Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 2 Sa 216/15

"Du brauchst nicht mehr zu kommen!" - Hat er das wirklich gesagt?

Der Arbeitgeber ist für das Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes darlegungs- und beweispflichtig. Dies betrifft auch diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ausschließen. Außerdem erstreckt sich die Darlegungslast auf das Fehlen von Umständen, die den Arbeitnehmer entlasten.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Im vorliegenden Fall hatte der klagende Arbeitnehmer abends um 21:00 Uhr seinen Arbeitgeber angerufen und um Beurlaubung am nächsten Tag gebeten, um ein Bewerbungsgespräch wahrnehmen zu können. Der weitere Inhalt des Gesprächs ist streitig. Um 22:44 Uhr sendete der beklagte Arbeitgeber eine SMS an den Kläger mit dem Inhalt: "Hallo . Nun schriftlich: Du bekommst morgen nicht frei, morgen früh am Lager 6:00 Uhr wie jeder andere auch." Am nächsten Morgen um 08:19 Uhr antwortete ihm der Kläger: ""Hallo habe das Handy nachts aus und um die Uhrzeit war ich schon eine Stunde im Bett. Du hast gesagt, ich brauche überhaupt nicht mehr zu kommen." Der Kläger erschien an diesem Tag nicht mehr zur Arbeit. Aufgrunddessen kündigte ihm der Arbeitgeber außerordentlich.
Im hiesigen Kündigungsschutzverfahren wendet der Kläger ein, am Telefon habe der Beklagte sich sehr darüber aufgeregt, dass er (der Kläger) an einem Bewerbungsgespräch teilnehmen wolle und gesagt, er brauche überhaupt nicht mehr zu erscheinen. Dies bestreitet der Beklagte und trägt vor, er habe dem Kläger lediglich die Urlaubsbewilligung versagt.
Das Landesarbeitsgericht erachtet die außerordentliche Kündigung als unwirksam. Zwar habe der Kläger eine Pflichtverletzung begangen, da er am betreffenden Tag auch nachträglich nicht zur Arbeit erschienen sei und auch keinen Klärungsversuch unternommen habe. Allerdings müsse von dem vom Kläger geschilderten Gesprächsinhalt ausgegangen werden, wonach der Beklagte am Telefon erklärte, der Kläger brauche gar nicht mehr zu kommen. Dies ergebe die Beweislast auf Seiten des Beklagten. Zwar spreche für die Darstellung des Beklagten ebenso viel wie für die des Klägers. Allerdings hätte der Beklagte den Vortrag des Klägers widerlegen müssen.
Angesichts des festgestellten Gesprächsinhalts am Vorabend sei das Fernbleiben des Klägers als keine erhebliche Pflichtverletzung zu bewerten.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.03.2015 - 6 Ca 2002/14 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 07.05.2014 nicht fristlos aufgelöst ist, sondern bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 24.05.2014 fortbestanden hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.104,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2014 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und um Ansprüche des Klägers auf Lohnzahlung sowie Urlaubsabgeltung.

Der Kläger war bei der Beklagten, die eine Bauunternehmung betreibt, aufgrund Arbeitsvertrages vom 05. März 2014 (Bl. 7 - 9 d. A.) seit dem 10. März 2014 als Bauhelfer mit einem Stundenlohn in Höhe von 11,50 EUR brutto bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Nach § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien gelten die ersten sechs Monate als Probezeit, während der das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann.

Für den 02. Mai 2014 legte der Kläger der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor (Bl. 56 d. A.). Am 06. Mai 2014 rief der Kläger den Komplementär der Beklagten nach 21:00 Uhr an und fragte, ob er am folgenden Tag Urlaub wegen eines Bewerbungsgesprächs haben könne. Die Einzelheiten dieses Telefongesprächs sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere, ob der Beklagte dem Kläger erklärt hat, er brauche überhaupt nicht mehr zu kommen. Um 22:44 Uhr versandte der Komplementär der Beklagten eine SMS an den Kläger mit folgendem Inhalt (Bl. 48 d. A.):

"Hallo . Nun schriftlich: Du bekommst morgen nicht frei, morgen früh am Lager 6:00 Uhr wie jeder andere auch."

