Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 7 Sa 151/14

Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung - Darlegungs- und Beweislast

(1.) Eine Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Auf der Grundlage der betrieblichen Dispositionen des Arbeitgebers müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der anfallenden Arbeiten benötigt werden.

(2.) Je "näher" die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt (bis hin zum reinen Stellenabbau), umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.

Der Arbeitgeber muss darlegen, in welchem Umfang die von dem zu kündigenden Arbeitnehmer bzw. einem vergleichbaren Mitarbeiter erbrachten Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, inwieweit eine Kompensation durch neu hinzukommende Arbeiten eintritt und in welchem Umfang sich dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang ergibt.
Dazu muss er ggf. darlegen, warum der Stellenabbau gerade in der Abteilung des/der zu kündigenden Arbeitnehmer/s stattzufinden hat.

(3.) Um die Dauerhaftigkeit eines Auftragsrückgangs darzulegen genügt es grundsätzlich nicht, lediglich das Vorjahr oder einen Referenzzeitraum aus dem Vorjahr als Vergleichsmaßstab heranzuziehen.

Vorliegend genügt es nicht, dass der beklagte Arbeitgeber auf einen Auftragsrückgang im Zeitraum 01.01.2013 - 01.09.2013 im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr abgestellt hat. Vielmehr hätte er die Auftragslage weiterer Vorjahre einbeziehen müssen.

(4.) Eine betriebsbedingte Kündigung ist regelmäßig sozial ungerechtfertigt, wenn dem zu kündigenden Arbeitnehmer zuvor keine anderweitige Beschäftigung angeboten wurde. (Weisung vor Änderungskündigung, Änderungskündigung vor Beendigungskündigung)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az: 11 Ca 3354/13 - vom 18. Februar 2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses und die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die 1958 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin war im Feinblech verarbeitenden Betrieb der Beklagten in A.-Stadt seit dem 16. Mai 2011 zunächst im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Unmittelbar im Anschluss wurde sie aufgrund des Arbeitsvertrags vom 14. November 2011 (Anlage K 2, Bl. 10 ff. d. A.) seit diesem Tag im Rahmen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses mit zunächst 39 Stunden/Woche als "Maschinenarbeiterin" beschäftigt. Zuletzt war die Klägerin in der Abteilung "Pressen" ("Stanzerei") im Umfang von 35 Stunden/Woche bei einem monatlichen Bruttoeinkommen in Höhe von durchschnittlich 2.088,52 € tätig. Sie wurde - ausweislich des ihr unter dem 30. September 2013 erteilten Arbeitszeugnisses (Anlage K 3, Bl. 35 d. A.) - auch in anderen Abteilungen, zum Beispiel in der Abkanterei und in der Montageabteilung eingesetzt. Die Beklagte beschäftigt circa 22 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist im Betrieb in A.-Stadt nicht gebildet.

Mit Schreiben vom 29. August 2013 (Anlage K 1, Bl. 9 d. A.), der Klägerin übergeben am 30. August 2013, sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine ordentliche Kündigung zum 30. September 2013 "aus betrieblichen Gründen" aus. Gegen diese Kündigung wandte sich die Klägerin mit ihrer am 13. September 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und begehrte weiter die Erteilung eines (Zwischen-) Zeugnisses und ihre Weiterbeschäftigung.

