittlungen sind zwar einzelne ... Handlungen durchaus als „Mobbing-Tatbestände“ zu werten. Zugunsten von Herrn A. wird aber davon ausgegangen, dass eine fortgesetzte ... Schikane ... insgesamt nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Festgestellt wurden hingegen erhebliche Defizite in der Arbeitsleistung, sowie eine massive Störung des Betriebs- und Schulfriedens und Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht. Insbesondere durch einen Vorgang im Oktober 2009 wurde deutlich, dass Herr A. wichtige Informationen über innerschulische Abläufe und Stundenplanänderungen nicht an den Schulleiter weitergeleitet hat ... So hat Herr A. im Vorfeld des Examens wichtige Informationen nicht zeitnah weitergeleitet ... Den Betriebs- und Schulfrieden hat Herr A. dadurch nachhaltig gestört, dass er mit drei Schülerinnen am 03.11.2010 ein Gespräch geführt hat ... Nach Aussage der Zeugin R äußerte Herr A. sogar vor seinem Gespräch ..., er hoffe, dass die Schülerinnen nicht „umfallen“ ... Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass Herr A. dahingehend auf die Schülerinnen Einfluss nehmen wollte, dass diese ihre am 28.05.2010 erhobene Kritik an Frau S aufrechterhalten bzw. wieder aufnehmen. Diese Beeinflussung des Schulfriedens gipfelt darin, dass Herr A. diesen internen Vorgang an Ver.di herangetragen hat ... Herr A. kann sich ... nicht darauf berufen, dass er den Schulleiter Herrn T über das Gespräch am 03.11.2010 informierte. Dieser ging nämlich davon aus, dass Herr A. als „Vertrauenslehrer“ das Gespräch führen würde. Herr A. wurde aber zu keinem Zeitpunkt zum Vertrauenslehrer für die MTA-Schule C-Stadt bestellt ... Aufgrund der o. g. Vorfälle und dem bekanntgewordenen Fehlverhalten des Tarifangestellten A. wird dieser hiermit schriftlich ermahnt ... Es wurde auch in die Rechte von Frau S eingegriffen ...“

Hiergegen wendet sich der Kläger.

Er vertritt die Ansicht, die Vorwürfe bezüglich der nicht mitgeteilten Stundenplanänderung im September 2009 sowie der verspäteten Information der Dozenten im Mai 2010 seien verwirkt. Zudem sei der erste Vorwurf auch zu unsubstantiiert. Die vom LSJV vorgegebenen Änderungen für das Examen 2010 beträfen die Berechnung der Endnote, mit der die Dozenten gar nichts zu tun gehabt hätten. Über das mit den Schülervertreterinnen am 03.11.2010 geführte Gespräch sei der Schulleiter von ihm vorher informiert worden und habe dieses gebilligt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 31.05.2011 erteilte Ermahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte alle damit im Zusammenhang stehenden Schreiben zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Ermahnung für wirksam. Diese stütze sich auf die drei Pflichtverstöße des Klägers von September 2009, vom 17.05.2010 und vom 03.11.2010, von denen sie erst durch das Schreiben der Anwältin von Frau S Ende November 2010 erfahren habe. Über die Stundenplanänderung im September 2009 habe der Kläger den Schulleiter der MTA-Schule C-Stadt informieren müssen und den Dozenten die zutreffende Notenberechnung nicht erst am 31.05.2010 mitteilen dürfen, zudem noch mit der falschen Erklärung, er selbst habe in der Notenkonferenz am 17.05.2010 hiervon noch keine Kenntnis gehabt. Durch sein Gespräch mit den Schülervertreterinnen am 03.11.2010 habe er wieder Unruhe in die Klasse gebracht und für eine massive Störung des Schul- und Betriebsfriedens gesorgt, indem er interne Vorgänge an ver.di weitergetragen habe, bezüglich derer sie sich vor dem Ministerium habe rechtfertigen müssen. Zudem habe er die Schülervertreterinnen außerhalb der Schule getroffen, was auch versicherungsrechtlich problematisch sei, zumal er den Schulleiter nicht über das Treffen informiert habe. Jedenfalls habe er in diesem Gespräch nicht deeskalierend gewirkt, sondern bereits im Vorfeld gegenüber der Lehrkraft R gesagt, er hoffe, dass die Schülerinnen nicht umfielen und zu ihrer Aussage vom 28.05.2010 stünden, woraus sich schließen lasse, dass er beabsichtigt habe, in dem Gespräch gegen die Interessen von Frau S zu agieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Klage ist zulässig und begründet. Dem steht insbesondere nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte keine Abmahnung, sondern lediglich eine „Ermahnung“ ausgesprochen hat, da der Arbeitnehmer jegliche in seine Personalakten aufgenommenen schriftlichen missbilligenden Äußerungen, die seine Leistung oder sein Verhalten rügen, gerichtlich überprüfen lassen kann, sofern diese nach Form und Inhalt geeignet sind, ihn in seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen (BAG 22.02.1978 AP Nr. 84 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; 07.11.1979 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße; 18.08.1982 - 5 AZR 310/80; LAG Hamm 25.05.2007 - 13 Sa 1117/06). So liegt es hier.

1. Die streitgegenständliche Ermahnung erwies sich jedenfalls in der hier geschehenen Art und Weise als insgesamt unwirksam.

a) Spricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abmahnung aus, hat er, um ihrer Dokumentations- und Hinweisfunktion zu genügen, den dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Vertragsverstoß so genau zu bezeichnen und den zugrunde gelegten Sachverhalt so konkret darzustellen, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, aus welchem Grund er nach Ansicht des Arbeitgebers gegen welche Pflicht verstoßen haben soll (BAG 23.06.2009 AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung; LAG Düsseldorf 24.07.2009 NZA-RR 2010, 52, 53; LAG Köln 15.06.2007 - 11 Sa 243/07; LAG Hamm 25.05.2007 - 13 Sa 1117/06; DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2011, Kap. 4 Rn. 2291 f.). Bezeichnet die Abmahnung den vermeintlichen Vertragsverstoß nicht hinreichend konkret, etwa weil sie nur pauschale Vorwürfe enthält, ist sie rechtswidrig (LAG Düsseldorf 24.07.2009 NZA-RR 2010, 52, 53; LAG Köln 15.06.2007 - 11 Sa 243/07; LAG Hamm 25.05.2007 - 13 Sa 1117/06; DLW/Dörner, Kap. 4 Rn. 2291 ff.). Wird sie auf mehrere Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers gestützt, muss sie bereits dann aus seinen Personalakten entfernt werden, wenn nur einer der Vorwürfe nicht zutrifft, eine teilweise Aufrechterhaltung der Abmahnung kommt nicht in Betracht (BAG 13.03.1991 NZA 1991, 768; LAG Hamm 10.01.2006 NZA-RR 2006, 290, 292; 25.05.2007 - 13 Sa 1117/06; LAG Köln 15.06.2007 - 11 Sa 243/07; DLW/Dörner, Kap. 4 Rn. 2375).

Diese Grundsätze können ohne Weiteres auf eine vom Arbeitgeber ausgesprochene „Ermahnung“ übertragen werden. Da auch diese missbilligende Äußerungen über das Verhalten des Arbeitnehmers in dessen Personalakten aufnimmt, hat sie ebenso wie eine Abmahnung das ihm vorgeworfene Fehlverhalten so genau zu bezeichnen, dass er erkennen kann, was ihm im Einzelnen warum zur Last gelegt und dadurch in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob er sich hierdurch in seinen Rechten verletzt sieht und gerichtliche Schritte einleiten will, welche ihm nach der eingangs zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich offenstehen. Auch die Rechtsprechung des BAG zur Rechtswidrigkeit von „Sammelabmahnungen“ kann nach ihrem Sinn und Zweck auf eine „Sammelermahnung“ zur Anwendung gebracht werden. Der Arbeitnehmer wird in seinen Rechten unverhältnismäßig beeinträchtigt, wenn in seinen Personalakten in unzulässiger oder rechtswidriger Weise erhobene Vorwürfe des Arbeitgebers enthalten sind. Dies ist aber eben auch dann der Fall, wenn lediglich einige von mehreren in ein und demselben Schreiben enthaltenen Vorwürfen zutreffen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen erwies sich die fast fünfseitige, eine Vielzahl an unklaren Vorwürfen enthaltende Sammelermahnung der Beklagten als jedenfalls teilrechtswidrig und infolge dessen nach der o. g. Rechtsprechung als insgesamt rechtswidrig, weshalb sie aus den Personalakten des Klägers zu entfernen ist. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt wohl darin, dass es sich bei der Ermahnung um einen an die Gewerkschaft ver.di gerichteten Schriftsatz handelt, der inhaltlich und atmosphärisch entsprechend verfasst ist, aber die strengen oben benannten Voraussetzungen an ein Ermahnungsschreiben (naturgemäß) nicht berücksichtigt. Dies hätte die Beklagte rechtzeitig bedenken müssen.

b) Bereits zu Beginn des Ermahnungsschreibens nimmt die Beklagte Bezug auf die durch die Rechtsanwältin von Frau S umfangreich erhobenen „Mobbing-Vorwürfe“ gegen den Kläger und führt über eine ganze Seite aus, der Kläger „solle“ bestimmte Pflichtverletzungen begangen haben. Dies gibt offensichtlich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe lediglich wieder, ohne dass ihm die Beklagte ihrerseits die betreffenden Verhaltensweisen zur Last legt. Es kommt aber nicht darauf an, was der Kläger getan haben soll, sondern darauf, was er nach Ansicht der Beklagten getan hat und diese ihm nun vorwerfen will. Sofern sie sich die von Frau S erhobenen Vorwürfe nicht zu eigen macht, haben diese in einer Ermahnung nichts zu suchen, da sie lediglich einen negativen Eindruck über den Kläger vermitteln, ohne dass die Beklagte jedoch selbst Vorwürfe gegen ihn erhöbe.

Unabhängig hiervon sind die Vorwürfe überwiegend zu pauschal gehalten. So „soll“ der Kläger „in unterschiedlicher Art und Weise und teilweise auch gemeinsam mit dem Beamten T“ gehandelt, sich „bei verschiedenen Gelegenheiten“ gegenüber Frau S „abwertend und ungebührlich“ verhalten, „massive Kritik“ an ihrer Arbeit geübt und diese in „unsachlicher und den Umgangston vernachlässigender Weise“ vorgebracht haben. Weiter sei ihm „im allgemeinen unkollegiales Verhalten und unangemessenes Agieren“ vorgeworfen worden. Sämtliche dieser Formulierungen lassen für den Kläger bzw. einen objektiven Dritten, der das Ermahnungsschreiben zur Kenntnis nimmt, keinerlei nach Datum, Begebenheit und Inhalt konkretisierte Vorwürfe erkennen. Der Hinweis, dass die einzelnen Vorwürfe laut Seite 1 des Ermahnungsschreibens ausführlich dargelegt worden seien, ändert hieran nichts, denn die Ermahnung selbst hat diese Vorwürfe hinreichend substantiiert darzulegen. Dies erfüllen aber weder der Text des Ermahnungsschreibens noch die diesem beigefügten Anlagen. Wenn die Beklagte sodann auf Seite 2 Mitte des Ermahnungsschreibens zu dem Ergebnis gelangt, „einzelne“ Handlungen des Klägers seien als „Mobbing-Tatbestände“ zu werten, verrät sie zum einen nicht, welche dies sein sollen, zum anderen bringt sie selbst zum Ausdruck, dass dem Kläger insgesamt kein Mobbing vorgeworfen werden könne. Dann hat sie sich aber sämtlicher diesbezüglicher Äußerungen in einer Ermahnung zu enthalten.

Bereits aus diesem Grunde war die streitgegenständliche Ermahnung unwirksam.

c) Den sich daran anschließenden Vorwurf „erheblicher Defizite in der Arbeitsleistung“ erläutert die Beklagte, indem sie „insbesondere“ einen Vorfall und sodann einen weiteren benennt. Hier fragt sich, welche weiteren Vorwürfe gegen den Kläger erhoben werden, da die Wendung „insbesondere“ nahelegt, dass es solche gibt, was einen weiteren negativen Eindruck vom Kläger vermittelt, ohne dass die Beklagte klarstellen würde, was sie genau meint. Wiederum wird eine Atmosphäre geschaffen, die ein Verhalten des Klägers missbilligt, ohne dieses greifbar zu benennen. Dies ist unzulässig.

