Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 10 Sa 225/13

Änderungskündigung vor Beendigungskündigung - auch nach abgelehntem Änderungsvertrag

Macht der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer das Angebot, den Vertrag der noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen, und lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, trotzdem eine Änderungskündigung auszusprechen. Eine Beendigungskündigung ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen im Fall des Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annehmen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17. April 2013, Az.: 12 Ca 4234/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 31.10.2012.

Die 1964 geborene Klägerin ist seit 01.01.1993, zuletzt seit 01.11.2007 als Produktionsplanerin (MPS-Managerin) zu einem Bruttomonatsgehalt von € 5.700,00 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte entwickelt, produziert und vertreibt Verpackungen für den Getränke-, Catering- und Endverbrauchermarkt. Sie beschäftigte im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs am Standort Z. ca. 320 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.

Mit Schreiben vom 11.10.2012 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin an. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

"... Aufgrund der wesentlich geringeren Produktkomplexität und der stark reduzierten Anzahl der zu planenden Maschinen ergibt deutlich reduzierten Arbeitsvolumens im Bereich MPS. Die Aufgaben von Frau C. als MPS werden zukünftig ohne überobligatorische Belastung auf die Mitarbeiter der Produktionsplanung übertragen. ... Hierdurch entfällt die Position der bisherigen MPS-Managerin, Frau C., dauerhaft und ersatzlos.

Das Arbeitsverhältnis mit Frau C. ist betriebsbedingt zu kündigen. ...

Schließlich gibt es bei uns keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für Frau C.. Wir haben derzeit keine freien Arbeitsplätze und beabsichtigen keine Neueinstellungen in diesem Bereich. ...“

Mit E-Mail vom 25.10.2012 wandte sich Frau Ch., die HR-Managerin der Beklagten, mit folgendem Angebot an die Klägerin:

"... hiermit unterbreite ich dir folgenden Alternativvorschlag: Wir setzen dich zukünftig als Sachbearbeiterin Network Sales mit einer Eingruppierung in E 10 ein. Funktionsbeschreibung findest du im Anhang.

Ich bitte um eine zeitnahe Rückmeldung, spätestens Montag, 29.10.2012. ...“

Die Klägerin bedankte sich mit E-Mail vom 25.10.2012 für das Angebot und fragte an, ob es sich um eine unbefristete Anstellung handele und ab wann sie im neuen Einsatzgebiet beginnen solle. Frau Ch. antwortete ihr noch am 25.10.2012 wie folgt:

"Es handelt sich um eine unbefristete Anstellung mit sofortigem Einstieg.“

Daraufhin teilte die Klägerin mit E-Mail vom 26.10.2012 mit:

"... mit der betriebsbedingten Versetzung in den Vertrieb bin ich einverstanden. Ich nehme für diesen Fall den § 5 (Versetzungen) der Betriebsvereinbarung zum Sozialplan vom 30.7.2012 in Anspruch.

Ich bitte dich, diese Regelung bei der Schriftform für die Versetzung zu berücksichtigen.

Bei der Eingruppierung in E 10 gehe ich von der Stufe "nach 6 Tätigkeitsjahren“ aus. ...“

Am 31.10.2012 richtete die Beklagte folgendes Schreiben an die Klägerin:

"Sehr geehrte Frau C.,

die wesentlich geringere Produktkomplexität und die stark reduzierte Anzahl der zu planenden Maschinen ergibt deutlich reduziertes Arbeitsvolumen im Bereich MPS. Somit entfällt Ihre Funktion als MPS-Manager dauerhaft ersatzlos. Im Rahmen dessen hörten wir am 11.10.2012 unseren Betriebsrat zur betriebsbedingten Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses an.

Um diesen Weg nicht vollziehen zu müssen, baten wir in einigen Gesprächen zwischen Ihnen, Herrn K. und Frau Ch. um eine einvernehmliche Lösung im Rahmen eines Aufhebungsvertrags mit einer Abfindungshöhe von 85.000,00 €.

Nachdem Sie dieses Angebot nicht annahmen, traten wir am 25.10.2012 mit der Option einer internen Versetzung als Sachbearbeiter im Bereich Network Sales mit einem Tarifentgelt in Höhe von 3.039,00 € (E6/4. Stufe) plus einer freiwilligen Zulage von 671,00 € an Sie heran.

Auch diese Lösung lehnten Sie ab. Daher sehen wir uns nun gezwungen, Ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zu kündigen. ...“

Die Klägerin quittierte den Erhalt dieses Schreibens am 31.10.2012 und setzte folgenden handschriftlichen Vermerk hinzu:

"Per E-Mail Angebot von E 10 Eingruppierung für anderes Einsatzgebiet 25.10.2012 angenommen.“

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31.10.2012, der Klägerin am selben Tag zugegangen, ordentlich zum 31.03.2013. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit ihrer am 21.11.2012 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.04.2013 (dort Seite 3 bis 6) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.10.2012 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.04.2013 stattgegeben und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, der Klägerin im Wege der Änderungskündigung die Stelle als Sachbearbeiterin Network Sales anzubieten, obwohl sie zuvor das Angebot bezogen auf die Entgeltgruppe E 6 abgelehnt habe. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe objektiv die Möglichkeit bestanden, die Klägerin, wenn auch zu geänderten Vertragsbedingungen, weiter zu beschäftigen. Der Vortrag der Beklagten, die Stelle sei nach nochmaliger Prüfung des Bedarfs gestrichen worden, sei unsubstantiiert. Dem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass die Stelle bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung - nur wenige Tage nach dem Angebot, die Klägerin auf dieser Stelle weiter zu beschäftigen - gestrichen worden sei. Die Beklagte habe keine Umstände vorgetragen, die die Schlussfolgerung zuließen, die Klägerin hätte eine entsprechende Änderungskündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nicht einmal unter Vorbehalt angenommen. Offenkundig sei die Klägerin mit der neuen Stelle nur bezüglich der Eingruppierung nicht einverstanden gewesen, weil sie das erste Angebot der Beklagten mit einem Gehalt nach E 10 angenommen habe. Die Klägerin habe ihr ernsthaftes Interesse an der angebotenen Stelle deutlich bekundet. Deshalb habe die Beklagte nicht davon ausgehen dürfen, dass die Ablehnung ihres zweiten Angebots das „letzte Wort“ der Klägerin gewesen sei. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 7 bis 10 des erstinstanzlichen Urteils vom 17.04.2013 Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 03.05.2013 zugestellt worden. Sie hat mit am 24.05.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 01.08.2013 verlängerten Begründungsfrist am 31.07.2013 begründet.