Am folgenden Tag antwortete der Kläger um 8:19 Uhr per SMS wie folgt (Bl. 49 d. A.):

"Hallo habe das Handy nachts aus und um die Uhrzeit war ich schon eine Stunde im Bett. Du hast gesagt, ich brauche überhaupt nicht mehr zu kommen."

Mit Schreiben vom 07. Mai 2014 (Bl. 10 d. A.), dem Kläger am 10. Mai 2014 zugegangen, kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Mit einem weiteren Schreiben vom 07. Mai 2014 (Bl. 11 d. A.), dem Kläger am 13. Mai 2014 zugegangen, kündigte er das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis nochmals ordentlich zum 21. Mai 2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

In der Zeit vom 08. bis 13. Mai 2014 war der Kläger ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08. Mai 2014 (Bl. 135 d. A.) krankgeschrieben.

Mit seiner am 20. Mai 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung vom 07. Mai 2014 gewandt und den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 27. Mai 2014 geltend gemacht. Klageerweiternd hat er für den Monat April 2014 die Zahlung einer Vergütung in Höhe von 2.139,-- EUR brutto abzüglich 1.569,56 EUR netto, für die Zeit vom 01. bis 27. Mai 2014 die Zahlung einer Vergütung in Höhe von 1.748,-- EUR brutto abzüglich 290,81 EUR netto und Urlaubsabgeltung in Höhe von 275,04 EUR brutto geltend gemacht.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1.    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch fristlose Kündigung vom 07. Mai 2014 endete, sondern durch ordentliche Kündigung bis zum 27. Mai 2014 fortbesteht,

2.    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.139,-- EUR brutto abzüglich geleisteter 500,01 EUR netto sowie abzüglich weiterer geleisteter 1.069,55 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Mai 2014 zu zahlen,

3.    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.748,-- EUR brutto abzüglich 290,81 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2014 zu zahlen,

