Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 6 SaGa 2/13

Arbeitswiederaufnahme des einzigen freigestellten BR-Mitglieds nach Absinken der Belegschaftsstärke - Erlass einer einstweiligen Verfügung

(1.) Gemäß 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist in Betrieben mit in der Regel 200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied freizustellen. Die freigestellten Betriebsratsmitglieder sind grundsätzlich von ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung entbunden, im Rahmen ihrer Freistellung widmen sie sich nur noch der Erfüllung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Sie unterliegen insoweit auch nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers.
Zur Beurteilung, wie viele Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG von einem Arbeitgeber in der Regel beschäftigt werden, ist auf den Zeitpunkt des Freistellungsbeschlusses abzustellen.
Künftige Veränderungen der Arbeitnehmerzahl, die nicht unmittelbar bevorstehen, können allenfalls eine spätere Anpassung der Zahl der Freizustellenden bedingen. Die Zahl der Freistellungen kann sich daher im Laufe einer Amtszeit - in beide Richtungen - ändern.

(2.) Ändert sich die Zahl der Beschäftigten nicht nur vorübergehend, sondern dergestalt, dass in der Regel eine höhere oder niedrigere Zahl von Freistellungen nach der Tabelle vorzunehmen wäre, so hat der Betriebsrat erneut zu beschließen, sobald die Voraussetzungen gegeben sind. Wird dies unterlassen, kann der Arbeitgeber eine Entscheidung im Beschlussverfahren herbeiführen

(3.) Für Betriebe, deren Belegschaftsstärke in der Regel 200 Arbeitnehmer nicht überschreitet, kann in Ausnahmefällen nach dem Grundtatbestand des § 37 Abs. 2 BetrVG die völlige oder teilweise Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes geboten sein, wenn diese Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist.
In diesem Fall sind die Abweichungen von dem in § 38 Abs. 1 BetrVG gesetzlich unterstellten Normalfall darzutun, aufgrund derer die Arbeitsbelastung des gesamten Betriebsrates in zeitlicher Hinsicht derart erhöht ist, dass eine zusätzliche generelle Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes für die gesamte Amtszeit erforderlich ist. Aus dem Tatsachenvortrag muss ersichtlich werden, dass weder die Arbeitszeit der bereits generell freigestellten Betriebsratsmitglieder noch die Möglichkeit konkreter Freistellungen der übrigen Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG ausreichen, um sämtliche erforderlichen Betriebsratsaufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können.
Da die erstrebte über § 38 Abs. 1 BetrVG hinausgehende Freistellung für die gesamte restliche Amtszeit erfolgen soll, muss aus dem Tatsachenvortrag überdies für das Gericht erkennbar werden, dass die Notwendigkeit einer weiteren Freistellung für diese gesamte Restdauer der Wahlperiode besteht.

(4.) Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht nicht aus, um die Unterlassung der Beschäftigung im Eilverfahren beanspruchen zu können. Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers. Einem Arbeitnehmer ist es mithin in der Regel zuzumuten, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Weisung offenkundig rechtswidrig ist.

(5.) Nach § 37 Abs. 5 BetrVG iVm. § 37 Abs 4 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrates einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gleichwertig sind.
Darüber hinaus ergibt sich ein Anspruch auf Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit, sofern vergleichbare Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Entwicklung inzwischen eine höherwertige Tätigkeit ausüben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Betriebsratsmitglied die für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit erforderliche berufliche Qualifikation besitzt.
Allerdings darf in diesem Fall das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer.

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.02.13, AZ: 9 Ga 2/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz darüber, ob und unter welchen Umständen der Verfügungskläger, der bislang als Betriebsratsvorsitzender freigestellt war, verpflichtet ist, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit wieder aufzunehmen.

Der Verfügungskläger ist seit 01. Januar 1990 bei der Klimageräte fertigenden Verfügungsbeklagten beschäftigt. Zuletzt war er ab 1. November 1992 in die Lohngruppe D 1 als Prüfer eingestuft. Seit 1998 ist der Verfügungskläger Mitglied des bei der Verfügungsbeklagten gewählten Betriebsrates und seit 1999 dessen Vorsitzender. Er ist seit Juli 2001 gemäß § 38 Abs. 1, Satz 1 BetrVG als einziges Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Zuletzt wurde der siebenköpfige Betriebsrat am 09. März 2010 gewählt. Die Verfügungsbeklagte gewährt dem Verfügungskläger seit Oktober 2010 im Rahmen des beruflichen Entwicklungsschutzes Vergütung nach der Lohngruppe F2 (Schichtführer/ RPS-Koordinator) mit einer weiteren Zulage von 400,00 Euro. Der Verfügungskläger hat an einer Fortbildung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 bislang nicht teilgenommen und war in der Lohngruppe F2 auch nicht tätig.

Die Zahl der Mitarbeiter der Stammbelegschaft der Verfügungsbeklagten, die in der Vergangenheit regelmäßig mehr als 200 Mitarbeiter bzw. Leiharbeitnehmer beschäftigte, entwickelte sich seit Juli 2012 ebenso wie die Zahl der von der Verfügungsbeklagten beschäftigten Leiharbeitnehmer rückläufig. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um eine vorübergehende Personalschwankung handelt. Die Zahl der Belegschaftsmitglieder einschließlich der Verwaltungsmitarbeiter stellt sich von Juli 2012 bis Januar 2013 unter Berücksichtigung des Krankenstandes und der Urlaubsabwesenheiten - vom Verfügungskläger im Berufungsrechtszug zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt - wie folgt dar:

Stammgesellschaft     Leiharbeitnehmer       Krankheits- und Urlaubsabwesenheit

Juli 2012   

227      19        59 

August 2012   

217      21        57 

September 2012        

208      21        50

Oktober 2012   

194      17        42 

November 2012   

187      12        28

Dezember 2012   

184      0          34

Januar 2013   

183      0         

Die Verfügungsbeklagte, die mit dem Betriebsrat in der Vergangenheit zahlreiche Beschlussverfahren geführt hat, ua. hinsichtlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern, teilte dem Verfügungskläger mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 mit, auf der Basis des voraussichtlich auch im 1. Quartal 2013 nicht verbesserten rückläufigen Auftragsvolumens seien alle noch verbliebenen Leiharbeitnehmer abgekündigt worden; da die Anzahl der regelmäßigen Beschäftigten künftig deutlich unter der Grenze des § 38 Abs. 1, Satz 1 BetrVG liege, entfalle die Freistellung des Verfügungsklägers. Die Verfügungsbeklagte kündigte an, den Verfügungskläger ab 07. Januar 2013 wieder im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen einzusetzen und schlug verschiedene Tätigkeiten in der Produktion zur Abstimmung vor, nicht jedoch eine Tätigkeit in Lohngruppe F2 als Schichtführer/RPS-Koordinator. In seiner Sitzung vom 11. Dezember 2012 beschloss der Betriebsrat vorsorglich, den Verfügungskläger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als Betriebsratsvorsitzender vollständig von der Arbeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG freizustellen.

