Arbeitsgericht Trier

Urteil vom - Az: 3 Ca 986/09

Zur Unwirksamkeit einer arbeitsrechtlichen Vertragsstrafe

Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam.

Tenor

I. Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Der Streitwert wird auf 13.572,94 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand 

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und verschiedene Zahlungsansprüche.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 05.04.1976 beschäftigt, davon seit 1989 als Abteilungsleiter und seit dem 04.03.2009 als Produktionsleiter des Werks II.

Sein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 2.877,00 EUR.

Am 28.11.2005 erhielt er eine Abmahnung unter Berufung auf in seiner Abteilung festgestellte hygienische Mängel, am 12.11.2008 eine (vom Arbeitsgericht Trier mit rechtskräftigem Urteil vom 11.02.2009 für rechtsunwirksam erklärte) Kündigung.

Am 02.06.2009 erhielt er eine weitere Abmahnung wegen Angebots und Auslieferung einer einen Tag über dem Mindesthaltbarkeitsdatum liegenden Bullenhüfte an einen Kunden. Mit Schreiben vom 10.07.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin.

Dieser Kündigung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 03.07.2009 erfolgte seitens der Beklagten eine Fleischlieferung an den V-Markt in BStadt- U sowie, aus derselben Charge Fleisch, an den T-Markt in S. Die Lieferung an den VMarkt wurde von dem die Ware annehmenden Metzger kontrolliert und mit der Begründung, das Fleisch sei verdorben, unmittelbar retourniert, also dem Auslieferungsfahrer wieder mitgegeben. Das Fleisch wurde daraufhin bei der Beklagten von deren Arbeitnehmer R noch am 03.07. eingefroren und der Kläger am 06.07. hierüber informiert. Das an den T-Markt gelieferte Fleisch wurde am 06.07. retourniert. Auf dem Retourenschein war als Grund "verdorben/verschmutzt" angegeben, der Kläger vermerkte hierauf handschriftlich "eingefroren für S II". Am Morgen des 06.07. führte er ein Telefonat mit dem Betriebsleiter Herrn H., in welchem er diesen über die Retour des T-Markts informierte. Herr H. wies ihn daraufhin an, die retournierte Ware mit einem roten Gesperrt-Schild zu versehen, wie es bei der Beklagten in solchen Fällen üblich ist, und den internen, vom Kläger unterzeichneten Verfahrensanweisungen "Vorgehen bei Qualitätsabweichungen" und "Prüfstatus" entspricht. Der weitere Inhalt des Telefonats ist zwischen den Parteien streitig. Die  Qualitätssicherung der Beklagten informierte der Kläger nicht. Am 07.07.2009 erfolgte eine Lieferung mehrerer Paletten Fleisch mit einem Gesamtgewicht von mehreren Tonnen vom Werk II an das Werk I der Beklagten (Wurst- und Konservenproduktion). Darunter befanden sich auch die beiden Retouren. Diese waren bei der Anlieferung im Werk I nicht mit einem roten Gesperrt-Schild versehen, obwohl das Fleisch eine Keimzahl von mehr als 108 aufwies und damit in höchstem Maße verdorben war. Nach Sichtung und Überprüfung der Lieferung durch den vom Betriebsleiter H. telefonisch vorab informierten Abteilungsleiter, Herrn E., sowie den Warenannehmer, Herrn F., wurde die verdorbene Ware ausgesondert. Der von Herrn E. informierte und hinzu gekommene Herr H. rief sodann vom Werk I aus umgehend den Kläger an und bestellte ihn zu einem Gespräch ein, weil und warum die verdorbene Ware nicht mit einem Gesperrt-Schild versehen gewesen sei. Nach dem dann folgenden, im Beisein der Prokuristin Frau N geführten Gespräch wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung von seiner Arbeit freigestellt und ihm nach einem weiteren Gespräch mit Herrn H., Frau N sowie dem Geschäftsführer Herrn M die fristlose Kündigung ausgesprochen. Anlässlich des dieser Kündigung zugrunde liegenden Vorfalls ließ die Beklagte sämtliches vom Kläger für das Werk I eingefrorene Fleisch überprüfen. Seinen Lohn bis zum 10.07.2009 rechnete sie ordnungsgemäß ab, behielt aber unter Berufung auf verschiedene Gegenansprüche und unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenze einen Betrag in Höhe von 421,08 EUR netto ein. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger zunächst gegen die Kündigung. Hierzu behauptet er, Herrn H. im Telefonat vom 06.07.2009 auch über die Retourlieferung des V-Markts informiert zu haben, ebenso über die Anlieferung beider Retouren an das Werk I zur Verwahrung bzw. Weiterleitung ins Labor / die Qualitätskontrolle, die sich im selben Gebäude wie das Werk I befindet. Beide Retourenlieferungen habe er gesperrt, allerdings nur mit einem einzigen roten Schild, da sie beide auf derselben Palette gestanden hätten. Der Lademeister, Herr G., habe das Schild jedoch abgenommen und erklärt, er habe es zur Qualitätssicherung bringen sollen und dementsprechend dort in ein Fach gelegt. Er (der Kläger) selbst habe zu keinem Zeitpunkt eine Anweisung zur Weiterverarbeitung der retournierten Lieferungen in das Werk I gegeben, auch sei Herr E. über die Lieferungen und Beschwerden informiert gewesen. Ferner hat der Kläger im Wege der Klageerweiterung die Erteilung einer Meldebescheinigung für das Jahr 2006 begehrt sowie Auskunft über die Höhe der Kapitaleinlage seiner stillen Beteiligung bei der Beklagten nebst Zahlung des sich daraus ergebenden Betrages, jedenfalls aber in Höhe von 2.552,11 EUR. Nachdem der Kläger ursprünglich beantragt hat, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die mit Schreiben vom 10.07.2009 ausgesprochene fristlose Kündigung noch durch die mit Schreiben vom 10.07.2009 ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung beendet worden ist, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über die Höhe des Kapitals zu einer stillen Beteiligung an ihre Firma zu erteilen, die Beklagte zu verurteilen, den sich aus der Auskunft ergebenden Betrag an ihn zu zahlen, soweit er 2.552,11 EUR übersteigt nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Restlohn für den Monat Juli 2009 in Höhe von 421,08 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.08.2009 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn die stille Beteiligung in Höhe von 2.552,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, ihm die Meldebescheinigung für Arbeitnehmer nach § 25 DEÜV für das Jahr 2006 zu erteilen, mit bei Gericht am 08.02.2010 eingegangenem Schriftsatz die Klageanträge zu 2), 3) und 5) für erledigt erklärt, den Antrag zu 5) mit bei Gericht am 24.02.2010 eingegangenem Schriftsatz erneut gestellt und im Kammertermin am 06.05.2010 den Antrag zu 6) für erledigt erklärt hat,  hat er zuletzt beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die mit Schreiben vom 10.07.2009 ausgesprochene fristlose Kündigung noch durch die mit Schreiben vom 10.07.2009 ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung beendet worden ist, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Restlohn für den Monat Juli 2009 in Höhe von 421,08 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.08.2009 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn die stille Beteiligung in Höhe von 2.552,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes zu zahlen. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung des Klägers unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen und beantragt, die Klage abzuweisen, sowie im Wege der Widerklage, den Kläger zu verurteilen, an sie 1.968,75 EUR netto zu zahlen. In Bezug auf die streitgegenständliche Kündigung behauptet sie, der Kläger habe Herrn H. in dem mit diesem am Morgen des 06.07.2009 geführten Telefonats nur über die Retour des TMarkts informiert. Diese Lieferung habe der Kläger jedoch entgegen der ihm ausdrücklich von Herrn H. erteilten Anweisung nicht gesperrt, sondern mit seinem Vermerk "eingefroren für S II" auf dem Retourenschein zur Weiterproduktion für das Werk I freigegeben, was eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung darstelle, da das Fleisch zum einen offensichtlich ungenießbar gewesen sei und ihm zum anderen habe klar sein müssen, dass er es zu sperren habe, und zwar nicht nur infolge der ihm ausdrücklich von Herrn H. erteilten Anweisung, sondern unabhängig hiervon auch aufgrund der im Betrieb geltenden Verfahrensanweisungen sowie seiner - unstreitigen - langjährigen Mitgliedschaft im HACCPTeam (das HACCP-Konzept dient dazu, durch Einhaltung von Kontrollen und Beachtung von Verfahrensanweisungen jegliche Gefährdung von Konsumenten auszuschließen). Sämtliche streng einzuhaltenden Verfahrensvorschriften wie insbesondere die sofortige Sperrung der Ware und entsprechende Information der Qualitätssicherung bzw. des Warenannehmers, welcher dann seinerseits die Qualitätssicherung informiert, da - was unstreitig ist - nur diese die Ware wieder freigeben dürfe, seien dem Kläger bekannt. Auch habe er die beiden retournierten Lieferungen jeweils gesondert mit einem Gesperrt-Schild ausweisen müssen. Über die Retour des V-Markts habe er überhaupt niemanden informiert. Der Betriebsleiter H. habe hiervon erst am Morgen des 07.07.2009 durch Frau N erfahren, welche - auch dies ist unstreitig - am Freitag, den 03.07., im V-Markt anwesend war, die Anlieferung wie auch die Annahmeverweigerung durch den dortigen Metzger mitbekommen hatte und sich - nach einem Urlaubstag (06.07.) - am 07.07. bei Herrn H. nach dem weiteren Werdegang der Sache erkundigt habe. Die ohne Gesperrt-Schild ins Werk I angelieferte Ware sei vom Kläger zu keiner Zeit mit einem Gesperrt-Schild versehen worden. Auch habe Herr G., welcher generell keine gesperrte Ware versende, ein solches Schild nicht abgenommen. Vielmehr habe der Kläger, als er von dem durch Herrn E. informierten Herrn H. aus Werk I angerufen und zur Rede gestellt worden sei, warum an der Ware kein Schild hänge, erwidert, er habe das Schild bei sich und bringe es jetzt ins Werk I mit. Dies habe er dann auch getan. Im Hinblick auf den einbehaltenen Julilohn sowie den zuletzt noch gestellten Antrag auf Zahlung der stillen Beteiligung in Höhe von 2.552,11 EUR hat die Beklagte die Aufrechnung mit mehreren Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 4.520,86 EUR erklärt. Hierzu trägt sie vor, ihr stünden zum einen für die anlässlich der Überprüfung des gesamten vom Kläger für das Werk I eingefrorenen Fleisches Schadensersatzansprüche zu, da die Qualitätskontrolle bei 1.176,60 kg des Fleisches erhöhte Keimzahlen festgestellt habe. Dementsprechend seien Kosten für den Transport von Werk II an Werk I in Höhe von (1.176,60 kg x 1,70 EUR =) 2.000,22 EUR sowie Entsorgungskosten in Höhe von (1.176,60 kg x 0,055 EUR =) 64,71 EUR angefallen. Ferner habe der Kläger eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts verwirkt, da er die Beklagte zur berechtigten fristlosen Kündigung veranlasst habe. Hierzu verweist sie auf den mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrag, in dem es u. a. heißt: 