4.    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 275,04 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 18. März 2015 - 6 Ca 2002/14 - der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 14. April 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Mai 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. Juni 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Sie trägt vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass ihr Komplementär in dem gemeinsamen Telefonat gegenüber dem Kläger am Abend des 06. Mai 2014 erklärt habe, dass dieser nicht mehr zur Arbeit erscheinen brauche. Vielmehr sei dem Kläger nach ihrem Vortrag in dem Telefonat mitgeteilt worden, dass der begehrte Urlaub aufgrund der kurzfristigen Anfrage nicht gewährt werden könne und der Kläger am nächsten Tag pünktlich und vereinbarungsgemäß zur Arbeit erscheinen solle. Dies habe ihr Komplementär auch nochmals schriftlich gemäß der vom Kläger bereits vorgelegten SMS-Nachricht bestätigt. Der in Widerspruch zu seiner ursprünglichen Klagebegründung stehende spätere Vortrag des Klägers, dass er keinen Urlaub erhalten, sondern ihr Komplementär nur geäußert habe, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheinen brauche, sei als offensichtliche Schutzbehauptung zu bewerten. So sei dem vom Kläger vorgelegten Auszug seiner SMS-Nachrichten zu entnehmen, dass seine Nachricht, mit welcher er sein Fernbleiben zu rechtfertigen versucht habe, erst auf einen Telefonanruf von ihrer Seite versandt worden sei. Hätte der Kläger ein ernsthaftes Interesse an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses gehabt, so hätte er sich spätestens nach der vorgetragenen Kenntnisnahme der SMS-Nachricht zum nächstmöglichen Zeitpunkt zur Arbeit melden müssen. Eine Rechtfertigung oder Entschuldigung für sein Fernbleiben habe der insofern beweisbelastete Kläger somit nicht dargetan und seine vertragliche Hauptleistungspflicht damit grob verletzt, so dass die außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Diesbezüglich sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger der Arbeit nicht lediglich unentschuldigt ferngeblieben sei, sondern er gegen die ausdrückliche Anweisung ihres Komplementärs gehandelt habe. Aufgrund der Schwere und Nachhaltigkeit der Pflichtverletzung sei eine vorherige Abmahnung daher entbehrlich gewesen. Unabhängig davon habe der Kläger bereits zuvor seine Pflichten grob verletzt, indem er am 02. Mai 2014 unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen sei, ohne sie zu informieren. Diesbezüglich wäre der Kläger verpflichtet gewesen, sie vor Arbeitsbeginn von seinem Fernbleiben zu unterrichten. Allein der Umstand, dass der Kläger einen Arbeitskollegen telefonisch von seinem Fernbleiben unterrichtet haben wolle, sei unbeachtlich, weil der Arbeitskollege weder als Vorarbeiter eingesetzt oder mit sonstigen Befugnissen ausgestattet noch überhaupt auf derselben Baustelle wie der Kläger eingesetzt gewesen sei. Im Hinblick darauf, dass der Kläger bereits zuvor am 02. Mai 2014 Urlaub habe nehmen wollen und er sein Fernbleiben bereits am 30. April 2014 vorbereitet habe, indem er nicht wie üblich ihren Kleinbus für die Heimfahrt benutzt habe, sei davon auszugehen, dass der Kläger tatsächlich nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Die deswegen dem Kläger erteilte Abmahnung sei ihm per Boten am 03. Mai 2014 zugestellt worden. Die für die erbrachte Arbeitsleistung vereinbarte Vergütung habe sie vollumfänglich ausgeglichen. Bezüglich der Abrechnung für den Monat Mai 2014 sei zu berücksichtigen, dass der Kläger ab dem 07. Mai 2014 unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei und danach aufgrund der wirksamen fristlosen Kündigung kein Vergütungsanspruch bestehe. Gemäß § 8 Nr. 6 des allgemeinverbindlichen und auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe richte sich ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch nicht gegen den Arbeitgeber, sondern gegen die Kasse.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18. März 2015 - 6 Ca 2002/14 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, die rechtliche Bewertung der Beklagten, sein Fernbleiben am 07. Mai 2014 stelle einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar, gehe fehl. Die Beklagte lasse unberücksichtigt, dass seinem Fehlen ein jedenfalls widersprüchliches Verhalten der Beklagten zugrunde gelegen habe. Soweit die Beklagte angeführt habe, er habe erstinstanzlich widersprüchlich argumentiert, sei dies dahingehend aufzuklären, dass aufgrund eines Übertragungsfehlers seine Prozessbevollmächtigte bei Klageerhebung irrig davon gegangen sei, es sei Urlaub gewährt worden. Tatsächlich sei dies im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens richtiggestellt worden. Auch der von ihm selbst zur Akte gereichte SMS-Verkehr wider-spreche dem nicht. Wenn sich der Komplementär der Beklagten mit dem Versand der SMS nach dem Führen des Telefonats dazu entschieden habe, ihn zur Arbeitsleistung per SMS nachts aufzufordern, könne dies allenfalls bedeuten, dass er seine geäußerte Auffassung der Ablehnung der Arbeitsleistung überdacht und sich anders entschieden habe. Es verbleibe jedenfalls dabei, dass er keineswegs nach dem geführten Telefonat damit habe rechnen müssen, eine anderslautende Anweisung zu erhalten. Es möge sein, dass ihm gegenüber vorgeworfen werden könne, dass er sich nach Kenntnisnahme der SMS zur Aufforderung der Arbeitsleistung nicht unmittelbar bei der Beklagten gemeldet habe. Einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB könne dies jedoch nicht darstellen, zumal jedenfalls ein nicht eindeutiges Verhalten des Arbeitgebers über die Frage der Verpflichtung zur Arbeitsleistung am 07. Mai 2014 im Raum gestanden habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten wäre der Ausspruch einer Abmahnung für das vermeintliche unentschuldigte Fehlen am 07. Mai 2014 insbesondere aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Komplementärs der Beklagten das mildere Mittel gewesen. Entgegen der Darstellung des Beklagten sei er am 02. Mai 2014 nicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben und habe auch dafür keine Abmahnung erhalten. Vielmehr habe er sich fernmündlich vor Arbeitsbeginn arbeitsunfähig gemeldet. Jedenfalls habe er am 02. Mai 2014 ausweislich der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht unentschuldigt gefehlt. Mithin habe das Arbeitsverhältnis erst zum 27. Mai 2014 sein Ende gefunden, so dass ihm ein entsprechender Annahmeverzugslohnanspruch zustehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

In der Sache hat die Berufung des Beklagten lediglich teilweise Erfolg. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 07. Mai 2014 ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Im Hinblick darauf, dass die am 10. Mai 2014 zugegangene außerordentliche Kündigung vom 07. Mai 2014 gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien innerhalb der vereinbarten Probezeit mit Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist am 24. Mai 2014 sein Ende gefunden. Dem Kläger steht für die Zeit vom 08. bis 24. Mai 2014 ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.104,00 EUR brutto zu. Die Ansprüche des Klägers für den Monat April 2014 und für die Zeit vom 01. bis 06. Mai 2014 hat die Beklagte hingegen erfüllt. Für den 07. Mai 2014 besteht mangels Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung kein Vergütungsanspruch. Der gegen den Beklagten geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch ist nach § 8 Nr. 6.2 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) ausgeschlossen.

I. Die außerordentliche Kündigung vom 07. Mai 2014 ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geeignet sind (erste Stufe) und aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (zweite Stufe). Unentschuldigtes Fehlen und eine eigenmächtige Urlaubsnahme eines Arbeitnehmers sind an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu begründen (BAG 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - Rn. 36, DB 2000, 1524). Der Arbeitgeber ist für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zur Rechtfertigung einer von ihm ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung darlegungs- und beweispflichtig. Den Kündigenden trifft - entgegen der Ansicht der Beklagten - die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ausschließen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 29, DB 2009, 964). Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 28, AP BGB § 626 Nr. 24).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung des von der Beklagten nicht widerlegten Entlastungsvorbringens des Klägers keine außerordentliche Kündigung wegen eigenmächtiger Selbstbeurlaubung bzw. unentschuldigten Fehlens gerechtfertigt.

Im Streitfall hat die Beklagte die von ihr ausgesprochene außerordentliche Kündigung darauf gestützt, dass ihr Komplementär dem Kläger in dem am Abend des 06. Mai 2014 geführten Telefonat mitgeteilt habe, dass der begehrte Urlaub aufgrund der kurzfristigen Anfrage nicht gewährt werden könne und der Kläger am nächsten Tag pünktlich und vereinbarungsgemäß zur Arbeit erscheinen solle, was ihr Komplementär auch nochmals schriftlich gemäß der vorgelegten SMS-Nachricht bestätigt habe. Der Kläger hat darauf erwidert, dass der Beklagte bei dem am Abend des 06. Mai 2014 geführten Gespräch auf seine Bitte um Erteilung eines Urlaubstages verärgert reagiert und das Gespräch mit den Worten beendet habe, er brauche überhaupt nicht wiederzukommen. Die SMS des Beklagten habe er erst am nächsten Vormittag gesehen und darauf per SMS geantwortet, dass er das Handy nachts aushabe und der Komplementär der Beklagten gesagt habe, dass er überhaupt nicht mehr zu kommen brauche. Diese Einlassung des Klägers hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht zu widerlegen vermocht.

a) Im Hinblick darauf, dass das Telefongespräch am 06. Mai 2014 zwischen dem Kläger und dem Komplementär der Beklagten allein geführt worden ist und daher der beweisbelasteten Beklagten diesbezüglich kein Zeuge zur Verfügung steht (sog. Vier-Augen-Gespräch), hat das Berufungsgericht den Komplementär der Beklagten hierzu persönlich gemäß § 141 ZPO angehört (vgl. hierzu BAG 22. Mai 2007 - 3 AZN 1155/06 - NZA 2007, 885; Thomas/Putzo ZPO 35. Aufl. § 448 Rn. 4).

Die Voraussetzungen für eine förmliche Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO liegen nicht vor. Gemäß § 445 Abs. 1 ZPO kann nur die Vernehmung des Gegners beantragt werden. Der Kläger hat sich auch nicht mit einer Parteivernehmung des Komplementärs der beweispflichtigen Beklagten ausdrücklich einverstanden erklärt (§ 447 ZPO, vgl. hierzu Zöller ZPO 31. Aufl. § 447 Rn. 2). Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nach § 448 ZPO grundsätzlich nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (BGH 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - NJW 1999, 363, zu II 2 b bb der Gründe; Zöller ZPO 31. Aufl. § 448 Rn. 4 u. 4a; sog. Anbeweis). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Auch nach der durchgeführten Parteianhörung spricht nicht mehr für die Darstellung der Beklagten als die des Klägers.

Der Komplementär der Beklagten hat bei seiner Anhörung erklärt, dass der Kläger ihn am Abend des 06. Mai 2015 angerufen und gefragt habe, ob er frei haben könne. Auf seine Frage, warum er frei haben wolle, habe er erklärt, dies sei für ein Bewerbungsgespräch. Er habe ihm dann gesagt, dass er nicht frei bekomme und wie jeder andere auch am Morgen zur Arbeit zu erscheinen habe. Er habe aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit nochmals ausdrücklich betont, dass er am nächsten Morgen zu erscheinen habe. Seine Frau habe ihm gesagt, dass dies ja nur mündlich gewesen sei und er das nochmals schriftlich machen solle. Deshalb habe er dann die SMS geschrieben.

Der Kläger hat bei seiner Anhörung erklärt, dass er den Komplementär der Beklagten angerufen und nach einem Tag Urlaub wegen eines Vorstellungsgesprächs gefragt habe. Dieser sei dann sofort sauer geworden und habe sogleich gesagt: "Wie Vorstellungsgespräch? Du brauchst gar nicht mehr zu kommen!" Dann habe der Komplementär der Beklagten einfach aufgelegt. Danach habe dieser ihn nochmals angerufen und gefragt, wo das Auto stehe, damit die Arbeitskollegen auf die Arbeit kommen könnten. Weil er wegen des Vorstellungsgesprächs auch nicht früh raus gemusst habe, sei die SMS von ihm erst spät zur Kenntnis genommen worden. Er habe dem Komplementär der Beklagten daraufhin geantwortet, dass dieser doch gesagt habe, dass er gar nicht mehr zu kommen brauche.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat klargestellt, dass sie aufgrund eines Übertragungsfehlers bei Klageerhebung irrig davon ausgegangen sei, es sei Urlaub gewährt worden, was sie im Laufe des Verfahrens richtiggestellt habe. Der Kläger selbst hat den SMS-Verkehr zur Akte gereicht. Für die Darstellung des Komplementärs der Beklagten, er habe mit seiner SMS seine Aussage im Telefonat bestätigt, spricht nicht mehr als für die des Klägers, die SMS des Komplementärs der Beklagten könne allenfalls bedeuten, dass dieser seine im Telefonat erklärte Ablehnung der Arbeitsleistung überdacht und sich anders entschieden habe. Der Umstand, dass der Kläger seine SMS erst auf einen Telefonanruf von Seiten der Beklagten versandt hat, spricht nicht gegen die Darstellung des Klägers, nach der er die SMS des Komplementärs der Beklagten erst danach am nächsten Vormittag bemerkt und dann beantwortet hat. Soweit die Beklagte angeführt hat, dass der Kläger am 06. Mai 2014 seine aufbewahrten Sachen eingepackt habe, hat der Kläger darauf verwiesen, dass es sich dabei um seine Arbeitskleidung gehandelt habe, die aufgrund seiner Tätigkeit zementverschmiert gewesen sei und die er zur heimischen Reinigung mitgenommen habe. Nach seiner eigenen Schilderung hat der Kläger den Firmenwagen aufgrund seines beabsichtigten Vorstellungsgesprächs am nächsten Tag nicht mit nach Hause genommen, obwohl er noch nicht gewusst hatte, ob die Beklagte ihm frei gibt. Hierzu hat der Kläger erklärt, dass notfalls auch sein Schwiegersohn ihn zur Firma hätte bringen können. Die Vorgehensweise des Klägers lässt zwar darauf schließen, dass er vor dem am Abend des 06. Mai 2014 geführten Telefon davon ausgegangen war, dass er am nächsten Tag an dem Vorstellungsgespräch teilnehmen wird. Das lässt aber nicht den Rückschluss darauf zu, dass der Kläger auch ohne die von ihm behauptete Erklärung des Komplementärs der Beklagten, er brauche überhaupt nicht mehr zu kommen, ohnehin nicht mehr zur Arbeit erschienen wäre und seine Darstellung als Schutzbehauptung zu bewerten ist. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen und des Ergebnisses der Anhörung der Parteien ist der von der Beklagten geschilderte Inhalt des Telefongesprächs nicht anbewiesen i.S.v. § 448 ZPO.

b) Unter Berücksichtigung der nicht widerlegten Einlassung des Klägers, nach der ihm von Seiten der Beklagten erklärt worden war, dass er überhaupt nicht mehr zu kommen brauche, erscheint das Fernbleiben des Klägers am 07. Mai 2014 jedenfalls nicht als derart schwerwiegend, dass bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von lediglich zwei Wochen als unzumutbar angesehen werden kann.

Zwar ist der Kläger nach Erhalt der SMS nicht mehr am selben Tag später zur Arbeit erschienen und hat auch keinen Klärungsversuch mehr unternommen. Eine hierin liegende Pflichtverletzung des Klägers erscheint jedoch in einem milderen Licht, wenn der Beklagte ihm kurz zuvor noch gesagt hat, er brauche überhaupt nicht mehr zu kommen. Ab dem 08. Mai 2014 war der Kläger ausweislich der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeitsunfähig erkrankt. Allein die unterbliebene nachträgliche Arbeitsaufnahme am 07. Mai 2014 nach Erhalt der SMS des Beklagten reicht auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Abmahnung vom 02. Mai 2014 in Anbetracht der vorangegangenen Ablehnung der Arbeitsleistung (nach der unwiderlegten Einlassung des Klägers) nach Art und Schwere einer hierin liegenden Pflichtverletzung zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung nicht aus. Vielmehr war es der Beklagten jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen zuzumuten, die ordentliche Kündigungsfrist von lediglich zwei Wochen einzuhalten.

Die hiernach unwirksame außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.Mai 2014, die dem Kläger am 10. Mai 2014 zugegangen ist, kann jedoch - ungeachtet der vorsorglich ausgesprochenen und am 13. Mai 2014 zugegangenen weiteren ordentlichen Kündigung vom 07. Mai 2014 - gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, die das Arbeitsverhältnis der Parteien innerhalb der vereinbarten Probezeit mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von zwei Wochen (§ 622 Abs. 3 BGB) am 24. Mai 2014 beendet hat.

II. Der mit dem Antrag zu 2. geltend gemachte (Differenz)Vergütungsanspruch für den Monat April 2014 besteht nicht.

Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf den vereinbarten Lohn für den Monat April 2014 bereits abgerechnet und bezahlt. Unter Zugrundelegung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit von 40 Stunden ergibt sich für den Monat April 2014 bei 22 Arbeitstagen (20 Arbeitstage und 2 Feiertage) ein Vergütungsanspruch in Höhe von 2.024,00 EUR brutto (22 Arbeitstage x 8 Stunden x 11,50 EUR brutto), der von der Beklagten abgerechnet (gemäß der vorgelegten Abrechnung nebst Korrekturabrechnung, Bl. 39, 40 d. A.) und bezahlt worden ist. Der Kläger hat die sich aus den abgerechneten Bruttobeträgen ergebenden Nettobeträge in Höhe von insgesamt 1.569,96 EUR für den Monat April 2014 unstreitig erhalten (Vorschuss in Höhe von 500,01 EUR und Überweisung des Restlohns in Höhe von 1.069,95 EUR, Bl. 42 d. A.).

Die Beklagte hat unter Vorlage der Abrechnung des mit dem Kläger gemeinsamen eingesetzten Mitarbeiters (Bl. 43 d. A.) bestritten, dass weitergehende vergütungspflichtige Arbeitszeiten für den Monat April 2014 angefallen seien. Der als Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht dargelegt, ob und ggf. an welchen Tagen er zu welchen Uhrzeiten welche (Mehr-)Arbeitszeiten im April 2014 geleistet haben will, die über die von der Beklagten bereits abgerechnete vertragsgemäße Vergütung hinaus einen Anspruch auf Überstundenvergütung für den Monat April 2014 begründen sollen.

III. Der mit dem Antrag zu 3. für die Zeit vom 01. bis 27. Mai 2014 geltend gemachte Differenzvergütungsanspruch ist nur in Höhe von 1.104,00 EUR brutto für die Zeit vom 08. bis 24. Mai 2014 begründet.

Die Beklagte hat die vertragsgemäße Vergütung für die Zeit vom 01. bis 06. Mai 2014 einschließlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den 02. Mai 2014 ausweislich der Abrechnung für den Monat Mai 2014 (Bl. 41 d. A.) abgerechnet und auch bezahlt. Dementsprechend hat der Kläger im Antrag zu 3. selbst den abgerechneten Nettobetrag in Abzug gebracht.

Für Mittwoch, den 07. Mai 2014, kann der Kläger mangels Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung keine Vergütung beanspruchen. Die Beklagte hat dem Kläger für diesen Tag nach dem Telefongespräch vom 06. Mai 2014 unstreitig keinen Urlaub bewilligt. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung am 07. Mai 2014 weder tatsächlich noch wörtlich angeboten (§§ 294, 295 BGB). Im Hinblick darauf, dass der Kläger als Anspruchsteller für die Voraussetzungen eines Annahmeverzugsanspruchs darlegungs- und beweisbelastet ist, geht der nicht feststellbare Verlauf des Telefongesprächs vom 06. Mai 2014 insoweit zu seinen Lasten, als sich nicht feststellen lässt, dass die Beklagte mit der vom Kläger behaupteten Erklärung eine weitere Erbringung der Arbeitsleistung abgelehnt hat.

Für den nachfolgenden Zeitraum vom 08. Mai 2014 bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 24. Mai 2014 hat der Kläger hingegen einen Anspruch auf die vertragsgemäße Vergütung in Höhe von 1.104,00EUR brutto (12 Arbeitstage x 8 Stunden x 11,50 EUR brutto). Ausweislich der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08. Mai 2014 (Bl. 135 d. A.) war der Kläger in der Zeit vom 08. bis 13. Mai 2014 arbeitsunfähig erkrankt, so dass ihm für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 EFZG zusteht. Für die Folgezeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 24. Mai 2014 hat der Kläger aufgrund der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 07. Mai 2014 einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn (§§ 293, 296, 615 Satz 1 BGB).

IV. Der gegen die Beklagte gerichtete Urlaubsabgeltungsanspruch (Klageantrag zu 4.) ist nach dem allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV), der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, ausgeschlossen. Nach § 8 Nr. 6.2 BRTV richtet sich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen die Urlaubskasse, an die die Beklagte die entsprechenden Beiträge geleistet hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.



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