Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 5 Sa 291/18

Abmahnungserfordernis bei unerlaubter Privatnutzung von Dienstfahrzeugen

(1.) Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen unerlaubter Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs ist nicht gerechtfertigt, wenn mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken.

(2.) Hingegen bedarf es dann nicht einer Abmahnung, wenn eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten ist oder eine Pflichtverletzung vorliegt, die so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber unzumutbar und offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist.

(3) Eine Abmahnung des betroffenen Arbeitnehmers ist nicht bereits deshalb entbehrlich, weil dieser positive Kenntnis über eine an einen anderen Mitarbeiter gerichtete Abmahnung hat, welche aufgrund derselben Ausübung ergangen ist.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Die Klägerin war bei den US-Streitkräften als Sachbearbeiterin im Transportwesen beschäftigt. Durch die unerlaubte Nutzung der Dienstfahrzeuge für Privatfahren (überwiegend für Fahrten zwischen der Dienststelle und der Wohnung der Klägerin) sowie die Vornahme von falschen Eintragungen in das Fahrtenbuch, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Bereits in der Vergangenheit wurde ein Mitarbeiter aufgrund der verbotenen Privatnutzung abgemahnt, woraus die Klägerin hätte schließen müssen, dass solch ein Verstoß zur fristlosen Kündigung führen kann – so die Beklagte. Nach Auffassung der Klägerin habe sie sich jedoch für berechtigt gehalten, das Dienstfahrzeug für Hin- und Rückfahrten zwischen ihrer Wohnung und ihrem Dienstort zu benutzen. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass das Fehlverhalten der Klägerin bereits durch eine Abmahnung hätte beseitigt werden können. Es seien keine vernünftigen Anhaltspunkte gegeben, dass die Klägerin einer Abmahnung nicht zugänglich gewesen wäre.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15. März 2017, Az. 1 Ca 1153/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, Az. 2 AZN 201/17, zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten - nach teilweiser Zurückverweisung noch - über die Wirksamkeit einer umgedeuteten ordentlichen Kündigung.

Die 1976 geborene, geschiedene Klägerin ist gegenüber einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Sie ist seit dem 16.05.2014 bei den US-Streitkräften als Sachbearbeiterin im Transportwesen mit Dienstort in L. (L. Regional Medical Center) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) Anwendung. Das monatliche Gehalt der Klägerin nach Gehaltsgruppe C 5A/4 beträgt € 2.891,20 brutto.

Die US-Streitkräfte kündigten das Arbeitsverhältnis mit einem Schreiben ohne Datum, das der Klägerin am 28.09.2016 zugegangenen ist, außerordentlich zum 30.09.2016. Die Kündigung wird darauf gestützt, dass die Klägerin Dienstfahrzeuge der US-Streitkräfte unerlaubt privat genutzt und in diesem Zusammenhang auch falsche Eintragungen in das Fahrtenbuch vorgenommen habe. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 04.10.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Die Klägerin wohnt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen H., in A-Stadt. Der Lebensgefährte der Klägerin ist ebenfalls bei den US-Streitkräften beschäftigt. Sein Dienstort befindet sich in der Z.-Kaserne in B-Stadt. Die kürzeste Entfernung zwischen dem Dienstort der Klägerin in L. und ihrem Wohnort beträgt 85 Straßenkilometer. Aufgrund eines anonymen Hinweises erlangten die US-Streitkräfte Kenntnis darüber, dass die Klägerin die Dienstfahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen XX-XX 000 (Ford Mondeo) und XX-XX 000 (Ford Focus) wiederholt für Hin- und Rückfahrten zwischen ihrer Wohnung und ihrem Dienstort benutzt hat. In das Fahrtenbuch trug die Klägerin diese Fahrten nicht ein, sondern gab statt ihres Wohnortes falsche Zielorte an. Zum Betanken der Fahrzeuge nutzte sie die Tankkarte der US-Streitkräfte.