Auch bleibt unklar, ob sich die „wichtigen Informationen“, die der Kläger der Schulleitung der MTA-Schule C-Stadt vorenthalten haben soll, auf den Vorfall von September/Oktober 2009 beschränken oder nicht (da sich der Vorwurf auf „innerschulische Abläufe“ und „Stundenplanänderungen“ bezieht). Selbst dieser eine Vorfall ist indes nicht hinreichend konkretisiert, da nicht deutlich wird, welche Änderungen in welchem Stundenplan der Kläger dem Schulleiter T wann oder bis wann hätte mitteilen sollen.

d) Hinsichtlich des Gesprächs zwischen dem Kläger und den drei Schülervertreterinnen am 03.11.2010 mutmaßt die Beklagte auf Seite 3 unten ihres Ermahnungsschreibens, er habe auf die Schülerinnen dahingehend Einfluss nehmen wollen, ihre Kritik gegenüber der Lehrkraft S vom 28.05.2010 aufrechtzuerhalten bzw. wieder aufzunehmen. Hier erhebt die Beklagte gerade keinen Vorwurf, sondern spekuliert. In einer Ermahnung hat sie sich aber zu entscheiden, ob sie dem Kläger einen Vorwurf macht - dann hat sie diesen konkret zu benennen - oder nicht - dann hat sie sich jeglicher Ausführungen zu enthalten.

Schließlich führt sie auf Seite 4 des Ermahnungsschreibens aus, der Schulleiter T sei davon ausgegangen, der Kläger treffe sich mit den Schülervertreterinnen als Vertrauenslehrer, obwohl er dazu gar nicht bestellt gewesen sei. Hiermit erweckt sie den Eindruck, der Kläger habe den Schulleiter gewissermaßen getäuscht, um das Treffen zustande bringen zu können. In der ihrem eigenen Schriftsatz vom 14.12.2011 beigefügten Stellungnahme des Schulleiters erklärt dieser jedoch, die Schülervertreterinnen hätten den Kläger „vertrauensvoll um ein vertrauliches Gespräch“ gebeten, weswegen er „wie ein Vertrauenslehrer bzw. Verbindungslehrer“ das Gespräch mit ihnen geführt habe. Dies zeigt klar und deutlich, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Schulleiter behauptet hat, formeller Vertrauenslehrer zu sein (bemerkenswerter Weise setzt die Beklagte diesen Begriff in ihrer Ermahnung denn auch selbst in Anführungszeichen), so dass dieser in der Ermahnung erhobene Vorwurf nach ihrem eigenen Vortrag unzutreffend ist. Des weiteren widerlegt die weitere Erklärung des Schulleiters, der Kläger habe ihn über den Schülerwunsch informiert, die anderslautende Behauptung der Beklagten.

e) Wenn es sodann auf Seite 4 des Ermahnungsschreibens heißt, der Kläger werde „aufgrund der o. g. Vorfälle und dem bekanntgewordenen Fehlverhalten“ ermahnt, erstreckt sich dies auf sämtliche vorher angeführten Pflichtverletzungen. Da die Beklagte aber jedenfalls die „Mobbing-Vorwürfe“ auf Seite 2 selbst ausdrücklich als nicht erwiesen bezeichnet, fehlt es ihrer Ermahnung insoweit auch an der inneren Kohärenz.

f) Wodurch und inwieweit der Kläger „in die Rechte von Frau S eingegriffen“ haben soll, wie es auf Seite 4 der Ermahnung heißt, blieb ebenfalls offen.

2. Ob und in welchem Umfang dem Kläger tatsächlich ein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann (was nach dem Vortrag der Beklagten keineswegs gänzlich auszuschließen ist), konnte daher offenbleiben.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

C. Der Streitwert wurde wie für eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet.

D. Die Berufung war vorliegend nicht gesondert zuzulassen, da es hierfür an den Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt.



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