Der zuletzt arbeitsunfähig erkrankte Verfügungskläger hat am 14. Januar 2013 vorliegendes Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz beim Arbeitsgericht eingeleitet, mit dem er die Aufhebung der Arbeitszuweisung durch die Verfügungsbeklagte unter weiterer Freistellung begehrt und hilfsweise verlangt hat, ihm Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 vor Aufnahme seiner Tätigkeit zu geben bzw. die Aufforderung zur Arbeitsaufnahme zu unterlassen, bis ihm Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung gegeben worden sei.

Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich - unter Vorlage einer Eidesstattlichen Versicherung vom 07. Januar 2013, auf die Bezug genommen wird - im Wesentlichen geltend gemacht, die Weisung vom 05. Dezember 2012 stelle den letzten Schritt im Rahmen der arbeitgeberseitigen Attacken gegen den Betriebsrat und seinen Vorsitzenden dar. Er sei weiter freizustellen, da ein dauerhaftes Absinken der Belegschaftsstärke nicht zu erwarten sei, die nahezu während seiner gesamten drei Amtsperioden über der Grenze von 200 Arbeitnehmern gelegen habe. Hiervon könne insbesondere deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Verfügungsbeklagte in der Vergangenheit in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gegenüber dem Betriebsrat stets behauptet habe, hinsichtlich der Auftrags- und Personalplanung lediglich eine Vorausschau von vier Wochen vornehmen zu können. Die von der Verfügungsbeklagten vorgetragenen Auftragszahlen würden mit Nichtwissen bestritten. Vorübergehende Schwankungen der Belegschaftsstärke seien irrelevant. Der Verfügungskläger hat vorgetragen, im Übrigen sei wegen der zahlreichen Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat seine vollständige Freistellung auch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gerechtfertigt. Der Verfügungskläger hat die Auffassung vertreten, seine Rückkehr auf den Arbeitsplatz sei erst möglich, wenn er über die für seine zuletzt innegehabte Lohngruppe F2 (Schichtführer/ RSP-Koordinator) erforderliche Qualifikation verfüge, da eine Beschäftigung unterhalb der Lohngruppe F2 dem betrieblichen Entwicklungsschutz nach § 37 Abs. 4 BetrVG widerspreche. Die Eilbedürftigkeit für das von ihm angestrengte, seine arbeitsvertragliche Position betreffende Individualverfahren ergebe sich aus der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte ganz offenbar beabsichtige, sein Nichterscheinen in der Produktion zu sanktionieren, da sie in den geführten Beschlussverfahren regelmäßig die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten habe.

Der Verfügungskläger hat zuletzt beantragt,

die mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 gegenüber dem Verfügungskläger erteilte Weisung, mit Wirkung ab 07. Januar 2013 in der Produktion die Arbeit aufzunehmen, zurückzunehmen und diesen auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen,

hilfsweise,

dem Verfügungskläger vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, eine Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 der Verfügungsbeklagten wahrzunehmen,

hilfsweise,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Aufforderung des Verfügungsklägers zur Arbeit in der Produktion so lange zu unterlassen, bis sie ihm ausreichend und im Rahmen der gesetzlichen Zeiträume gemäß § 38 Abs. 4 BetrVG Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit als Schichtführer und RPS-Koordinator gegeben hat.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat - unter Vorlage Eidesstattlicher Versicherungen des J H (undatiert), des R L vom 30. Januar 2013 und des H M vom 30. Januar 2013, auf die Bezug genommen wird - erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Hauptantrag könne nicht im Urteilsverfahren, sondern müsse im Beschlussverfahren anhängig gemacht werden. Hilfsweise berufe sie sich darauf, dass ein Verfügungsanspruch nicht bestehe, weil die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend unter den Schwellenwert nach § 38 BetrVG abgesunken sei, weshalb der Freistellungsanspruch automatisch entfalle. Die Grobplanung 2013 sehe monatlich etwa 175 bis 180 Mitarbeiter vor. Sie habe sich entschlossen, außer in Sonderfällen (Krankheits- und Urlaubsvertretung in den zwei Haupturlaubsmonaten) die Abrufe von Leiharbeitnehmern auf Null zu reduzieren. Ihre einzige Auftraggeberin, die R GmbH & Co. KG, habe sich aufgrund von stark schwankender Zuverlässigkeit und Liefertreue bei der Verfügungsbeklagten entschieden, die Aufträge zur Herstellung von Klimageräten verstärkt an andere Produktionsgesellschaften zu vergeben, da die Geräte auch an anderen Standorten der L Group in Italien, den USA, China und Indien gefertigt werden könnten. Die derzeit vorgesehene Produktionskapazität betrage 340 Kühlgeräte täglich, wobei die Arbeitnehmerkapazität nach der Formal zwei Geräte pro Mitarbeiter pro Tag umgerechnet werden könne. Bei der gegebenen Kapazitätsplanung führe das dazu, dass im Jahr 2013 die Auftragslage jedenfalls nicht für mehr als 180 Arbeitnehmeräquivalente ausreichen werde. Dieser Prognose stehe nicht entgegen, dass die konkrete Schicht- und Personalplanung lediglich eine Vorausschau von einem Monat besitze, da sich diese Planung - unabhängig davon, dass die grundsätzliche Personalkapazitätsplanung wie dargestellt erfolge - erst vornehmen lasse, wenn mit einem Vorlauf von ca. einem Monat feststehe, wie der effektive Auftragseingang aussehe. Angesichts der Ankündigung ihrer Auftraggeberin sei mit höheren Auftragszahlen, die in der Vergangenheit mit Leiharbeitnehmern abgedeckt worden seien, in Zukunft nicht zu rechnen, wobei sie nicht gedenke, sich wie in der Vergangenheit in monatliche Streitigkeiten nach §§ 99, 100 BetrVG mit dem Betriebsrat zu begeben, um kurzfristig eingehende Mehraufträge mit Leiharbeitnehmern abdecken zu können. Die Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, es fehle auch am Verfügungsgrund, da der Verfügungskläger durch die Freistellungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG bei konkret anfallender Betriebsratsarbeit ausreichend geschützt sei. Auch hinsichtlich der Hilfsanträge seien Verfügungsanspruch und -grund nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe keinen Anspruch auf - insoweit unverständlich, unspezifisch und pauschal - „Fortbildung und Einarbeitung“ vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit, zumal Arbeitsplätze als Schichtführer und RPS-Koordinatoren derzeit nicht frei seien und auch nicht frei würden.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Anträge mit Urteil vom 05. Februar 2013 (Bl. 96 - 107 d. A.), auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, der Hauptantrag sei im Urteilsverfahren zulässig, da der Verfügungskläger nach seiner Auswahl zur Freistellung durch den Betriebsrat zu Beginn seiner Amtszeit einen abgeleiteten Individualanspruch auf Freistellung habe. Es fehle dem Hauptantrag jedoch sowohl am im Verfahren auf Einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Verfügungsanspruch, als auch am Verfügungsgrund. Die Arbeitnehmerzahl des Betriebes der Verfügungsbeklagten sei seit November 2012 auf unter 200 Arbeitnehmer prognostisch dauerhaft abgesunken. Die völlige Freistellung des Verfügungsklägers sei zwar gegebenenfalls in Betracht gekommen, wenn sie weiterhin erforderlich gewesen sei. Hierfür fehle es jedoch am nötigen substantiierten Tatsachenvortrag des Verfügungsklägers, zumal derzeit lediglich drei weitere weitgehend ausgeschriebene Verfahren beim erkennenden Gericht anhängig seien und weitere Verfahren zur Einstellung von Leiharbeitnehmern, die der Betriebsrat im Übrigen immer gleichlautend abgelehnt habe, angesichts des glaubhaft gemachten Vortrags der Verfügungsbeklagten nicht zu erwarten seien. Die Angelegenheit sei angesichts des Rechts zur anlassbezogenen Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG auch nicht dringlich. Auch hinsichtlich der Hilfsanträge seien Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nicht gegeben. Der Verfügungskläger habe nicht vorgetragen, dass im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebes die verlangte berufliche Entwicklung möglich sei. Da angesichts der bisherigen Freistellung von drei Amtsperioden der Zeitraum der Nachholung zwei Jahre betrage, sei auch keine Dringlichkeit gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 101 bis 107 ff. d. A. Bezug genommen

