Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 6 Sa 517/11

Auftragslücke rechtfertigt nicht die Kündigung eines Leiharbeiternehmers

Ein Leiharbeitnehmer darf nicht deshalb betriebsbedingt gekündigt werden, weil ein kurzfristiger Auftragsmangel im Verleiherbetrieb herrscht. Der Arbeitgeber hat vielmehr darzulegen, dass in einem repräsentativen Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung keine Aufträge im Arbeitsbereich des Arbeitnehmers vorhanden waren oder nach zumutbaren Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen gewesen wären. Dies gilt auch, wenn der einzige Auftrag des Betriebes wegfällt.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.08.2011 6 Ca 341/11 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Die Klägerin wird von der Beklagten, die die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung besitzt, aufgrund eines am 03. April 2008 geschlossenen Arbeitsvertrages als "Sachbearbeiterin Auftragsleitstelle" beschäftigt (Arbeitsvertrag Bl. 4 - 6 d. A.). Die Beklagte beschäftigt ständig mehr als 10 Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 14. April 2011 kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. August 2011.

Mit der vorliegend am 04. Mai 2011 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt und erstinstanzlich deren soziale Rechtfertigung beanstandet. Die Beklagte habe weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass gerade ihr Arbeitsplatz bei der Firma T-D weggefallen sei. Auch habe ihr Zeitkonto bei der Kündigung immer noch Überstunden aufgewiesen; Kurzarbeit sei für sie nicht beantragt worden. Es sei weder der Wegfall ihres Arbeitsplatzes noch die fehlende Möglichkeit eines anderweitigen Einsatzes in einer plausiblen und einlassungsfähigen Weise dargelegt worden. Sinngemäß gelte das gleiche für die Sozialauswahl.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 14. April 2011 nicht beendet wurde.

Die Beklagte hat erstinstanzlich
Klageabweisung

beantragt und erwidert,
im Zeitpunkt der Kündigung sei T-D ihr einziger Kunde gewesen. Seit Beginn des Jahres 2011 sei klar gewesen, dass es insbesondere im Angestelltenbereich der Arbeitnehmerüberlassung bei T-D zu Einschränkungen kommen würde. Bereits im Februar seien alle Mitarbeiter über die zunehmende Dramatik des einbrechenden Bedarfs bei T-D informiert wurden. Bei der Bundesagentur für Arbeit sei für den Rest des Jahres 2011 Kurzarbeit beantragt worden und in den folgenden Monaten auch teilweise bewilligt gewesen.

Nachdem T-D zu Beginn des zweiten Quartals den endgültigen Wegfall mehrerer Bedarfspositionen mitgeteilt habe, seien alle Mitarbeiter über bestehende und nicht bestehende Einsatzmöglichkeiten in anderen Firmen informiert worden. Zahlreiche Bemühungen andere Kunden für den Einsatz von Arbeitnehmern zu akquirieren, seien im Falle der Klägerin nicht erfolgreich gewesen. Der betriebliche Bedarf sei zum Kündigungszeitpunkt auf Dauer entfallen. Die Frage der Sozialauswahl stelle sich wegen einer fehlenden Vergleichsgruppe nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11. August 2011 - 6 Ca 341/11 - (Seite 3 - 5 = Bl. 35 - 37 d. A.) Bezug genommen.

Im vorerwähnten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage entsprochen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse nicht dargelegt. Bei einer Bindung an außerbetriebliche Gründe müsse der Arbeitgeber den Rückgang des Beschäftigungsvolumens nachvollziehbar darstellen. Bei Leiharbeitnehmern reiche ein bloßer Hinweis auf einen auslaufenden Auftrag nicht aus; kurzfristige Auftragsschwankungen müssten ausgeschlossen werden. Aus dem Vorbringen der Beklagten ließe sich nicht ermitteln, ob, wann und in welchem Umfang die Beklagte vor dem Ausspruch der Kündigung tatsächlich Bemühungen unternommen habe, die Klägerin anderweitig zu vermitteln. Die im Kammertermin am 11. August 2011 vorgelegte Liste erfülle die Anforderungen nicht und sei gemäß § 61 a Abs. 5 ArbGG verspätet vorgelegt worden. Insoweit fehle es an einem Beweisangebot.

Gegen das der Beklagten am 26. August 2011 zugestellte Urteil richtet sich deren am 09. September 2011 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 28. November 2011 begründete Berufung.

Die Beklagte bringt zweitinstanzlich vor,
das Urteil des BAG vom 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - ließe sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, da die dort beklagte Firma verschiedene Kunden gehabt habe. Die Firma T-D in Z sei der einzige Kunde zur Arbeitnehmerüberlassung gewesen. Mit Schreiben vom 07. April 2011 habe diese Firma darauf hingewiesen, dass die Kurzarbeit im Werk W seit Januar 2011 auch auf die D habe ausgedehnt werden müssen. Sie - die Beklagte - habe sämtliche Arbeitnehmer, die für den angestellten Bereich eingestellt gewesen seien, gekündigt bzw. befristete Arbeitsverhältnisse beendet. Es seien keine weiteren Kunden akquiriert worden. Hierzu sei sie - die Beklagte - auch nicht verpflichtet. Die Firma T-D habe am 29. August 2011 an der Ausgangslage gemäß Schreiben vom 07. April 2011 festgehalten. Diese Firma baue ca. 200 Stellen ab.

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,
unter Abänderung des am 11. August 2011 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens
- 6 Ca 341/11 - wird Klageabweisung beantragt.

