Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 6 Sa 236/13

Der Betriebsarzt als freier Mitarbeiter

1. Nach dem ASiG kann ein Betriebsarzt sowohl als Arbeitnehmer, als auch als freier Mitarbeiter beschäftigt werden.

2. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber einem Betriebsarzt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 ASiG Räume und Personal zur Verfügung stellt und der Betriebsarzt zu zuvor vereinbarten Sprechstunden Arbeitnehmer untersucht, arbeitsmedizinisch beurteilt und berät, ist nicht geeignet, die Arbeitnehmereigenschaft eines Betriebsarztes zu begründen.

3. Der Kläger, der den Bestand eines Arbeitsverhältnisses geltend macht, ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass ein einem Arbeitsverhältnis entsprechendes Weisungsrecht vorliegt, weil er vom Arbeitgeber in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung zu Tätigkeiten herangezogen wird.
(Leitsätze)

(4.) Weisungsabhängigkeit in zeitlicher Hinsicht ist gegeben, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden.

Hier: Der klagende Betriebsarzt ist kein Arbeitnehmer. Insbesondere war die Arbeitszeit nur dem Umfang nach vereinbart (6 bzw. 10 Stunden pro Woche). Die Lage der Arbeitszeit wurde nicht einseitig vorgegeben. Auch war der Kläger noch für vier weitere Auftraggeber tätig.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10. April 2013 - 11 Ca 2610/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Kündigungsschutz mit der Begründung, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen.

Der Kläger wurde bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 01. September 1979 auf Basis eines Vertrages vom 14. März 1979 (Bl. 8 ff. d. A.) als Betriebsarzt tätig.

Im Vertrag vom 14. März 1979 heißt es unter anderem:

„§ 1 Tätigkeit

Herr Dr. med. H. M. A. übernimmt ab 1. September 1979 als freier Mitarbeiter der Firma die Aufgabe eines Betriebsarztes nach dem Arbeitssicherheitsgesetz. Sein Zuständigkeitsbereich bezieht sich auf das Werk K der Firma. Der Betriebsarzt ist dem für dieses Werk verantwortlichen Personaldirektor zugeordnet.

Der Betriebsarzt übernimmt verantwortlich die arbeitsmedizinische Betreuung der Betriebsangehörigen. In der Ausübung seiner arbeitsmedizinischen Tätigkeit ist er weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen.

Die Firma stellt dem Betriebsarzt nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Arbeitssicherheitsgesetz das erforderliche Personal sowie Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung. Der Betriebsarzt ist gegenüber dem ihm zur Verfügung gestellten Personal weisungsbefugt.

Die Firma informiert den Betriebsarzt über alle für seine Tätigkeit im Werk bedeutsamen Umstände.

§ 2 Aufgabengebiet

Dem Betriebsarzt werden die in § 3 Arbeitssicherheitsgesetz aufgeführten Aufgaben übertragen.

...

§ 3 Dienstzeit

Der Betriebsarzt verpflichtet sich, regelmäßig an zwei Tagen in der Woche, insgesamt sechs Stunden tätig zu sein. Die Festlegung der Stunden erfolgt in Abstimmung mit dem Personaldirektor.

Im Falle einer länger dauernden Verhinderung (Urlaub, Krankheit oder ähnliches) bemüht sich der Betriebsarzt gemeinsam mit der Firmenleitung (Werksleitung) um eine geeignete Vertretung.

Der Betriebsarzt hat der Firma eine voraussehbare Verhinderung rechtzeitig mitzuteilen.

§ 4 Vergütung

Für seine Tätigkeit in der Firma erhält der Betriebsarzt ein am Monatsende zu zahlendes Honorar, mit dem sämtliche Kosten des Betriebsarztes abgedeckt sind.

Das Honorar beträgt für jede angefangene und geleistete Stunde DM 70,--, dh. regelmäßig DM 1.820,-- je Monat. Erforderliche Vertretungen vermindern den Monatsbetrag.

...“

Zuletzt erhielt der Kläger für eine Tätigkeit im Umfang von zehn Stunden pro Woche monatlich 4.480,00 EUR nebst Mehrwertsteuer. Der Kläger übte bzw. übt die Funktion eines Betriebsarztes auch für (jedenfalls) vier weitere in Koblenz ansässige Großunternehmen aus. Hierbei ist zwischen den Parteien streitig, ab wann der Kläger für welche bzw. wie viele weitere Unternehmen neben der Beklagten tätig war.

