Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 10 Sa 302/12

Arbeit am Nachmittag ist unbeliebt - Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit

Der Arbeitgeber hat der von einer teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin gewünschten Verteilung der Arbeitszeit zuzustimmen, falls betriebliche Gründe nicht entgegenstehen (§8 Abs.4 TzBfG). Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.
Widersprechen die von der Arbeitnehmerin gewünschten starren Arbeitszeiten dem vom Arbeitgeber entwickelten und durchgeführten System der kollektiven Arbeitszeitverteilung, so hat sie keinen Anspruch auf eine Ausnahmeregelung.
Orientiert sich das Organisationskonzept des Arbeitgebers am Kundenverhalten (hier: Anrufverhalten im Call-Center) und verlangt dies den variablen Einsatz der Teilzeitkräfte sowohl an Vormittagen als auch an Nachmittagen, so widerspricht der Wunsch einer Arbeitnehmerin, nur an Vormittagen zu arbeiten, dem Organisationskonzept, wenn alle anderen Teilzeitkräfte ebenfalls lieber vormittags arbeiten.
Es ist eine offenkundige Tatsache, dass Mütter nachmittags die Kinderbetreuung sicherstellen möchten und daher die Vormittagsarbeit bevorzugen.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.05.2012, Az.: 7 Ca 4117/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit der Klägerin.

Die Klägerin ist seit 1995 bei der Beklagten, die weit über 100 Arbeitnehmer beschäftigt, als Bankkauffrau angestellt. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern im Alter von 5 und 6 Jahren. Die Klägerin war bis 2009 in Elternzeit. Am 16.04.2009 traf sie mit der Beklagten eine Zusatzvereinbarung für Teilzeitarbeit nach der Elternzeit. Danach wird sie ab 01.05.2009 mit einer Arbeitszeit von 16,5 Wochenstunden im Kundenservicecenter (KSC) zu einem Bruttomonatsgehalt von € 1.340,00 beschäftigt. Die Arbeitszeit verteilt sich innerhalb der Woche variabel, auch auf Nachmittage.

Mit Schreiben vom 22.08.2011 beantragte die Klägerin eine Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 15 Stunden wöchentlich und die Verteilung auf montags bis freitags nur vormittags von 9:00 bis 12:00 Uhr. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 30.08.2011 ab. Daraufhin beantragte die Klägerin am 04.10.2011 den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Az.: 7 Ga 76/11) wegen der fehlenden Nachmittagsbetreuung ihrer Kinder ab dem Ende der Herbstferien am 15.10.2011. Das Verfahren endete im Termin vom 13.10.2011 mit Antragsrücknahme. Mit Klageschrift vom 11.11.2011 leitete die Klägerin, die seit Anfang November 2011 ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, das vorliegende Hauptsacheverfahren ein.

Das KSC ist ein Call-Center in dem Kundenanrufe beantwortet werden. Das Anrufverhalten der Kunden ist stark schwankend. Im typischen Tagesverlauf finden die meisten Anrufe von etwa 9:00 bis 11:30 Uhr statt, während der Mittagszeit re-duzieren sich die Anrufe und steigen ab etwa 14:00 Uhr wieder an, ab 17:30 Uhr fallen sie stark ab. Im Wochenverlauf zeigt sich ein abfallendes Telefonverhalten mit Ausnahme des langen Donnerstags, hier kommt es bis 18:00 Uhr zu mehr Anrufen. Im Schnitt erfolgen von montags bis freitags etwa 720 Anrufe, im Mittelwert vormittags etwa 450, nachmittags etwa 340. Auch im Monatsverlauf schwankt das Anrufverhalten der Kunden. Zu Beginn des Monats erfolgen täglich etwa 780 Anrufe, die Kurve fällt auf etwa 675 Anrufe vom 9. bis etwa 21. des Monats und steigt am Monatsende auf nahezu 800 an.

Die Beklagte beschäftigt im KSC vier Arbeitnehmerinnen in Vollzeit und elf in Teilzeit. Im Einzelnen:

Name

Wochen-
stunden

Lage der
Arbeitszeit

 

Z., Y.

39,0

fest

 

X., W.

39,0

fest

befristet Teilzeit*

U., T.

39,0

fest

 

S., R.

39,0

fest

 

Q., P.

25,5

fest

alleinerziehend, 2 Kinder*

N., M.

10,0

teils variabel

Mutter*

L., K.

24,5

variabel

 

J., I.

24,5

variabel

alleinerziehend, 1 Kind

H., G.

24,5

variabel

Mutter

F., E.

19,5

variabel

Mutter

AA.,Za.

19,5

variabel

Mutter

Ya., Xa.

19,5

variabel

alleinerziehend, 4 Kinder

Q., T.

16,5

variabel

Mutter

Wb., Va.

16,5

variabel

Mutter

Klägerin

16,5

variabel

Mutter


Frau Q. hat eine feste Arbeitszeit von 25,5 Wochenstunden. Sie arbeitet montags ganztags, mittwochs vormittags und freitags ganztags. Sie war vor Einrichtung des KSC in der damals betriebenen Telefonzentrale mit dieser Arbeitszeit, die arbeitsvertraglich festgelegt ist, beschäftigt. Frau N. hat eine teilweise variable Arbeitszeit von 10 Wochenstunden. Sie arbeitet an zwei variablen Wochentagen jeweils von 8:00 bis 13:00 Uhr. Diese Lage der Arbeitszeit beruht auf einer Vereinbarung, die beim Wechsel von Frau N. Ende 2008 in das KSC getroffen wurde. Sie hatte zuvor einen Arbeitsvertrag über zwei feste Tage zu je 5 Stunden vormittags. Frau X. ist vollzeitbeschäftigt. Weil sich ihr Vater einer Krebstherapie unterziehen musste, verringerte die Beklagte deren Arbeitszeit, befristet bis Ende Mai 2012, wunschgemäß auf 15 Wochenstunden. Aufgrund dieser Situation haben andere Mitarbeiterinnen freiwillig - ebenfalls befristet - ihre Arbeitszeit erhöht.

Die Beklagte plant den Personaleinsatz und die praktischen Einsatzzeiten der Teilzeitkräfte nach der zu erwartenden Zahl von Kundenanrufen. Diese Planung basiert auf einer für Callcenter etablierten Formel „Erlang-C“. Die vier Vollzeitkräfte decken den sog. Grundsockel ab. Die Teilzeitkräfte arbeiten - mit Ausnahme von Frau Q. und Frau N. - zu variablen Arbeitszeiten in Vormittags- und Nachmittagsschichten. Die Schichtzeiten betragen, um Fahrtkosten und Pflichtpausen zu vermeiden, zwischen drei und sechs Stunden. Das Verhältnis von Vormittags- und Nachmittagsschichten ist ausgewogen, mit einem Überhang zu Vormittagsschichten. Die Dienstpläne werden vom Teamleiter des KSC erstellt und mit einem Vorlauf von einem Monat veröffentlicht. Die variablen Teilzeitkräfte haben jederzeit die Möglichkeit, Schichten untereinander zu tauschen. Zusätzlich könne sie bis fünf Tage vor Freigabe des Dienstplans noch Wünsche äußern, zu bestimmten Zeiten nicht zum Dienst eingeteilt zu werden. Die Wünsche dürfen maximal 10 % der monatlichen Sollarbeitszeit betragen und werden berücksichtigt.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.05.2012 (dort Seite 2-7 = Bl. 144-149 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, sie ab dem 01.12.2011 mit 15 Wochenstunden, verteilt von Montag bis Freitag, jeweils von 9:00 bis 12:00 Uhr zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dem Teilzeitbegehren der Klägerin stünden betriebliche Gründe iSd. § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegen. Nach dem Organisationskonzept der Beklagten sei zur Aufrechterhaltung der Erreichbarkeit des Callcenters neben der Abdeckung des Grundbedarfs durch die Vollzeitkräfte ein variabler Personaleinsatz der Teilzeitkräfte erforderlich, um die Schwankungen im Anrufverhalten der Kunden zu berücksichtigen. Diesem Konzept des variablen Einsatzes der Teilzeitkräfte widerspreche der individuelle Festlegungswunsch der Klägerin. Die Klägerin werde nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG benachteiligt oder ungleich behandelt. Sie sei mit den Teilzeitkräften N. und Q. nicht vergleichbar, weil in deren Arbeitsverträgen noch feste Arbeitszeiten vereinbart seien. Auch im Verhältnis zu Frau X. liege keine Ungleichbehandlung vor. Deren Arbeitszeit sei lediglich befristet reduziert worden. Diese Ausgangssituation sei mit dem Begehren der Klägerin, die eine dauerhafte Festlegung ihrer Arbeitszeit anstrebe, nicht vergleichbar. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 7 bis 13 des erstinstanzlichen Urteils vom 03.05.2012 (Bl. 149-155 d.A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 06.06.2012 zugestellt worden. Sie hat mit am 02.07.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 06.08.2012 begründet.

Sie macht geltend, ihrem Teilzeitbegehren stünden keine betrieblichen Gründe iSd. § 8 Abs. 4 TzBfG entgegen. Die Tätigkeit im KSC erfordere keine variablen Arbeitszeiten der Teilzettkräfte. Die größte Anzahl der Kundenanrufe erfolge täglich von 9:00 bis 12.00 Uhr. Dies sei genau der von ihr beantragte Zeitraum. Die variable Arbeitszeitverteilung komme dem Interesse der Teilzeitbeschäftigten nicht entgegen. Dies habe das Arbeitsgericht zu Unrecht unterstellt. Variable Arbeitszeiten seien gerade für berufstätige Frauen, die Kinder zu betreuen haben, mit einem hohen Organisationsaufwand verbunden. Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie den Vortrag der Beklagten bestritten habe, dass teilzeitbeschäftigte Mütter vorrangig vormittags arbeiten wollen. Eine Beweiserhebung sei nicht, erfolgt. Sie bestreite, dass die Nachmittage unbeliebte Arbeitszeiten seien und der Betriebsfrieden gestört werde, wenn sie ausschließlich vormittags arbeite. Die Arbeitnehmerinnen Q. und X., die als Teilzeitkräfte zu festen Arbeitszeiten arbeiteten, widerlegten den Vortrag der Beklagten, dass es im Interesse der Mitarbeiter liege, flexibel zu arbeiten. Ungeachtet dessen hätte die Festlegung ihrer Arbeitszeit auf feste Vormittagsstunden keine Auswirkungen auf die übrigen Teilzeitkräfte, die weiterhin variabel arbeiten wollen. Ihre Ungleichbehandlung mit Frau X. sei nicht gerechtfertigt. Frau X. habe als Vollzeitkraft um eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf drei feste Arbeitstage gebeten. Auf die Einhaltung der Ankündigungsfrist nach dem TzBfG habe die Beklagte verzichtet, sondern dem Begehren zugestimmt. Allein dieses Vorgehen bestätige, dass es kein einheitliches Konzept gebe, geschweige denn, dass dies betrieblich bedingt sei. Ihr Begehren zeitgleich abzulehnen, sei willkürlich.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerin vom 06.08.2012 (Bl. 176-179 d.A.) und vom 24.09.2012 (Bl. 200-201 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.05.2012, Az.: 7 Ca 4117/11, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie ab dem 01.12.2011 mit 15 Wochenstunden, verteilt von Montag bis Freitag, jeweils von 9:00 bis 12:00 Uhr, zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 07.09.2012 (Bi. 192-199 d.A.) und vom 09.10.2012 (Bl. 207-210 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

I.  Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.  In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, montags bis freitags nur noch vormittags von 9:00 bis 12:00 Uhr beschäftigt zu werden.

Die Berufungskammer folgt allerdings nicht der Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Klägerin bereits wegen der begehrten geringen Verkürzung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von 16,5 auf 15 Stunden keinen Anspruch darauf hat, dass ihre gesamte Arbeitszeit auf vormittags verteilt wird. § 8 TzBfG begründet nicht nur für die Verringerung der Arbeitszeit, sondern auch für ihre Verteilung bis zu den Grenzen des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) einen Anspruch auf Vertragsänderung (BAG 18.08.2009 - 9 AZR 517/08 - Rn. 27, NZA 2009, 1207; aA MüKoBGB/ Müller-Glöge 6. Aufl. §8 TzBfG Rn. 13; ErfK/Preis 12. Aufl. §8 TzBfG Rn. 6, m.w.N.). Für einen Rechtsmissbrauch besteht vorliegend kein Anhaltspunkt. Es ist ein legitimer Wunsch von Teilzeitkräften, die Kinder zu betreuen haben, ihre Arbeitszeit auf den Vormittag zu legen. Ob diesem Wunsch betriebliche Gründe entgegenstehen, ist nach § 8 Abs. 4 TzBfG zu überprüfen.

Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass dem Wunsch der Klägerin, nur noch vormittags von 9:00 bis 12:00 Uhr in Teilzeit zu arbeiten, betriebliche Gründe iSd. § 8 Abs. 4 TzBfG entgegenstehen.

Die Kammer folgt der ausführlich und überzeugend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer umfassenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG hat der Arbeitgeber der gewünschten Verteilung der Arbeitszeit zuzustimmen, falls betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Insoweit genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein (für die st. Rspr. BAG 13.10.2009 - 9 AZR 910/08 - AP Nr. 29 zu § 8 TzBfG, mwN).

Das Arbeitsgericht hat unter Anwendung der vom BAG entwickelten dreistufigen Prüfungsfolge (zu all dem BAG 16.03.2004 - 9 AZR 323/03 - NZA 2004, 1047 mwN) zutreffend festgestellt, dass dem Wunsch der Klägerin, nur noch vormittags von 9:00 bis 12:00 Uhr zu arbeiten, hinreichend gewichtige betriebliche Gründe entgegenstehen. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten.

Die Beklagte beschäftigte in ihrem Kundenservicecenter (KSC) vier Arbeitnehmerinnen in Vollzeit und 11 in Teilzeit. Das KSC soll für die Kunden über den ganzen Tagesverlauf - und nicht nur vormittags - optimal erreichbar sein. Das Anrufverhalten der Kunden ist im Tages-, Wochen- und Monatsverlauf schwankend. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass im typischen Tagesverlauf die meisten Anrufe von etwa 9:00 bis 11:30 Uhr stattfinden, sich während der Mittagszeit reduzieren und ab etwa 14:00 Uhr wieder ansteigen, während sie ab 17:30 Uhr stark abfallen (sog. „Kamelrücken"). Im Wochenverlauf zeigt sich ein abfallendes Telefonverhalten mit Ausnahme des langen Donnerstags, hier kommt es bis 18:00 Uhr zu mehr Anrufen. Im Schnitt erfolgen von montags bis freitags etwa 720 Anrufe, im Mittelwert vormittags etwa 450, nachmittags etwa 340. Auch im Monatsverlauf schwankt das Anrufverhalten der Kunden. Zu Beginn des Monats erfolgen täglich etwa 780 Anrufe, die Kurve fällt auf etwa 675 Anrufe vom 9. bis etwa 21. des Monats und steigt am Monatsende auf nahezu 800 an. Um die telefonische Erreichbarkeit des KSC für die Kunden ganztags zu ermöglichen, benötigt die Beklagte eine Mindestbesetzung von vier Mitarbeitern an den anrufschwächsten Tagen. Diesen Bedarf deckt sie durch vier Vollzeitkräfte ab. Die Teilzeitkräfte arbeiten - mit Ausnahme von Frau Q. und Frau N. -variabel.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass es nach dem Organisationskonzept der Beklagten nicht möglich ist, die Klägerin nur vormittags von 9:00 bis 12:00 Uhr einzusetzen. Der Berufung ist zwar zuzugeben, dass das Anrufverhalten der Kunden zwischen 9:00 und 11:30 Uhr die höchste Frequenz aufweist. Jedoch muss die Beklagte auch an den Nachmittagen genügend Personal einsetzen, um für die Kunden telefonisch erreichbar zu sein. Deswegen ist es erforderlich, dass Teilzeitkräfte auch an Nachmittagen arbeiten.

Würde die Beklagte dem Wunsch der Klägerin nachgeben, lediglich vormittags eingesetzt zu werden, hätte dies zwangsläufig zur Folge, dass andere Teilzeitbeschäftigte vermehrt nachmittags arbeiten müssen. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, den Wunsch der Klägerin, ausschließlich vormittags zu arbeiten, abzulehnen. Das an den Kundenanrufen orientierte Personaleinsatzkonzept ließe sich nicht mehr aufrechterhalten. Die Beklagte ist nicht gezwungen, den anderen Teilzeitkräften - ebenfalls Mütter mit Kindern - zuzumuten, vermehrt die unbeliebte Nachmittagszeit abzudecken, um der Klägerin feste Arbeitszeiten am Vormittag einräumen zu können.

Entgegen der Ansicht der Klägerin musste das Arbeitsgericht keinen Beweis erheben über die - von ihr auch zweitinstanzlich bestrittene - Behauptung der Beklagten, Nachmittagsarbeit sei bei teilzeitbeschäftigten Müttern typischerweise unbeliebt. Dass dem so ist, sieht man am Beispiel der Klägerin. Sie hat keine Arbeitskollegin benannt, die freiwillig lieber nachmittags arbeiten will. Auch andere Mütter müssen nachmittags ihre Kinder von der Schule oder dem Kindergarten abholen. Das ist eine offenkundige Tatsache, die keines Beweises bedarf (§ 291 ZPO). Das Bedürfnis, nachmittags eine Kinderbetreuung sicherzustellen, besteht nicht nur für die Klägerin.

Für eine gezielte Benachteiligung der Klägerin entgegen dem Verbot des § 4 Abs. 1 TzBfG bestehen keine Anhaltspunkte. Die Teilzeitkräfte Q. und N. haben aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen, die bereits vor Einrichtung des KSC getroffen worden sind, Anspruch auf eine bestimmte Lage ihrer Arbeitszeit. Frau Q. arbeitet an zwei festen Nachmittagen (montags und freitags), was die Klägerin - auch vergleichsweise - kategorisch ablehnt. Die Klägerin wird auch nicht gegenüber der Vollzeitkraft X. benachteiligt. Die Reduzierung ihrer Arbeitszeit war wegen der Krebserkrankung ihres Vaters nur befristet.

Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BAG vom 16.12.2008 (9 AZR 893/07- NZA 2009, 565) stützt die Berufung nicht. Im Gegenteil: Die gewünschte Festlegung der Arbeitszeit der Klägerin hat Auswirkungen auf die allgemeinen Interessen der anderen Teilzeitkräfte im KSC. Die von der Klägerin gewünschte Festlegung der Arbeitszeit auf montags bis freitags, 9:00 bis 12:00 Uhr, führte dazu, dass sich die variablen Arbeitszeiten der anderen Teilzeitkräfte an den festen Arbeitszeiten der Klägerin ausrichten, sich um sie „herumgruppieren" müssten. Für die übrigen Arbeitnehmer stünde ua. ein geringerer Anteil der Arbeitszeit zwischen 09:00 und 12:00 Uhr von montags bis freitags zur Verfügung. Sie müssten häufiger am Nachmittag eingesetzt werden. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend festgestellt hat, widersprechen die von der Klägerin gewünschten starren Arbeitszeiten dem von der Beklagten entwickelten und durchgeführten System der kollektiven Arbeitszeitverteilung. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Ausnahmeregelung.

III.  Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen