Arbeitsgericht Trier

Urteil vom - Az: 3 Ca 319/10

Urlaubsabgeltungsansprüche

Der Abgeltungsanspruch entsteht nicht als Abfindungs- oder gewöhnlicher Geldanspruch, sondern er ist an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der durch ihn ersetzte Urlaubsanspruch, der bis zum Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums befristet ist. Hieran ändert die neue EuGH- bzw. BAG-Rechtsprechung nichts, denn diese erhält dem Arbeitnehmer seinen Anspruch nur, wenn er ihn infolge dauerhafter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr realisieren konnte.

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Streitwert wird auf 1.168,27 € festgesetzt. 

 

Tatbestand  

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche. 

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 11.12.2006 als kaufmännischer Angestellter in einer 4-Tage-Woche mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.500,00 € beschäftigt. Im Arbeitsvertrag heißt es u.a.: 

"§ 6 Urlaub 

Die Dauer des Urlaubs ist 26 Tage im Jahr. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Urlaubsansprüche können nur bis zum 31.3. des Folgejahres übertragen werden, sofern betriebliche oder in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe dies rechtfertigen. Danach erlöschen sie." Das Arbeitsverhältnis endete infolge ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 18.02.2008 zum 31.03.2008. Vom 20.02. - 07.03.2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt, danach erhielt er 11 Tage Urlaub (10.-13., 17.-20., 26., 27. und 31.03.2008). Im Frühjahr 2009 machte er erstmals Urlaubsabgeltungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend, welche diese mit Schreiben vom 01.04.2009 unter Hinweis darauf ablehnte, die Ansprüche für das Jahr 2007 seien verfallen und die anteiligen Ansprüche für das Jahr 2008 erfüllt. 

Der Kläger behauptet, ihm stehe ein Abgeltungsanspruch für 13,5 Urlaubstage zu, und zwar für 18 Tage aus dem Jahr 2007 abzüglich im März 2008 genommener 11 Tage sowie für weitere anteilige 6,5 Tage aus dem Jahr 2008. Dies entspreche insgesamt einem Bruttobetrag von (1.500,00 € x 3 Monate x 13,5 Urlaubstage: 13 Wochen: 4 Arbeitstage =) 1.168,27 €. Der Resturlaub für 2007 sei auf das Folgejahr übertragen worden, da er als Fahrer unabkömmlich gewesen sei, es für ihn keinen Ersatz gegeben habe, das Lager der Beklagten wegen der extrem dünnen Personaldecke ständig unterbesetzt gewesen sei, die Arbeitnehmer V und U längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt gewesen und die Arbeitnehmer T und P sechs Wochen in S beschäftigt worden seien. Die verbleibenden Arbeitnehmer hätten dementsprechend Überstunden leisten müssen und keinen Urlaub nehmen dürfen. Im Übrigen habe ihm der Geschäftsführer der Beklagten bei Aushändigung des Kündigungsschreibens am 19.02.2008 erklärt, der Rest sei Freistellung, womit er die Urlaubsansprüche anerkannt habe. Da er den gesamten, ihm am 31.03.2008 noch zustehenden Urlaub infolge seiner zwischenzeitlichen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht mehr habe nehmen können, stehe ihm in Anlehnung an die neue EuGHRechtsprechung der hier bezifferte Abgeltungsanspruch zu. 

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.168,27 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2009 zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. 

Ihrer Ansicht nach liegen die Voraussetzungen für eine Übertragung des Urlaubs für das Jahr 2007 nicht vor. Hierzu behauptet sie, der als Teilzeitkraft keineswegs unabkömmliche Kläger wäre im Urlaubsfall durch den Arbeitnehmer R ersetzt worden. Andere Arbeitnehmer hätten durchaus Urlaub gewährt bekommen. Die vom Kläger benannten Arbeitnehmer V und U seien nicht bei ihr, sondern bei der Q beschäftigt, zudem sei Herr U - was unstreitig ist - Abteilungsleiter und kein Fahrer. Auch die Arbeitnehmer T und P seien keine Fahrer, sondern ganz überwiegend im Büro tätig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. 