Der Verfügungskläger hat gegen das ihm am 11. Februar 2013 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 06. März 2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Verfügungskläger macht mit der Berufungsbegründung und mit den weiteren Schriftsätzen vom 10. April 2013 und 08. Mai 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 114 ff. d. A.; 202 ff. d. A.; 231 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend,

das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, die Arbeitnehmerzahl werde dauerhaft unter 200 liegen. Im Hinblick auf die gerichtsbekannten Streitigkeiten über eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit und der Herbeiführung eines Tarifvertrages müsse davon ausgegangen werden, dass die etwaige - schriftlich nicht vorgelegte - Ankündigung der Auftragsverlagerungen durch die R GmbH & Co. KG ins Ausland als reines Druckmittel in den Auseinandersetzungen eingesetzt werde und sich die Auftragsvergabe schlagartig ändern werde, sobald den Wünschen des dortigen Geschäftsführers Herrn F L bei den Verhandlungen Rechnung getragen worden sei. Der von der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren behauptete weitere Personalabbau von 15 Stellen im März 2013, der ihm angesichts seiner Arbeitsunfähigkeit nicht bekannt sei, werde bestritten. Im Übrigen habe der Arbeitgeber, der sich auf eine rückläufige Belegschaftszahl berufen und das bisher freigestellte Betriebsratsmitglied wieder zur Arbeit auffordern wolle, im Streitfall eine gerichtliche Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren herbeizuführen. Hinsichtlich der trotz reduzierter Belegschaftsstärke unveränderten Arbeitsbelastung des Betriebsratsvorsitzenden werde nunmehr eine Aufstellung der einzelnen regelmäßig anfallenden Aufgaben vorgelegt (Bl. 156 d. A.), aus der sich ein täglicher Arbeitsaufwand in Höhe von ca. 8,5 Stunden im Mittelwert ergebe, wobei noch im einzelnen dargestellte Aufgaben hinzukämen, die in längeren Zeitrhythmen anfielen (Bl. 157 d. A.). Hinzu komme die durch das Arbeitsgericht nicht näher bewertete zusätzliche Arbeitsbelastung durch die ständigen Konflikte zwischen einem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat, welche durch die Drohungen der Geschäftsführung bzw. des Herrn L, den Betrieb zu schließen bzw. Arbeitnehmer zu entlassen, in den Betrieb hineingetragen worden seien. Auch wenn er nur Durchschnittswerte angeben könne, sei damit der Zeitaufwand für Betriebsratstätigkeiten bestimmbar. Der Vortrag der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren, sein Stellvertreter verrichte derzeit lediglich 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit werde mit Nichtwissen bestritten; zudem habe dieser ihm telefonisch bestätigt, dass die bisher weitgehend von ihm erledigten Aufgaben nunmehr auch auf die Übrigen Betriebsratsmitglieder verteilt seien. Hinsichtlich des Verfügungsgrundes sei zu berücksichtigen, dass angesichts der Auseinandersetzungen mit der Geschäftsführung nicht davon ausgegangen werden könne, dass Freistellungsbeschlüsse nach § 37 Abs. 2 BetrVG hingenommen würden und es ihm nicht zuzumuten sei, am jeweiligen Monatsende mit gekürzten oder völlig gestrichenen Vergütungen konfrontiert zu sein. Der Verfügungskläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe bei der Beurteilung der Hilfsanträge die Darlegungs- und Beweislast verkannt, da die Arbeitgeberseite vortragen müsse, dass und welche zwingenden betrieblichen Notwendigkeiten seiner Beschäftigung in der Funktion des Schichtführers bzw. RPS-Koordinators entgegenstehen. Auch verkenne das Arbeitsgericht durch den Verweis auf die Zweijahresfrist, dass der Arbeitgeber die Durchführung von geeigneten Fortbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen nicht auf den berühmten „Sanktnimmerleinstag“ verzögern dürfe. § 37 Abs. 5 BetrVG enthalte eine partielle Versetzungssperre. Außerdem habe die Verfügungsbeklagte die Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG zur streitgegenständlichen Maßnahme nicht eingeholt. Der Hilfsantrag zu 3) werde im Hinblick auf das zwischenzeitlich eingeleitete Hauptsacheverfahren gestellt.