Die Klägerin wurde zu den Kündigungsvorwürfen am 19.09.2016 angehört. Die Betriebsvertretung wurde am 21.09.2016 beteiligt. Der Dienststellenleiter beantragte die Zustimmung zu einer außerordentlichen, hilfsweise zu einer ordentlichen Kündigung zum nächstmöglichen Termin. Die Betriebsvertretung hat der Kündigung am 23.09.2016 zugestimmt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zu ihrer Entlastung vorgetragen, sie sei lediglich Anordnungen bzw. Weisungen ihrer direkten Vorgesetzten nachgekommen. Ihre Vorgesetzten R. und I. hätten beabsichtigt, nach Auflösung der Einheit WTBE in der Z.-Kaserne Mitte 2016 möglichst viele Dienstfahrzeuge im Fahrzeugpool zu behalten. Dazu sei es wichtig gewesen, die Dienstfahrzeuge eine gewisse Mindestanzahl an Kilometern bzw. Meilen zu nutzen. Ihr Vorgesetzter R. habe ihr am 31.05.2016 ihren Dienstwagen übergeben und erklärt, dass "Meilen drauf müssten". Sie habe R. bei der Fahrzeugübergabe, die in Anwesenheit ihres Lebensgefährten H. erfolgt sei, mit dem sie eine Fahrgemeinschaft bilde, ein paarmal gefragt, ob dies überhaupt genehmigt sei, ob ein prozentualer Anteil von ihrem Gehalt abgezogen und ob die Gestellung des Fahrzeugs in ihrer Lohnabrechnung erscheinen werde, weil sie mit dem Fahrzeug dann nach Hause fahren werde. Genau dies habe R. quasi von ihr verlangt. Er habe ihr erklärt, dass dies genehmigt sei, ihr werde vom Gehalt nichts abgezogen, sie müsse immer einsatzbereit sein. Obwohl sie angeboten habe, den Sprit selbst zu zahlen, habe R. erklärt, sie solle auf die Karte tanken. Sie solle die Heimfahrten nach der "Vendors-List" (einer Liste mit Werkstätten) ausfüllen, damit im Fahrtenbuch ihr Wohnort nicht auftauche. Außerdem habe ihr R. erklärt, dass sie nicht vor ihrem Wohnhaus parken solle, sondern um die Ecke, er selbst würde dies auch so machen. Sie habe den Vorfall eines Kollegen angesprochen, der "dies genauso praktiziert" habe und dann abgemahnt worden sei. Deswegen habe sie R. nochmals erklärt, dass sie in dieser Sache keinen Ärger haben wolle und dies nur machen werde, wenn dies tatsächlich auch genehmigt und so gewollt sei. Die Vorgesetzten R. und I. seien mehrmals anwesend gewesen, wenn sie nach Dienstschluss gemeinsam mit dem Zeugen H. die Z.-Kaserne mit dem Dienstwagen verlassen habe. Es sei R. und I. vollkommen klar und offensichtlich gewesen, dass sie mit dem Dienstwagen nach Hause gefahren sei. Sie selbst habe nur Weisungen ausgeführt. Das ihr vorgeworfene Verhalten sei nicht nur gesehen und gebilligt, sondern sogar gefordert worden. Nach Zugang der Kündigung sei sie von R. angerufen worden, der sein Unbehagen geäußert habe, weil er sie in diese Situation gebracht habe. Selbst wenn man von einem Fehlverhalten ausgehen sollte, hätte eine Abmahnung genügt. Dasselbe Verhalten habe in einer anderen Angelegenheit im Jahr 2015 nur dazu geführt, dass der betreffende Mitarbeiter abgemahnt worden sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das zwischen ihr und den US-Streitkräften bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die seitens der Beschäftigungsdienststelle mit Schreiben ohne Datum, zugegangen am 28.09.2016, zum 30.09.2016 ausgesprochene außerordentliche Kündigung geendet hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es sei verboten, Dienstfahrzeuge der US-Streitkräfte privat zu nutzen. Die Vorgesetzten I. und R. hätten in sog. Sworn-Statements (vergleichbar einer eidesstattlichen Versicherung) erklärt, dass sie der Klägerin zu keinem Zeitpunkt erlaubt hätten, Fahrzeuge der US-Streitkräfte für private Fahrten bzw. für Fahrten nach Hause zu benutzen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen R. und H. mit Urteil vom 15.03.2017 stattgegeben. Zur Begründung hat es - zusammengefasst - ausgeführt, die außerordentliche Kündigung der US-Streitkräfte scheitere daran, dass die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten sei. Die Kündigung habe auch als umgedeutete ordentliche Kündigung keinen Bestand. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin für berechtigt gehalten habe, das Dienstfahrzeug auch für den Weg von und nach Hause zu benutzen. Zwar hätten bei der Klägerin angesichts der Ungereimtheiten, dass sie im Fahrtenbuch ihren Heimatort nicht erwähnen, sondern Ziele aus der Vendors-List eintragen und dass sie das Dienstfahrzeug nicht direkt vor ihrem Wohnhaus parken sollte, Zweifel aufkommen müssen, ob der Zeuge R. wirklich befugt gewesen sei, ihr die Erlaubnis zu erteilen, das Fahrzeug auch für den Weg von und zur Arbeit zu benutzen. Die Nachlässigkeit der Klägerin, sich diesbezüglich nicht bei einem Vorgesetzten rückversichert zu haben, belaste das Arbeitsverhältnis jedoch nicht so schwer, dass eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre. Ein verständig denkender Arbeitgeber hätte sich zunächst mit einer Abmahnung begnügt. Es bestünden keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin einer Abmahnung nicht zugänglich gewesen wäre. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15.03.2017 Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 10.05.2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 09.06.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - innerhalb der durch Beschluss vom 21.06.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist - mit am 10.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet.

Die Beklagte ist der Ansicht, jedenfalls die (umgedeutete) ordentliche Kündigung der US-Streitkräfte sei rechtswirksam. Die Klägerin habe Dienstfahrzeuge der US-Streitkräfte, die nicht privat genutzt werden dürfen, wiederholt für Privatfahrten, überwiegend für Fahrten zwischen der Dienststelle und ihrer Wohnung genutzt. Nach dem Vortrag der Klägerin und nach Aussage des von ihr benannten Zeugen H. habe der Zeuge R. bei der Fahrzeugübergabe gesagt, dass ihr für die Privatnutzung des Dienstfahrzeugs nichts von ihrem Gehalt abgezogen werde, obgleich der Sprit mit der Karte, also aus dem Vermögen der US-Streitkräfte bezahlt werden solle. Zudem solle sie das Fahrzeug nicht direkt vor ihrer Wohnung abstellen, er (R.) - der ebenfalls ein Fahrzeug privat nutze - stelle es um die Ecke ab. Außerdem dürfe in den Aufzeichnungen, wo das Fahrzeug hingefahren werde, nicht der Wohnort der Klägerin aufgelistet sein. Zudem habe die Klägerin nach eigenem schriftsätzlichen Vorbringen Kenntnis vom Vorfall eines Kollegen gehabt, der „dies genauso praktizieren" würde und von den US-Streitkräften abgemahnt worden sei. Schließlich habe die Klägerin nachweislich und unbestritten unwahre Angaben über die tatsächlich von ihr durchgeführten Fahrten gemacht. Es sei der Klägerin damit offenkundig bewusst gewesen, dass sie sich nicht vertragsgerecht verhalten habe. Wer sich vertrags- bzw. ordnungsgemäß verhalte, müsse keine fehlerhaften Angaben in einen Nachweisheft führen und auch kein Auto verstecken. Die Klägerin habe zudem gewusst, dass ein solches Verhalten in der Vergangenheit bereits einmal abgemahnt worden sei, also einen Verstoß darstelle, der auch zum Ausspruch einer Kündigung führen könne. Der Pflichtverstoß sei nach alledem nicht - wie vom Arbeitsgericht vertreten - in der bloßen Nachlässigkeit der Klägerin, sich diesbezüglich nicht rückversichert zu haben, sondern vielmehr in dem bewussten Bruch mit Verboten ihres Arbeitgebers zu sehen. Die Klägerin habe es bevorzugt, sich in Kenntnis des Privatnutzungsverbots zu verhalten. Die vermeintlich erteilte Genehmigung durch den Zeugen R. ändere hieran nichts. Die Klägerin habe nicht annehmen dürfen, dass R. berechtigt gewesen sei, das bestehende Verbot der Privatnutzung für sie aufzuheben. R. sei nicht der Vorgesetzte der Klägerin und ihr insoweit nicht weisungsbefugt. Er selbst habe zudem - vermeintlich - gegen das Verbot der Privatnutzung verstoßen, weswegen er sein Auto versteckt und nicht direkt vor dem Haus geparkt haben soll. In Kenntnis hierüber könne die Klägerin nicht ernsthaft behaupten, davon ausgegangen zu sein, dass die Privatnutzung des Dienstfahrzeugs trotz der Genehmigung durch den Zeugen R. von ihrem Arbeitgeber geduldet worden sei. Eine Abmahnung sei daher entbehrlich gewesen.

Die Beklagte beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15.03.2017, Az. 1 Ca 1153/16, teilweise abzuändern und die Klage gegen die (umgedeutete) ordentliche Kündigung der US-Streitkräfte vom 28.09.2016 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, sie habe sich aufgrund der Erklärungen des Zeugen R. bei Übergabe für berechtigt halten dürfen, das Dienstfahrzeug auch für den Weg von und nach Hause zu benutzen. Unabhängig davon, ob nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme feststehe, dass ihr der Zeuge R.z die Nutzung des Fahrzeugs zugesagt habe oder nicht, hätte ihr Fehlverhalten durch eine Abmahnung sofort beseitigt werden können. Das Arbeitsgericht habe richtig festgestellt, es lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sie einer Abmahnung nicht zugänglich gewesen wäre. Im Gegenteil: Sie sei der Anweisung des Zeugen R. nach ihrem Urlaub im August 2016, das Dienstfahrzeug nur noch zwischen Z.-Kaserne und L. zu fahren, sofort nachgekommen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass dasselbe Verhalten, was ihr vorgeworfen werde, in einer Angelegenheit im Jahre 2015 lediglich zu einer Abmahnung des Mitarbeiters M. geführt habe. Das in der Anlage zur Berufungserwiderung beigefügte Memorandum vom 12.05.2015 (Bl. 219 d.A.) sei von ihrem ehemaligen Vorgesetzten unterschrieben worden. Dem Memorandum sei zu entnehmen, dass M. nur verwarnt worden sei, weil es keine diesbezügliche schriftliche Anweisung gegeben habe. Es sei unverständlich, dass ihr für dasselbe Verhalten sofort fristlos gekündigt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 23.10.2017 (3 Sa 285/17) zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Auf die beschränkt - auf die Entscheidung über die umgedeutete ordentliche Kündigung - eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 23.08.2018 (2 AZN 201/18) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten in Bezug auf die Rechtswirksamkeit einer der Klägerin in einem ihr am 28.09.2016 zugegangenen Schreiben enthaltenen ordentlichen Kündigung der US-Streitkräfte zurückgewiesen hat. In diesem Umfang wurde der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Es steht fest, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit den US-Streitkräften nicht durch die außerordentliche Kündigung (ohne Datum), die der Klägerin am 28.09.2016 zugegangen ist, zum 30.09.2016 aufgelöst worden ist. In Bezug auf die außerordentliche Kündigung der US-Streitkräfte ist das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.10.2017 (3 Sa 285/17) rechtskräftig geworden.

II. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist auch nicht durch die (umgedeutete) ordentliche Kündigung der US-Streitkräfte mit Ablauf der tariflichen Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende (§ 44 Abs. 1b TVAL II) zum 30.11.2016 aufgelöst worden, weil eine solche iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial nicht gerechtfertigt und damit unwirksam ist.

1. Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann grundsätzlich in eine ordentliche Kündigung nach § 140 BGB umgedeutet werden, wenn dies dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist (vgl. BAG 25.10.2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 21 mwN). Im Streitfall ist von einer derartigen Sachlage auszugehen. Der Inhalt des Kündigungsschreibens ließ für die Klägerin den unbedingten Beendigungswillen der US-Streitkräfte erkennen. Die Klägerin musste davon ausgehen, dass es diesen darauf ankam, sich möglichst bald von ihr zu trennen. Besondere Umstände, die den Schluss zuließen, die US-Streitkräfte hätten mit der Kündigung ausschließlich die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen wollen, und die damit der begehrten Umdeutung entgegenstünden, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

2. Eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung, die am 28.09.2016 zugegangen ist, in eine ordentliche Kündigung zum 30.11.2016 scheitert nicht an einer fehlenden Beteiligung der Betriebsvertretung zu einer ordentlichen Beendigungskündigung. Die Betriebsvertretung ist mit Schreiben vom 21.09.2016 vom Dienststellenleiter zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung, hilfsweise zu einer ordentlichen Kündigung zum nächstmöglichen Termin nach § 79 BPersVG (modifiziert im Geltungsbereich der Stationierungsstreitkräfte) beteiligt worden. Die Betriebsvertretung wurde auf beide Beendigungsvarianten deutlich hingewiesen. Sie hat der beabsichtigten Kündigung am 23.09.2016 ausdrücklich zugestimmt. Das deckt auch eine Beteiligung zur ordentlichen Kündigung ab (vgl. BAG 23.10.2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 41 ff).

3. Die ordentliche Kündigung der US-Streitkräfte ist nicht aus Gründen im Verhalten der Klägerin sozial gerechtfertigt.

a) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG 15.12.2016 - 2 AZR 42/16 - Rn. 11 mwN).

b) Zwar kann es einen Grund für eine ordentliche Kündigung darstellen, wenn ein Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug ohne Erlaubnis des Arbeitgebers privat nutzt. Auch wenn für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung deren strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend ist, erfüllt der unbefugte Gebrauch eines Kraftfahrzeugs den Straftatbestand des § 248b StGB. Das Vermögen des Arbeitgebers wird durch den Verbrauch von Treibstoff und die Abnutzung des Fahrzeugs verletzt.

aa) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann sogar einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (vgl. BAG 21.06.2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17 mwN).

bb) Die Klägerin hat ihre Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt. Sie hat Dienstfahrzeuge der US-Streitkräfte nach ihrem eigenen Vorbringen seit 31.05.2016 für einen Zeitraum von ungefähr drei Monaten (bis Ende August 2016) für private Fahrten von der Dienststelle zu ihrem 85 Straßenkilometer entfernten Wohnort und zurück benutzt. Selbst wenn man ihr abnehmen will, dass sie das Fahrzeug über die Wochenenden in der Z.-Kaserne geparkt hat, fuhr sie privat auf Kosten der US-Streitkräfte mindestens 9.000 Kilometer. Ab August 2016 will sie das Fahrzeug nur noch auf der Wegstrecke zwischen dem Dienstort ihres Lebensgefährten (Z.-Kaserne) und ihrem Dienstort (L.) privat genutzt haben. Die einfache Entfernung beträgt ca. 20 Kilometer.

Auch wenn die Klägerin aufgrund der - von ihr vorgetragenen und von ihrem Lebensgefährten bei seiner erstinstanzlichen Zeugenvernehmung bestätigten - Erklärungen des Zeugen R. bei Übergabe des Dienstfahrzeugs gemeint haben sollte, R. habe "quasi von ihr verlangt [sic]", das Kraftfahrzeug für die privaten Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle zu benutzen, kann ihr der heimliche und unaufrichtige Charakter seiner "Anweisungen" nicht verborgen geblieben sein. Nach ihrem Vortrag sollte sie das Fahrzeug nicht vor ihrem Wohnhaus parken, sondern "um die Ecke" abstellen. Außerdem sollte sie im Fahrtenbuch die privaten Heimfahrten nicht eintragen, sondern wahrheitswidrig falsche Zielorte (aus einer Liste mit Werkstätten) notieren. Dies spricht nicht für ein redliches Vorgehen, vielmehr ist das Verhalten, das der Zeuge R. angeordnet bzw. gefordert haben soll, insgesamt auf Heimlichkeit angelegt. Es hätte sich der Klägerin aufdrängen müssen, dass es sich bei den - von ihr behaupteten - Erklärungen des Zeugen R. um rechtswidrige Dienstanweisungen gehandelt haben muss, die auf vorsätzliche Täuschung der für die Fahrzeugflotte zuständigen Vorgesetzten hinausliefen. Wie die Beklagte zutreffend anführt, muss ein Arbeitnehmer, der sich bei der privaten Nutzung eines Dienstwagens pflichtgemäß verhält, keine falschen Ziele im Fahrtenbuch eintragen und das geparkte Fahrzeug verstecken.