"§ 20 Vertragsstrafe 20.3 Nach Ablauf der Probezeit verwirkt der Arbeitnehmer für den Fall einer nicht fristgerechten Kündigung eine Vertragsstrafe in Höhe eines vereinbarten Bruttomonatslohnes. Gleiches gilt für den Fall, in dem der Arbeitnehmer seitens der Gesellschaft nach Ablauf der Probezeit fristlos gekündigt wird." Diese Vertragsstrafenklausel stelle keine allgemeine Geschäftsbedingung dar, da der Kläger - was unstreitig ist - ihr einziger Produktionsleiter Werk II sei; im Übrigen weiche sie auch nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers von einer gesetzlichen Regelung ab, da sie letztlich denselben Inhalt wie § 628 Abs. 2 BGB aufweise, nur mit pauschalierter Schadenshöhe. Den die Klageforderung übersteigenden, mit 1.968,75 EUR bezifferten Betrag macht die Beklagte im Wege der Widerklage geltend. 

Der Kläger und Widerbeklagte beantragt,
die Widerklage abzuweisen. 

Er rügt, die behaupteten Entsorgungskosten wären ohnehin entstanden. Im Übrigen sei der Vortrag der Beklagten zu unsubstantiiert. So bleibe bereits unklar, um welches verdorbene Fleisch genau es sich handeln solle, das von ihm eingefroren und von der Qualitätskontrolle mit welchem Ergebnis untersucht worden sein solle. Die Vertragsstrafenklausel im Arbeitsvertrag sei unwirksam, da es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung handele, die ihn mangels hinreichender Bestimmtheit unangemessenen benachteilige. Das Gericht hat im Kammertermin vom 06.05.2010 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen H., G., E. und F.. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss sowie das Sitzungsprotokoll vom 06.05.2010 verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Kündigungsschutzanträge nicht begründet und im Übrigen begründet, die Widerklage ist bereits unzulässig.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch rechtswirksame fristlose Kündigung der Beklagten vom 10.07.2009 aufgelöst.

Im Rahmen der insoweit nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG 17.05.1984 AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; 07.07.2005, 27.04.2006 und 26.03.2009, AP Nr. 192, 202 und 220 zu § 626 BGB) vorzunehmenden zweistufigen Prüfung ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich, also ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls, geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB abzugeben (erste Stufe) und bejahendenfalls, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (zweite Stufe). Ausgehend von diesen Grundsätzen erwies sich die fristlose Kündigung  der Beklagten als gerechtfertigt.

Grundsätzlich kann ein vertragswidriges Verhalten einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten lediglich fahrlässig verletzt (KR/Fischermeier, 9. Aufl. 2009, § 626 BGB Rn. 137 ff. mwN). Davon erfasst ist auch die hier zur Debatte stehende Weiterleitung verdorbenen Fleisches in die Wurst- /Konservenproduktion ohne entsprechenden Warnhinweis. Das Fleisch der beiden von T und dem V-Markt retournierten Lieferungen war unstreitig hochgradig verdorben. Zwar hat der Kläger eine optisch erkennbare Verdorbenheit bestritten; nicht bestritten hat er dagegen die von der Beklagten angegebene Keimzahl und deren Bewertung. Zudem haben die Zeugen H., E. und F. übereinstimmend bekundet, das Fleisch habe bereits eine gelbliche Farbe gehabt und sei daher trotz seines gefrorenen Zustands als verdorben erkennbar gewesen. Auch der das Fleisch umgehend retournierende Metzger des V-Markts erklärte gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten nach deren unwidersprochenem Vortrag, er habe schon am Geruch feststellen können, dass das Fleisch verdorben gewesen sei. Ebenso unstreitig durfte der Kläger dieses verdorbene Fleisch nicht ohne besondere Kennzeichnung bzw. Sperrung von Werk II an Werk I liefern lassen, sondern musste eine Kontrolle des Fleisches veranlassen. Dies insbesondere deswegen, weil auf dem Retourenschein der T-Retour als Grund ausdrücklich "verschmutzt/verdorben" angegeben war und das vom V-Markt retournierte Fleisch aus derselben Liefercharge stammte. Insoweit traf ihn die Pflicht, das Fleisch umgehend zu sperren und entweder an die Qualitätskontrolle weiterzuleiten oder es ans Werk I zu liefern, damit es durch die dortige Warenannahme ausgesondert und an die im selben Gebäude befindliche Qualitätskontrolle weitergeleitet werden könnte. Eine solche Pflicht bestand für ihn hinsichtlich der T-Retour bereits infolge der ihm unstreitig erteilten Anweisung des Betriebsleiters H. aus dem Telefonat vom 06.07.2009. Dieser hat bei seiner Vernehmung im Kammertermin noch einmal ausdrücklich bestätigt, dem Kläger die Anweisung erteilt zu haben, das verdorbene Fleisch mit einem Gesperrt-Schild zu versehen und an das Werk I liefern zu lassen, damit es die dortige Warenannahme erkennen und an die Qualitätskontrolle weiterleiten könne. Unabhängig hiervon ergab sich eine entsprechende Pflicht in Bezug auf beide Retouren eindeutig aus den dem Kläger bekannten und von ihm abgezeichneten Verfahrensanweisungen "Vorgehen bei Qualitätsabweichungen" und "Prüfstatus". Zudem wusste er als langjähriges HACCP-Mitglied um diese Pflichten, ihre Bedeutung und die unbedingte Notwendigkeit ihrer Beachtung und Befolgung. Dies wird insbesondere bei der Retour deutlich. Der von ihm handschriftlich auf dem Retourenschein eingetragene Vermerk "eingefroren für S II" bedeutet nach der unbestrittenen Aussage des Zeugen H., dass es sich um Fleischabschnitte mit einer bestimmten Zusammensetzung (80% Fleisch, 20% Fett) handelt, die im Werk I zusammen mit anderen Fleischteilen für bestimmte Rezepturen in der Wurst-/Konservenproduktion eingesetzt, also weiterverarbeitet worden wären. Angesichts der nach der unbestrittenen Aussage des Zeugen F. einmal pro Woche erfolgenden Fleischlieferung von Werk II an Werk I und des Umfangs der Lieferung vom 07.07.2009 von mehreren Tonnen bestand in der Tat ein ganz erhebliches Risiko für den Endverbraucher, wenn die verdorbenen Fleischabschnitte, sozusagen als Multiplikator, verarbeitet worden wären und unter Umständen eine umfangreiche Rückrufaktion verursacht hätten. Selbst wenn gesundheitliche Schäden hätten vermieden werden können und das verdorbene Fleisch nur einen geringen Teil der Gesamtmenge kontaminiert hätte, wäre bei Bekanntwerden einer solchen Rückrufaktion ein ganz erheblicher Imageverlust der Beklagten zu befürchten gewesen, da die Öffentlichkeit insbesondere nach den in den letzten Jahren immer wieder durch die Presse gegangenen sog. Gammelfleischskandalen zu Recht besonders sensibel auf dieses Thema reagiert. Eine unbedingte Verpflichtung des Klägers zur bestmöglichen Kontrolle und sorgfältigen Weiterleitung bzw. Sperrung der Retouren entsprechend den bei der Beklagten geltenden, umfangreichen und detaillierten Verfahrensanweisungen steht daher außer Frage. Dies bestreitet er auch nicht. Seine diesbezüglichen Pflichten hat er indes nach Überzeugung der Kammer klar verletzt, indem er die verdorbenen Retouren nicht gesperrt hat und somit das Risiko eingegangen ist, dass diese zur Weiterverarbeitung in die Wurst- / Konservenproduktion gelangen, sofern nicht entweder die Warenannahme in Werk I die gesamte Lieferung noch einmal ihrerseits überprüft und/oder anderweitig vorgewarnt wird, wie es hier durch das Telefonat zwischen dem Betriebsleiter H. und dem Produktionsleiter des Werks I, Herrn E., welcher dann wiederum seinerseits den Warenannehmer F. informierte, geschehen ist. Eine Sperrung durch den Kläger ist nicht erfolgt. Unstreitig sind die Retouren ohne das bei der Beklagten für solche Fälle übliche rote Gesperrt-Schild in Werk I angekommen. Wann und unter welchen Umständen der Kläger ein solches Schild an der Ware angebracht haben will, hat er nicht näher vorgetragen. Seine pauschale Behauptung aus dem Schriftsatz vom 12.10.2009, beide Retouren mit einem roten Gesperrt-Schild versehen zu haben, genügte nicht, da sowohl der Zeuge E. wie auch der Zeuge F., der den anliefernden Lkw am 07.07.2009 entlud, glaubhaft ausgesagt haben, trotz erhöhter Aufmerksamkeit durch die Vorwarnung von Herrn H. bzw. Herrn E. an der gesamten Lieferung kein solches Schild, auch kein evtl. abgefallenes Schild, gesehen zu haben. Der dann hinzugerufene Betriebsleiter H. konnte ebenfalls kein Gesperrt-Schild entdecken. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Lademeister G. ein vom Kläger angebrachtes Schild wieder abgenommen hätte. Die diesbezügliche Einlassung des Klägers erschien der Kammer aus folgenden Gründen unglaubhaft: Nach seinem oben erwähnten pauschalen Vortrag, er habe beide Retouren mit einem roten Gesperrt-Schild versehen, behauptete er im Kammertermin vom 17.12.2009, Herr G. habe das Schild abgenommen. Mit bei Gericht am 08.02.2010 eingegangenem Schriftsatz trug er vor, beim Verladevorgang sei offensichtlich das Schild zunächst abgenommen, dann aber nicht mehr angebracht worden. Im Schriftsatz vom 08.04.2010 schließlich heißt es, Herr G. habe das Fleisch für den Fahrer bereitgestellt und dabei das Sperrschild entfernt; später habe er erklärt, er habe das Schild in die Qualitätskontrolle bringen wollen und es daher in das entsprechende Fach abgelegt. Bereits dieser zwischen Behauptung und Mutmaßung wechselnde Sachvortrag erweckt den Eindruck, dass der Kläger selbst nicht genau weiß, worauf er sich berufen möchte. Überdies ergibt gerade die letzte Variante für die Kammer auch keinen Sinn. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund der Lademeister das Gesperrt-Schild schon bei der Bereitstellung der Ware abnehmen sollte, da er damit den Warnhinweis für den Warenannehmer und die erforderliche Aussonderung zur Weiterleitung an die Qualitätskontrolle gerade verhindert. 

Die behauptete Begründung, Herr G. habe das Schild zur Qualitätskontrolle bringen wollen, erklärt nicht, was die Qualitätskontrolle mit einem bloßen Schild ohne zugeordnete, noch im Transportumlauf befindliche Ware (ohne Sperr-Kennzeichnung) anfangen können sollte. Auch kämen die verdorbenen Retouren, da sie gerade nicht mehr gekennzeichnet sind, ohne Warnhinweis im Werk I an, weswegen für den Warenannehmer kein Anlass besteht, diese auszusondern und an die Qualitätskontrolle weiterzuleiten. Dass Herr G. so verfahren sein sollte, erscheint der Kammer nicht nachvollziehbar. Unabhängig hiervon hat der Zeuge G. bei seiner Vernehmung nicht nur nachdrücklich bekundet, kein rotes Gesperrt-Schild abgenommen zu haben, sondern darüber hinaus, mit der Lieferung vom 07.07.2009 überhaupt nichts zu tun gehabt, also auch keine Ware hierfür bereitgestellt zu haben. Hinzu kommt, dass die Beklagte mehrfach und nachdrücklich behauptet und der Zeuge H. im Kammertermin auch ausgesagt hat, der Kläger habe, am 07.07.2009 zur Rede gestellt und auf den Verbleib des Gesperrt-Schildes angesprochen, umgehend erklärt, er habe das Schild bei sich und werde es ins Werk I mitbringen. In seinem bei Gericht am 08.02.2010 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger lediglich bestritten, geäußert zu haben, er habe das Schild noch bei sich; nicht bestritten hat er dagegen die Behauptung der Beklagten, er habe das Schild dann, als er ins Werk I gekommen sei, mitgebracht. Woher er das Schild aber gehabt oder in der Zwischenzeit erhalten haben soll, ist offen geblieben, der Kläger hat den diesbezüglichen Sachvortrag der Beklagten und die ausdrückliche Bekundung des Zeugen H. im Kammertermin nicht weiter kommentiert. Sein pauschaler Gegenvortrag, er habe das Schild an der Ware angebracht und Herr G. es später wieder abgenommen, genügte der Kammer nicht. Daher war vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger die beiden verdorbenen Fleischretouren in Kenntnis, aber ohne Warnhinweis oder besondere Kennzeichnung an das Werk I liefern ließ und damit eine dortige Weiterverarbeitung in Kauf nahm. Insbesondere seine Information bzgl. der T-Retour im Telefonat mit Herrn H. am 06.07.2009 kann ihn insoweit nicht entlasten, da dieser ihn gerade noch einmal ausdrücklich zur Sperrung anwies und damit deutlich machte, die Sache nicht selbst übernehmen, sondern vielmehr den Kläger mit bestimmten weiteren Schritten betrauen zu wollen, wie es ohnehin dessen üblichen Aufgaben und den bei der Beklagten geltenden Anweisungen entsprach. Auch kann sich der Kläger weder auf die von Herrn H. an den Produktionsleiter des Werks I E. weitergeleitete Vorwarnung noch auf die Information des Geschäftsführers der Beklagten durch den retournierenden Metzger des V-Markts berufen. Zum einen entbindet ihn dies nicht von seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Sperrung der Ware, insbesondere, da er von den vorgenannten Gesprächen zum damaligen Zeitpunkt gar keine Kenntnis hatte. Zum anderen hätte er selbst bei unterstellter Kenntnis lediglich erwarten dürfen, dass die Warenannahme mit erhöhter Aufmerksamkeit auf eine Sperrung der Ware achtet, nicht aber darauf, dass diese die gesamte, regelmäßig mehrere Tonnen betragende Lieferung komplett überprüft, um eine nicht gesperrte verdorbene Ware erst zu entdecken. Aus diesem Grunde kommt es auch weder darauf an, ob der Kläger Herrn H. im Telefonat am 06.07.2009 auch über die Retour des V-Markts informiert hat noch darauf, ob er in diesem Gespräch geäußert hat, er finde, das Fleisch der T-Retour sehe noch gut aus. Ebenfalls nicht ins Gewicht fällt vor diesem Hintergrund, dass er beide Retouren vorschriftsgemäß einzeln hätte sperren müssen. 

