Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 2 Sa 120/13

Falsches Eintrittsdatum mitgeteilt - unwirksame Kündigung trotz Stilllegung

(1.) Eine Kündigung ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat richtig zu beteiligen (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Zur ordnungsgemäßen Beteiligung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat den aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhalt mitteilen. Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist im Regelfall die Mitteilung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers auch dann unverzichtbar, wenn der Arbeitgeber keine Sozialauswahl vorgenommen hat.

(2.) Enthält eine Mitteilung nach § 102 Abs. BetrVG falsche Angaben zur Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, so liegt ein relevanter Fehler vor, wenn hierdurch die Entscheidung bzw. die Vorgehensweise des Betriebsrats hinsichtlich der beabsichtigten Kündigung beeinflusst werden konnte.

Vorliegend sollte eine Arbeitnehmerin betriebsbedingt gekündigt werden, der nach ihrer Betriebszugehörigkeitsdauer Kündigungsschutz zustand. Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat im Rahmen der notwendigen Anhörung (§ 102 Abs. 1 BetrVG) eine falsche Betriebszugehörigkeitsdauer mit, nach der der Arbeitnehmerin kein Kündigungsschutz zustünde. Nach Ansicht des Gerichts begründet dieser Fehler die Unwirksamkeit der Kündigung mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats. Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass der Betrieb stillgelegt wurde und daher keine Sozialauswahl nach dem Kündigungsschutzgesetz durchgeführt werden musste.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 31. Januar 2013 - 3 Ca 1143/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Die Klägerin war seit 12. Juli 2004 bei der Firma Z. e. K. beschäftigt. Bei der Firma Z. e. K. sind von deren Arbeitnehmern auf der Grundlage eines nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrages vom 7. April 1995 Betriebsräte in den darin festgelegten Betriebsratsbezirken gewählt worden, die Mitglieder in den errichteten Gesamtbetriebsrat nach Maßgabe der Gesamtbetriebsvereinbarung "Mitgliederzahl und Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrates (GBR) sowie die Entsendung der GBR-Mitglieder" vom 21. November 2000 nebst der Ergänzung vom 30. April 2002 entsandt haben. Die Klägerin war dem Betriebsratsbezirk Y.-Stadt zugeordnet, in dem ein Betriebsrat gebildet war.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: XXXXX) wurde über das Vermögen des Z., Inhaber der Firma Z. e. K., das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: 00000) wurde über das Vermögen der zum Z.-Konzern gehörenden Z.x. GmbH ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zum Insolvenzverwalter bestellt.

In der im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Z. abgehaltenen Gläubigerversammlung vom 05. Juni 2012 wurde die vom Beklagten getroffene Entscheidung zur Betriebsstilllegung bestätigt. Der aufgrund der beschlossenen Betriebsstilllegung durchgeführte Abverkauf wurde bei der Firma Z. e. K. am 27. Juni 2012 beendet.

Am 28. Juni 2012 schlossen der Beklagte und der Insolvenzverwalter der Firma Z.x. GmbH mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"Präambel

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28.03.2012 wurde über die Vermögen der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH die Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer A. und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zu Insolvenzverwaltern bestellt.

Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 28.03.2012 sind als Anlage 1 Bestandteil dieses Interessenausgleichs.

§ 1 Geltungsbereich

Räumlicher Geltungsbereich

Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer der Firmen Z. e. K. und Z.x. GmbH.

 (...)

§ 2 Informationen

Dem GBR beziehungsweise dessen Vertretern wurden Informationen über die wirtschaftliche Situation der Z. e. K. gegeben. Insbesondere erhielt der GBR Vermögensübersichten sowie Listen derjenigen Filialen beziehungsweise Betriebe (Stand 25.06.2012), für die eventuell Interessenten vorhanden sind. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z. e. K. durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 30.06.2012 hinaus nicht möglich ist.

Der Insolvenzverwalter hat die Stilllegung der Firma Z.x. GmbH, vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses, zum 31.07.2012 beschlossen. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z.x. GmbH durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 31.07.2012 hinaus nicht möglich ist.

Die Insolvenzverwalter werden auch nach Abschluss des Interessenausgleiches den GBR beziehungsweise dessen Vertreter über den jeweils aktuellen Stand der Interessenten, mindestens 14-tägig (erstmals zum 11.07.2012) unterrichten.

§ 3 Regelungsgegenstand / Betriebsänderung

(unternehmerische Entscheidung)

Die unternehmerischen Entscheidungen, die aufgrund der oben genannten Informationen, getroffen wurden, sind:

Der Geschäftsbetrieb der Z.y wird zum 30.06.2012 eingestellt. Ab dem 01.07.2012 erfolgt die Abwicklung.

Der Geschäftsbetrieb der Firma Z.x. GmbH wird vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses zum 31.07.2012 eingestellt. Ab dem 01.08.2012 erfolgt die Abwicklung.

In einer Vereinbarung vom selben Tag wird ergänzend festgehalten, wie die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben im Rahmen der Insolvenz gewährleistet werden.

(...)

§ 8 Schlussbestimmungen

Abschluss der Verhandlungen

Der Gesamtbetriebsrat bestätigt, dass er im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich ordnungsgemäß informiert wurde und ihm auch die dazu gehörigen Unterlagen übergeben wurden.

Der Gesamtbetriebsrat hat die Entscheidung der Insolvenzverwalter mit größtem Bedauern und Unverständnis entgegengenommen.

Die Interessenausgleichsverhandlungen sind damit abgeschlossen.

Massenentlassungsklausel / Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats zu § 17 KSchG

Dieser Interessenausgleich ersetzt zugleich die Stellungnahme des GBR zur Anzeige der Massenentlassung gemäß § 17 KSchG.

Ebenso ersetzt diese Vereinbarung die Anhörung des GBR zur Kündigung von Arbeitnehmern gemäß BErzGG, MuSchG sowie SGB IX.

Der GBR wird im Rahmen des § 17 KSchG keine weitere Stellungnahme mehr abgeben, insbesondere auch nicht nach § 20 KSchG.

Integrale Bestandteile des Interessenausgleichs

Die Präambel und sämtliche im Text aufgeführten in Bezug genommenen Anlagen sind Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung.

Freistellung

Der Interessenausgleich gilt zugleich als Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats zur Freistellung gekündigter Arbeitnehmer. Eine separate Anhörung zur Freistellung ist somit nicht durchzuführen.

Einsichtnahme und Veröffentlichung

Der Interessenausgleich kann beim BR eingesehen werden. Die Insolvenzverwalter versuchen, den Interessenausgleich über das Gläubigerinformationssystem den Mitarbeitern ebenfalls zugänglich zu machen. Er wird ohne Anlagen auf der Internetseite der Insolvenzverwalter veröffentlicht.

§ 9

Der Insolvenzverwalter ist bemüht, soweit Filialen durch anderweitige Firmen übernommen werden, auch wenn dies nicht im Rahmen des § 613 a BGB erfolgt, die Erwerber zu veranlassen, Mitarbeiter mitzuübernehmen.

Soweit Mitarbeiter Filialen in Eigenregie übernehmen wollen, wird der Insolvenzverwalter, soweit dies möglich ist, die Mitarbeiter hierbei unterstützen (z. B. bei Übernahme Mietverträge etc.).

Soweit sich für einzelne Filialen oder Lagerstandorte neue Übernahmeangebote ergeben sollten, wird der Insolvenzverwalter den GBR, auch wenn die Kündigungen bereits ausgesprochen sind hierüber informieren.

Die Insolvenzverwalter haben der Gewerkschaft T. zugesagt, dass mit diesen unverzüglich auf Grundlage des beigefügten Entwurfes ein Transfertarifvertrag verhandelt und abgeschlossen wird, sofern dessen Finanzierung darstellbar ist.

§ 10 Salvatorische Klausel

Sollten einzelne Punkte dieser Vereinbarung aufgrund eines Verstoßes gegen Gesetz oder Tarifvertrag unwirksam sein, so werden die Vertragsparteien die unwirksame Regelung durch eine Regelung ersetzen, die dem Gewollten am Nächsten kommt.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen ist und diese Vereinbarung den Rechtscharakter einer Betriebsvereinbarung mit konkreten Ansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer hat.

Sollte die Rechtauffassung der Beteiligten unrichtig sein, dass der Gesamtbetriebsrat in einer Vereinbarung den Interessenausgleich für beide Betriebe / Unternehmen (x. und y.) regeln kann, so besteht das Einvernehmen, dass diese Vereinbarung auch getrennt für x. und y. gelten soll und in diesem Fall zwei Vereinbarungen zusammengefasst in einem Schriftstück wirken sollen.

(...)"

Am 29. Juni 2012 erstattete der Beklagte gegenüber den Agenturen für Arbeit in R.-Stadt und Q.-Stadt jeweils eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, auf die Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 02. Juli 2012 wurde der Betriebsrat Y.-Stadt vom Beklagten zu den beabsichtigten Kündigungen der in der beigefügten "Kündigungsliste" aufgeführten Mitarbeiterinnen, darunter die Klägerin, angehört. In der dem Anhörungsschreiben anliegenden "Kündigungsliste" ist bei der Klägerin als "Eintritt" der "28.03.2012" und unter "Kdgs-frist" der "31.08.2012" angegeben.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, das am 23. Juli 2012 zur Post gegeben wurde und der Klägerin am 24. Juli 2012 zuging, kündigte der Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 31. August 2012.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht Trier am 14. August 2012 eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die Kündigung sei trotz der zunächst getroffenen Entscheidung zur vollständigen Betriebsstilllegung unwirksam, weil nicht alle Verkaufsstellen tatsächlich geschlossen würden, sondern für eine ihr nicht bekannte Anzahl Übernahme- bzw. Weiterführungsangebote etwa von den Firmen O. oder N. gemacht worden seien. Gegen die endgültige Betriebsstilllegung spreche § 9 des Interessenausgleichs vom 28. Juni 2012, wonach der Beklagte auch weiterhin bemüht sei, die Übernahme von Filialen durch andere Firmen zu unterstützen. Die Kündigung sei nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen des dem Betriebsrat falsch mitgeteilten Eintrittsdatums und der dementsprechend unzutreffend angegebenen Kündigungsfrist unwirksam.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 12. Juli 2012 nicht zum 31. August 2012 aufgelöst wird, sondern fortbesteht,

den Beklagten hilfsweise zu verurteilen, an sie eine Abfindung in Höhe von 2.571,50 EUR zu zahlen,

den Beklagten hilfsweise zu verurteilen, ihr ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, welches der Gesamtnote "gut" entspricht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat erwidert, die Kündigung sei aufgrund der vollständigen Stilllegung des Betriebes der Firma Z. e. K. aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. § 9 des Interessenausgleichs vom 28. Juni 2012 widerspreche dem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung nicht, weil darin lediglich geregelt sei, dass er den Gesamtbetriebsrat über etwaige neue Übernahmeangebote informieren werde. Die von der Klägerin angeführte Übernahme von Filialen durch O. oder N. sei unsubstantiiert. Nach dem Stilllegungsbeschluss seien auch keine neuen Z.-Märkte entstanden. Die Betriebsratsanhörung sei nach dem Grundsatz der subjektiven Determination trotz des unrichtigen Eintrittsdatums ordnungsgemäß erfolgt.

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 31. Januar 2013 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG unwirksam sei. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH um zwei eigenständige Unternehmen innerhalb eines Konzernes handele, habe kein Gesamtbetriebsrat gebildet werden dürfen. Der nach dem Vortrag des Beklagten gleichwohl unternehmensübergreifend gebildete "Gesamtbetriebsrat" sei rechtlich nicht existent, so dass der Beklagte im Rahmen von § 17 KSchG den örtlichen Betriebsrat hätte beteiligen müssen, was er nicht getan habe.

Gegen das ihm am 25. Februar 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. März 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. April 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Er trägt vor, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei kein unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat gebildet worden, weil bei der Firma Z.x. GmbH - unstreitig - keine Betriebsräte gewählt worden seien. Mit dem nur bei der Firma Z. e. K. errichteten Gesamtbetriebsrat habe das zuständige Gremium im Rahmen des geschlossenen Interessenausgleiches vom 28. Juni 2012 die nach § 17 KSchG erforderliche Stellungnahme ordnungsgemäß abgegeben.

Der Beklagte beantragt,

das am 31. Januar 2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier - 3 Ca 1143/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, der neue Sachvortrag des Beklagten hinsichtlich der Errichtung des Gesamtbetriebsrates sei in der Berufungsinstanz wegen Verstoßes gegen die Prozessförderungspflicht ausgeschlossen. Auch unter Zugrundelegung des neuen Sachvortrags in der Berufungsinstanz ändere sich nichts am rechtlichen Ergebnis. Der bei der Firma Z. e.K. gebildete Gesamtbetriebsrat habe im Interessenausgleich nicht als unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat für beide Unternehmen agieren können, so dass er aufgrund der fehlenden Zuständigkeit für beide Unternehmen auch keine wirksame Stellungnahme gemäß § 17 KSchG zur Massenentlassungsanzeige beider Unternehmen habe abgeben können. Insoweit sei der letzte Absatz des § 10 des Interessenausgleichs unbeachtlich. Weiterhin sei die Anhörung des Betriebsrats nicht wirksam erfolgt, weil dem Betriebsrat - unstreitig - als ihr Eintrittsdatum der "28.03.2012" und folglich eine Kündigungsfrist zum 31. August 2012 mitgeteilt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung des Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Kündigung vom 12. Juli 2012 ist mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

I. Auch wenn die Amtszeit des Betriebsrats wegen einer Betriebsstilllegung endet, bleibt der Betriebsrat gemäß § 21 b BetrVG so lange im Amt, wie das zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht erforderlich ist. Daraus folgt, dass der Betriebsrat vor jedem Kündigungsausspruch nach § 102 Abs. 1 BetrVG auch nach erfolgter Betriebsstilllegung zu hören ist (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 917/06 - Rn. 49, NZA-RR 2008, 367). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, NZA-RR 2010, 583) ist eine Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat. Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat den aus seiner Sicht maßgeblichen Sachverhalt mitteilen. Diesen Kündigungssachverhalt muss der Arbeitgeber unter Angabe von Tatsachen so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Entsprechend dem Zweck des § 102 Abs. 1 BetrVG, dem Betriebsrat ein Bild von der beabsichtigten Kündigung zu vermitteln, ist bei einer betriebsbedingten Kündigung im Regelfall die Mitteilung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers auch dann unverzichtbar, wenn der Arbeitgeber keine Sozialauswahl vorgenommen hat (BAG 18. Oktober 2006 - 2 AZR 676/05 - Rn. 36, NZA 2007, 798).

II. Nach diesen Grundsätzen ist die Kündigung vom 12. Juli 2012 wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

Der Beklagte hat mit seinem Anhörungsschreiben vom 02. Juli 2012 in der beigefügten "Kündigungsliste" dem Betriebsrat fehlerhaft als Eintrittsdatum der Klägerin den "28. März 2012" mitgeteilt, obwohl ihm unstreitig bekannt war, dass die Klägerin bereits seit dem 12. Juli 2004 bei der Firma Z. e. K. beschäftigt war. Im Falle einer Betriebszugehörigkeit der Klägerin seit dem "28. März 2012" gemäß der fehlerhaften Angabe des Beklagten hätte die Klägerin im Kündigungszeitpunkt keinen Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG und eine kürzere Kündigungsfrist mit einem entsprechend früheren Kündigungstermin (31. August 2012 anstatt richtigerweise 31. Oktober 2012) gehabt. Dem Betriebsrat wurde damit die Betriebszugehörigkeit der Klägerin sowohl objektiv als auch aus Sicht des Beklagten, dem die Betriebszugehörigkeit der Klägerin seit dem 12. Juli 2004 unstreitig bekannt war, derart fehlerhaft mitgeteilt, dass hierdurch die Entscheidung bzw. die Vorgehensweise des Betriebsrats hinsichtlich der nach dem Anhörungsschreiben beabsichtigten Kündigung beeinflusst werden konnte (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz 15. November 2006 - 10 Sa 390/06 - Rn. 39, LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 6). Nach dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG soll die Anhörung dem Betriebsrat die Möglichkeit eröffnen, in sachgerechter Weise Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung zu erheben (§ 102 Abs. 2 S. 1 und 3 BetrVG) und im Falle einer ordentlichen Kündigung Widerspruch (§ 102 Abs. 3 BetrVG) einzulegen (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 17, NZA-RR 2010, 583). Aufgrund der vom Beklagten fehlerhaft mitgeteilten Betriebszugehörigkeit der Klägerin, die sich sowohl auf die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes als auch auf die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin auswirkt, wurde der Betriebsrat nicht in die Lage versetzt, sich in sachgerechter Weise zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern. Mithin ist die Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.



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