Die Klägerin hat vorgetragen,

(betriebsbedingte) Kündigungsgründe seien nicht gegeben. Sie könne aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten in jeder Abteilung der Beklagten eingesetzt werden. Ebenso werde auch ein Großteil der bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter in wechselnden Abteilungen beschäftigt. Wäre ihr Arbeitsplatz weggefallen, läge nicht lediglich in der Abteilung "Pressen" ein Arbeitsmangel vor, sondern auch in den anderen Abteilungen. Der Arbeitsprozess bei der Beklagten stelle sich so dar, dass zunächst die Bleche zugeschnitten, dann gepresst bzw. gestanzt, anschließend gekantet und zuletzt gepunktet bzw. geschweißt würden. Die Auftragslage sei noch im Sommer 2013 so gut gewesen, dass die gesamte Belegschaft für die Betriebsferien habe "vorarbeiten" müssen. Zudem seien nach dem Ende der Betriebsferien zusätzlich Aushilfen eingesetzt worden. Schließlich hätten bei dem von der Beklagten behaupteten Einbruch der Auftragslage auch Stellen der Einrichter gestrichen werden müssen. Diese hätten jedoch aufgrund der guten Auftragslage sogar in der Produktion mithelfen müssen. Selbst wenn der von der Beklagten behauptete Auftrags- bzw. Umsatzrückgang bei einzelnen Kunden vorliege, sei dieser durch neue und steigende Umsätze bei anderen Kunden mehr als ausgeglichen worden.

Das Fertigungsverfahren Stanz-Nibbeln, durch das ein erheblich geringerer Bedarf an manuellen Tätigkeiten erforderlich geworden sei, sei bereits vor Beginn ihres Arbeitsverhältnisses im Betrieb der Beklagten eingeführt worden.

Die Beklagte habe auch keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt. Neben den Mitarbeiterinnen Z. und Y. seien auch X. W., V. U., T. S. und R. Q. einzubeziehen, die allesamt deutlich jünger als sie seien (zum Teil mehr als zwei Jahrzehnte) und nach ihr ins Unternehmen eingetreten seien. Die Tochter von Frau Z. lebe bei ihrer Großmutter, werde von dieser unterhalten und gehe drei verschiedenen Nebenjobs nach. Überdies habe die Mitarbeiterin Y. der Beklagten vorgeschlagen, sich ihre Stelle mit der Klägerin zu teilen, um ihre, der Klägerin, Kündigung zu vermeiden. Die Beklagte sei auf dieses Angebot nicht eingegangen.

Es gebe auch weitere freie Arbeitsplätze im Betrieb, so in der Abkanterei. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe die Möglichkeit einer Änderungskündigung in Erwägung ziehen müssen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 29. August 2013, zugegangen am 30. August 2013, zum 30. September 2013 nicht aufgelöst worden ist;

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt;

die Beklagte zu verurteilen, sie für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1. zu den im Arbeitsvertrag vom 14. November 2011 geregelten Arbeitsbedingungen als Maschinenarbeiterin in A.-Stadt bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen,

hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 1. abgewiesen wird,

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen,

die Kündigung sei aus ausschließlich betriebsbedingten Gründen veranlasst. Die Klägerin sei in der Stanzerei beschäftigt, die unter der sich seit mehreren Monaten zunehmend verschlechternden Auftragslage leide. Ihre Umsätze seien im Zeitraum Januar bis August 2013 um 215.000,00 € niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Ausweislich der Anlage B 1 (Bl. 17 d. A.), in der nur sieben Kunden (P., O., N., M. L., K., J., I.) beispielhaft aufgeführt seien, sei durch eine deutliche Reduzierung der Aufträge oder aber durch geänderte Fertigungsverfahren eine erheblich geringere Auslastung von fast 650 Arbeitsstunden seit Beginn des Jahres 2013 dokumentiert. In Bezug auf die Kundenbeziehungen mit den Firmen O., N., H., G. und F. habe es ausweislich der Anlage B 2 (Bl. 47 d. A.) einen Auftrags- bzw. Umsatzrückgang von durchschnittlich 28 % gegeben. Sie habe daher die unternehmerische Entscheidung getroffen, aufgrund des verringerten Arbeitsvolumens eines der drei Arbeitsverhältnisse von Maschinenbedienerinnen in der Abteilung Stanzen/Pressen zu beenden.