Auch die für den konkreten Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht zu einer Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung. Zugunsten des Klägers sprechen klar dessen über 30jährige Betriebszugehörigkeit und sein Lebensalter. Zu seinen Lasten geht dagegen die aus der besonderen Bedeutung seiner Pflicht resultierende Schwere ihrer Verletzung. Eine Weiterverarbeitung des verdorbenen Fleisches hätte erhebliche nachteilige Konsequenzen für die Beklagte und die Gefahr ernsthafter Gesundheitsschäden für eine Vielzahl von Verbrauchern mit sich bringen können. Bereits ein einziger, auch auf Nachlässigkeit beruhender Fehler birgt in dem Bereich der Hygiene- und Qualitätskontrolle von rohem Fleisch außerordentliche Gefahren und Risiken und kann daher auch im kündigungsschutzrechtlichen Sinne unverzeihlich sein. Zudem wäre die Pflichtverletzung für den Kläger ohne weiteres vermeidbar gewesen, hätte er sich an die bei der Beklagten geltenden und ihm wohlbekannten Regeln gehalten. Über beide Retouren in Kenntnis gesetzt, hätte er spätestens nach Anweisung des Betriebsleiters H. eine entsprechende Sperrung vornehmen müssen. Gerade in seiner Position als Produktionsleiter und vorangegangener 20jähriger Tätigkeit als Abteilungsleiter bei der Beklagten musste er seiner diesbezüglichen erhöhten Verantwortung gerecht werden und für eine umgehende und sorgfältige Sperrung des verdorbenen Fleisches sorgen. Einer vorhergehenden Abmahnung bedurfte es nach dem Gesagten nicht, da es sich um einen klaren und deutlichen Pflichtenverstoß handelte, von dem der Kläger nicht erwarten durfte, dass die Beklagte ihn akzeptieren würde. Vielmehr musste er gerade angesichts der potentiell weitreichenden Konsequenzen der Pflichtverletzung mit dem Ausspruch einer Kündigung rechnen. Die beiden Abmahnungen vom 28.11.2005 und vom 02.06.2009 konnten bei der Bewertung gänzlich außer Betracht bleiben. Nach alledem erwies sich die fristlose Kündigung als gerechtfertigt. 

Auf die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung kommt es damit nicht mehr an.Die geltend gemachten Ansprüche auf den Restlohn für Juli 2009 sowie auf Auszahlung der stillen Beteiligung in Höhe von 2.552,11 EUR stehen dem Kläger unstreitig zu. Mit ihrer Aufrechnung dringt die Beklagte nicht durch. 