Die Klägerin hat
Zurückweisung

der Berufung beantragt, die Übertragbarkeit des Urteils des BAG vom 18. Mai 2006 angenommen und ferner ausgeführt, vom Grundsatz her sei das Geschäftsmodell der Beklagten durchaus auf Überlassung von Arbeitnehmern auf mehrere Firmen ausgerichtet. Die Beklagte hätte substantiiert dartun müssen, dass die Klägerin weder bei der Firma T-D noch bei anderen Kunden hätte untergebracht werden können. Das Schreiben der Firma T-D vom 04. April 2011 sei sei verspätet vorgelegt. Die Beklagte habe weder dargelegt noch bewiesen, dass keine Arbeit mehr vorhanden sei. Auch das Schreiben der Firma T-D vom 29. August 2011 sei verspätet vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28. November 2011 (Bl. 66 - 76 d. A.) nebst sämtlicher vorgelegter Anlagen und zur Berufungserwiderung auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Dezember 2011 (Bl. 102 - 105 d. A.) Bezug genommen.

Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 24. Februar 2012 (Bl. 106 - 109 d. A.) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

II.  Das Rechtsmittel ist jedoch nicht b e g r ü n d e t.

Das Arbeitsgericht hat in dem angegriffenen Judikat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 14. April 2011 zum 31. August 2011 beendet worden ist.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den diesbezüglich begründenden Teil des Urteils Bezug und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren wiederholenden Darstellung ab.

III.  Wegen der Angriffe der Berufung besteht Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

Soweit die Berufung meint, die Feststellungen im Urteil des BAG vom 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - seien vorliegend nicht übertragbar, vermag dem die Berufungskammer nicht zu folgen. Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung entsteht ein Überhang an Leiharbeitnehmern, wenn der Einsatz von Leiharbeitnehmern endet, ohne dass der Arbeitnehmer weder bei anderen Entleihern oder im Betrieb des Beleihers auf absehbare Zeit eingesetzt werden kann.

Hierbei reicht ein bloßer Hinweis auf einen auslaufenden Auftrag und auf einen fehlenden Anschlussauftrag regelmäßig nicht aus, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu begründen. Der Arbeitgeber muss anhand der Auftrags- und Personalplanung vielmehr substantiiert darstellen, warum es nicht nur um eine - kurzfristige - Auftragsschwankung, sondern um einen dauerhaften Arbeitsrückgang handelt und ein anderer Einsatz des Arbeitnehmers bei einem anderen Kunden bzw. in einem anderen Auftrag nicht in Betracht kommt. Dies gilt um so mehr, als es dem Wesen der Arbeitnehmerüberlassung und dem Geschäft eines Arbeitnehmerüberlassungsunternehmens entspricht, Arbeitnehmer oft kurzfristig bei verschiedenen Auftraggebern einzusetzen und zu beschäftigen. Insoweit trägt ein Leiharbeitsunternehmen das Beschäftigungsrisiko für kurzfristige Auftragslücken.

Es muss dargelegt werden, dass in einem repräsentativen Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung weder im bisherigen Arbeitsbereich des Arbeitnehmers noch in anderen Bereichen, in denen er nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen hätte eingesetzt werden können, Aufträge vorhanden gewesen sind. Diese Grundsätze sind ohne weiteres auf die Beklagte von ihrem Geschäftsmodell her übertragbar. Es bleibt auch dabei, dass die Beklagte bei sogenannten selbstbindenden Unternehmerentscheidungen die Darlegungs- und Beweispflicht trifft, durch welche von außen kommenden Umstände in welchen Bereichen Beschäftigungsmöglichkeiten in welchem Umfang entfallen sind (vgl. hierzu ErfK-Oetker, 10. Aufl., 430 KSchG § 1 Rz. 261). Hierzu sind der Berufungskammer keine ausreichenden Feststellungen möglich.

Angriffe gegen die Feststellungen des Arbeitsgerichts zum verspäteten Vorbringen nach § 61 a Abs. 5 ArbGG betreffend die am 11. August 2011 vorgelegte Liste sind nicht konkretisiert. Die maßgebliche Vorschrift sieht eine besondere Prozessförderung im Kündigungsverfahren vor und zwingt zur Einhaltung der mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 09. Juni 2011 erfolgten Auflagen. Der Beklagten wurde im Einzelnen aufgegeben, die Kündigungsgründe unter vorsorglichem Beweisantritt darzulegen; soweit es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handelt, die dringenden betrieblichen Gründe, die Sozialauswahl und die Interessenabwägung auszuführen. Insbesondere - so die weiteren Ausführungen im Auflagenbeschluss des Gerichts - hat die Beklage anhand der Auftrags- und Personalplanung darzustellen, warum es sich nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung, sondern um einen dauerhaften Auftragsrückgang handelt und ein anderer Einsatz eines Arbeitnehmers bei einem anderen Kunden beziehungsweise in einem anderen Auftrag - auch gegebenenfalls nach entsprechenden Anpassungsfortbildungen - nicht in Betracht kommt. Die Frist hierzu war auf 24. Juni 2011 gesetzt. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass es sich vorliegend um Ausschlussfristen handelt und verspätetes Vorbringen zurückgewiesen werden kann. Die Beklagte bleibt mit ihrem Vorbringen, wonach sich aus der verspätet vorgelegten Liste hinreichende und letztlich erfolglose Bemühungen für einen weiteren Einsatz der Klägerin ergäben, präkludiert (§ 531 Abs. 1 ZPO).

IV.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

V.  Für die Zulassung der Revision liegen die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.



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