Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 11 Sa 681/11

Außerordentliche Kündigung: Ankündigung einer Arbeitsverweigerung

Die Ankündigung eines Arbeitnehmers, in Zukunft weiterhin die Kommunikation mit seinem Vorarbeiter zu verweigern, rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung, wenn der Arbeitnehmer bereits seit eineinhalb Jahren die Kommunikation (überwiegend) verweigert.
Denn je länger ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers ohne Ausspruch einer Kündigung hingenommen wird, umso schwieriger ist es nachher zu begründen, warum allein die Ankündigung der Fortsetzung dieses Verhaltens hinreichender Anlass für eine außerordentliche Kündigung sein soll.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.10.2011, Az. 10 Ca 2019/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger, der für zwei Kinder unterhaltspflichtig ist, ist seit dem 01.02.2006 bei dem Beklagten als Trockenbaumonteur zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.400,-- EUR beschäftigt. Der Beklagte betreibt ein Akustik- und Innenausbauunternehmen und beschäftigt 5 Arbeitnehmer.

Unter Datum vom 13.11.2009 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen zweifacher Nichtbefolgung von Anweisungen des Vorarbeiters S. Danach habe der Kläger am 10.11.2009 die Anweisung des Herrn S. nicht befolgt, das Firmenfahrzeug zu beladen, um die Baustelle unverzüglich anfahren zu können. Der Kläger habe es vorgezogen, erst den zweiten Firmenwagen vom Vortag zu entladen. Diese Arbeit hätte Zeit gehabt, da dieses Fahrzeug nicht gebraucht worden sei. Am 28.10.2009 habe sich der Kläger auf der Baustelle E. in B. geweigert, auf Anweisung von Herrn S. mit dem Spachteln zu beginnen. Er habe geantwortet: "Hör auf zu labern, mach ich nicht.".

Mit Schreiben vom 13.05.2011 erteilte der Beklagte dem Kläger eine zweite Abmahnung. In dieser Abmahnung warf der Beklagte dem Kläger vor, er habe am 10.05.2011 auf die Frage des Vorarbeiters S., ob die Dachlukenklappe für die Baustelle in M. in das Firmenfahrzeug geladen werden müsse, keine Antwort gegeben und die Anweisungen von Herrn S. ignoriert.

Am 24.05.2011 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger, dem Beklagten und Herrn S. statt.

Unter Datum vom 25.05.2011 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis und stützte die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung darauf, dass der Kläger in dem Gespräch am 24.05.2011 deutlich gemacht habe, dass er weiterhin mit Herrn S. nicht kommunizieren wolle.

Der Kläger hat am 06.06.2011 Kündigungsschutzklage in Bezug auf die außerordentliche Kündigung erhoben.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, es sei nicht erkennbar, welches konkrete, ihm vorwerfbare Fehlverhalten Anlass für die Kündigung gegeben haben soll. Der Vorarbeiter S. spreche schon seit Monaten nicht mehr mit ihm und schreie ihn nur noch an.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2011, zugegangen am 25.05.2011, nicht fristlos aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.07.2011 fortbestanden hat.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, dass sich der Kläger seit ca. November 2009 weigere, den Anordnungen des Vorarbeiters S. Folge zu leisten. Sämtliche Ansprachen des Vorarbeiters seien durch den Kläger täglich schlicht ignoriert worden, oder es sei eigenmächtig abweichend von den Anweisungen gehandelt worden. Auch verweigere der Kläger seit diesem Zeitpunkt jegliche Kommunikation mit dem Vorarbeiter, so dass es ständig zu erheblichen Störungen des Betriebsablaufs gekommen sei. Nachdem der Kläger am 24.05.2011 wiederum eine konkrete Arbeitsanweisung ignoriert habe, habe er den Kläger und Herrn S. zu einem Gespräch gebeten. Dabei habe der Kläger deutlich gemacht, dass er auch in Zukunft mit dem Vorarbeiter S. nicht sprechen und auch in Zukunft dessen Anweisungen ignorieren werde.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 27.10.2011, Aktenzeichen 10 Ca 2019/11, der Klage stattgegeben und dies wie folgt begründet:

Der Beklagte habe nicht dargelegt, welche konkrete Arbeitsanweisung der Kläger am 24.05.2011 ignoriert haben soll. Die außerordentliche Kündigung könne auch nicht auf die Ankündigung des Klägers gestützt werden, sich auch künftig pflichtwidrig verhalten zu wollen. Es fehle an einer Grundlage für die vom Beklagten aufgestellte Prognose eines künftigen Fehlverhaltens, wenn gar nicht feststehe, anlässlich welchen bestimmten Fehlverhaltens diese Prognose aufgestellt worden sein soll.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 11.11.2011 zugestellt. Er hat am 06.12.2011 Berufung eingelegt und diese mit Telefax vom 13.02.2012 innerhalb der bis zu diesem Tag verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Der Beklagte vertritt folgende Auffassung:

Die Ankündigung des Klägers vom 24.05.2011, die Abmahnung vom 13.05.2011 zu ignorieren und auch weiterhin die Kommunikation mit dem Vorarbeiter S. zu verweigern und deshalb Arbeitsanweisungen zu ignorieren, sei als beharrliche Arbeitspflichtverletzung in Form der Arbeitsverweigerung zu qualifizieren. Diese Äußerung habe dem Beklagten eine ausreichende Grundlage für seine Prognose gegeben, der Kläger werde auch zukünftig die Arbeit verweigern bzw. Arbeitsanweisungen ignorieren. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass Grundlage der Kündigung auch das am 13.05.2011 abgemahnte und konkret bezeichnete Verhalten des Klägers sein könne.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.10.2011, Aktenzeichen 10 Ca 2019/11, dem Beklagten zugestellt am 11.11.2011, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.10.2011, Aktenzeichen 10 Ca 2019/11, zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor,

es sei nach wie vor nicht erkennbar, welcher konkrete Pflichtenverstoß die außerordentliche Kündigung rechtfertigen solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Feststellungen in den Sitzungsprotokollen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 Abs. 2b und 2c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II. Inhaltlich ist die Berufung jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 25.05.2011 nicht wirksam beendet worden. Es bestand daher bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fort.

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 07.07.2011 - 2 AZR 355/10 - zitiert nach juris, Rn. 12 m.w.N.). Spricht der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die Kündigungsgründe (vgl. BAG 06.08.1987 - 2 AZR 226/87 - AP BGB § 626 Nr. 97).

2. Eine schwere, insbesondere schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen. Dabei kann ein wichtiger Grund an sich nicht nur in einer erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten liegen. Auch die erhebliche Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten kann ein wichtiger Grund an sich zur außerordentlichen Kündigung sein (BAG 02.03.2006 - 2 AZR 53/05 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14; BAG 15.01.1986 - 7 AZR 128/83 - AP BGB § 626 Nr. 93 = EzA BGB § 626 nF Nr. 100; BAG 16.08.1991 - 2 AZR 604/90 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 27). Da die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung die übliche und regelmäßig auch ausreichende Reaktion auf die Verletzung einer Nebenpflicht ist, kommt eine außerordentliche Kündigung allerdings nur in Betracht, wenn das regelmäßig geringere Gewicht dieser Pflichtverletzung durch erschwerende Umstände verstärkt wird (BAG 15.01.1986 - 7 AZR 128/83 - aaO; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 669; KR-Fischermeier 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 146; APS-Dörner 2. Aufl. § 626 BGB Rn. 76).

3. Der Beklagte hat auch in der zweiten Instanz nach den Hinweisen im erstinstanzlichen Urteil nicht dargelegt, welche Arbeitsanweisung der Kläger am 24.05.2011 nicht befolgt haben soll. Ein konkreter Fall der Arbeitsverweigerung ist nicht benannt worden. Die außerordentliche Kündigung kann daher nicht auf ein tatsächliches Fehlverhalten am 24.05.2011 gestützt werden.

4. Die angebliche Ankündigung im Personalgespräch vom 24.05.2011, in Zukunft trotz der Abmahnung vom 13.05.2011 weiterhin die Kommunikation mit dem Vorarbeiter S. zu verweigern und dessen Arbeitsanweisungen zu ignorieren, reicht nicht aus, um diese Äußerung mit einer außerordentlichen Kündigung zu sanktionieren.

a) Das Fehlverhalten, das der Kläger hier angeblich angekündigt hat, wird nach Angaben des Beklagten bereits seit ca. November 2009 vom Kläger praktiziert. Bereits seit diesem Zeitpunkt soll er Arbeitsanweisungen des Vorarbeiters ignoriert und die Kommunikation mit ihm verweigert haben. Dieses seit eineinhalb Jahren praktizierte Verhalten war für den Beklagten bislang kein Grund, das Arbeitsverhältnis mittels Kündigung zu beenden. Vielmehr hat die Beklagte bislang mit dem Ausspruch von 2 Abmahnungen reagiert. Dann kann allein die Ankündigung, dieses Verhalten weiter fortzusetzen, kein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB sein. Je länger ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers ohne Ausspruch einer Kündigung hingenommen wird, umso schwieriger ist es nachher zu begründen, warum allein die Ankündigung der Fortsetzung dieses Verhaltens hinreichender Anlass für eine außerordentliche Kündigung sein soll. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beklagten in dieser Situation nicht zumindest die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar war. Da er einen Kleinbetrieb führt, wäre eine ordentliche Kündigung nicht auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen gewesen. Nach dem Ausspruch von zwei Abmahnungen konnte der Kläger nicht damit rechnen, dass der Beklagte zum Mittel der außerordentlichen Kündigung greift, ohne dass ein nochmaliger konkreter Vorfall eingetreten ist. Der Beklagte hätte einen erneuten Fall der Arbeitsverweigerung abwarten müssen.

b) Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es für die Prognose, der Arbeitnehmer werde sich auch zukünftig pflichtwidrig verhalten, entscheidend auf die Art des gezeigten Fehlverhaltens ankommt. Der Kläger scheint nicht sämtliche Anweisungen des Vorarbeiters S. zu ignorieren. Sonst wäre nicht nachvollziehbar, weshalb zwischen der 1. und der 2. Abmahnung ein Zeitraum von 1,5 Jahren liegt. Es sind die verschiedensten Situationen mit den unterschiedlichsten Folgen für den Arbeitgeber denkbar, in denen eine Anweisung des Vorgesetzten ignoriert wird. Dabei kann es sich lediglich um Lappalien handeln, aber auch um Sachverhalte, die beispielsweise Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen des Arbeitgebers haben und zu einem Schaden für den Betrieb führen können. Solange das an den Tag gelegte pflichtwidrige Verhalten nicht konkret dargelegt wird, ist die vom Arbeitgeber aufgestellte Prognose eines künftigen pflichtwidrigen Verhaltens und dessen Gewichtigkeit vom Gericht nicht hinreichend überprüfbar.

c) Entgegen der Auffassung des Beklagten darf der Arbeitgeber seine Prognose nicht auf ein bereits abgemahntes Fehlverhalten des Arbeitnehmers stützen. Denn durch die erfolgte Abmahnung ist dieses Fehlverhalten als Grundlage einer nachfolgenden Kündigung verbraucht. Mit der Erteilung der Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber konkludent auf ein Kündigungsrecht wegen der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung waren (BAG 26.11.2009 - NZA 2010, 823).

d) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Ankündigung der Nichtbefolgung von Anweisungen des Vorgesetzten nicht ähnlich schwerwiegend zu beurteilen wie die Ankündigung einer Erkrankung für den Fall, dass der Arbeitgeber einem unberechtigten Verlangen des Arbeitnehmers auf Gewährung von Urlaub nicht entsprechen sollte. Die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung liegt in erster Linie darin, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen (BAG 12.03.2009 - 2 AZR 251/07 - zitiert nach juris, Rn. 23). Das schwerwiegende Fehlverhalten liegt bereits in der Ankündigung der Erkrankung, weil hierdurch das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit und Loyalität des Arbeitnehmers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird.

Bei der Ankündigung der Nichtbefolgung von Anweisungen ist das Vertrauensverhältnis nicht vergleichbar schwer erschüttert. Die eigentliche Pflichtwidrigkeit ist noch nicht eingetreten, sondern erst für die Zukunft angedroht worden. Der Arbeitgeber hat noch die Möglichkeit, auf den Arbeitnehmer einzuwirken und ihm zu verdeutlichen, dass er nicht bereit ist, dass für die Zukunft angekündigte Fehlverhalten hinzunehmen. Durch die Androhung von arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur Kündigung kann erreicht werden, dass der Arbeitnehmer von seinem Vorhaben doch noch Abstand nimmt.

III. Nach alledem ist die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.



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