Der Verfügungskläger beantragt zuletzt,

die mit Schreiben vom 05. Dezember 2012 gegenüber dem Verfügungskläger erteilte Weisung, mit Wirkung ab 07. Januar 2013 in der Produktion die Arbeit aufzunehmen, zurückzunehmen und diesen auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen,

hilfsweise,

dem Verfügungskläger vor Aufnahme seiner vertraglichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, eine Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 der Verfügungsbeklagten wahrzunehmen,

hilfsweise,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Aufforderung des Verfügungsklägers zur Arbeit in der Produktion so lange zu unterlassen, bis sie ihm ausreichend und im Rahmen der gesetzlichen Zeiträume gemäß § 38 Abs. 4 BetrVG Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung in die Tätigkeit als Schichtführer und RPS-Koordinator gegeben hat.

hilfsweise,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, die Versetzung des Verfügungsklägers in die Produktion gemäß Schreiben vom 05. Dezember 2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens mit dem Aktenzeichen 9 Ca 1305/13 zu unterlassen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 15. April 2013, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 186 ff. d. A.) und trägt im Wesentlichen vor,

die Prognose des Arbeitsgerichts, die Belegschaftsstärke liege dauerhaft unter 200, sei zutreffend und müsse auch nicht revidiert werden. Da die geplanten Aufträge der R GmbH & Co. KG nicht in vollem Umfang eingegangen seien, sei im März 2013 eine weitere Reduktion der Beschäftigtenzahl um 15 Personen eingeleitet worden. Der gesamte übrige Vortrag der Beschwerdeschrift bestehe in den aus den übrigen Verfahren bekannten, üblichen allgemeinen Vorwürfen gegenüber der Verfügungsbeklagten und würden inzwischen nicht mehr beantwortet. Angesichts § 37 Abs. 2 BetrVG sei ein Verfügungsgrund nicht gegeben. Eine dauerhafte Freistellung für die Zukunft sei nicht erforderlich. Derzeit gebe es keine gerichtliche Streitigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. In seiner Aufstellung gebe der Verfügungskläger im Einzelnen benannte Tätigkeiten an, welche - aus im einzelnen dargelegten Gründen - betriebsverfassungsrechtlich nicht relevant, substanzlos oder nicht erforderlich seien, mehrfach benannt würden, täglich nicht anfielen oder nicht den Tatsachen entsprächen, zumal der Stellvertreter des erkrankten Verfügungsbeklagten mit weniger als 20 Wochenstunden Betriebsratstätigkeit auskomme. Auch für den Hilfsantrag sei weder ein Anspruch auf Schulung vor Arbeitsbeginn ersichtlich, noch Eilbedürftigkeit.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes des zweitinstanzlichen Verfahrens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 14. Mai 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.  Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist in der Sache nicht erfolgreich.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und hinreichend begründet

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Haupt- und Hilfsanträge des Verfügungsklägers im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht zurückgewiesen. Auch hinsichtlich des vom Verfügungskläger im Berufungsverfahren zur Entscheidung gestellten weiteren Hilfsantrags blieb das Rechtsmittel erfolglos. Die Berufung war zurückzuweisen.

1. Der zulässige Hauptantrag ist nicht begründet. Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen, die Weisung zurückzunehmen, die Arbeit in der Produktion wieder aufzunehmen, und ihn auch weiterhin von der Arbeitspflicht freizustellen.

1.1. Der Hauptantrag ist zulässig, insbesondere ergeben sich keine Bedenken hinsichtlich der zutreffenden Verfahrensart. Es kann dahinstehen, ob der Verfügungskläger sein Hauptbegehren vorliegend im Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG verfolgen konnte. Die Berufungskammer hat gemäß § 65 ArbGG hinsichtlich des Hauptantrags nicht mehr die erstinstanzlich zwischen den Parteien umstrittene Frage zu prüfen, ob das Urteilsverfahren die zutreffende Verfahrensart ist.

1.1.1. Gemäß § 65 ArbGG prüft das Berufungsgericht nicht, ob die Verfahrensart zulässig ist. Von diesem Grundsatz ist dann eine Ausnahme zu machen, wenn das Arbeitsgericht trotz ausdrücklicher Rüge nicht vorab durch besonderen Beschluss, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache über die Zulässigkeit der Verfahrensart mitentschieden hat (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 09; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - Rn. 63, jeweils zitiert nach juris; Germelmann/Germelmann, ArbGG, 7. Aufl., § 65 Rn. 14; Hauck/Helml-Hauck ArbGG 3. Aufl. § 65 Rn. 5; ebenso zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG 21. Mai 1999 - 5 AZB 31/98 - Rn. 37, zitiert nach juris). Der beschwerten Partei steht in einem solchen Falle entweder das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde oder das Rechtsmittel der Berufung bzw. Beschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zur Verfügung, es gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung. Das Rechtsmittelgericht ist in diesem Falle berechtigt, auch die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges oder der Verfahrensart bzw. Zuständigkeit zu überprüfen (BAG 26. März 1992 - 2 AZR 443/91 - Rn. 40 ff. zitiert nach juris; Germelmann/Germelmann ArbGG § 65 ArbGG Rn. 14 aaO; vgl. Hauck/Helml-Hauck ArbGG § 65 Rn. 5 aaO). Hat das Arbeitsgericht trotz erhobener Rüge verfahrensfehlerhaft keine Vorabentscheidung getroffen, wird die Rüge im Berufungsverfahren jedoch nicht mehr wiederholt, ist das Landesarbeitsgericht an einer erneuten Prüfung gemäß § 65 ArbGG gehindert (vgl. zur Rechtswegrüge: Schwab Die Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 286).

1.1.2. Danach stand der Berufungskammer nach § 65 ArbGG die Prüfung, ob das Urteilsverfahren vorliegend die zutreffende Verfahrensart war, nicht zu. Zwar hat das Arbeitsgericht trotz entsprechender Rüge der Verfügungsbeklagten über die Frage der Verfahrensart nicht im Wege des Vorabbeschlusses entschieden, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache angenommen, das Urteilsverfahren sei die zutreffende Verfahrensart, obwohl auch das um vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 937 ff ZPO ersuchte Gericht die Zulässigkeit der beschrittenen Verfahrensart gemäß § 17a GVG zu prüfen hat (vgl. zur insoweit identischen Regelung hinsichtlich des Rechtswegs BAG 25. Mai 2000 - 5 AZB 66/99 - Rn. 9; LAG Sachsen 10. Dezember 2008 - 2 SaGa 19/08 - Rn. 4, jeweils zitiert nach juris). Da die Verfügungsbeklagte als insoweit beschwerte Partei jedoch weder ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Verfahrensart ergriffen, noch an ihrer Rüge zur zutreffenden Verfahrensart im Berufungsverfahren festgehalten hat, verblieb es bei der eingeschränkten Prüfungskompetenz der Berufungskammer nach § 65 ArbGG.