c) Gleichwohl ist es den US-Streitkräften zuzumuten, die Klägerin weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion auf das Fehlverhalten der Klägerin ausgereicht. Zwar war die Klägerin bei Ausspruch der Kündigung erst zwei Jahre bei den US-Streitkräften beschäftigt, so dass sie keinen nennenswerten sozialen Besitzstand oder erhebliches "Vertrauenskapital" erworben hat. Es geht jedoch um ein steuerbares Verhalten. Nach Ansicht der Berufungskammer ist davon auszugehen, dass das künftige Verhalten der Klägerin schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden konnte.

Der Umstand, dass die US-Streitkräfte die - gleichermaßen von der Klägerin praktizierte - Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin (Schriftsatz vom 09.01.2017, Seite 4 vorletzter Absatz) bei einem Arbeitskollegen zum Anlass für eine Abmahnung genommen haben - was die Klägerin wusste - spricht nicht dafür, dass sie einer Abmahnung nicht zugänglich gewesen wäre. Nach dem zweitinstanzlichen Vorbringen der Klägerin (Schriftsatz vom 15.09.2017, Seite 11 Ziff. 10) ist der Arbeitskollege M. nach ihrer Kenntnis abgemahnt bzw. (mündlich) verwarnt worden. Der Arbeitskollege M. soll laut Memorandum vom 12.05.2015 (Anlage zum Schriftsatz vom 15.09.2017, Bl. 219 d.A.) wegen der privaten Nutzung eines Dienstfahrzeugs verwarnt worden sein. Es muss nicht aufgeklärt werden, ob dem Arbeitnehmer M. von den US-Streitkräften wegen der Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs im Mai 2015 eine Abmahnung im Rechtssinne erteilt worden ist. Denn die Erfolgsaussicht einer Abmahnung der Klägerin lässt sich nicht mit dem Argument verneinen, dass die Klägerin durch die Abmahnung des Arbeitskollegen M. ausreichend gewarnt worden sei. Mit der Frage der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf verhaltensbedingte Kündigungen (vgl. hierzu BAG 16.07.2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 76; KR/Rachor 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 247; ErfK/Niemann 19. Aufl. § 626 BGB Rn. 199, 199a, jeweils mwN) hat das nichts zu tun. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Kenntnis der Klägerin über die Abmahnung des Arbeitskollegen M., der "dies genauso praktizieren" würde, mit einer "vorweggenommenen" Abmahnung verglichen werden könne (vgl. dazu BAG 05.04.2001 - 2 AZR 580/99 - Rn. 45; LAG Schleswig-Holstein 29.06.2017 - 5 Sa 5/17 - Rn. 53; KR/Fischermeier 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 280 mwN; Schaub ArbR-HdB/Linck 16. Aufl. § 132 Rn. 1; jeweils mwN), führt dies im Streitfall nicht zur Entbehrlichkeit einer auf die konkret begangenen Pflichtverletzungen der Klägerin bezogenen Abmahnung. Eine Abmahnung der Klägerin war auch nicht etwa entbehrlich, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung gehandelt hätte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme den US-Streitkräften nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. Das ist nicht der Fall. Als Mittel zur Herbeiführung künftiger Vertragstreue hätte zur Überzeugung der Berufungskammer eine Abmahnung der Klägerin ausgereicht. Die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage ist wiederherstellbar.

4. Die ordentliche Kündigung der US-Streitkräfte, die der Klägerin am 28.09.2016 zugegangen ist, ist auch als Verdachtskündigung unwirksam.

a) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (vgl. BAG 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 22 mwN).

b) Danach ist im Streitfall eine ordentliche Verdachtskündigung unbegründet. Auch insoweit war nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht entbehrlich. Die Berufungskammer ist davon überzeugt, dass das künftige Verhalten der Klägerin schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden konnte. Den US-Streitkräften ist aus den (unter Ziff. 3) dargelegten Gründen zuzumuten, die Klägerin weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (2 AZN 201/18), zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen