Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 9 Sa 447/12

Entfernung einer Abmahnung - Rechtsschutzbedürfnis - Beweislast; Umsetzung

(1.) Ein anhängiges Kündigungsschuzverfahren berührt das Rechtschutzinteresse für eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung selbst dann nicht, wenn es in Folge der genannten Kündigung zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekommen sein sollte. Auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht für den Arbeitnehmer eine Gefährdungslage, wenn eine unzutreffende Abmahnung in den Personalakten verbleibt.
(2.) Die Beweislast für die Berechtigung einer Abmahnung trägt - entgegen der Auffassung der Vorinstanz sowie anderer Gerichte (z.B. ArbG Ludwigshafen, Urteil vom 12.12.2005
- 8 Ca 2155/05)- nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber. Diese Verteilung der Beweislast folgt zum einem aus der gesetzlichen Wertung in § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG und zum anderen aus §1004 BGB, wonach die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die eine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB begründen, beim Anspruchsgegner liegt.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 05.09.2012, Az.: 4 Ca 636/12, teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, auch die weitere Abmahnung vom 28.02.2012 aus den Personalakten der Klägerin zu entfernen.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer Umsetzungsanordnung sowie um die Berechtigung einer Abmahnung der Beklagten mit Datum vom 28.02.2012.

Die Klägerin ist bei der Beklagten, die ein Fitnesscenter nebst Gastronomiebereich (Bistro) betreibt, beschäftigt. Der zuletzt maßgebliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 04.05.2000 (Bl. 10 ff. d. A.) sieht als Tätigkeit der Klägerin "Fitnessberater und Servicekraft Thekenbereich" vor. Zuständige Teamleiterin für die Klägerin ist Frau K.

Am 28.02.2012 erhielt die Klägerin ein mit "Umsetzung" überschriebenes Schreiben, in dem es heißt:

Aufgrund der Sachverhalte, die Gegenstand der beiden Ihnen ausgehändigten Abmahnungen vom heutigen Tage waren, werden Sie hiermit mit Wirkung vom 01.03.2012 bis auf weiteres im Arbeitsbereich Bistro eingesetzt.
Zu dieser Maßnahme sehen wir uns auch vor dem Hintergrund gezwungen, dass mehrfache Mitarbeitergespräche mit Ihnen und Ihrer Teamleiterin, Frau K., in der Vergangenheit zu keiner Änderung Ihres Verhaltens dieser gegenüber geführt haben.

Unter dem 28.02.2012 erteilte die Beklagte der Klägerin ferner zwei Abmahnungen. Im Berufungsverfahren noch streitig ist die Berechtigung der Abmahnung, die sich auf einen Vorfall vom 21.02.2012 bezieht und auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

Auf Grund eines weiteren Vorfalles vom 21.02.2012 sind wird gehalten, Ihnen eine weitere arbeitsrechtliche Abmahnung auszusprechen.
Am Vormittag des 21.02.2012 erzählte ein der Geschäftsleitung namentlich bekanntes Mitglied Ihrer Vorgesetzten, Frau K., dass Sie gegenüber dem Mitglied die Aussage getätigt haben, Frau K. "würde die Beine breit machen, ohne dass man ihr dafür einen Drink zahlen müsste".
Durch diese Äußerung einem Ditten gegenüber haben Sie erneut gegenüber einer Arbeitskollegin einen Straftatbestand verwirklicht, ...

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 05.09.2012, Az.: 4 Ca 636/12 (Bl. 59 ff. d. A.).

Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse hat das Arbeitsgericht durch das genannte Urteil festgestellt, dass die "Umsetzung" der Beklagten vom 28.02.2012 unwirksam ist. Die auf Entfernung der Abmahnung vom 28.02.2012 wegen des Vorfalls vom 21.02.2012 aus den Personalakten gerichtete Klage der Klägerin hat das Arbeitsgericht abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. (Sitzungsniederschrift vom 05.09.2012, Bl. 55 ff. d. A.). Soweit für das Berufungsverfahren relevant hat das Arbeitsgericht zur Begründung seines Urteils -zusammengefasst- ausgeführt:

Die Umsetzung sei nicht gerechtfertigt, da diese vom Direktionsrecht der Beklagten nicht gedeckt sei. Der Arbeitsvertrag sehe die Beschäftigung der Klägerin als Fitnessberater und Servicekraft Thekenbereich vor. Durch diese arbeitsvertragliche Festlegung sei die Zuweisung einer Tätigkeit im Gastronomiebereich ausgeschlossen. Die Klägerin könne hingegen nicht die Entfernung der Abmahnung vom 28.02.2012 verlangen, da sie nicht habe beweisen können, dass die in dieser enthaltenen Vorwürfe unzutreffend seien, wofür sie aber als anspruchstellende Partei die Beweislast trage.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 24.09.2012 und der Beklagten am 26.09.2012 zugestellt worden. Die Klägerin hat hiergegen mit einem am 27.09.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22.10.2012, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 24.10.2012 begründet. Die Beklagte hat ihrerseits mit einem am 24.10.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 26.11.2012, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr Begehren, die im Tatbestand auszugsweise dargestellte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, weiter. Die Beklagte erstrebt eine Abänderung des angefochtenen Urteils, soweit durch dieses festgestellt wurde, dass die Umsetzung vom 28.02.2012 unwirksam ist.

Zur Begründung ihrer Berufung und in Erwiderung auf die Berufung der Beklagten macht die Klägerin nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 22.10. und 05.12.2012, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 93 ff., Bl. 128 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend:

Hinsichtlich der Entfernung der Abmahnung aus den Personalakten habe das Arbeitsgericht die Beweislastgrundsätze verkannt. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Berechtigung der erhobenen Vorwürfe läge bei der Beklagten. Der vernommene Zeuge habe die behauptete Äußerung nicht bestätigt. Im Übrigen bestünden hinsichtlich dessen Glaubwürdigkeit erhebliche Zweifel. Zu Recht sei das Arbeitsgericht hingegen davon ausgegangen, dass eine Umsetzung in den Gastronomiebereich vom Direktionsrecht in Anbetracht der getroffenen arbeitsvertraglichen Regelungen nicht gedeckt sei.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 05.09.2012, Az.: 4 Ca 636/12 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, auch die weitere Abmahnung vom 28.02.2012 aus den Personalakten zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Ferner beantragt sie,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

In Erwiderung auf die Berufung der Klägerin und zur Begründung ihrer eigenen Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26.11.2012, auf den Bezug genommen wird (Bl. 117 ff. d. A.) im Wesentlichen geltend:

Es könne dahin stehen, ob das Arbeitsgericht von einer zutreffenden Verteilung der Beweislast ausgegangen sei. Der erstinstanzliche Zeuge habe nämlich die Richtigkeit der in der Abmahnung enthaltenen Äußerungen bestätigt. Die von der Klägerin gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen geltend gemachten Gesichtspunkte griffen nicht durch. Der erstinstanzlich vernommene Zeuge habe auch vorgerichtlich bestätigt, dass er zu seinen gemachten Angaben stehe.

Die Umsetzung sei vom Direktionsrecht gedeckt. Bei dem Fitnessstudio und dem Gastronomiebereich handele es sich um einen einheitlichen Betrieb unter einheitlicher Führung. Die Klägerin habe im Gastronomiebereich auch keine grundsätzlich andere Leistung zu erbringen als die, die sie als Servicekraft im Bereich der Sportlertheke des Fitnessstudios erbringen müsse. Mit der Umsetzung seien auch keinerlei anderweitige Umstellungen im Hinblick auf Arbeitszeit, Einkommen, Tätigkeit oder Arbeitswege verbunden. Die sofortige Umsetzung sei aufgrund der Geschehnisse im Thekenbereich und der Tatsache, dass eine weitere Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und ihrer Teamleiterin nicht mehr in Betracht gekommen sei, notwendig gewesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufungen sind zulässig. Das Rechtsmittel der Berufung ist jeweils an sich statthaft. Die Berufungen wurden auch form- und fristgerecht eingelegt und -auch inhaltlich ausreichend- begründet. In der Sache hat nur die Berufung der Klägerin Erfolg.

II. Berufung der Klägerin:

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die im Tatbestand näher dargestellte Abmahnung vom 28.02.2012 aus den Personalakten der Klägerin zu entfernen.

1. Der diesbezüglichen Klage fehlt zunächst nicht das erforderliche Rechtschutzbedürfnis. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass zwischen den Parteien über die von der Beklagten ausgesprochene fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 05.09.2012 ein Kündigungsschutzverfahren erstinstanzlich anhängig ist, berührt dies das Rechtschutzinteresse für die vorliegende Klage selbst dann nicht, wenn es in Folge der genannten Kündigung zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekommen sein sollte. Auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht für den Arbeitnehmer eine Gefährdungslage, wenn eine unzutreffende Abmahnung in den Personalakten verbleibt. Dies gilt etwa im Hinblick auf die eventuelle Erteilung von Auskünften gegenüber Dritten, aber auch im Hinblick auf die Bewertung von Verhalten und Leistung des Arbeitnehmers in einem Zeugnis. Ein Entfernungsanspruch ist daher grundsätzlich auch noch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzuerkennen (BAG 16.11.2010 -9 AZR 573/09- EzA § 241 BGB 2002 Nr. 2; KR-Kündigungsschutz-gesetz/Fischermeier, 10. Aufl., § 626 BGB Rz. 283).

2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts trägt die Beweislast für die Berechtigung der in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber (so auch BAG 26.01.1994 -7 AZR 640/92, Juris; BAG 27.11.1985 -5 AZR 101/84- EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 38; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Aufl., § 132 Rz. 49; Erfurter Kommentar/Müller-Klöge, 13. Aufl., § 626 BGB Rz. 35).

Diese Verteilung der Beweislast folgt zum einem aus der gesetzlichen Wertung in § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG. Soweit der Entfernungsanspruch auf eine entsprechende Anwendung des § 1004 BGB gestützt wird, ist bei einer in einer Abmahnung enthaltenen Äußerung wie im vorliegenden Fall festzuhalten, dass eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers offensichtlich vorliegt, so dass die Frage, ob die in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe berechtigt sind, nicht die erforderliche Rechtsbeeinträchtigung, sondern die Frage der Rechtswidrigkeit der Rechtsbeeinträchtigung betrifft. Im Rahmen eines Anspruchs aus § 1004 BGB trägt aber der Anspruchsgegner die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die eine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB begründen.

3. Unter Berücksichtigung dessen steht der Klägerin ein Anspruch auf Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnung aus den Personalakten nach § 241 Abs. 2 BGB zu. Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis für die Berechtigung des in der Abmahnung erhobenen Vorwurfs nicht erbringen können. Die erstinstanzliche Aussage des vernommenen Zeugen K. hat schon inhaltlich die in der Abmahnung behauptete Äußerung der Klägerin nicht bestätigt. Ausweislich der protokollierten Aussage hat der Zeuge zwar bestätigt, dass eine negative Äußerung der Klägerin über ihre Teamleiterin erfolgt ist. Er konnte sich an den genauen Wortlaut jedoch nicht mehr erinnern und hat die Äußerung dahin gehend geschildert, dass die Teamleiterin der Klägerin "für weniger als was an die Männer rangehen" würde. Diese vom Zeugen wiedergegebene Äußerung ist weitaus weniger gravierend, als die in der Abmahnung behauptete Äußerung der Klägerin, die Teamleiterin "würde die Beine breit machen, ohne dass man ihr dafür einen Drink zahlen müsste". Die Abmahnung ist damit geeignet, ein unzutreffendes, weitaus schwerwiegenderes Bild von einer eventuellen Pflichtverletzung der Klägerin zu zeichnen.

III. Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die vorgenommene Umsetzung nicht vom Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 GewO gedeckt ist. Nach der genannten Norm besteht das Recht des Arbeitgebers, den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen nur insoweit, als diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag festgelegt sind. Dies aber ist vorliegend der Fall. Der zwischen den Parteien zuletzt maßgebliche Arbeitsvertrag vom 04.05.2000 beschreibt die Tätigkeit der Klägerin -soweit vorliegend von Interesse- als "Servicekraft Thekenbereich", ohne der Beklagten das Recht vorzubehalten, der Klägerin auch eine anderweitige Tätigkeit zuzuweisen. Ungeachtet der Tatsache, dass Fitnessbereich mit angegliederter Theke und der Gastronomiebereich der Beklagten Teile eines einheitlichen Betriebs unter einheitlicher Leitung sind, unterscheidet die Beklagte selbst zwischen diesen beiden, räumlich abgegrenzten Bereichen, so dass die Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag durch die in Bezugnahme des Thekenbereichs abschließend den Einsatzort und die von der Klägerin insoweit geschuldete Tätigkeit festlegt.

IV. Auf die Berufung der Klägerin war daher das angefochtene Urteil teilweise -wie aus dem Tenor ersichtlich- abzuändern und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund i. S. d. § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.



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