Arbeitsgericht Trier

Urteil vom - Az: 4 Ca 1725/07

Zum Wettbewerbsverbot: Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe

Wird eine Vertragsstrafe für "jeden Fall der Verletzung des Wettbewerbsverbotes" festgesetzt, wobei einzelne Verbote aufgezählt werden, so ist diese Bestimmung gemäß §307 Abs.1 BGB unwirksam. Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich aus der Intransparenz der Regelung.

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.286,56 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz
seit dem 01.04.2005 aus 3.186,10 EUR,
seit dem 01.05.2005 aus 3.186,10 EUR,
seit dem 01.06.2005 aus 3.186,10 EUR,
seit dem 01.07.2005 aus 1.909,42 EUR,
seit dem 01.08.2005 aus 1.909,42 EUR,
seit dem 01.09.2005 aus 1.909,42 EUR. 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 

II. Die Widerklage wird abgewiesen. 

III. Der Kläger trägt 33/100, die Beklagte 67/100 der Kosten des Rechtsstreits. 

IV. Der Streitwert wird auf 175.194,74 EUR festgesetzt. 

 

Tatbestand 

Die Parteien streiten einerseits um die Zahlung einer Karenzentschädigung (Klage) und andererseits um eine Vertragsstrafe (Widerklage). Der Kläger war zuletzt als Produktionsmanager bei der Beklagten beschäftigt. Diese stellt Fenster und Türen her. Auf den Anstellungsvertrag vom 10.04.1996 wird Bezug genommen. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.08.2003. Im „Wettbewerbsverbot“ vom 10.04.1996 (Bl. 9 f. d. A.) haben die Parteien folgendes vereinbart: 

„1. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, während der Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses, nicht für ein Unternehmen in Deutschland tätig zu sein, das mit der Firma in Konkurrenz steht. Als Konkurrenzunternehmen gilt ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung oder dem Vertrieb von Fenstern, Türen, Fensterläden, Isolier- und Funktionsgläsern oder spezifischen EDV-Programmen für eine dieser Branchen befasst. Er verpflichtet sich demnach vor allem: 

a) nicht ein festes Anstellungsverhältnis oder ein freies Beratungs- oder Vertretungsverhältnis bei einem solchen Unternehmen einzugehen, 

b) nicht ein solches Unternehmen selbst zu errichten oder zu erwerben, 

c) sich an einem solchen Unternehmen weder unmittelbar noch mittelbar zu beteiligen oder dergleichen zu begünstigen.... 

4. Für jeden Fall der Verletzung des Wettbewerbsverbotes zahlt der Mitarbeiter an die Firma eine Vertragsstrafe von 100.000,00 DM, wobei die Geltendmachung höheren Schadensersatzanspruches durch die Firma ungenommen bleibt. ...“

In der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 28.02.2005 war der Kläger als selbstständiger Handelsvertreter für die Firma ... und ... GmbH tätig. Diese vertreibt ebenfalls Fenster und Türen. Von September 2003 bis Dezember 2003 hat der Kläger seine Selbstständigkeit erst aufgebaut und keinen Gewinn erzielt. Er bezog lediglich Überbrückungsgeld von monatlich 3.259,46 EUR. Im Jahre 2004 verdiente er 36.763,00 EUR. In den Monaten Januar 2005 bis Mai 2005 hatte er nur geringstes Einkommen. Mit Schreiben vom 09.11.2004 (Bl. 110 d. A.) bat das Vorstandsmitglied ... der Beklagten den Kläger, seine Konditionsvorstellungen für die Position Verkaufsleitung der Firma ... zu Händen seines Bruders ... hereinzugeben. Ab dem 01.06.2005 bis zum 31.08.2005 (Ende der Karenzzeit) war der Kläger dann bei der Firma ... GmbH beschäftigt und verdiente dort monatlich 5.100,00 EUR. Die Firma ... stellt ebenfalls Fenster und Türen her; nach der Behauptung des Klägers aber ausschließlich für die Beklagte. 

Der Kläger trägt vor: 

Bei der Firma ... handele es sich nicht um ein Konkurrenzunternehmen, sondern um einen Kunden der Beklagten. Sie beziehe Fenster, Türen usw. der Beklagten. Die Beklagte befinde sich auf einer anderen Ebene der Verkaufskette. Sie verkaufe an den Fachhandel. Zu diesen Geschäften des Fachhandels wiederum gehöre auch die Firma ... 