 

Entscheidungsgünde 

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger steht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zu. 

Ein Anspruch für das Jahr 2007 ist verfallen. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG wie auch nach § 6 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages ist Urlaubsjahr das Kalenderjahr, so dass nicht genommener Urlaub zum Jahresende verfällt. Eine Übertragung aus betrieblichen Gründen kommt zwar gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG sowie nach § 6 des Arbeitsvertrages grds. in Betracht. Auch würde sich diese ohne expliziten Übertragungsantrag des Klägers allein durch das objektive Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vollziehen (BAG 23.06.1992 AP Nr. 22 zu § 1 BUrlG; DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2009, Kap. 3 Rn. 2123). Eine Übertragung käme jedoch nur bis zum 31.03. des Folgejahres in Betracht. Selbst wenn man hier den Vortrag des Klägers als wahr unterstellte, betriebliche Gründe hätten vorgelegen und er hätte seinen Resturlaub infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nehmen können, so hätte er einen Abgeltungsanspruch jedenfalls bis zum 31.12.2008 geltend machen müssen. Der Abgeltungsanspruch entsteht nicht als Abfindungs- oder gewöhnlicher Geldanspruch, für den es auf urlaubsrechtliche Merkmale nicht ankäme, sondern ist an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der durch ihn ersetzte Urlaubsanspruch (BAG 07.12.1993 AP Nr. 15 zu § 7 BUrlG; 17.01.1995 und 05.12.1995, AP Nr. 66 und 70 zu § 7 BUrlG Abgeltung; ErfK/Dörner, 10. Aufl. 2010, § 7 BUrlG Rn. 53; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl. 2009, § 102 Rn. 146). Daher ist auch er befristet bis zum Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums (BAG 17.01.1995 AP Nr. 66 zu § 7 BUrlG Abgeltung; 18.01.2000 - 9 AZR 803/98; 21.06.2005 AP Nr. 11 zu § 55 InsO; ErfK/Dörner, § 7 BUrlG Rn. 54; DLW/Dörner, Kap. 3 Rn. 2241; Schaub/Linck, § 102 Rn. 148). Hieran ändert die neue EuGH- bzw. BAG-Rechtsprechung (EuGH 20.02.1009 NZA 2009, 135 ff.; BAG 24.03.2009 NZA 2009, 538 ff.) nichts (ebenso Schaub/Linck, § 102 Rn. 148; ErfK/Dörner, § 7 BUrlG Rn. 56), denn diese erhält dem Arbeitnehmer seinen Anspruch nur, wenn er ihn infolge dauerhafter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr realisieren konnte. In beiden Entscheidungen heißt es ausdrücklich, eine nationale Regelung, die den Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub am Ende eines näher bestimmten Bezugsbzw. Übertragungszeitraums erlöschen lasse, sei gerade nicht europarechtswidrig, sofern der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, seinen Anspruch innerhalb dieses Zeitraums auszuüben (EuGH 20.01.2009 NZA 2009, 135, 137; BAG 24.03.2009 NZA 2009, 538, 542). Übertragen auf den Abgeltungsanspruch bedeutet dies, dass es seiner Geltendmachung grds. im laufenden Kalenderjahr bedarf, sofern die Arbeitsunfähigkeit an dessen Ende nicht noch andauert. Der Kläger war vorliegend vom 20.02 bis 07.03.2008 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt danach 11 Urlaubstage. Dass er ab dem 01.04.2008 bis zum Jahresende wieder arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, hat er selbst nicht behauptet. Ebenso wenig hat er zu eventuellen betrieblichen Gründen für eine Übertragung in das Jahr 2009 hinein vorgetragen. Damit fehlt es aber an einer Übertragungsvoraussetzung für seinen grds. auf das Kalenderjahr befristeten Abgeltungsanspruch. Die unstreitig erst im Jahre 2009 erfolgte Geltendmachung gegenüber der Beklagten kam damit zu spät, ob man nun seinen Vortrag (21.04.2009) oder den der Beklagten (29.03.2009) zugrunde legt. Dass der Kläger im Zuge des seinerzeitigen Kündigungsschutzverfahrens (ArbG A-Stadt 2 Ca 336/08, nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz 2 Sa 756/08) Urlaubsabgeltungsansprüche geltend gemacht hätte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen, die bloße Erhebung der seinerzeitigen Kündigungsschutzklage genügt insoweit nicht (vgl. dazu BAG 17.01.1995 AP Nr. 66 zu § 7 BUrlG Abgeltung; 18.09.2001 NZA 2002, 895, 896; DLW/Dörner, Kap. 3 Rn. 2243; Küttner/Röller, Personalbuch 2010, 422 Rn. 7; vgl. auch LAG Nürnberg 11.03.2003 NZA-RR 2004, 33 f.).

Auch die von ihm behauptete Anerkennung seiner Urlaubsansprüche durch eine ihm am 19.02.2008 vom Geschäftsführer der Beklagten erklärte Freistellung konnte die Kammer nicht nachvollziehen. Zum einen hat der Kläger auf Nachfrage im Kammertermin selbst bekundet, das Thema Urlaub sei in dem Gespräch gar nicht angeschnitten worden. Dann liegt aber auch weder eine klägerseitige Geltendmachung noch eine beklagtenseitige Anerkennung von Urlaubsansprüchen vor. Zum anderen könnte - jedenfalls ohne weiteren Sachvortrag - eine zusammen mit dem Kündigungsschreiben erfolgende Freistellung auch den Grund gehabt haben, dass die Beklagte den Kläger im Betrieb nicht mehr sehen und ihm daher seine Vergütung fortzahlen wollte, auch ohne dafür Arbeitsleistung entgegenzunehmen. Selbst eine eventuelle Freistellung "unter Verrechnung mit noch bestehenden Urlaubsansprüchen" würde nichts über die Anerkennung einer bestimmten Anzahl an Urlaubstagen aussagen, sondern nur, dass der Arbeitgeber die Tage, die dem Arbeitnehmer nach den gesetzlichen bzw. vertraglichen Bestimmungen noch zustehen, anrechnen will. Auch hieraus ergäbe sich nicht automatisch ein Verzicht auf gesetzliche oder vertragliche Übertragungsvoraussetzungen und/oder Verfallfristen. Da der Kläger hierzu keinen weiteren Sachvortrag gehalten hat, lag für die Kammer sowohl eine Geltendmachung vor dem 29.03. / 21.04.2009 wie auch eine Anerkennung durch die Beklagte fern. 

Daher konnte offenbleiben, ob betriebliche Gründe für eine Übertragung des Resturlaubs in das Jahr 2008 tatsächlich vorlagen oder nicht (wobei allein der Umstand, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht von sich aus Urlaub gewährt, weder betriebliche Gründe darstellt noch solche vermuten lässt, BAG 23.06.1992 AP Nr. 22 zu § 1 BUrlG).

Auch für das Jahr 2008 steht dem Kläger kein Abgeltungsanspruch zu. Insoweit standen ihm gem. § 5 Abs. 1 lit. c) BUrlG anteilig (26 : 12 x 3 =) 6,5, aufgerundet (§ 5 Abs. 2 BUrlG) 7 Urlaubstage zu. Da er im März 2008 unstreitig 11 Urlaubstage erhalten hat, ist sein Anspruch infolge Erfüllung erloschen. Dass sich die Urlaubsgewährung gerade oder primär auf den noch nicht genommenen Urlaub für das Jahr 2007 beziehen sollte, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Da der Urlaubsanspruch aber grds. mit Ablauf des Kalenderjahres erlischt, musste er - jedenfalls ohne weitere Angaben - davon ausgehen, dass die Urlaubsgewährung bereits das laufende Kalenderjahr 2008 erfassen sollte. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre ein Abgeltungsanspruch jedenfalls zum 31.12.2008 verfallen, da der Kläger ihn erst am 29.03. / 21.04.2009 gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat und ein Übertragungsgrund entsprechend obigen Ausführungen nicht ersichtlich ist. 

Daher war die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. 

Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da es hierfür an den Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt. Insbesondere sieht die Kammer keinen Widerspruch zu der neuen EuGH- bzw. BAG-Rechtsprechung. 



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