Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 5 Sa 186/12

Arbeitszeugnis - Beendigung "auf eigenen Wunsch"

Ein Arbeitszeugnis muss den Grundsätzen der Wahrheit und Klarheit entsprechen. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Berichtigung des Zeugnisses, wenn einer dieser Grundsätze nicht eingehalten wurde.
Enthält das Arbeitszeugnis den Satz "Das Arbeitsverhältnis endet ... in beiderseitigem Einvernehmen.", so entspricht dies der Wahrheit, wenn das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet wurde. Insbesondere beachtet der Arbeitgeber hierbei seine Pflicht zur wohlwollenden Formulierung, wenn der Arbeitnehmer sich erst auf seine Bitte hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses entschließt.
Auch wenn der Arbeitnehmer den Abschluss des Aufhebungsvertrages anbietet, so kann er nicht verlangen, dass der oben genannte Satz durch den folgenden ersetzt wird: "Herr A. scheidet auf eigenen Wunsch ... aus."
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.03.2012 - 6 Ca 3040/11 - wird als unzulässig verworfen, vorsorglich als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch darauf hat, dass eine Zeugnisformulierung geändert wird.

Der 1974 geborene Kläger ist von Beruf Diplomingenieur und Architekt und war in der Zeit vom 01.04.2008 bis zum 31.05.2011 bei der Beklagten als Facility Manager beschäftigt. Er erzielte zuletzt ein Jahresbruttoentgelt in Höhe von 60.000,00 Euro.

Am 06.07.2010 und am 13.07.2010 fanden zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten sowie dem Personalleiter der Beklagten zwei Gespräche hinsichtlich der Arbeitsleistung des Klägers statt. Die Ergebnisse dieser Gespräche wurden in einem Schriftstück (vgl. Bl. 57 d.A.) schriftlich festgehalten. Dazu gab der Kläger am 16.07.2010 eine eigene Stellungnahme ab, in der er die Bereitschaft mitteilte, seine Arbeitsleistung in einigen Punkten optimieren zu wollen (Bl. 62 d. A.).

In einem weiteren Gespräch vom 19.01.2011 wurde der Kläger von der Beklagten darauf hingewiesen, dass er ihres Erachtens seine Leistung in den vergangenen sechs Monaten nicht verbessert habe und die vorgegebenen Ziele und Maßnahmen in allen Punkten nicht erreicht worden seien. Die Beklagte bat daraufhin den Kläger, sich bis Ende Juli eine Arbeitsstelle zu suchen. Der Kläger verließ das Unternehmen der Beklagten letztlich aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 31.05.2011 und trat am 01.06.2011 eine neue Stelle an.

Die Beklagte hat dem Kläger am 31.05.2011 ein Arbeitszeugnis erteilt, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 16 d. A.). Mit Schreiben vom 28.06.2011 hat der Kläger außergerichtlich um Abänderung des Zeugnisses gebeten. Dies hat die Beklagte am 30.06.2011 abgelehnt.

Der Kläger hat, soweit für das Berufungsverfahren von Belang, vorgetragen,

er habe einen Anspruch auf die von ihm beantragte Formulierung. Denn er sei aus eigenem Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.

Zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf Seite 3 - 10 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 95 - 102 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat, soweit für das Berufungsverfahren von Belang, beantragt,

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Der Satz: "Das Arbeitsverhältnis endet am 31.05.2011 im beiderseitigen Einvernehmen" wird wie folgt abgeändert: "Herr A. scheidet auf eigenen Wunsch am 31.05.2011 aus unserem Unternehmen aus."...

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

Der geltend gemachte Anspruch bestehe nicht.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 08.02.2012 - 6 Ca 3040/12 - der Klage zum Teil stattgegeben, sie aber ganz überwiegend abgewiesen. Abgewiesen hat sie die Klage insbesondere auch hinsichtlich des in Ziffer 10 beantragten Ergänzungssatzes. Hinsichtlich des weiteren Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 93 - 112 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 20.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 17.04.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 18.05.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, zwar habe die Beklagte den Kläger gedrängt, sich eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Gleichwohl sei es der Kläger gewesen, von dem letztendlich die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages ausgegangen sei.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf Berufungsbegründungsschrift vom 16.05.2012 (Bl. 128 - 130 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweise Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.03.2012 die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitszeugnis vom 31.05.2011 wie folgt zu korrigieren:

Herr A. scheidet auf eigenen Wunsch am 31.05.2011 aus unserem Unternehmen aus.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,

die Initiative zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sei von der Beklagten ausgegangen. Der Kläger habe ihrem Vorschlag entsprochen und sich in der Folgezeit nach dem Gespräch vom 19.01.2011 um eine neue Arbeitsstelle bemüht. Er sei sodann, nachdem er eine neue Arbeitsstelle gefunden habe, auf die Beklagte zugegangen, um einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, um so in die Lage versetzt zu sein, seine neue Arbeitsstelle kurzfristig anzutreten.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf den Berufungserwiderungsschriftsatz vom 04.06.2012 (Bl. 136 - 139 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 02.07.2012.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Gleichwohl ist die Berufung vorliegend unzulässig, weil die notwendige Berufungssumme nicht erreicht ist. Gem. § 64 Abs. 2 lit. b) kann die Berufung nur eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro übersteigt. Das ist im Hinblick auf das Berufungsbegehren des Klägers aber nicht der Fall.

Zwar wird in der zweitinstanzgerichtlichen Praxis für Streitigkeiten um das Arbeitszeugnis und seinen Inhalt in der Regel ein Gegenstandswert von einem Bruttomonatsgehalt für angemessen erachtet (LAG Rheinland-Pfalz 31.07.1991, NZA 1992, 524; 12.06.2007 - 1 Ta 135/07; vgl. Dörner/ Luczak/ Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 10. Auflage 2012, Kap. 15. Rd. Ziff. 548 mit weiteren Nachweisen). Anerkannt ist aber auch, dass bei einem geltend gemachten Anspruch auf Berichtigung eines Zeugnisses lediglich ein Bruttomonatsgehalt minus Abschlag in Betracht kommt, je nach Bedeutung der Berichtigung (LAG Köln 29.12.2000, NZA 2001, 856).

Vorliegend streiten die Parteien im Berufungsverfahren ausschließlich um die Formulierung eines einzigen Satzes des von der Beklagten erteilten Arbeitszeugnisses. Es geht allein darum, ob die Beklagte formulieren darf, dass das Arbeitsverhältnis einvernehmlich endete oder aber ob sie formulieren muss, dass das Arbeitsverhältnis auf Initiative des Klägers endete. Die Differenz zwischen beiden Formulierungen bewegt sich zwar nicht nur im semantischen Raum, sondern durchaus im sprachlich/ sachlichen. Allerdings kommt bei isolierter Betrachtung dieser Formulierung ein Gegenstandswert von allenfalls 100,00 Euro, keinesfalls aber von mehr als 600,00 Euro in Betracht.

Da das Arbeitsgericht die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen und der Wert der Beschwer gemäß § 64 Abs. 5 ArbGG nicht glaubhaft gemacht worden ist, war die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

II.

Lediglich vorsorglich für den Fall, dass gleichwohl die Berufung als zulässig anzusehen sein sollte, war sie vorsorglich als unbegründet zurückzuweisen.

Denn der Kläger kann von der Beklagten die geltend gemachte Formulierung ersichtlich nicht verlangen.

Nach § 109 Abs. 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein einfaches schriftliches Zeugnis über die Art und Dauer seiner Arbeit. Er kann darüber hinaus ein qualifiziertes schriftliches Zeugnis mit Angaben über seine Leistungen und sein Verhalten verlangen (§ 109 Abs. 1 GewO).

Insbesondere das dem Arbeitnehmer gem. § 109 Abs. 1 S. 3 GewO zu erteilende qualifizierte Zeugnis ist für mögliche künftige Arbeitgeber Grundlage der Personalauswahl. Der Inhalt des Zeugnisses muss deshalb wahr sein (Grundsatz der Zeugniswahrheit). Daneben darf das Zeugnis gem. § 109 Abs. 2 GewO keine unklaren Formulierungen enthalten, durch die der Arbeitnehmer anders beurteilt werden soll, als dies aus dem Zeugniswortlaut ersichtlich ist (Grundsatz der Zeugnisklarheit; BAG 15.11.2011 EzA § 109 GewO Nr. 9; vg. Dörner/ Luczak/ Wildschütz, a. a. O. Kap. 9 Rz. 19 ff.).

Das Arbeitszeugnis besteht neben der Gesamtbeurteilung aus einer Beschreibung einzelner Leistungen, die der Gesamtnote entsprechen müssen. Der Arbeitgeber entscheidet dabei zwar allein darüber, welche Leistungen er stärker hervorheben will als andere. Er muss aber alle berufsspezifischen Merkmale einbeziehen. Dies folgt aus § 109 Abs. 2 S. 2 GewO wonach es unzulässig ist, ein Zeugnis mit geheimen Merkmalen oder unklaren Formulierungen zu versehen, durch die ein Arbeitnehmer anders beurteilt werden soll, als dies aus dem Zeugniswortlaut für ihn ersichtlich ist. Ein Zeugnis darf dort keine Auslassungen enthalten, wo der verständige Leser eine positive Hervorhebung erwartet. Anspruch auf ausdrückliche Bescheinigung bestimmter Merkmale hat der Arbeitnehmer, wenn in dessen Berufskreis dies üblich ist und das Fehlen einer entsprechenden Aussage im Arbeitszeugnis sein berufliches Fortkommen behindern könnte. Sofern Merkmale in besonderem Maße gefragt sind und deshalb der allgemeine Brauch besteht, diese im Zeugnis zu erwähnen, kann die Nichtgewährung (beredetes Schweigen) ein erkennbarer Hinweis für den Zeugnisleser sein. Typisches Beispiel einer derartigen unzulässigen Auslassung ist die fehlende Bescheinigung der Ehrlichkeit bei einer Kassiererin. Gleiches gilt für alle anderen Arbeitnehmer, die mit Geld oder anderen Vermögenswerten umgehen wie z. B. Handlungsgehilfen, Kassierer, Laden- und Fahrverkäufer, Auslieferungsfahrer, Filialleiter, Außendienstmitarbeiter, Hotelpersonal, Hausgehilfinnen (Düwell/ Dahl NZA 2011, 958 ff.).

Aus beiden Anforderungen zusammen ergibt sich, dass der Arbeitgeber zwar die Wahrheit schreiben darf und muss, dass er sie aber bei ungünstigen Aussagen in einer schonenden Form vorbringen muss. Die Wahrheitspflicht geht also dem Wohlwollen vor (BAG 29.07.1971 EzA § 630 BGB Nr. 1). Dem Arbeitgeber steht bei der Abfassung des Zeugnisses ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Allerdings muss er die Verkehrssitte beachten. Werden also bestimmte Angaben im Zeugnis erwartet, so hat er sie in das Zeugnis aufzunehmen, z. B. bei Kassierern die Ehrlichkeit. In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält. Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere (BAG 23.09.1992 EzA BGB § 630 Nr. 16; 09.09.2011 EzA § 109 GewO Nr. 8).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der Kläger die von ihm begehrte Formulierung nicht verlangen. Denn zum einen ist sie inhaltlich unrichtig und entspricht folglich nicht der Wahrheit. Denn das Arbeitsverhältnis ist allenfalls letztlich, d. h. im Hinblick auf den konkreten Beendigungstatbestand, auf Initiative des Arbeitnehmers beendet worden. Die eigentliche Initiative für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ging aber - nach dem Vorbringen beider Parteien in beiden Rechtszügen unstreitig - von der Beklagten aus, die dem Kläger nahegelegt hatte, sich eine anderweitige Arbeitsstelle zu suchen. Vor diesem Hintergrund wäre die vom Kläger gewünschte Formulierung objektiv falsch. Demgegenüber trägt die von der Beklagten im bereits erteilten Arbeitszeugnis gewählte Formulierung - wenn auch zusammengefasst - der tatsächlichen Geschehensentwicklung - zutreffend Rechnung. Sie enthält zudem auch Elemente des Wohlwollens, weil nicht näher ausgeführt wird, dass die Initiative der Beklagten auf - aus ihrer Sicht - nicht behobenen Leistungsmängeln beruhte. Im übrigen ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, welche nachteiligen Auswirkungen von der von der Beklagten gewählten Formulierung ausgehen sollen. Die insoweit vom Kläger vorgetragene Einschätzung bleibt auch im Berufungsverfahren unverständlich.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.



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