Sie ist der Ansicht, ihr Vortrag zur Streichung der Stelle sei entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts keinesfalls unsubstantiiert. Nachdem die Klägerin ihr Angebot auf Weiterbeschäftigung mit einer Vergütung nach E 6 abgelehnt habe, habe sie den Bedarf für die Besetzung der Stelle erneut geprüft und entschieden, die Stelle zu streichen. Die Stelle sei tatsächlich nicht eingerichtet und nicht besetzt worden. Die Klägerin habe bei der Ablehnung des Änderungsangebots unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie nicht bereit gewesen sei, zu den geänderten Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Wäre die fragliche Stelle bei Ausspruch der Kündigung tatsächlich noch vorhanden gewesen, wäre sie auch deswegen nicht zum vorrangigen Ausspruch einer Änderungskündigung verpflichtet gewesen. Richtig sei, dass die Klägerin zunächst auf die Position einer Sachbearbeiterin im Bereich Network Sales mit einer Eingruppierung nach E 10 habe versetzt werden sollen. Eine solche Versetzung wäre im Rahmen des Direktionsrechts möglich gewesen. Nach erneuter interner Prüfung habe sich dann jedoch ergeben, dass die Stelle lediglich nach E 6 zu vergüten sei. Sie habe der Klägerin am 25.10.2012 ein Angebot zur Weiterbeschäftigung mit einem Tarifentgelt nach E 6 gemacht. Dieses Angebot habe die Klägerin ausdrücklich abgelehnt. Sie habe deshalb mit Schreiben vom 31.10.2012 die Einzelheiten der Verhandlungen zusammengefasst. Die Klägerin habe die Ausführungen unterschrieben und sie lediglich mit dem Vermerk hinsichtlich der Annahme des Angebots mit einer Eingruppierung in E 10 versehen. Dies zeige deutlich, dass die Klägerin auf der Eingruppierung in E 10 beharrt habe und eine Position mit der angebotenen Vergütung nach E 6 für sie nicht - auch nicht um den eventuellen Preis des Verlustes ihres Arbeitsplatzes - in Frage gekommen sei. Vor diesem Hintergrund sei das Verhalten der Klägerin widersprüchlich, wenn sie sich auf eine mögliche vorrangige Änderungskündigung berufe. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 31.07.2013 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.04.2012, Az. 12 Ca 4234/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 02.09.2013, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Die Behauptung der Beklagten, sie sei am 25.10.2012 mit der Option einer internen Versetzung als Sachbearbeiterin im Network Sales mit einem Tarifentgelt nach E 6 an sie herangetreten, sei falsch. Vielmehr habe ihr Frau Ch. am 30.10.2012 mündlich mitgeteilt, dass wohl doch nur eine Eingruppierung in E 6 erfolgen könne. Sie habe Frau Ch. geantwortet, dass sie mit dieser Eingruppierung nicht einverstanden sei, zumal man sich bereits auf einer Eingruppierung in E 10 geeinigt habe. Nichts anderes habe sie am 31.10.2012 auf der Empfangsquittung handschriftlich vermerkt. Sie habe mit ihrem Vermerk in keiner Weise die neue Position einer Sachbearbeiterin Network Sales mit einer Eingruppierung in E 6 endgültig abgelehnt. Vielmehr hätte sie das Angebot unter Vorbehalt angenommen Sie habe lediglich darauf verwiesen, dass bereits eine Einigung über ihre Eingruppierung erzielt worden sei. Die Beklagte habe im Zeitraum zwischen dem Gespräch vom 30.10.2012 und dem Ausspruch der Kündigung am 31.10.2012 die Stelle im Bereich Network Sales nicht gestrichen.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.  In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beendigungskündigung der Beklagten vom 31.10.2012 nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Kündigungszugangs lagen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb der Beklagten entgegenstanden. Die Beklagte hätte unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung als „Sachbearbeiterin Network Sales“ aussprechen müssen.

Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und sorgfältigen Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies nach § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich folgende Ausführungen:

1. Das Arbeitsgericht hat unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, zutreffend erkannt, dass eine Beendigungskündigung unter Beachtung des in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht als ultima-ratio geboten und deshalb sozial ungerechtfertigt ist, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens auch zu veränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden kann. Dann ist anstelle der Beendigungskündigung eine entsprechende Änderungskündigung auszusprechen. Das Weiterbeschäftigungsangebot kann lediglich in Extremfällen (zB offensichtlich völlig unterwertige Beschäftigung) unterbleiben. Der Arbeitgeber kann Angebot und Kündigung miteinander verbinden, indem er ohne vorherige Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer sofort eine Änderungskündigung ausspricht. Macht der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer das Angebot, den Vertrag der noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen, und lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, trotzdem eine Änderungskündigung auszusprechen. Eine Beendigungskündigung ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen im Fall des Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annehmen. Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzverfahren die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer definitiv und endgültig das Änderungsangebot abgelehnt hat, dh., dass dieser weder einvernehmlich noch unter dem Vorbehalt der Prüfung der sozialen Rechtfertigung iSd. § 2 KSchG bereit war, zu den geänderten Bedingungen zu arbeiten (vgl. BAG 21.09.2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 34 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130; BAG 21.04.2005 - 2 AZR 244/04 - Rn. 35-37 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 80).

2. Das Arbeitsgericht ist nach diesen Grundsätzen zutreffend zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Beklagte im Streitfall verpflichtet gewesen ist, statt der Beendigungskündigung ggü. der Klägerin vorrangig eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung als Sachbearbeiterin „Network Sales“ mit einer Eingruppierung nach Entgeltgruppe E 6 zu erklären. Die Beendigungskündigung ist unverhältnismäßig.

a) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 31.10.2012 eine freie Stelle im Bereich Network Sales für die Klägerin vorhanden war. Das Argument der Beklagten, sie habe - nachdem die Klägerin ihr Stellenangebot mit einem Tarifentgelt nach E 6 abgelehnt habe - den Bedarf erneut geprüft und entschieden, die Stelle zu streichen, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist der Vortrag der Beklagten, die Stelle im Bereich Network Sales sei nach nochmaliger Prüfung des Bedarfs gestrichen worden, unsubstantiiert. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Rechtswirksamkeit der Kündigung ist ihr Zugang. Im Nachhinein eintretende Umstände können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Die Beklagte hat auch zweitinstanzlich nicht dargelegt, ob sie ihre Entscheidung zur Stellenstreichung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 31.10.2012 bereits getroffen hat. Dagegen spricht der Wortlaut ihres Schreibens vom 31.10.2012. Die Beklagte führt darin aus, dass sie sich gezwungen sehe, das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zu kündigen, weil der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin als MPS-Managerin entfallen sei und die Klägerin die angebotene Stelle als Sachbearbeiterin im Bereich Network Sales mit einem Tarifentgelt nach E 6 nicht angenommen habe. Von einer Streichung der angebotenen Stelle im Bereich Network Sales ist dabei nicht die Rede. Es hätte daher konkreter Ausführungen bedurft, wann genau und von wem in dem engen Zeitfenster zwischen der Aushändigung des Schreibens vom 31.10.2012 - mit dem die Beklagte nach eigenem Bekunden die Einzelheiten der Verhandlungen zusammenfassen wollte - und dem Kündigungszugang am 31.10.2012 die "Blitz"-Entscheidung getroffen worden sein soll, auch die angebotene Stelle im Bereich Network Sales zu streichen. An einem derartigen Vortrag fehlt es auch in zweiter Instanz.

b) Entgegen der Ansicht der Berufung steht der Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz das Verhalten der Klägerin nicht entgegen. Zwar hat die Klägerin vor Ausspruch der Beendigungskündigung das Angebot der Beklagten, sie als Sachbearbeiterin mit einem Tarifentgelt nach E 6 im Bereich Network Sales zu beschäftigen, abgelehnt. Diese Ablehnung hat die Beklagte jedoch nicht von ihrer Verpflichtung entbunden, der Klägerin die geänderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiterin in Form einer Änderungskündigung anzubieten, anstatt sofort eine Beendigungskündigung auszusprechen. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin. Die Klägerin hat das Angebot der Beklagten mit einem Tarifentgelt nach E 6 nicht angenommen, weil sie der Ansicht war, es sei bereits ein Änderungsvertrag über ihre Beschäftigung als Sachbearbeiterin im Bereich Network Sales mit einem Tarifentgelt nach E 10 zustande gekommen. Diese Rechtsansicht hat sie durch ihren handschriftlichen Vermerk auf dem Schreiben der Beklagten vom 31.10.2012 zum Ausdruck gebracht. Die Klägerin hat jedoch nicht erkennen lassen, dass sie das Änderungsangebot in keinem Fall annehmen werde.

Die Berufung verkennt, dass allein die Ablehnung eines der Kündigung vorangegangenen Angebots auf einvernehmliche Abänderung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer den Arbeitgeber grundsätzlich nicht von der Verpflichtung enthebt, das Änderungsangebot mit einer nachfolgenden Beendigungskündigung erneut zu verbinden. Denn die Ablehnung der einverständlichen Abänderung schließt nicht aus, dass der Arbeitnehmer bereit ist, zu den geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten, wenn sich in einem Änderungsschutzverfahren die Berechtigung der Änderung herausstellt (BAG 21.04.2005 - 2 AZR 132/04 - Rn. 50, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 79).

Der handschriftliche Vermerk der Klägerin vom 31.10.2012 auf dem Schreiben der Beklagten mit demselben Datum kann nicht als eine definitive Ablehnung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung angesehen werden, weil nicht deutlich geworden ist, dass die Klägerin auch für den Fall des Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht bereit gewesen wäre, zu den geänderten Bedingungen zu arbeiten. Auch der zweitinstanzliche Vortrag der Beklagten zielt lediglich darauf ab, die Klägerin habe die einvernehmliche Lösung endgültig abgelehnt, nicht aber, die Klägerin wäre auch nicht unter Vorbehalt der gerichtlichen Prüfung der sozialen Rechtfertigung der geänderten Arbeitsbedingungen zur Weiterarbeit bereit gewesen.

III.  Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.



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