Der Kläger beantragt, 

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 50.977,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen (wegen der Zinsstaffelung wird auf den Schriftsatz vom 12.11.2007 Bezug genommen), 

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 21.958,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen (wegen der Zinsstaffelung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 18.01.2008, Bl. 79 d. A., Bezug genommen). 

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen.

Sie erhebt Widerklage mit dem Antrag, den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, 102.258,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, seit dem 05.12.2007 aus 51.129,19 EUR, seit Zustellung der Erweiterung der Widerklage aus 51.129,19 EUR, an die Beklagte und Widerklägerin zu zahlen.

Die Beklagte trägt vor: 

Die Firma ... vertreibe Fenster, Türen und Rollläden, insbesondere auch Konkurrenzprodukte zu den Produkten der Beklagten. Der Kläger habe durch seine Tätigkeit bei dieser Firma in zahlreichen Fällen gegen die Wettbewerbsabrede verstoßen. Dies ergebe sich aus den Aufträgen Nr. ... der ... und der Rechnungs-Nr. ... Auch mit dem Abschluss eines Arbeitsvertrags bei der Firma ... habe der Kläger gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen. Damit seien dem Kläger drei Wettbewerbsverstöße nachgewiesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. 

 

Entscheidungsgründe 

Die Klage ist nur zum Teil begründet. Die Widerklage ist unbegründet. 

Die Klage ist in Höhe von 15.286,56 EUR brutto begründet. 

Der Kläger kann von der Beklagten für die Zeit vom 01.03.2005 bis zum 31.05.2005 die Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 9.558,30 EUR verlangen. Anspruchsgrundlage ist Ziffer 2. der Wettbewerbsabrede vom 10.04.1996. Der Kläger hat in diesem Zeitraum auch nicht gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen. Die Beklagte hat auf den Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 19.02.2008 (Bl. 100 f. d. A.) nicht weiter bestritten. Demzufolge hatte der Kläger in diesem Zeitraum kein nennenswertes Einkommen. Die monatliche Karenzentschädigung beträgt 3.186,10 EUR. Insoweit kann auf die Berechnung in der Klageschrift Bezug genommen werden. Soweit die Beklagte von einem geringeren Durchschnittsverdienst der letzten drei Jahre ausgeht, ist dieser Vortrag unsubstantiiert. Der Kläger kann deshalb für die drei Monate von März bis Mai 2005 einen Gesamtbetrag von 9.558,30 EUR beanspruchen. 

Für die Zeit vom 01. Juni 2005 bis 31. August 2005 kann der Kläger für diese drei Monate dreimal eine Karenzentschädigung in Höhe von 1.909,42 EUR, mithin 5.728,26 EUR verlangen. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Kläger habe ab 01. Juni 2005 eine Konkurrenztätigkeit bei der Firma ... aufgenommen. Dabei kann dahinstehen, ob die Tätigkeit des Klägers objektiv wettbewerbswidrig war oder nicht. Der Beklagten ist es nach § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen. Ihr jetziges Verhalten widerspricht nämlich ihrem Vorverhalten, wie es durch das Schreiben vom 09.11.2004 (Bl. 110 d. A.) zum Ausdruck gekommen ist. Der Inhalt dieses Schreibens konnte der Kläger nur dahingehend verstehen, dass er geradezu aufgefordert wurde, sich bei der Firma ... um die Stelle der Verkaufsleitung zu bemühen. Er sollte nämlich zu Händen des Bruders des Vorstandmitglieds ... seine Gehaltsvorstellungen hereingeben. Dieses Verhalten kann nur dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte hierin keinen Wettbewerbsverstoß erblickte. Für eine mögliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots sind in diesem Schreiben aber keine Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger auch keine konkludente Erklärung dahingehend abgegeben, auf die Karenzentschädigung verzichten zu wollen. Wer aber jemanden geradezu zum Vertragsbruch zum vermeintlichen eigenen Nachteil anhält, kann sich hinterher nicht darauf berufen, es liege ein Vertragsbruch vor und auch noch Schadensersatz verlangen. Dem Kläger steht deshalb die Karenzentschädigung zu.

Der Kläger muss sich jedoch nach § 74 c HGB sein anderweitiges Einkommen in Höhe von monatlich 5.100,00 EUR anrechnen lassen. Karenzentschädigung und aktueller Verdienst ergeben zusammen einen Betrag 8.286,10 EUR (3.186,10 EUR + 5.100,00 EUR). Hiervon sind 110% des letzten Monatsverdienstes bei der Beklagten in Höhe von 7.009,42 EUR abzuziehen. Es verbleibt ein anrechenbarer Betrag von 1.276,68 EUR. Dieser Betrag ist wiederum von der Karenzentschädigung von 3.186,10 EUR abzuziehen, so dass eine monatliche Karenzentschädigung verbleibt von 1.909,42 EUR. Diesen Betrag kann der Kläger für die Zeit von Juni bis August 2005 dreimal verlangen, mithin 5.728,26 EUR. Der Zinsanspruch ergibt sich § 286 Abs. 2 BGB. Der Arbeitnehmer kann bei Zahlungsverzug 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz verlangen. Er ist Verbraucher im Sinne von § 288 BGB (vgl. BAG NZA 2005, 694).

Die weitergehende Klage ist nicht begründet. 

Der Kläger kann für die Zeit vom 01.09.2003 bis zum 28.02.2005 von der Beklagten keine Karenzentschädigung verlangen, weil er in dieser Zeit als Handelsvertreter für das Konkurrenzunternehmen ... tätig war. Die Beklagte kann sich deshalb insoweit auf § 320 BGB berufen. Solange der Kläger gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat, konnte auch die Beklagte die Zahlung verweigern. Die Firma ... vertreibt durch Eigeneinbauten Fenster und Rollläden. Diese liegen auch im Marktsegment der Beklagten. Die Beklagte hat auch im Schriftsatz vom 12.02.2008 (Bl. 93 d. A.) unbestritten vorgetragen, dass die Firma ... auch Konkurrenzprodukte der Beklagten vertreibt, so zum Beispiel Fenster der Firma ... Damit überschneiden sich die Produktionsund Dienstleistungsangebote beider Unternehmen. 

Die Widerklage ist unbegründet.

Die in dem Wettbewerbsverbot vom 10.04.1996 unter Ziffer 4. vereinbarte Vertragsstrafe von 50.000,00 EUR für jeden Fall der Verletzung des Wettbewerbsverbots ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Nach § 310 Abs. 3 Ziffer 2 BGB findet diese Vorschrift auch Anwendung auf vorformulierte Vertragsbedingungen. Dies ist vorliegend der Fall. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vertragsstrafenabrede muss also nicht nur klar und verständlich sein, sie darf auch als solche nicht unangemessen benachteiligen. Die Bestimmung muss also die Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen (BAG NZA 2005, 465). Diesen Grundsätzen entspricht die vereinbarte Vertragsstrafenklausel nicht. Die Regelung ist bereits hinsichtlich des Transparenzgebots unwirksam. Nach dem Verständnis der Beklagten ist jeder Auftrag, den der Kläger als Handelsvertreter geschrieben hat, ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot. Wenn er also am Tag mehrere Aufträge abschließt, müsste er schon für einen Tag mit einer Vertragsstrafe von mehreren hunderttausend Euro rechnen. Zugunsten der Beklagten könnte die Klausel allenfalls noch dahingehend ausgelegt werden, dass mit jedem „Fall“ die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit gemeint ist. Denkbar wäre aber auch, dass die Vertragsstrafe für jeden Monat der Vertragsverletzung zu gelten hätte. Damit wird aber das Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt (vgl. BAG Urteil vom 14.08.2007, NZA 2008, 170). Die Vertragsstrafenregelung lässt nicht erkennen, wann ein einmaliger Vertragsverstoß gegeben sein soll und wann von einer dauerhaften Verletzung auszugehen ist. Die getroffene Vertragsstrafenregelung enthält auch keine Einschränkung des Vertragsstrafenanspruchs dahingehend, dass höchstens einmal pro Monat die Vertragsstrafe verwirkt werden könne. Der Wortlaut der Vertragsbestimmung ist insoweit eindeutig. Damit liegt aber eine unangemessene Benachteiligung vor, wenn der Kläger bei nur einem Verstoß pro Tag mit einer Vertragsstrafe pro Monat von über einer Million Euro rechnen muss. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Vertragsstrafenklausel scheidet aus. Eine solche ist im Gesetz nicht vorgesehen. Infolge der Unwirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung der Parteien gemäß § 307 Abs. 1 BGB richtet sich der Vertragsinhalt insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften, § 306 Abs. 2 BGB. Das vertragliche  Vertragsstrafenversprechen entfällt damit ersatzlos. 

Die Widerklage ist deshalb abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. 

Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ZPO, 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzt. Klage und Widerklage sind zusammen zu rechnen.



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