Der Kläger verrichtete seine Tätigkeit als Betriebsarzt in von der Beklagten zur Verfügung gestellten Räumen. Die verwaltungsmäßigen Aufgaben des betriebsärztlichen Dienstes und die Sanitätsstelle wurden üblicherweise vom Betriebssanitäter H erledigt. Zwischen den Parteien besteht Uneinigkeit über das Vorgehen bei Urlaub des Klägers. Dieser beteiligte sich während des Zeitraums seiner Beschäftigung jedenfalls nicht an den am Jahresanfang in den Abteilungen der Beklagten stattfindenden Jahresurlaubsplanungen. Der Kläger, der die Auffassung vertritt, er habe sich Urlaub wie ein Arbeitnehmer genehmigen lassen müssen, hat zwei mit "Meldung über Abwesenheit" überschriebene, nicht vollständig ausgefüllte Formblätter aus den Jahren 2000 und 2001 vorgelegt (vgl. Bl. 14 d. A). Diese sind jeweils im Feld "beantragt", mit "i. A." vom Betriebssanitäter H unterzeichnet und im Feld "genehmigt" abgezeichnet. Die vorgesehene Abwesenheitszeit ist einmal in der Zeile "Tarifurlaub" datumsmäßig konkretisiert, im anderen Formular findet sich die vorgesehene Abwesenheitszeit in der Zeile, die für die Angabe des Grundes einer Freistellung nach dem MTV vorgesehen ist. Die Beklagte, nach deren Behauptung der Kläger seine Urlaubszeiten - meist über den Zeugen H, teilweise auch persönlich - lediglich angezeigt hat, hat ein im Namen des Klägers an den ehemaligen Personalleiter der Beklagten R gerichtetes Memo aus dem Jahr 2003 zur Akte gereicht (Bl. 78 d. A.), in dem lediglich mitgeteilt wird, der Kläger wolle in den angegebenen Zeiten Urlaub machen und als Vertretung für zwei Tage ein Kollege des Klägers angekündigt wird. Während der Urlaubszeiten des Klägers zahlte die Beklagte dessen Vergütung fort.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2012 (Bl. 7 d. A.), dem Kläger zugegangen am 27. Juni 2012, kündigte die Beklagte den mit dem Kläger geschlossenen Vertrag ordentlich zum 31. Dezember 2012. Die Kündigung wurde unterzeichnet vom Prokuristen und späteren Geschäftsführer der Beklagten Dr. D unter der Bezeichnung „Direktor Recht und Personal“.

Der Kläger hat gegen die Kündigung des Vertragsverhältnisses mit am Folgetag beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenem Schriftsatz vom 15. Juli 2012 Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich die Feststellung begehrt, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelt. Am letztgenannten Feststellungsantrag und einem weiter angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag hat der Kläger im Kammertermin vom 10. April 2013 vor dem Arbeitsgericht nicht festgehalten.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, nach der praktischen Durchführung des Vertragsverhältnisses habe er in einem Arbeitsverhältnis zu der mehrere hundert Mitarbeiter beschäftigenden Beklagten gestanden. Er sei vollständig - mit Personalakte - in die Personalabteilung integriert gewesen, was sich bereits daran zeige, dass er vertraglich entgegen § 8 Abs. 2 ASiG dem Personaldirektor unterstellt sei. Dass er in einem Arbeitsverhältnis stehe, ergebe sich zudem auch daraus, dass er in verschiedenen Punkten wie ein Mitarbeiter behandelt worden sei (Teilnahme an Abteilungsfeiern der Personalabteilung und an der Finanzierung gemeinsamer Geschenke, Aufnahme in die Geburtstagsliste, im internen Telefonverzeichnis und im großen Verteiler der internen Kommunikation). Zudem sei er zur Nutzung der Mitarbeiterparkplätze und nicht der Besucherparkplätze und zum Tragen einer gelben (Mitarbeiter-) und nicht einer roten (Besucher-) Warnweste angehalten worden. Er habe der Beklagten nie Rechnungen geschrieben. Seine Einsatzzeiten, die entgegen der Verpflichtung nach dem ASiG nicht den steigenden Mitarbeiterzahlen angepasst worden seien, seien ihm wie der Ort und die Dauer seines Arbeitseinsatzes einseitig von der Beklagten vorgegeben worden. Die Verlängerung der Einsatzzeiten seien erfolgt, weil die Beklagte den Mitarbeitern allgemeinmedizinische Dienstleistungen über das ASiG hinaus habe anbieten wollen. Weiterhin habe er für die Beklagte Zusatzaufgaben nach Anweisung ableisten müssen, so sei er mit Krankenbesuchen bei verunfallten Mitarbeitern beauftragt worden, habe am Tag der offenen Tür und an einer ganztägigen Veranstaltung bei der DRV in S teilnehmen müssen. Einen Ausgleich für diese Mehrbelastungen habe er nicht erhalten. Seinen Urlaub habe er - nach Abstimmung mit dem Betriebssanitäter auf einem einheitlichen Formular melden und genehmigen lassen müssen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.06.2012 beendet ist.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis sei rechtlich nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren, da der Kläger bereits ausweislich des Vertrags vom 14. März 1979 ausdrücklich als freier Mitarbeiter für sie tätig gewesen sei. Er sei als Betriebsarzt noch bei mindestens vier weiteren Unternehmen in K (T/L Automotive GmbH, S GmbH, K, K Bausysteme) wohl zu Honoraren in ähnlicher Größenordnung tätig; bei Beginn der Beschäftigung sei der Kläger jedenfalls auch bei K C und bei der P im Einsatz gewesen. Die Unterstellung im Vertrag unter den damaligen Personaldirektor, der zugleich Mitglied der Geschäftsführung gewesen sei, habe den Regelungen des ASiG entsprochen. Eine „Integration“ in die Personalabteilung habe nicht stattgefunden, die vom Kläger dargelegten zwischenmenschlichen Aktivitäten in Form von Abteilungsfeiern uä. belegten lediglich, dass sich die Beklagte an die einfachsten Regeln der Höflichkeit und des menschlichen Miteinanders halte. Auch der Vortrag zu Telefonliste, Postverteiler, Zuweisung eines Mitarbeiter-Parkplatzes (in Ermangelung von Parkplätzen für freie Mitarbeiter) und der (für Kenner des Betriebes vorgesehenen) gelben Warnweste ändere nichts an der rechtlichen Qualifikation des Vertragsverhältnisses, für das nie eine Personalakte, sondern lediglich eine ordnungsgemäße Aktenführung existiert habe. Hinsichtlich des Urlaubes habe der Kläger lediglich seine Planungen dem Betriebssanitäter H mitgeteilt, der wiederum sie informiert habe (z.B. über die vom Kläger vorgelegten Formulare). Es sei abgesprochen gewesen, dass der Kläger bei einer Abwesenheit von länger als zwei Wochen eine Vertretung organisiert, was auch weitgehend geschehen sei. Die Fortzahlung des Honorars während des Urlaubs sei aufgrund zwischen dem Kläger und dem (ehemaligen) Personalleiter R als Ausgleich für gelegentliche Einsätze des Klägers außerhalb der vereinbarten Anwesenheitszeiten vereinbart worden. Die Einsatz- und Sprechzeiten des Klägers seien abgestimmt und nicht einseitig von ihr vorgegeben gewesen, was wegen der Tätigkeit des Klägers für weitere Unternehmen auch gar nicht möglich gewesen sei. Alle allgemeinmedizinischen Leistungen seien ausnahmslos vom Kläger initiiert worden. Im Übrigen habe es bei Spitzenbelastungen des Klägers regelmäßig Zahlungen „außer der Reihe“ gegeben. Der Kläger habe auch Rechnungen geschrieben, wie die Rechnung vom 30. September 2001 (Bl. 89 d. A) zeige. Die Honorare seien in unregelmäßigen Abständen (nach oben) angepasst worden. Die weitere Rechnungsstellung sei in Ermangelung von Änderungen an der Rechnungshöhe irgendwann eingestellt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. April 2013, wegen dessen Tatbestand auf Bl. 95 bis 100 verwiesen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die auch im Rechtsweg als sic-non-Fall zulässige Klage sei nicht begründet, da das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit eines Betriebsarztes nach dem ASiG sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden könne. Gegen ein Arbeitsverhältnis spreche, dass die Beklagte wegen des vertraglichen Abstimmungserfordernisses nicht berechtigt gewesen sei, die Lage der Arbeitszeit einseitig zu bestimmen, wobei die Bindung an Sprechzeiten und die Vorgabe des Tätigkeitsortes allein nicht für eine arbeitsrechtliche Beziehung spreche. Dass die Beklagte die Arbeitszeiten einseitig verändert oder über seine Arbeitszeit verfügt habe, habe der hinsichtlich des Erfordernisses der Arbeitszeitausweitung ohnehin widersprüchlich vortragende Kläger nicht ausreichend dargetan. Fachliche Weisungen habe die Beklagte nicht erteilt, eine Eingliederung in die betriebliche Organisation habe nicht vorgelegen. Dem Sanitäter gegenüber sei der Kläger nur fachlich weisungsbefugt gewesen. Dass der Kläger sich Urlaub habe genehmigen lassen müssen, sei angesichts der vorgelegten unvollständig ausgefüllten Formulare und der Tatsache, dass er unstreitig nicht an der Jahresurlaubsplanung teilgenommen habe, nicht erkennbar. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 101 bis 108 d. A. verwiesen.

Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 24. Mai 2013 zugestellte Urteil mit am 03. Juni 2014 beim Landesarbeitsgericht eigegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 09. Juli 2013 begründet.

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 09. Juli 2013 (Bl. 127 ff. d. A.) und seines bei Gericht am 28. August 2013 eingegangenen Schriftsatzes (Bl. 191 f. d. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Wesentlichen geltend,

er sei hinsichtlich der Arbeitszeit unabhängig von der vertraglichen Regelung weisungsgebunden gewesen. Das Arbeitsgericht habe sich insoweit zu Unrecht auf die Bestimmungen des ASiG gestützt. Das gesetzliche Wahlrecht zwischen freiberuflichem Betriebsarztverhältnis und Arbeitsverhältnis als Betriebsarzt sei historisch vorgesehen worden, weil es bei Erlass des Gesetzes 1973 nur wenige ausgebildete Arbeitsmediziner gegeben habe und (kurzfristig geschulte) Allgemeinmediziner nur durch die Möglichkeit einer freien Mitarbeit für eine betriebsärztliche Betreuung zu rekrutieren gewesen seien. Trotz zwischenzeitlicher Abschaffung der Kurzfortbildungsmöglichkeit für Allgemeinmediziner und überwiegender Beschäftigung angestellter Betriebsärzte sei das ASiG nicht geändert worden, so dass sich die Frage stelle, ob die Formulierung des Gesetzes noch Gültigkeit beanspruchen könne. Schon die Vielzahl der Mitarbeiter und die Zurverfügungstellung von speziell ausgestatteten Räumlichkeiten habe seine Anwesenheit zu bestimmten Zeiten im Betrieb erfordert. Im Übrigen regele § 3 des Vertrages vom 14. März 1979 den Umfang der Arbeitszeit (6 Stunden) und nur die darüber hinausgehende zeitliche Inanspruchnahme habe „in Abstimmung“ erfolgen sollen. Ohne Genehmigung habe er keine Möglichkeit gehabt, die - auch ganz anders (zB abends oder ganztägig) organisierbaren - Arbeitszeiten zu bestimmen; das agierende Subjekt bei den Vereinbarungen zur Arbeitszeit sei die Beklagte gewesen. Da er für die Firma T erst in 1986 und für die Firma S erst in 1988 tätig geworden sei, habe ihm auch hinreichend Zeit zur Verfügung gestanden. Auch die in § 6 der vertraglichen Vereinbarung vorgesehene Genehmigungspflicht für Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen spreche, da im Widerspruch zu § 2 Abs. 3 ASiG stehend, für einen Beschäftigtenstatus. Soweit das Arbeitsgericht fehlenden substantiierten Vortrag zu Einsätzen außerhalb des vereinbarten Rahmens moniere, übersehe es, dass Zeugen benannt worden seien. Es sei wenig verständlich, dass das Gericht die unter Beweis gestellten Sondereinsätze (vielhundertfache Einstellungsuntersuchungen, Tage der „offenen Tür“, Jugendarbeitsschutzuntersuchungen, sonstige Wunschuntersuchungen, Brand im Betrieb, zweitägiger Aufenthalt in England am 30/31. August 2005) in Frage stelle. Die zeitlichen Vorgaben hierfür seien ausschließlich nach den Vorgaben und Wünschen der Beklagten erfolgt. Auch die Tatsache, dass ihm ein Ort der Arbeitsleistung vorgegeben worden sei, könne nicht durch das insoweit keine Regelung enthaltende ASiG gerechtfertigt werden. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Aufgaben von Betriebsärzten nach § 3 Abs. 1 ASiG überwiegend keinen festen Arbeitsplatz erforderten. Soweit das Arbeitsgericht die fehlende Einbindung in die betriebliche Organisation bemängele, übersehe es, dass er entgegen ASiG dem Personaldirektor unterstellt gewesen sei, der ihm auch gekündigt habe. Ob den Personen später auch noch andere Funktionen zugewiesen worden seien, spiele keine Rolle. Der Personalleiter habe das bestehende Rechtsverhältnis jedenfalls nicht kündigen können. Die vom Personalleiter ausgesprochene Kündigung sei ein Indiz für den Bestand eines Arbeitsverhältnisses, ebenso wie die ebenfalls ASiG-widrige Änderung seiner Zuordnung von der Personalabteilung zur Abteilung HSE ohne seine Zustimmung. Seine Tätigkeit als Betriebsarzt ermögliche es dem Betrieb entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts durch die Prüfung der Eignung der Beschäftigten erst, den betriebstechnischen Zweck zu verwirklichen; er habe praktisch mit allen Mitarbeitern Kontakt aufgenommen und zusammengearbeitet. Der Umstand, dass die Beklagte ihm sachliche und personelle Mittel gestellt habe, spreche - ebenso wie sein Weisungsrecht gegenüber dem Sanitäter - für eine abhängige Beschäftigung, da das ASiG nicht zwingend eine Gestellung vorsehe. In der Gesamtschau zu berücksichtigen sei ebenfalls die fehlende Rechnungserstellung, seine „Meldung über Abwesenheit“ wie bei regulären Urlaubsanträgen bei den Arbeitnehmern und jedem anderen Beschäftigten der Beklagten üblich und die Aufnahme in das Telefonverzeichnis mit Namen. Der Kläger beruft sich im Übrigen - wie überwiegend bereits erstinstanzlich - auf diverse weitere Einzelpunkte (wie Geburtstagsliste, Abteilungsveranstaltungen, Parkplatz, Warnweste, Haftplicht uä.). Schließlich rügt der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates vor Kündigungsausspruch.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - 11 Ca 2610/12 -, verkündet am 10. April 2013 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20. Juni 2012 beendet ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das vom Kläger angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 12. August 2013, auf den Bezug genommen wird (Bl. 180 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt:

der Sinn des rechtshistorischen Exkurses des Klägers erschließe sich nicht, die Beschäftigung von Betriebsärzten als freie Mitarbeiter sei keine „äußerst seltene Organisationsform“, sondern mit Ausnahme von Großkonzernen die Regel. Selbstverständlich habe sie ein Interesse daran gehabt, dass der Kläger zu bestimmten Zeiten und nicht irgendwann im Betrieb gewesen sei, aber die Lage der Zeiten seien eben (genauso wie die Lage von und nicht die grundsätzliche Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen) mit dem Kläger vereinbart gewesen. Im Übrigen könne das Fehlen einer Beweiserhebung zugänglichen Vortrags nicht durch die Benennung noch so vieler Zeugen geheilt werden. Der Vortrag des Klägers sei nach wie vor unsubstantiiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.  Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

I.            Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft, wurde vom Kläger nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 24. Mai 2013 mit am 03. Juni 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 09. Juli 2013, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

II.           Die Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich. Der Kündigungsschutzklage des Klägers bleibt der Erfolg verwehrt, weil ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht bestanden hat. Die Berufung war zurückzuweisen.

1.           Das Arbeitsgericht hat mit ausführlicher und sorgfältiger Begründung zu Recht angenommen, dass es sich bei der vertraglichen Beziehung der Parteien nicht um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat. Die Berufungskammer macht sich zur Vermeidung von Wiederholungen die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in Ziffer II der Entscheidungsgründe (Bl. 102 bis 107 d. A.) zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

2.           Auch die Angriffe der Berufung führen zu keiner anderen Betrachtung. Die Darlegungen des Klägers im Berufungsverfahren zeigen keine neuen Gesichtspunkte auf.

2.1.        Nach den Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers aufgestellt hat und denen sich die Berufungskammer anschließt, unterscheiden sich beide durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (BAG 17. April 2013 - 10 AZR 272/1229 - Rn. 15, 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 - Rn. 14, 15, 20. Januar 2010 - 5 AZR 99/09 - Rn. 14; jeweils zitiert nach juris).

2.2.        Gemessen hieran war der Kläger kein Arbeitnehmer der Beklagten.

a)           Der Kläger war als Betriebsarzt unstreitig gegenüber der Beklagten fachlich nicht weisungsgebunden, da er - wie zwischen den Parteien in § 1 Abs. 2 des Vertrages vom 14. März 1979 ausdrücklich vereinbart - die inhaltliche Ausübung seiner arbeitsmedizinischen Tätigkeit frei bestimmen konnte.

b)           Da die fachliche Weisungsfreiheit bei inhaltlich besonders qualifizierten Tätigkeiten wie beispielsweise der eines Arztes der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen steht, muss diese aus anderen Gründen abgeleitet werden können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

aa)         Der Kläger war nicht wie ein Arbeitnehmer zeitlich gegenüber der Beklagten weisungsgebunden.

Weisungsabhängigkeit in zeitlicher Hinsicht ist gegeben, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 301/10 - Rn. 17; 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 21 ff., 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 22; jeweils zitiert nach juris). Der Kläger war im Kern seiner Tätigkeit nicht durch die zeitliche und organisatorische Planung der Beklagten an deren einseitige Weisungen gebunden. Ausgehend von § 3 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages vom 14. März 1979 haben die Parteien den grundsätzlichen Umfang der Dienstverpflichtung des Klägers mit zum damaligen Zeitpunkt sechs, zuletzt vereinbarungsgemäß zehn Wochenstunden festgelegt. Auch die Lage der jeweiligen Arbeitszeit wurde entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht nicht einseitig von der Beklagten vorgegeben. Dies ergibt sich zunächst aus § 3 Abs. 1 Satz 2 des genannten Vertrages, nach dem die Festlegung der Stunden in Abstimmung mit der Beklagten zu erfolgen hatte. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass er die Zeiten, zu denen er im Betrieb der Beklagten regelmäßig als Betriebsarzt tätig wurde, wie im Vertrag vorgesehen, mit der Beklagten vereinbart hat. Damit konnte die Beklagte, unabhängig davon, ob sie in den Verhandlungen bestimmte Anwesenheitszeiten erbeten hat, die Zeiten, zu denen der Kläger im Einsatz sein sollte, nicht mehr einseitig vorgeben, sondern es lag ihnen eine Abmachung der Parteien zu Grunde, an die sich nicht nur der auch Kläger, sondern auch die Beklagte zu halten hatte. Dies dürfte dem auch in anderen Firmen als Betriebsarzt tätigen Kläger die Koordinierung seiner Einsätze zumindest erleichtert haben. Dass die konkrete Lage der Einsatzzeiten des Klägers grundsätzlich auch anders hätte organisiert werden können, steht dem Vorliegen einer das einseitige Zuweisungsrecht der Beklagten ausschließenden Abrede der Parteien nicht entgegen.

Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, die Beklagte habe ihn vielfach zu Sondereinsätzen nach ihren zeitlichen Vorstellungen herangezogen, hat bereits das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es an substantiiertem Sachvortrag zu derartigen Einsätzen fehlte. Um von einem für ein Arbeitsverhältnis sprechenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin ausgehen zu können, ist die Darlegung erforderlich, dass der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung zur Tätigkeit herangezogen wird. Zum Umfang des Spielraums bei der Arbeitszeit ist nicht der beklagte Arbeitgeber, sondern der Kläger darlegungs- und beweisbelastet (BAG 20. August 2003 - 5 AZR 610/02 - Rn. 19, 15. Dezember 1999 - 5 AZR 169/99 - Rn. 68; jeweils zitiert nach juris). Dem ist der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht nachgekommen. Soweit er vorgetragen hat, die Beklagte habe ihn zu „vielhundertfachen“ Einstellungsuntersuchungen, Tagen der offenen Tür, Jugendarbeitsschutzuntersuchungen und sonstigen Wunschuntersuchungen bestimmt, lässt sich aus diesem Vortrag der konkrete Umfang der vorgeblich von der Beklagten bestimmten Einsätze des Klägers im immerhin über 30 Jahre andauernden Beschäftigungsverhältnis nicht ermitteln und die Frage, ob der Kläger in nicht unerheblichem Umfang zeitlich von der Beklagten zur Arbeit, insbesondere auch zu einer Tätigkeit außerhalb des Aufgabenkatalogs nach dem ASiG, bestimmt wurde, nicht beantworten. Eine Beweisaufnahme wäre einem unzulässigen Ausforschungsbeweis gleich gekommen und kam vor diesem Hintergrund - worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht in Betracht. Dass vereinzelte Einsätze - wie etwa ein Betriebsbrand oder eine Fortbildungsmaßnahme - angesichts der jahrzehntelangen Beschäftigungsdauer des Klägers nicht geeignet sind, ein zeitliches Weisungsrecht der Beklagten in nicht unerheblichem Maße zu belegen, bedarf keiner weiteren Erörterung.

bb)         Auch im Übrigen ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war nicht wie in einem Arbeitsverhältnis in die betriebliche Organisation der Beklagten eingebunden. Entgegen der vom Kläger im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung führt nicht allein die Tatsache, dass er die Arbeitnehmer entsprechend seiner Aufgabe als Betriebsarzt nach § 3 Abs. 2 ASiG untersucht hat, dazu, dass er mit diesen wie ein Arbeitnehmer in wechselseitiger Abstimmung zur Erreichung des Betriebszweckes der Beklagten zusammengearbeitet hätte. Dass der Kläger die Arbeitnehmer der Beklagten arbeitsmedizinisch zu beurteilen hatte, gehörte zu seinen ureigenen Aufgaben als Betriebsarzt. Seine organisatorische Eingliederung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger seine Sprechstunden in Räumen der Beklagten abhielt und dass ihm die Beklagte ihm einen (seinem Weisungsrecht unterstehenden) Betriebssanitäter zur Verfügung stellte (vgl. LAG Köln 25. August 1999 - 2 Sa 611/99 - Rn. 28, LAG München 02. August 1984 - 7 Sa 632/83 - jeweils zitiert nach juris). Die Beklagte hat nach § 2 Abs. 2 Satz 2 ASiG den Betriebsarzt bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen; insbesondere ist sie verpflichtet, ihm, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, Hilfspersonal sowie Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen. Da das ASiG sowohl vorsieht, einen Betriebsarzt als Arbeitnehmer zu beschäftigen, als auch, ihn als freien Mitarbeiter einzusetzen, kann allein die Tatsache der Zurverfügungstellung von Räumen und Personal nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses dienen. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren zur historischen Begründung der Beschäftigung von Betriebsärzten als freie Mitarbeiter vorgetragen hat, vermochte die Berufungskammer seiner Schlussfolgerung, wegen heute geänderter Bedingungen für Betriebsärzte bedürfe es einer freien Mitarbeiterschaft nicht länger, auch dann nicht zu folgen, wenn man seine historischen Herleitungen als zutreffend unterstellt. Trotz mehrfacher Gesetzesänderungen, zuletzt durch das Gesetz zur Umsetzung des Seearbeitsübereinkommens 2006 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20. April 2013 (BGBl I 2013, 868), hat der Gesetzgeber keine Veranlassung gesehen, von den beiden möglichen Gestaltungsformen der Betriebsarzttätigkeit abzusehen. Aus welchen Gründen die Regelungen des ASiG keine Berücksichtigung bei der Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, finden können sollen, erschloss sich der Berufungskammer nicht. Zutreffend geht das Arbeitsgericht im Übrigen davon aus, dass die Beteiligung des Klägers an Geburtstagsgeschenken, Geburtstagslisten oder Abteilungsfeiern ebenso wie seine Aufnahme in Telefonlisten, Email-Verteiler, die Zuweisung von Parkplätzen oder die Pflicht, eine bestimmte Warnweste zu tragen, nicht geeignet sind, seine Arbeitnehmereigenschaft zu begründen. Zum einen handelt es sich um Umstände, die ungeachtet der Qualifizierung des Beschäftigungsverhältnisses dem zwischenmenschlichen Umgang geschuldet sind, zum anderen um solche, die die Organisation der Wahrnehmung der Aufgaben des Klägers als Betriebsarzt nach dem ASiG mit sich bringt.

Der Kläger hat auch nicht ausreichend dargelegt, dass das Vorgehen bei der Urlaubsgewährung ihm gegenüber wie bei den Arbeitnehmern der Beklagten gestaltet war, insbesondere nicht, dass er verpflichtet war, seinen Urlaub von der Beklagten genehmigen zu lassen. Sein pauschaler Vortrag, es habe insoweit eine Genehmigungspflicht bestanden, genügte nicht, um der Berufungskammer die Prüfung des klägerischen Vortrags im Rahmen einer Beweisaufnahme zu ermöglichen. Eine solche Verpflichtung des unstreitig nicht an den Jahresurlaubsplanungen der Mitarbeiter teilnehmenden Klägers ergibt sich auch nicht aus den beiden nur unvollständig, bereits vom Inhalt her unterschiedlich und auch nicht vom Kläger ausgefüllten Meldungen über Abwesenheit aus den Jahren 2000 und 2001. Diese stehen zudem im Widerspruch zu dem von der Beklagten vorgelegten Memo aus dem Jahr 2003, mit dem der Kläger lediglich seine urlaubsbedingte Abwesenheit anzeigt, ohne dass die Möglichkeit der Einflussnahme der Beklagten ersichtlich wäre. Dass der Kläger sich - wie dem Memo aus 2003 zu entnehmen und § 3 Abs. 2 des Vertrages vom 14. März 1979 entsprechend - um einen externen Kollegen zur Urlaubsvertretung bemüht, spricht im Übrigen nicht für den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich ein Arbeitsverhältnis auch nicht zwingend damit begründen, dass er vertraglich dem Personaldirektor unterstellt war. Gemäß § 8 Abs. 2 ASiG ist ein Arbeitgeber verpflichtet, angestellte Betriebsärzte unmittelbar dem Leiter des Betriebs im Rahmen einer Stabsstelle fachlich und disziplinarisch zu unterstellen; die gesetzlich vorgeschriebene Zuweisung einer bestimmten Stellung innerhalb der betrieblichen Hierarchiestrukturen gehört zu den strukturprägenden Grundsätzen des ASiG; sie dient sowohl der Sicherung der fachlichen Unabhängigkeit als auch der Herausstellung der Bedeutung der Funktion des Betriebsarztes (vgl. zur Fachkraft für Arbeitssicherheit: BAG 15. Dezember 2009 - 9 AZR 769/08 - Rn. 29, zitiert nach juris). Es kann dahinstehen, ob der Vortrag der Beklagten zutrifft, ihr Personaldirektor sei zugleich Mitglied der Geschäftsführung gewesen, so dass bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses § 8 Abs. 2 ASiG genüge getan gewesen wäre, nach dem die Unterstellung mindestens unter den Leiter des Betriebs erforderlich ist (vgl. BAG 15. Dezember 2009 - 9 AZR 769/08 - Rn. 29, aaO). Selbst wenn der Kläger nicht unmittelbar dem Betriebsleiter iSd. § 8 Abs. 2 ASiG unterstellt gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich, warum dieser Umstand dafür sprechen sollte, dass der Kläger seine Tätigkeit als Betriebsarzt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht hat. Dass der Personaldirektor ihm konkrete fachliche oder disziplinarische Anweisungen erteilt hätte, hat der Kläger nicht behauptet. Darüber hinaus schließt auch § 8 Abs. 2 ASiG nicht aus, dass die personalwirtschaftliche Durchführung eines (unterstellten) Arbeitsverhältnisses anderen Stellen übertragen wird, so lange damit keine Einbindung in eine anderer Organisation verbunden ist (BAG 15. Dezember 2009 - 9 AZR 769/08 - Rn. 33, aaO).

c)           In einer Gesamtschau aller relevanten Umstände vermochte die Berufungskammer daher insgesamt nicht vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses auszugehen. Der lediglich in einem Umfang von zehn Stunden wöchentlich bei der Beklagten und im Übrigen für weitere Unternehmen als freiberuflicher Betriebsarzt tätige Kläger, der mit der Beklagten ausdrücklich einen Vertrag als freier Mitarbeiter geschlossen und Aufgaben nach dem Arbeitssicherheitsgesetz wahrgenommen hat, war weder zeitlich weisungsgebunden, noch organisatorisch in den Betrieb der Beklagten wie ein Arbeitnehmer eingegliedert, noch ist er aus sonstigen Gründen als Arbeitnehmer der Beklagten zu betrachten.

B.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.



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