Sie ist der Ansicht, die von ihr getroffene Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Sie hat hierzu vorgetragen, in der Stanzerei seien neben dem Vorarbeiter  E. nur noch zwei weitere mit der Klägerin vergleichbare Maschinenarbeiterinnen beschäftigt, nämlich die Mitarbeiterinnen Z. und Y.. Xa. Z. sei 44 Jahre alt, seit 6 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und gegenüber einer studierenden Tochter unterhaltspflichtig. Frau Y. sei 49 Jahre alt, seit 7 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und verheiratet. Andere freie Arbeitsplätze in ihrem Betrieb gebe es ebenso wenig wie weitere vergleichbare Mitarbeiter/innen, die in eine Sozialauswahl hätten miteinbezogen werden müssen. Insbesondere seien die Mitarbeiter W., U., S. und Q. mit der Klägerin nicht vergleichbar.

Nach Ablauf der Betriebsferien seien zwar teilweise Aushilfen eingesetzt worden. Dabei handele es sich aber um langjährig im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen für die Beklagte tätige „Springer“, die bei Bedarfsspitzen sporadisch eingesetzt würden. Im November 2012 seien insgesamt vier geringfügige Beschäftigungsverhältnisse durch sie beendet worden.

Die Klägerin hat erwidert,

der Kunde P. werde seit je her durch die Nibbelmaschine bearbeitet. Der Kunde O. erteile der Beklagten mindestens seit Mai 2011 weniger Aufträge. Dies habe jedoch keinerlei Einfluss auf die Abteilung "Pressen". Die hieraus resultierenden Einbußen würden durch Auftragssteigerungen bei anderen Kunden, so insbesondere bei den Firmen K. (Bodenbleche) und Za. Magnetteile mehr als aufgefangen. Die Aufträge des Kunden N. seien noch nie von ihr in der Abteilung „Pressen“ bearbeitet worden, die M. L. habe weder das Auftragsvolumen gekürzt noch sei das Herstellungsverfahren geändert worden. Der Kunde K. habe die Quertrennungen im gesamten Jahr 2013 bei der Beklagten fertigen lassen, das Fertigungsverfahren sei nicht geändert worden. Beim Kunden J. habe keine Entlastung der Abteilung Stanzen/Pressen stattgefunden, er sei in dieser Abteilung vielmehr neu hinzugekommen. Bezüglich des Kunden I. sei in der Fertigung ebenfalls kein Auftragsrückgang spürbar gewesen. Aufträge der Firma H. seien von ihr noch nicht bearbeitet worden, die Firma G. sei ihr unbekannt.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 18. Februar 2014 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29. August 2013 nicht aufgelöst worden ist. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt, sowie die Klägerin zu den im Arbeitsvertrag vom 14. November 2011 geregelten Arbeitsbedingungen als Maschinenarbeiterin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag Ziffer 1. weiter zu beschäftigen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt: Die Kündigung der Beklagten vom 29. August 2013 sei sozial nicht gerechtfertigt im Sinn des § 1 Abs. 2, 3 KSchG und habe daher das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum Ende des 30. September 2013 auflösen können. Die Beklagte habe, soweit sie die Kündigung auf außerbetriebliche Umstände stütze, den hierdurch bedingten Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin nicht dargetan. Soweit die Beklagte behaupte, im Tätigkeitsbereich der Klägerin seien durch Auftragsrückgang und veränderte Fertigungsmethoden 650 Arbeitsstunden p. a. weggefallen, fehle es an einer für die Kammer nachvollziehbaren Darstellung des Rückgangs des Auftrags- und Arbeitsvolumens im Vergleich zu einer konkreten Referenzperiode. Die Aufstellung der Beklagten sei - nach ihrem eigenen Bekunden - nur beispielhaft, das heißt sie stelle gerade nicht das gesamte Auftrags- und Umsatzvolumen in der Stanzerei dar. Hierbei fehle auch (jeweils) die Erläuterung der Produktionsschritte sowie die zeitliche Konkretisierung eventueller Veränderungen. Im Übrigen habe die Beklagte - auch wenn man ihre Aufstellung zum Auftragsrückgang als richtig unterstelle - lediglich den Wegfall etwa einer halben Stelle belegt. Insoweit wäre sie auf eine Änderungskündigung als milderes Mittel zu verweisen gewesen. Da das Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung aufgelöst worden sei, habe die Klägerin auch Anspruch auf Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz (Bl. 84 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 7. März 2014 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 2. April 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese am 6. Mai 2014 mit Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 111 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