Eine wirksame Aufrechnung scheitert bereits daran, dass sie mehrere, die Klageforderungen insgesamt übersteigende Gegenforderungen erhoben und zur Aufrechnung gestellt hat und unklar geblieben ist, in welcher Reihenfolge diese zur Aufrechnung gestellt werden sollen. In einem solchen Fall muss der Arbeitgeber die Aufrechnungsforderungen in ein Stufenverhältnis stellen. Tut er dies nicht und lässt sich eine Reihenfolge auch aus sonstigen Umständen nicht entnehmen, fehlt es an der Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung, so dass die Aufrechnung insgesamt unzulässig ist (LAG Nürnberg 02.03.1999 NZA-RR 1999, 626, 627 f.; DLW/Dörner, Kap. 3 Rn. 848). So liegt es hier. Die Beklagte hat ihre Gegenforderungen zwar im Einzelnen aufgelistet, aber keine Reihenfolge für die Aufrechnung angegeben; eine solche ist auch aus sonstigen Umständen nicht ersichtlich. Damit ist, sofern das Urteil eine Aufrechnungsforderung berücksichtigen würde, auch der Umfang der Rechtskraft nicht klar erkennbar.

Unabhängig hiervon wären die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen auch unbegründet. 

Die mit 64,71 EUR (bzw. 64,72 EUR) bezifferten Entsorgungskosten wären, worauf der Kläger zu Recht hinweist, ohnehin angefallen und sind damit nicht zu berücksichtigen. Das der Kläger diese Kosten verursacht, also das Fleisch schuldhaft verdorben hätte, hat die Beklagte selbst nicht behauptet. 

Im Hinblick auf die geltend gemachten Transportkosten (2.000,22 EUR) fehlt es dem Beklagtenvortrag an hinreichender Substantiierung. Weder bezeichnet die Beklagte die von ihr angeführten 1.176,60 kg verdorbenen Fleisches näher noch legt sie im Einzelnen dar, dass und was der Kläger mit diesem Fleisch zu tun haben, wann und von wem der Transport des Fleisches von Werk II an Werk I durchgeführt worden sein noch, wie sich die angegebene Menge ergeben noch, wann und mit welchem Ergebnis das Fleisch von der Qualitätssicherung untersucht worden sein soll. Jegliche konkrete Darlegungen und Belege fehlen insoweit. 

Auch eine Vertragsstrafe kann sie nicht vom Kläger verlangen, die arbeitsvertragliche Regelung ist gem. § 307 Abs.1 BGB rechtsunwirksam. Bei der Klausel handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bereits ihrem äußeren Anschein nach liegt keine zwischen den Parteien individuell ausgehandelte, sondern vielmehr eine dem Kläger von der Beklagten vorgegebene Regelung vor. Dass die Beklagte mit anderen Arbeitnehmern andere Vertragsstrafenregelungen vereinbart hätte, hat sie selbst nicht behauptet. Ihr Vortrag, es gebe nur einen Produktionsleiter für das Werk II, mag zutreffen, begründet aber noch keine diesbezügliche Individualabsprache im Sinne von § 305 b BGB, da der Inhalt der Vertragsstrafenregelung gerade nicht speziell auf den Kläger als Produktionsleiter von Werk II zugeschnitten ist. Auch hat die Beklagte nichts zu Umständen oder Inhalt einer im Einzelnen von ihr mit dem Kläger ausgehandelten Absprache vorgetragen, auf die der Kläger Einfluss genommen oder die sie ihm ernsthaft zur Disposition gestellt hätte. Damit handelt es sich jedenfalls über § 310 Abs. 3 BGB um eine Vertragsregelung, welche der Kontrolle der §§ 307 ff. BGB unterliegt. Damit müsste die Klausel unter anderem auch dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügen, was vorliegend nicht der Fall ist. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine zur Unwirksamkeit der vertraglichen Bestimmung führende unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch daraus ergeben, dass die Regelung nicht klar und verständlich ist. So liegt es hier. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 21.04.2005 NZA 2005, 1053, 1055 f.; 18.08.2005 NZA 2006, 34, 36 f.) muss eine vereinbarte Vertragsstrafe nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam. Die Regelung muss erkennen lassen, welche konkreten Pflichten durch sie tatsächlich gesichert werden sollen. Nur so kann der Arbeitnehmer erkennen, was ggf. "auf ihn zukommt". Ist erkennbar, dass die Vertragsstrafe in erster Linie zur bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen eingesetzt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers. Eine solche Abrede zielt auf die Absicherung aller vertraglichen Pflichten und enthält damit eine unangemessene "Übersicherung". Die im Arbeitsvertrag unter § 20.3 enthaltene, hier relevante Formulierung, nach welcher der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe verwirkt, wenn ihm "fristlos gekündigt wird", lässt für ihn in keinster Weise erkennen, welches konkrete Verhalten er zu unterlassen bzw. an den Tag zu legen hat. Er kann dieser Vertragsstrafenabrede lediglich entnehmen, sich allgemein vertragsgerecht verhalten zu müssen, um eine außerordentliche Kündigung zu vermeiden. Damit handelt es sich aber gerade um ein globales Strafversprechen im Sinne der BAGRechtsprechung, welches nicht ein bestimmtes Fehlverhalten betrifft, sondern, in den Worten des BAG, von einem konkreten Sachinteresse des Arbeitgebers losgelöste, neue Geldforderungen schafft, wofür es an einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers fehlt. In einer solchen Absicherung sämtlicher vertraglicher Pflichten liegt eine unangemessene Übersicherung, ein berechtigtes arbeitgeberseitiges Interesse hieran ist nicht erkennbar. Bei einem schuldhaften vertragswidrigen Verhalten wird der Interessenausgleich zwischen den Parteien in erster Linie durch die Möglichkeit der (auch fristlosen) Kündigung des Arbeitgebers herbeigeführt (BAG 21.04.2005 NZA 2005, 1053, 1055). Zwar kann dieser zusätzlich ihm entstandene Schäden ersetzt verlangen, nicht jedoch im Wege einer pauschalen Vorab-Übersicherung, wie sie hier gegeben ist. Der Einwand der Beklagten, die Vertragsstrafenabrede gebe letztlich nur den Inhalt des § 628 Abs. 2 BGB mit einer pauschalierten Schadenshöhe wieder, verfängt nicht. Die Regelung des § 628 Abs. 2 BGB dient dem Ersatz eines dem Arbeitgeber konkret entstandenen Schadens, und zwar desjenigen Schadens, der gerade aus der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die fristlose Kündigung resultiert, sog. Verfrühungsschaden (ErfK/Müller-Glöge, § 628 BGB Rn. 33; KR/Weigand, § 628 BGB Rn. 32;  DLW/Dörner, Kap. 4 Rn. 1595). Der vertragsbrüchige Teil muss seinem Vertragspartner nur den Schaden ersetzen, der durch die vorzeitige Vertragsbeendigung entstanden ist und der bei vertragsgemäßer Einhaltung der Kündigungsfrist nicht entstanden wäre (BAG 26.03.1981 AP Nr. 7 zu § 276 BGB Vertragsbruch; ErfK/Müller-Glöge, § 628 BGB Rn. 33). Um einen solchen Schaden handelt es sich vorliegend aber schon deswegen nicht, da er vor Ausspruch der Kündigung noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses entstanden und damit gerade nicht auf den Umstand der Kündigung als solcher zurückzuführen ist. Zum anderen macht die Beklagte mit ihren mehreren zur Aufrechnung und Widerklage gestellten Forderungen selbst deutlich, dass sie ihren Schaden gerade nicht durch die Vertragsstrafenregelung als pauschaliert abgegolten sehen, sondern ihn kumulativ geltend machen will, so dass die Vertragsstrafe neben den von ihr zusätzlich geltend gemachten Schadensersatzansprüchen gar keine Ersatzfunktion mehr hätte, sondern lediglich die einer Bestrafung bzw., in den Worten des BAG, die einer von Sachinteressen losgelösten, bloßen Schöpfung neuer Geldforderungen. Dies benachteiligt den Arbeitnehmer aber unangemessen.

Daher war die Beklagte zu den zuletzt noch eingeklagten Zahlungen zu verurteilen.

Die Widerklage war abzuweisen. Sofern man sie nicht schon entsprechend der obigen Ausführungen zu I. 3. a) für unzulässig hält, da nicht ersichtlich ist, welche der Gegenforderungen in welcher Höhe der Widerklage zugrunde gelegt werden sollen und mit einer Entscheidung in Rechtskraft erwachsen würden, ist die Widerklage jedenfalls gemäß den Ausführungen zu I. 3. b) unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der streitig entschiedenen Anträge (Klage und Widerklage) aus § 92 ZPO, hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Anträge aus § 91 a Abs. 1 ZPO; insoweit hat die Kammer nach billigem Ermessen eine hälftige Kostenteilung vorgenommen.

Die Streitwertentscheidung folgt hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages aus § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG, hinsichtlich der bezifferten Anträge (Klage und Widerklage) aus deren Bezifferung. Hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Anträge wurden die Anträge zu 1) und 2) (Auskunft und Zahlung eines 2.552,11 EUR übersteigenden Betrages) auf 3.500,00 EUR und der Antrag zu 6) (Meldebescheinigung) auf 150,00 EUR festgesetzt. Daraus folgte ein fiktiver Kostenstreitwert von 17.222,94 EUR, von denen der Kläger ([3 x 2.877,00] = 8.631,00 + 1.750,00 + 75,00 =) 10.456,00 EUR und damit 60 % zu tragen hat.

Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da es hierfür an den Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt. 



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