1.2. Der Hauptantrag ist in der Sache nicht erfolgreich. Es fehlt jedenfalls am erforderlichen Verfügungsgrund.

1.2.1. Es bestehen erhebliche Bedenken, ob dem Verfügungskläger der erforderliche Verfügungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte zusteht, von der Zuweisung von Tätigkeiten in der Produktion - auch nur einstweilen - abzusehen und ihn weiter als Betriebsratsvorsitzenden von der Arbeitsleistung freizustellen. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die Voraussetzungen für eine weitere Freistellung des Verfügungsklägers weder nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, noch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gegeben sind.

a) Nach der Betriebsgröße der Verfügungsbeklagten ist eine weitere Freistellung des Verfügungsbeklagten gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht länger gerechtfertigt.

aa) Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG von der Betriebsgröße abhängig. Maßgeblich hierfür ist die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. BAG 05. Dezember 2012 - 7 ABR 17/11 - Rn. 16; 22. Oktober 2003 - 7 ABR 3/03 - jeweils zitiert nach juris). Gemäß 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist in Betrieben mit in der Regel 200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied freizustellen. Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte gewählt (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Die freigestellten Betriebsratsmitglieder sind grundsätzlich von ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung entbunden, im Rahmen ihrer Freistellung widmen sie sich nur noch der Erfüllung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Sie unterliegen insoweit auch nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (Fitting 26. Aufl. § 38 Rn. 77; DKK-Wedde 11. Aufl. § 38 Rn. 62; vgl. Wlotzke/Preis- Kreft BetrVG 4. Aufl. § 38 Rn. 36; MünchArbR-Joost 3. Aufl. 2009 § 220 Rn. 65).

Zur Beurteilung, wie viele Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG von einem Arbeitgeber in der Regel beschäftigt werden, ist auf den Zeitpunkt des Freistellungsbeschlusses abzustellen. Denn in der Vorschrift wird die Mindestanzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder geregelt, um Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber darüber zu vermeiden, ob die Freistellungen im Einzelfall erforderlich sind. Die Erforderlichkeit wird deshalb - gestaffelt nach der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl - unwiderleglich vermutet. Um damit Freistellungen rechtfertigen zu können, muss die Erforderlichkeit, dh. also die Arbeitnehmerzahl, gegenwärtig sein. Künftige Veränderungen der Arbeitnehmerzahl, die nicht unmittelbar bevorstehen, können allenfalls eine spätere Anpassung der Zahl der Freizustellenden bedingen (BAG 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - Rn. 20, vgl. auch BAG 05. Dezember 2012 - 7 ABR 17/11 - Rn. 31, jeweils zitiert nach juris). Die Zahl der Freistellungen kann sich daher im Laufe einer Amtszeit - in beide Richtungen - ändern (MünchArbR-Joost 3. Aufl. 2009 Rn. 48; ErfK-Koch 13. Aufl. § 38 BetrVG Rn. 1, Fitting aaO § 38 Rn. 15; Wlotzke/Preis- Kreft BetrVG aaO § 38 Rn. 10 DKK-Wedde aaO§ 38 Rn. 10).

bb) Vorliegend ist die Betriebsgröße der Verfügungsbeklagten nicht nur vorübergehend unter 200 Arbeitnehmer gesunken und der Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG daher nicht mehr erreicht.

Auch wenn die Belegschaftsstärke in der Vergangenheit überwiegend über dem Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gelegen haben mag, ist die Prognose gerechtfertigt, dass der Schwellenwert bis zum Ende der aktuellen Amtszeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt der nächsten Betriebsratswahl im Frühjahr 2014 nicht mehr überschritten wird. Zwischen den Parteien ist zuletzt nicht mehr streitig, dass die Zahl der Beschäftigten der Stammbelegschaft der Verfügungsbeklagten in den Monaten Oktober 2012 (194), November 2012 (187) und Dezember 2012 (184) jeweils unter 200 lag. Auch im Januar 2013 ist dies mit 183 Mitarbeitern der Fall. Die Verfügungsbeklagte hat durch die im Verfahren zur Akte gereichten Eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihre alleinige Auftraggeberin, die R GmbH & Co. KG, die Aufträge zur Herstellung von Klimageräten im Jahr 2013 verstärkt an andere Produktionsgesellschaften im Ausland vergeben werde, weshalb nur noch eine durchschnittliche Produktionskapazität von ca. 340 Kühlgeräten zu erwarten sei, was rechnerisch zu einem Personalbedarf von ca. 175 Mitarbeiter führen werde.

Es besteht keine Veranlassung, die Prognose in Zweifel zu ziehen, der unterste Wert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG werde dauerhaft bis zum Ende der Amtszeit unterschritten. Auch ohne Berücksichtigung des vom Verfügungskläger bestrittenen weiteren Personalabbaus von 15 Mitarbeitern im März 2013 wird der Schwellenwert von 200 Mitarbeitern angesichts der unstreitigen Zahlen nicht erreicht. Auch der Verfügungskläger stellt nicht in Abrede, dass die Verfügungsbeklagte Leiharbeitnehmer nicht länger abgerufen hat und Befristungen nicht verlängert wurden. Soweit er bemängelt, die Verfügungsbeklagte habe in der Vergangenheit stets behauptet, wegen der Personalplanung lediglich eine Vorausschau von vier Wochen vornehmen zu können, hat die Verfügungsbeklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die genaue Produktions- und Personalplanung erst nach Eingang der konkreten Aufträge und daher erst mit einem Vorlauf von etwa einem Monat möglich ist. Mit der - keinem Schriftformerfordernis unterliegenden - Ankündigung der einzigen Auftraggeberin der Verfügungsbeklagten, künftig weniger Aufträge bei der Verfügungsbeklagten in Produktion geben zu wollen, steht dies nicht in Zusammenhang. Soweit der Verfügungskläger anführt, es müsse davon ausgegangen werden, dass die Auftragsvergabe als reines Druckmittel benutzt und sich schlagartig wieder ändern werde, sobald den Wünschen des Geschäftsführers der alleinigen Auftraggebergesellschaft L bei den Verhandlungen mit dem Betriebsrat Rechnung getragen worden sei, berührt dies die Prognose nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass ausreichende Anhaltspunkte für diese bloße Vermutung des Verfügungsklägers nicht ersichtlich sind, verkennt dieser, dass die Frage der Art und Weise der Auftragsvergabe ausschließlich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der alleinigen Auftraggeberin der Verfügungsbeklagten obliegt.

b) Auch die Voraussetzungen einer generellen Freistellung des Verfügungsklägers nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht gegeben.

aa) Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrates von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Für Betriebe, deren Belegschaftsstärke in der Regel 200 Arbeitnehmer nicht überschreitet, kann in Ausnahmefällen nach dem Grundtatbestand des § 37 Abs. 2 BetrVG die völlige oder teilweise Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes geboten sein, wenn diese Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist (vgl. BAG 13. November 1991 - 7 ABR 5/91 - Rn. 18; 2. April 1974 - 1 ABR 43/73 - Rn. 12; jeweils zitiert nach juris). Voraussetzung für die zusätzliche Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds ist die Darlegung, dass nach Art und Umfang des Betriebes die zusätzliche Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben erforderlich ist (vgl. BAG 22. Mai 1973 - 1 ABR 10/73 -; 9. Oktober 1973 - 1 ABR 29/73 -, jeweils zitiert nach juris). Hinsichtlich des Umfanges der Darlegungslast ist zu berücksichtigen, dass für den Regelfall der Bedarf an Freistellungen bereits durch § 38 BetrVG abgedeckt ist (vgl. BAG Urteil vom 21. November 1978 - 6 AZR 247/76 -, zitiert nach juris). Es sind daher Abweichungen von dem in § 38 Abs. 1 BetrVG gesetzlich unterstellten Normalfall darzutun, aufgrund derer die Arbeitsbelastung des gesamten Betriebsrates in zeitlicher Hinsicht derart erhöht ist, dass eine zusätzliche generelle Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes für die gesamte Amtszeit erforderlich ist. Aus dem Tatsachenvortrag muss ersichtlich werden, dass weder die Arbeitszeit der bereits generell freigestellten Betriebsratsmitglieder noch die Möglichkeit konkreter Freistellungen der übrigen Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG ausreichen, um sämtliche erforderlichen Betriebsratsaufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Dazu ist die so detaillierte Beschreibung der besonderen Umstände erforderlich, dass die sich daraus voraussichtlich ergebenden zeitlichen Belastungen zumindest bestimmbar werden. Da die erstrebte über § 38 Abs. 1 BetrVG hinausgehende Freistellung für die gesamte restliche Amtszeit erfolgen soll, muss aus dem Tatsachenvortrag überdies für das Gericht erkennbar werden, dass die Notwendigkeit einer weiteren Freistellung für diese gesamte Restdauer der Wahlperiode besteht. Wenigstens eine Schätzung des Mindestumfanges der zeitlichen Mehrbelastung des gesamten Betriebsrates muss möglich sein. Die Untergrenze der regelmäßigen Mehrbelastung muss daher nach dem Tatsachenvortrag einer Pauschalierung zugänglich sein. Zugleich muss die Darlegung der zeitlichen Mehrbelastung des Betriebsrates so detailliert sein, dass dem Arbeitgeber eine sachliche Erwiderung möglich ist (vgl. insoweit zur Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds: BAG 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - Rn. 29 ff, zitiert nach juris).

bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Verfügungskläger nicht dargelegt, dass seine Freistellung trotz Nichterreichens des Schwellenwertes des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gerechtfertigt ist. Der Verfügungskläger hat lediglich eine abstrakte Auflistung von Betriebsratsaufgaben vorgenommen, die weder den Schluss zulassen, dass eine Mehrbelastung tatsächlich eintreten wird, noch dass dies für die gesamte restliche Dauer der Amtszeit der Fall sein wird. Bereits aufgrund der vom Verfügungskläger angegebenen Schwankungsbreite des täglichen Zeitaufwandes für Betriebsratstätigkeiten (ohne die zurzeit durch Betriebsratsbeschluss ausgesetzte Teilnahme an Produktionsbesprechungen) zwischen insgesamt 3,6 Stunden (mindestens) und 13,16 Stunden (höchstens) lässt erkennen, dass der Aufstellung eine verlässliche Prognose über die Erforderlichkeit einer weiteren Freistellung nicht entnommen werden kann und zwar auch dann nicht, wenn man die - ebenfalls mit Schwankungsbreite angegebenen - nicht täglich zu verrichtenden Aufgaben mitberücksichtigt, deren pauschale Darlegung eine konkrete Zuordnung zu tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten überwiegend nicht möglich macht. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Verfügungskläger seiner Aufstellung abschließend die Bemerkung angefügt hat, je nach anstehenden aktuellen Themen und Planungen der Geschäftsführung könne sich der Zeitaufwand für die Tätigkeiten erheblich verändern. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, dass bei Teilen der vom Verfügungskläger angegebenen Tätigkeiten gerade aufgrund ihrer Pauschalität - wie beispielsweise das Lesen aktueller politischer und regionaler Nachrichten oder Recherchen im Internet zu aktuellen Themen bis zu 120 Minuten täglich - zweifelhaft ist, ob es sich vollumfänglich um Betriebsratsarbeit handelt und dass Teile der Tätigkeiten doppelt genannt scheinen (E-Mail Posteingang des BR bzw. I. A. lesen und bearbeiten/ Beantwortung von E-Mail; Aufnahme von Stimmungen und Meinungen/ Gespräche mit Mitarbeitern, Gruppensprechern, Schichtführern). Soweit der Verfügungskläger im Berufungsverfahren bemängelt hat, dass Arbeitsgericht habe die zusätzliche Arbeitsbelastung durch die ständigen Konflikte zwischen einem Teil der Belegschaft und dem Betriebsrat nicht näher bewertet, so war eine konkrete Bewertung seines lediglich auf zwei Vorfälle gestützten Vortrages (Betriebliche Folgen des arbeitgeberseitigen Verhaltens auf der Mitarbeiterversammlung am 04. Juli 2012 und der Ankündigung betriebsbedingter Entlassungen im Januar 2013) auch der Berufungskammer nicht möglich, zumal nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten der überwiegende Teil der zwischen den Betriebspartnern geführten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischenzeitlich erledigt ist.

c) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob das Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten mit dem Absinken der Betriebsgröße unter den Schwellenwert nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG automatisch wieder auflebte oder ob sie angesichts der fehlenden Abberufung des Verfügungsklägers durch den Betriebsrat wegen der zwischen den Betriebspartnern bestehenden Meinungsverschiedenheit über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Freistellung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG - worauf sich der Verfügungskläger zuletzt im Berufungsverfahren gestützt hat - eine Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren hätte herbeiführen müssen, bevor sie den Verfügungskläger zur Wiederaufnahme seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit auffordern durfte.

Nach § 38 Abs. 2 BetrVG werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung über die Dauer der Freistellung. Diese erfolgt daher in der Regel für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats (BAG 20. April 2005 - 7 ABR 47/04 - Rn. 14 mwN; zitiert nach juris). Der Betriebsrat kann jedoch ein freigestelltes Betriebsratsmitglied jederzeit von dieser Funktion abberufen und durch ein anderes Betriebsratsmitglied ersetzen. Ändert sich die Zahl der Beschäftigten nicht nur vorübergehend, sondern dergestalt, dass in der Regel eine höhere oder niedrigere Zahl von Freistellungen nach der Tabelle vorzunehmen wäre, so hat der Betriebsrat erneut zu beschließen, sobald die Voraussetzungen gegeben sind. Wird dies unterlassen, kann der Arbeitgeber eine Entscheidung im Beschlussverfahren herbeiführen (MünchArbR-Joost § 220 Rn. 48 3. Aufl. 2009; Dörner/Luzcak/Wildschütz/Baeck/ Hoß - Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage 2012, Abschnitt B Rn. 733; Wlotzke/Preis-Kreft BetrVG 4. Aufl. § 38 Rn. 10). Ob bei einem dauerhaften Absinken der Betriebsgröße während der laufenden Amtszeit unter den Schwellenwert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein derartiges Verfahren Voraussetzung für ein Wiederaufleben des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO gegenüber dem einzigen freigestellten Betriebsratsmitglied ist (wohl verneinend: LAG Hamm 19. August 2009 - 10 Sat 295/09 - Rn. 65, zitiert nach juris), konnte offen bleiben.

1.2.2 Der Verfügungskläger ist vorliegend jedenfalls verpflichtet, seine arbeitsvertragliche Tätigkeit einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder aufzunehmen, weil er weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass für seinen im Eilverfahren gestellten Antrag auf Unterlassung der Zuweisung arbeitsvertraglicher Tätigkeit und auf weitere Freistellung ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO vorliegt.

a) Ein Verfügungsgrund kann nur dann angenommen werden, wenn die begehrte Regelung eines einstweiligen Zustandes notwendig ist, um ansonsten drohende wesentliche Nachteile des Antragstellers abzuwenden. Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen. Soll eine so genannte Leistungsverfügung getroffen werden, dürfen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes jedenfalls keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (LAG Rheinland-Pfalz 20. April 2011 - 7 SaGa 1/11 -; LAG Schleswig-Holstein - 10. November 2011 - 5 SaGa 12/11 - zitiert nach juris). Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung von Versetzungsanordnungen des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus (LAG Köln 14. August 2009 - 9 Ta 264/09 - zitiert nach juris). Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers. Einem Arbeitnehmer ist es mithin in der Regel zuzumuten, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse des Arbeitnehmers erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Schleswig-Holstein - 10. November 2011 - 5 SaGa 12/11 - zitiert nach juris LAG Hamm, 05. Februar 2008 - 11 SaGa 4/08 -; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 12. Mai 2009 - 5 SaGa 4/08 - jeweils zitiert nach juris).

b) Gemessen hieran ist der Verfügungskläger gehalten, der Weisung der Verfügungsbeklagten, eine Tätigkeit in der Produktion aufzunehmen, zunächst nachzukommen und die Frage, ob der Verfügungsbeklagten nach dauerhaftem Absinken der Belegschaftsstärke unter den für die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen Wert des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG das in Anspruch genommene Direktionsrecht (§ 106 Satz 1 GewO) zusteht oder er - vorerst - weiter freizustellen ist, im Hauptsacheverfahren klären zu lassen.

(1) Der Verfügungskläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die dafür sprechen würden, dass ihm die Aufnahme einer Produktionstätigkeit, wie er sie auch vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtet hat, unzumutbar wäre. Auch bestehen keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Wenn der Verfügungskläger sich insoweit zuletzt darauf berufen hat, es fehle die vor einer Versetzung einzuholende Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG, übersieht er, dass es sich bei der Zuweisung der vorherigen arbeitsvertraglichen Tätigkeit gegenüber einem Betriebsratsmitglied nach Beendigung einer Freistellung iSv. § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht um eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG handelt. Hierfür wäre nach § 95 Abs. 3 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches erforderlich, woran es nach Beendigung der Freistellung und Zuweisung der früheren Tätigkeit fehlt, da Betriebsratsmitglieder während ihrer Freistellung von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten gerade entbunden sind und sich nur noch der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben widmen.

(2) Auch ist nicht ersichtlich, dass im Falle der Arbeitsaufnahme durch den Verfügungskläger die Wahrung der Rechte des Betriebsrates gefährdet würde und deshalb eine besondere Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über seine weitere Freistellung anzunehmen wäre. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen (vgl. BAG 29. Juni 2011 - 7 ABR 135/09 - Rn. 19 mwN, zitiert nach juris). Dementsprechend ist dem Verfügungskläger auch ohne generelle Freistellung die Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratsaufgaben ohne weiteres möglich. Der Einwand des Verfügungsklägers, die Verfügungsbeklagte beabsichtige offenbar, sein Nichterscheinen in der Produktion zu sanktionieren, ist ebenso wenig wie seine in der Eidesstattlichen Versicherung vom 07. Januar 2013 geäußerte Vermutung, die Geschäftsführung wolle ihn von der ordnungsgemäßen Abwicklung der umfangreichen Betriebsratstätigkeiten abhalten, geeignet, einen Verfügungsgrund abzugeben. Der Verfügungskläger hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die die Befürchtung rechtfertigen, dass die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger in rechtswidriger Weise in seiner Arbeit als Betriebsratsmitglied behindern wird. Das vom Verfügungskläger herangezogene Argument, die Verfügungsbeklagte habe in den zwischen den Betriebspartnern geführten Beschlussverfahren regelmäßig die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten, ist hierzu nicht geeignet, da der Verfügungsbeklagten - ebenso wie dem Betriebsrat - die Ausschöpfung der von der Betriebsverfassung eingeräumten Rechte im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zusteht. Soweit der Verfügungskläger sich darauf berufen hat, es sei ihm nicht zuzumuten, am jeweiligen Monatsende mit gekürzten oder völlig gestrichenen Vergütungen konfrontiert zu sein, sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass ein derartiges schikanöses Verhalten der Verfügungsbeklagten zu erwarten wäre, nicht ersichtlich. Auch der Verfügungskläger stellt zumindest nicht in Abrede, dass während seiner derzeitigen Erkrankung die Betriebsratstätigkeit vertretungsweise von den nicht freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats wahrgenommen wird. Hinweise für deren Behinderung durch die Verfügungsbeklagte bestehen nicht.

2. Die vom Verfügungskläger zur Entscheidung gestellten, im Urteilsverfahren zulässigen Hilfsanträge zu 1) und 2) sind in der Sache nicht erfolgreich. Dem Verfügungskläger steht weder ein Verfügungsanspruch, noch ein Verfügungsgrund zu.

2.1. Der Verfügungskläger begehrt mit dem Hilfsantrag zu 1) die Einräumung der Fortbildungs- und Einarbeitungsmöglichkeit in die Tätigkeit der Lohngruppe F2 vor Aufnahme einer Produktionstätigkeit und mit dem Hilfsantrag zu 2) die Unterlassung der Zuweisung von Tätigkeiten in der Produktion bis er Gelegenheit zur Fortbildung und Einarbeitung hatte. Mit beiden Hilfsanträgen verfolgt der Verfügungskläger demnach das Ziel, dass ihm vor Aufnahme jeglicher (bis dahin nicht zuzuweisender) vertraglicher Tätigkeit in der Produktion Gelegenheit zu einer Fortbildung und Einarbeitung gegeben wird. Ein derartiger Anspruch steht dem Verfügungskläger nicht zu.

2.1.1. Gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 BetrVG dürfen freigestellte Betriebsratsmitglieder von inner- und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres - bei Freistellung für drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten innerhalb von zwei Jahren - nach Beendigung der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist diesem im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebs Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene betriebsübliche berufliche Entwicklung nachzuholen (§ 38 Abs. 4 Satz 2, 3 BetrVG). Nach § 37 Abs. 5 BetrVG iVm. § 37 Abs 4 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrates einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gleichwertig sind. Der berufliche Tätigkeitsschutz nach § 37 Abs. 5 BetrVG bedeutet zum einen, dass ein Betriebsratsmitglied grundsätzlich nicht mit einer Tätigkeit beschäftigt werden darf, die nicht mindestens derjenigen, die es vor Antritt des Betriebsratsamtes ausgeübt hat, gleichwertig ist. Darüber hinaus ergibt sich ein Anspruch auf Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit, sofern vergleichbare Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Entwicklung inzwischen eine höherwertige Tätigkeit ausüben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Betriebsratsmitglied die für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit erforderliche berufliche Qualifikation besitzt (Fitting BetrVG 26. Auflage § 37 Rn. 133; Richardi/Thüsing BetrVG 13. Aufl. § 37 Rn. 75; GK-Wiese BetrVG 9. Aufl. § 37 Rn. 129; HSG-Glaubitz BetrVG § 37 Rn. 95). Dies ergibt sich daraus, dass ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit auch in seiner beruflichen Entwicklung nicht begünstigt werden darf (§ 78 Satz 2 BetrVG). Auch wenn das Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht die Qualifikation erwerben konnte, besteht kein Anspruch auf Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, solange die für sie erforderliche Qualifikation nicht erworben ist; allerdings darf in diesem Fall infolge des Arbeitsentgeltschutzes nach § 37 Abs. 4 BetrVG das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer (Fitting aaO; Richardi/Thüsing aaO; HSG-Glaubitz aaO).

2.1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hinsichtlich der Hilfsanträge zu 1) und 2) ein Verfügungsanspruch nicht gegeben. Der Verfügungskläger, der unstreitig nicht über die erforderliche Qualifikation für eine Tätigkeit der Lohngruppe F2 (Schichtführer/RPS-Koordinator) verfügt, hat keinen Anspruch darauf, vor Erwerb der entsprechenden Qualifikation für Aufgaben der Lohngruppe F2 nicht mit Tätigkeiten in der Produktion betraut zu werden. Der Verfügungskläger behauptet nicht, dass die ihm von der Verfügungsbeklagten zugedachten Produktionstätigkeiten nicht zumindest denjenigen gleichwertig sind, die er vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtet hat. Auch wird der Verfügungskläger unstreitig nach der Freistellung nach Lohngruppe F2 vergütet, so dass der Arbeitsentgeltschutz gewährleistet ist. Würde man dem Verfügungskläger zugestehen, ausschließlich die geltend gemachte höherwertige Tätigkeit der Lohngruppe F2 in der Produktion zu verrichten und bis zum Erwerb der unstreitig insoweit nicht vorliegenden Qualifikation überhaupt nicht in der Produktion tätig zu werden, würde er entgegen § 78 Satz 2 BetrVG in unzulässiger Art und Weise wegen seiner Betriebsratstätigkeit bevorzugt. Darauf, dass die Verfügungsbeklagte ohnehin vorgetragen hat, im Betrieb sei keine Tätigkeit der Lohngruppe F2 (Schichtführer /RPS-Koordinator) verfügbar, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an. Einen Anspruch ausschließlich auf Schulung für die höherwertige Tätigkeit trotz (gleichzeitiger) Tätigkeit in der Produktion zu den von der Verfügungsbeklagten angeordneten Bedingungen hat der Verfügungskläger nicht geltend gemacht, sondern sich ausschließlich darauf berufen, die Verfügungsbeklagte solle verpflichtet werden, ihn bis zur verlangten Fortbildung überhaupt nicht in der Produktion einzusetzen. Die Frage nach einem isolierten Schulungsanspruch war daher nicht zu beantworten.

2.2. Ungeachtet des fehlenden Verfügungsanspruchs steht dem Verfügungskläger auch kein Verfügungsgrund im Sinne besonderer Dringlichkeit zu. Aus den bereits unter A II 1.2.2. dargestellten Gründen ist es dem Verfügungskläger zuzumuten, bis zur Entscheidung der Hauptsache zunächst eine Tätigkeit in der Produktion aufzunehmen.

3. Auch der zuletzt im Berufungsverfahren gestellte im Urteilsverfahren zulässige weitere Hilfsantrag zu 3) ist nicht begründet. Der Verfügungskläger hat den weiteren Hilfsantrag, der inhaltlich nicht über das mit dem Hauptantrag verfolgte Ziel hinaus geht, die Weisung zur Arbeitsaufnahme in der Produktion zurückzunehmen, lediglich im Hinblick auf das zwischenzeitlich anhängig gemachte Hauptsacheverfahren gestellt. Auch diesem Antrag fehlt es zumindest am Verfügungsgrund. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter II.1.2. Bezug genommen.

B.  Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).



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