ihre Geschäftsführung habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, eine gewerbliche Maschinenarbeiterin aus der Abteilung "Pressen" aufgrund des Wegfalls des Arbeitsplatzes/Beschäftigungsbedarfs einer Vollzeitstelle zu entlassen.

Aus der Anlage K 2 (Bl. 119 ff. d. A.) ergäben sich hinsichtlich der Arbeitsaus-lastung der Abteilung „Pressen“ bezogen auf die Referenzzeiträume 1. Januar bis 30. September 2013 sowie 1. Januar bis 30. September 2012 die bearbeiteten Aufträge unter genauer Bezeichnung der jeweiligen Artikelnummer und der genauen Beschreibung des gefertigten Bauteils. Hieraus ergebe sich, dass im Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2012 bezogen auf die drei gewerblichen Mitarbeiterinnen in der Abteilung „Pressen“ ein Arbeitsvolumen von insgesamt (seinerzeit noch) 4.090,73 Stunden angefallen war. In Bezug auf den Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2013 sei von diesen drei Mitarbeiterinnen ein Arbeitszeitvolumen von (nur noch) 2.913,89 Stunden abzuarbeiten gewesen. Das entspreche einem Arbeitszeitvolumenrückgang von 28,77 %, dieser wiederum nahezu vollständig dem Arbeitszeitvolumen einer gewerblichen Mitarbeiterin in der Abteilung. Aus der Anlage K2 ergebe sich bezogen auf den Referenzzeitraum der ersten drei Quartale des Kalenderjahres 2012 ein Durchschnittswert, der einen entsprechenden Überhang von 552 Arbeitsstunden in den ersten drei Quartalen des Kalenderjahres 2013 in Relation zur geschuldeten Arbeitszeit der drei gewerblichen Mitarbeiterinnen in der Abteilung „Pressen“ darstelle. Die Anlage K 2 sei von dem Zeugen Va. inhaltlich erarbeitet worden, indem er die entsprechenden Daten und Zeiten anhand von Erfahrungswerten, aktuellen Stückzahlen und Arbeitsplänen sowie der aktuellen Zeiterfassung erfasst und umgesetzt habe.

Angesichts der sozialen Daten und insbesondere angesichts der in Relation zu den beiden Kolleginnen Z. und Y. sehr kurzen Betriebszugehörigkeit der Klägerin sei die Sozialauswahl zu Lasten der Klägerin getroffen worden. Die letzte Aushilfe sei im Februar 2014 ausgeschieden.

Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin sei mangels eines ihr im Rahmen des Direktionsrechts als Maschinenbearbeiterin zuzuweisenden Arbeitsplatzes nicht möglich. Mildere Mittel in Form einer Änderungskündigung kämen nicht in Betracht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18. Februar 2014 zum Az. 11 Ca 3354/13 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 6. Juni 2014, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 140 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Nach ihrer Kündigung hätten immer wieder andere Kollegen in die Abteilung „Pressen“ delegiert werden müssen, um das dortige Arbeitsaufkommen absolvieren zu können, so die Mitarbeiter Wa., Ra und T. S.. Seit dem 26. Mai 2014 werde ein Leiharbeitnehmer in der Abteilung „Pressen“ eingesetzt. Aushilfen seien weiterhin für die Beklagte tätig. Sie bestreitet den von der Beklagten vorgetragenen Rückgang des Arbeitsvolumens und des Arbeitszeitvolumens. Im Übrigen gäben die angeführten Referenzzeiträume in keiner Weise Aufschluss über die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der angeblich getroffenen unternehmerischen Entscheidungen bzw. auch nur zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung. Sollte tatsächlich der behauptete Rückgang des Arbeitszeitvolumens zu verzeichnen gewesen sein, sei dieser Rückgang darauf zurückzuführen, dass die Beklagte bewusst die Bearbeitung bereits eingegangener Aufträge verhindert habe, um die streitgegenständliche Kündigung zu rechtfertigen. Bei der Berechnung der Arbeitsstunden je Mitarbeiterin gehe die Beklagte von falschen Voraussetzungen aus. Unter Berücksichtigung der korrekten Wochenarbeitszeiten der drei Mitarbeiterinnen und durchschnittlicher Krankheitstage betrage die durchschnittliche Jahresarbeitszeit der drei Mitarbeiterinnen 4.282,89 Arbeitsstunden.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 22. Juli 2014 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.  In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 29. August 2013 aufgelöst worden ist. Des Weiteren hat es die Beklagte zu Recht zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses und zur Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag verurteilt. Im Einzelnen:

1. Der Kündigungsschutzantrag ist begründet. Die Kündigung vom 29. August 2013 ist nicht aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinn von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

Eine Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitsnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Auf der Grundlage der betrieblichen Dispositionen des Arbeitgebers müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der anfallenden Arbeiten benötigt werden. Dieser Überhang muss auf Dauer zu erwarten sein. Regelmäßig entsteht ein Überhang an Arbeitskräften nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktions- oder Umsatzrückgang etc.), sondern auf Grund einer - oftmals durch diese Entwicklungen veranlassten - Organisationsentscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung, BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - NZA 2012, 852, 853, Rz. 15; vom 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - BeckRS 2003, 41094).

Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Passt der Arbeitgeber im Fall eines Auftragsverlustes oder eines reduzierten Auftragsbestands die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer unmittelbar an die verbliebene Arbeitsmenge an, kann sich daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ergeben, wenn der Arbeitsanfall - dauerhaft - so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung mehr besteht. Behauptet der Arbeitgeber, das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung sei wegen eines solchen Auftragsrückgangs entfallen, kann das Gericht in vollem Umfang nachprüfen, ob die außerbetrieblichen Umstände für die Kündigung zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich vorlagen und zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führen.

Wenn der Arbeitgeber sich auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände beruft, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im einzelnen darlegen (substantiieren), dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können (BAG, Urteil vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999, 1098, 1099). Dabei muss er wegen des prognostischen Charakters der Einschätzung des zukünftigen - gesunkenen - Beschäftigungsbedarfs und -volumens den Rückgang nachvollziehbar darstellen, beispielsweise durch eine Darstellung der Entwicklung und einen Vergleich des Auftrags- und Beschäftigungsvolumens in Referenzperioden (BAG, Urteil vom 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - BeckRS 2006, 43268 m. w. N.).

Dabei reicht ein bloßer Hinweis auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu begründen. Der Arbeitgeber muss vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine - kurzfristige - Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist.

 Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich auch daraus ergeben, dass sich eine im Betrieb tatsächlich umgesetzte unternehmerische Organisationsentscheidung auf die Anzahl der verbliebenen Arbeitsplätze auswirkt. Eine unternehmerische Organisationsentscheidung kann etwa in der Bestimmung der Zahl der Belegschaftsmitglieder liegen, mit denen die im Betrieb anfallende Arbeitsmenge erledigt werden soll. Unternehmerische Entscheidungen sind von den Gerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - NZA 2012, 852, 853 f., Rz. 17 m. w. N.).

Führen die außer- oder innerbetrieblichen Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs im Betrieb, so besteht kein dringendes betriebliches Erfordernis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Erschöpft sich die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so ist sie vom Kündigungsentschluss selbst kaum zu unterscheiden. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit („Dauer“) verdeutlichen (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - NZA 2011, 505, 506, Rz. 14). Nur so kann das Gericht prüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, also missbräuchlich ausgesprochen worden ist (BAG, Urteil vom 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - BeckRS 2003, 41094 m. w. N.; vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999, 1157, 1160). Das wäre der Fall, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führte oder die zu Grunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird. Der Arbeitgeber muss deshalb konkret erläutern, in welchem Umfang und auf Grund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen (BAG, Urteil vom 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - BeckRS 2003, 41094; vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999, 1157, 1160). Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d. h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, erledigt werden können (BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - NZA 2012, 852, 853 f., Rz. 18; vom 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - NZA 2011, 505, 506, Rz. 15; Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - NZA 2008, 819, 820, Rz. 16, jeweils m. w. N.).

Der Arbeitgeber, der eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, ist für den dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs darlegungs- und beweispflichtig (BAG, Urteil vom 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - BeckRS 2006, 43268, Rz. 21). Er hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zu-künftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist. Das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Produktions- oder Auftragsschwankungen muss ausgeschlossen sein. Dem muss der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags Rechnung tragen. Der Arbeitgeber hat den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, indem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - NZA 2012, 852, 854, Rz. 20; vom 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - BeckRS 2006, 43268, Rz. 17 m. w. N.).

Diesen Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Aus ihm lässt sich nicht hinreichend konkret entnehmen, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung der Klägerin vorgelegen hat. Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihre Geschäftsführung die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, eine gewerbliche Maschinenarbeiterin aus der Abteilung "Pressen" aufgrund des Wegfalls des Arbeitsplatzes/Beschäftigungsbedarfs einer Vollzeitstelle zu entlassen. Zweifelhaft ist bereits, ob die Beklagte damit überhaupt hinreichend konkret dargelegt hat, wann genau diese Entscheidung und durch wen (Beschluss der beiden Geschäftsführer, § 35 Abs. 1 GmbHG?) im Betrieb getroffen worden sein soll.

Der von der Beklagten behauptete, nicht näher nach Zeitpunkt, handelnden Personen und konkreten Umständen dargelegte Entschluss, eine gewerbliche Maschinenarbeiterin aus der Abteilung „Pressen“ zu entlassen, liegt jedenfalls nahe an der Entscheidung, der Klägerin ordentlich zu kündigen. Die Unternehmerentscheidungen zum Abbau eines Arbeitsplatzes und zur Kündigung der Klägerin sind ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden. Die Beklagte hätte demnach die Möglichkeit, die Organisationsentscheidung tatsächlich umzusetzen, näher erläutern müssen. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. Die Beklagte hätte darlegen müssen, in welchem Umfang die von der Klägerin bzw. von einer vergleichbaren Mitarbeiterin bzw. einem vergleichbaren Mitarbeiter erbrachten Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, inwieweit ein Kompensation durch neu hinzukommende Arbeiten eintritt und in welchem Umfang sich dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang ergibt. Die Beklagte hat insbesondere nicht dargetan, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die bisher von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten könnten insgesamt von den übrigen Mitarbeiterinnen und dem Vorarbeiter der Abteilung „Pressen“ ab dem 1. Oktober 2013 (mit-)übernommen werden. Zwar hat die Beklagte das von den drei Mitarbeiterinnen in der Abteilung Pressen zu erledigende Arbeitsvolumen in den Zeiträumen 1. Januar 2012 bis 30. September 2012 sowie 1. Januar 2013 bis 30. September 2013 dargestellt. Danach waren sie in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zu den ersten neun Monaten des Jahres 2012 sämtlich nicht voll ausgelastet. Auch nach der Aufstellung der Beklagten übersteigt das im Kündigungszeitpunkt noch anfallende Arbeitsvolumen aber die von den verbleibenden Mitarbeitern zu leistenden Arbeitsstunden. Offenbleibt, wie die Beklagte die von dem Mitarbeiter Buchhardt zu erbringenden Arbeitsleistungen berücksichtigt hat.

Des Weiteren hat die Beklagte nicht ausreichend zur Dauerhaftigkeit und Nach-haltigkeit des nur geringeren Arbeitsvolumens vorgetragen. Sie hat nicht bestimmte Tatsachen vorgetragen, aus denen zu schließen wäre, dass der mögliche Rückgang der Arbeitsmenge im Kündigungszeitpunkt als dauerhaft anzusehen wäre. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem Rückgang der Produktion in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres (teilweise) nur um einen kurzzeitigen, nicht nachhaltigen Trend gehandelt hat. Um die zukünftige Entwicklung zu prognostizieren, hätte es eines Vortrags bedurft, dem beispielsweise die üblichen Auftragseingangszahlen und Bearbeitungsabläufe nicht nur aus den ersten neun Monaten des Jahres 2012, sondern auch aus den Vorjahren zu entnehmen gewesen wären. Aus der von der Beklagten vorgelegten - nur schwer lesbaren Anlage K 2 - ergeben sich auch nicht die Monate Oktober bis Dezember 2012 sowie der Vorjahre, so dass Auftragsschwankungen innerhalb eines Jahres nicht in der Anlage abgebildet werden. Eine Zuordnung der in der Anlage K 2 angegebenen Artikelnummern zum erstinstanzlichen streitigen Vortrag der Parteien zu den Auftragsveränderungen hinsichtlich der im Einzelnen angeführten Kunden ist der Kammer nicht möglich.

Außerdem tragen die behaupteten Veränderungen des Arbeitsvolumens nicht die Schlussfolgerung der Beklagten, die Stelle einer Vollzeitkraft in der Abteilung "Pressen" sei weggefallen. Die Beklagte hat für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2013 erstinstanzlich eine „erheblich geringere Auslastung“ von „fast 650 Arbeitsstunden“, in ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz (unter Zugrundelegung einer Jahresarbeitszeit für jede Arbeitnehmerin in der Abteilung „Pressen“ von 1.540 Arbeitsstunden, also insgesamt 4.620 Arbeitsstunden) einen Überhang im Umfang von 552 Stunden errechnet. Die Klägerin hatte in diesem Zeitraum jedoch 1.155 Stunden zu erbringen, so dass der Bedarf an ihrer Beschäftigung bereits nach den Berechnungen der Beklagten nicht vollständig weggefallen ist. Nicht berücksichtigt ist bei den Berechnungen außerdem, dass die Klägerin in der Vergangenheit - ausweislich des ihr erteilten Zeugnisses - nicht nur ausschließlich in der Abteilung „Pressen“, sondern auch in der Abkanterei und in der Montageabteilung eingesetzt war.

Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dann ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anzubieten. Dieses Angebot kann lediglich in Extremfällen (zum Beispiel völlig unterwertige Beschäftigung) unterbleiben. Spricht der Arbeitgeber ohne vorheriges oder gleichzeitiges Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen sofort eine Beendigungskündigung aus, so ist dies Kündigung regelmäßig sozialwidrig (BAG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - NZA 2008, 819, 821, Rz. 23 m. w. N.). Die Beklagte hätte im vorliegenden Fall eine Anpassung des Beschäftigungsumfangs der Klägerin an die - nach dem Vortrag der Beklagten gesunkene - Arbeitsmenge im Wege des Ausspruchs einer Änderungskündigung in Erwägung ziehen müssen.

Da die Kündigung vom 29. August 2013 das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen Fehlens dringender betrieblicher Erfordernisse im Sinn von § 1 Abs. 2 KSchG nicht rechtswirksam beendet hat, bedurfte es keiner weiteren Prüfung, ob die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl fehlerhaft im Sinn von § 1 Abs. 3 KSchG war.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte in Anbetracht der von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht.

3. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) hat die in erster und zweiter Instanz mit ihrem Kündigungsschutzantrag obsiegende Klägerin einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses.

III.  Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen