Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Beschluss vom - Az: 9 TaBV 1/12

Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat; Videoüberwachung

Die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat im Vorfeld einer Betriebsvereinbarung ist erst dann erforderlich, wenn die Regelungvorstellungen und -ziele zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festgelegt wurden. Erst dann kann es erforderlich sein, diese durch einen Sachverständigen rechtlich überprüfen zu lassen.
(Redaktionelle Orientierungssatz)

Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.12.2011, Az.: 10 BV 45/11, abgeändert und der Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

I.  Antragsteller ist der im Betrieb in C-Stadt der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin (im Folgenden: Arbeitgeberin) gewählte Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat). Die Arbeitgeberin betreibt u. a. am Standort C-Stadt eine öffentliche Spielbank. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Betriebsrat das Einverständnis zu der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständigen zu erteilen.

Die Arbeitgeberin beabsichtigt, in ihrem Betrieb in C-Stadt eine opto-elektronische Überwachungsanlage (Videoüberwachungsanlage), die bereits installiert ist, in Betrieb zu nehmen. Sie hat die Auffassung vertreten, im Hinblick auf die Regelungen der Landesverordnung über den Spielbetrieb in öffentlichen Spielbanken, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 07.10.2010 (im Folgenden: Spielordnung) bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Anwendung des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG bzw. aufgrund der bestehenden Sachzwänge nicht. Durch Beschluss der Beschwerdekammer vom 15.06.2012, Az.:9 TaBV 10/12, wurde die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den vorangegangenen Beschluss des Arbeitsgerichts, durch welchen der Arbeitgeberin aufgegeben worden ist es zu unterlassen, eine optisch-elektronische Einrichtung zur Raumüberwachung (Videoüberwachung) in den Räumen des Betriebs in C-Stadt in Betrieb zu nehmen, bevor hierüber eine Einigung der Betriebspartner oder ein Spruch einer Einigungsstelle zustande gekommen ist, zurückgewiesen. Eine entsprechende Anordnung erfolgte zuvor bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 19.08.2011 - 9 TaBVGa 1/11).

Mit Schreiben vom 31.03.2011 übermittelte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat den Entwurf einer Betriebsvereinbarung mit der Bitte um Prüfung und Mitteilung, ob diese angenommen wird, bis zum 8. April 2011 (Bl. 17 ff. d. A.). Unter dem 6. Mai 2011 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat hinsichtlich der Videoraumüberwachung die wesentlichen Vorstellungen des Betriebsrats im Hinblick auf die Inhalte der aus Sicht des Betriebsrats noch notwendigen Betriebsvereinbarung zu skizzieren. Mit Schreiben des Betriebsrats vom 9. Mai 2011 (Bl. 22 d. A.) teilte dieser mit, dass er der Bitte der Arbeitgeberin gerne nachkommen möchte, hierzu aber nach wie vor die sachverständige Unterstützung eines Rechtsanwalts benötige. Dies lehnte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 24. Mai 2011 ab und führte u. a. aus:

"Um den Standort derzeit nicht mit unnötigen Kosten zu belasten, würde ich vorschlagen, dass Sie mir zunächst stichpunktmäßig übermitteln, welche Regelungsinhalte für Sie wichtig sind, die über den bereits vorliegenden Entwurf der Betriebsvereinbarung hinausgehen.

Diesseits wird vorausgesetzt, dass die Regelungsinhalte von Ihnen auch benannt werden können, ohne sachverständige Unterstützung eines Rechtsanwaltes.

Wir werden dann den Entwurf für eine entsprechende Betriebsvereinbarung ergänzen und Ihnen zur Prüfung übersenden. Für diese Prüfung würde dann gegebenenfalls auch eine Kostenübernahme erfolgen."

In seiner Sitzung vom 28. Juni 2011 fasste der Betriebsrat folgenden Beschluss (Protokoll Bl. 28 f. d. A.):

"Es wird ein Gerichtsverfahren mit dem Ziel eingeleitet, es der Arbeitgeberin aufzugeben, die Zustimmung dafür zu erteilen, dass der Betriebsrat gegen angemessene Vergütung RA D. als Sachverständigen zur Beratung bei der Erarbeitung einer Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung im erforderlichen Umfang hinzuzieht.

Als angemessene Vergütung wird ein Stundensatz von 190,-- € zuzüglich Mehrwertsteuer angesehen. Als erforderlicher Umfang wird jedenfalls ein Zeitaufwand zwischen 10 und bis zu 20 Stunden angesehen."

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachstandes wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.12.2011, Az.: 10 BV 45/11 (Bl. 123 ff. d. A.).

Durch den genannten Beschluss hat das Arbeitsgericht der Arbeitgeberin aufgegeben, gegenüber dem Betriebsrat die Zustimmung zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu seiner Beratung bei der Erarbeitung einer Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung gegen angemessene Vergütung von 190,-- €/Stunde im erforderlichen Umfang zwischen 10 und 20 Stunden zu erteilen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt: Die Hinzuziehung eines rechtlichen Sachverständigen sei erforderlich, da der Betriebsrat bei den Verhandlungen zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung u. a. wegen § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu beachten habe und hierbei eine mit Rechtsfragen verbundene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen sei. Ferner müsse beurteilt werden, in wieweit angesichts der Regelungen in der Spielordnung Grenzen des Mitbestimmungsrechts bestünden. Die Angemessenheit der vom Betriebsrat in Anschlag gebrachten Vergütung und des Umfangs der Sachverständigentätigkeit sei nicht Gegenstand des Streits der Beteiligten. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für eine derartige Unangemessenheit.

Der genannte Beschluss ist der Arbeitgeberin am 16.12.2011 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 16.01.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16.02.2012, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 143 ff. d. A.), macht die Arbeitgeberin zur Begründung ihrer Beschwerde im Wesentlichen geltend:

Die Hinzuziehung eines Sachverständigen sei nicht erforderlich. Zu berücksichtigen sei, dass sie dem Betriebsrat durchgängig angeboten habe, mit diesem Gespräche über Inhalt einer dann noch zu schließenden Betriebsvereinbarung zu führen. Auf ihre Bitte mitzuteilen, welche Regelungsinhalte für den Betriebsrat von besonderer Bedeutung seien, sei dieser nicht eingegangen. Der Standort C-Stadt könne aufgrund geringer Gästezahl nicht kostendeckend betrieben werden, so dass dem Betriebsrat eine besondere Verantwortung dafür obliege, mit Sachmitteln des Arbeitgebers wirtschaftlich umzugehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der dort anwaltlich vertretene Betriebsrat in den gerichtlichen Verfahren gerichtet auf Unterlassung der Inbetriebnahme der Videoanlage rechtliche Kenntnisse erworben habe. Wenn der Betriebsrat seine Vorstellungen kundgetan hätte, hätte ein modifizierter Entwurf vorgelegt und durch diese Vorarbeit sichergestellt werden können, dass die erforderlich werdenden weiteren Kosten wirtschaftlich sinnvoll begrenzt würden. Auch der in Ansatz gebrachte Beratungsbedarf sei nicht nachvollziehbar dargelegt.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.12.2011, Az.: 10 BV 45/11 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat tritt der Beschwerde mit seinem Schriftsatz vom 22.03.2012, auf den Bezug genommen wird (Bl. 168 ff. d. a.), entgegen und macht im Wesentlichen geltend:

Die Hinzuziehung eines rechtlichen Sachverständigen sei erforderlich, da es im Gegensatz zu den vorangegangenen gerichtlichen Verfahren nicht um das "ob", sondern nunmehr um das "wie" der Mitbestimmung gehe. Damit aber seien erhebliche rechtliche Fragestellungen verbunden, so neben der sich aktuell deutlich entwickelnden arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur Videoüberwachung die Besonderheit, dass es sich hier um eine Videoüberwachung in einem jedenfalls auch öffentlich zugänglichen Bereich handele. Dies werfe Rechtsfragen zu den jeweiligen Rechtsgrundlagen nach dem BDSG im Verhältnis zur Spielordnung auf. Ebenfalls sei rechtlich zu klären, ob und ggf. wie der Schutzbereich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Schutzzweck im Hinblick auf die Gäste der Spielbank rechtlich abgegrenzt werden könne. Mangels einer hinreichenden Regelung des Beschäftigtendatenschutzes seien auch europarechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. Ebenso müsse beurteilt werden, in wieweit die Landesverwaltung der Arbeitgeberin in zulässiger Weise Vorgaben gemacht habe.

Der in Ansatz gebrachte Stundensatz von 190,-- € bewege sich im unteren Bereich des marktüblichen. Ein Ansatz von 10 bis 20 Stunde sei angesichts der Komplexität der rechtlichen Fragestellungen eher konservativ.

II. 

1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

2. Der Antrag des Betriebsrats ist nicht bereits mangels ordnungsgemäßer Beschlussfassung über die Verfahrenseinleitung und die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats unzulässig.

Die Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und die Beauftragung des für ihn auftretenden Rechtsanwalts bedarf eines Beschlusses des Betriebsrats. Ist eine Beschlussfassung zunächst unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der Betriebsrat in dem Beschlussverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten. Der für den Betriebsrat gestellte Antrag ist als unzulässig abzuweisen (BAG 16.11.2005 -7 ABR 12/05- EzA § 80 BetrVG 2001 Nr. 4)

Der Betriebsrat hat vorliegend ausweislich des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 28.06.2011 (Bl. 28 f. d.A.) einen entsprechenden Beschluss gefasst. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Beschluss rechtsunwirksam sein könnte, bestehen nicht und werden auch mit der Beschwerde nicht geltend gemacht.

3. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen kommt gegenwärtig nicht in Betracht. Nach § 80 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben - nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber - einen Sachverständigen hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Eine Erforderlichkeit liegt nicht vor.

a) Nach Maßgabe des gefassten Beschlusses vom 28.06.2011 soll der vom Betriebsrat benannte Sachverständige den Betriebsrat bei der Erarbeitung des Entwurfs einer Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung beraten. Unstreitig handelt es sich bei der Videoüberwachungsanlage, die die Arbeitgeberin in den Betriebsräumen der Spielbank bereits installiert hat und deren Beibehalt sie beabsichtigt, um eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, so dass der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört.

b) Das Mitbestimmungsrecht ist auch nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen. Ein Mitbestimmungsrecht entfällt nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur, soweit die tarifliche oder gesetzliche Regelung die Angelegenheit selbst abschließend regelt, so dass keine weitere Regelungsmöglichkeit besteht. Nur dann ist der durch die notwendige Mitbestimmung angestrebte Schutz substantiell bereits durch die tarifliche oder gesetzliche Regelung selbst verwirklicht worden. Einseitige Bestimmungsrechte des Arbeitgebers bestehen dann nicht mehr, so dass zusätzliche betriebliche Regelungen nicht erforderlich sind. Soweit hingegen ungeachtet der gesetzlichen oder tariflichen Regelung noch ein Regelungsspielraum verbleibt, besteht insoweit auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (vgl. nur BAG - GS 02.12.1991 - GF 2/90 - EZA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 30).

§ 4 a der Spielordnung belässt derartige Regelungsspielräume. Dies gilt zunächst etwa für die Frage der Auswahl der technischen Ausrüstung der Videoüberwachungsanlage und welche technischen Möglichkeiten der Anlage unter Berücksichtigung der zwingenden Vorgaben des § 4 a Spielordnung genutzt werden sollen. Wenn die Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren darauf hinweist, dass die zu installierende Anlage in das Gesamtsystem eingebunden werden soll, impliziert dies eine Einbindung in ein Netzwerk mit den damit ggf. technisch möglichen Fernzugriffmöglichkeiten. Dies ist von § 4 a Spielordnung nicht gefordert. Auch der von § 4 a Abs. 4 Satz 2 Spielordnung geforderte Schutz vor Zugriffen auf die Daten durch Unbefugte ist nicht abschließend geregelt. Dieser Schutz lässt sich durch verschiedene Maßnahmen bzw. auch deren Kombination sicherstellen, ohne dass die Spielordnung die Maßnahmen selbst vorgibt. Gleiches gilt für die in § 4 a Abs. 4 Satz 3 Spielordnung normierte Dokumentationspflicht.

Wie diese Beispiele - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zeigen, bestehen damit ungeachtet der teils zwingenden Regelungen des § 4 a Spielordnung jedenfalls Regelungsspielräume, deren Ausfüllung in Bezug auf die jeweils betroffene konkrete Spielbank durch die Spielordnung nicht vorgegeben ist. Damit und in diesem Rahmen besteht damit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

c) Die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts obliegt auch dem antragstellenden Betriebsrat und nicht dem Gesamtbetriebsrat. Eine Übertragung der Angelegenheit auf den Gesamtbetriebsrat i. S. v. § 50 Abs. 2 BetrVG liegt nicht vor. Eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG scheidet aus. Es handelt sich um keine Angelegenheit, die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Ein nicht - regeln - können durch die einzelnen Betriebsräte liegt dabei vor, wenn der einzelne Betriebsrat objektiv oder subjektiv außer Stande ist, das Mitbestimmungsrecht auszuüben, aber auch dann, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder jedenfalls betriebsübergreifende Regelung besteht. Ein zwingendes Erfordernis folgt allerdings nicht bereits aus der Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Regelung oder allein aus dem Koordinationsinteresse des Arbeitgebers. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Betriebsrat vorliegend objektiv oder subjektiv außer Stande wäre, dass Mitbestimmungsrecht auszuüben, bestehen nicht. Es fehlt aber auch an Anhaltspunkten dafür, dass ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder jedenfalls betriebsübergreifende Regelung besteht. Die Arbeitgeberin behauptet insoweit - allerdings ohne nähere Mitteilung von Tatsachen, dass eine Kompatibilität der Systeme im Gesamten gegeben sein müsse, um eine ordnungsgemäße Kontrolle nach den Vorgaben der Spielordnung zu gewährleisten. Eine dementsprechende Vorgabe, beim Betrieb mehrerer Spielbanken ein einheitliches Überwachungssystem einzusetzen, enthält die Spielordnung nicht. Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, bereits aus wirtschaftlichen Gründen sei die Einführung eines identischen Systems an den kleineren Standorten notwendig, handelt es sich insoweit um eine Zweckmäßigkeitserwägung, die eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht zu begründen vermag. Sofern eine Regelung durch die Einigungsstelle herbeigeführt wird, hat die Einigungsstelle diesem wirtschaftlichen Belang ggf. im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu berücksichtigen.

d) Der vom Betriebsrat benannte Rechtsanwalt soll auch als Sachverständiger im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG tätig werden.

Bei einem vom Betriebsrat vorgeschlagenen Rechtsanwalt handelt es sich um eine Person, die als Sachverständiger iSd. § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG tätig werden kann. Als Sachverständiger im Sinne dieser Vorschrift kommen Personen in Betracht, die dem Betriebsrat fehlende Fachkenntnisse zur Beantwortung konkreter, aktueller Fragen vermitteln, damit er die ihm obliegende betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe im Einzelfall sachgerecht erfüllen kann (BAG 19.4.1989 - 7 ABR 87/87 - EzA § 80 BetrVG 1972 Nr. 35). Das gilt auch dann, wenn der Sachverständige dem Betriebsrat seine Sachkunde nicht neutral, sondern an den Interessen des Betriebsrats ausgerichtet zur Verfügung stellen soll (BAG 26. 2.1992 - 7 ABR 51/90 -EzA § 80 BetrVG 1972 Nr. 40).

e) Die Hinzuziehung eines juristischen Sachverständigen ist im Streitfall aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht erforderlich.

Setzt wie im Streitfall die Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabe spezielle Rechtskenntnisse voraus, kann auch ein Rechtsanwalt zur Vermittlung dieser Kenntnisse als Sachverständiger für den Betriebsrat tätig werden (BAG 25.4.1978 - 6 ABR 9/75 - EzA § 80 BetrVG 1972 Nr. 15).

Es kann zugunsten des Betriebsrats zwar unterstellt werden, dass er die aufgrund der durch die Spielordnung angeordnete Videoüberwachung sich ergebenden rechtlichen Fragestellungen aufgrund eigener Kenntnisse nicht vollständig erfassen kann. Dies allein rechtfertigt aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht die Hinziehung eines Sachverständigen. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen ist auch dann noch nicht erforderlich im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG, wenn es dem Betriebsrat möglich und zumutbar ist, sich weiteres Wissen anzueignen und hierdurch der Gutachtenauftrag gegenüber dem vom Betriebsrat zuletzt gestellten Antrag begrenzt werden kann (BAG 16.11.2005 -7 ABR 12/05-, aaO.).

Die fehlenden juristischen Vorkenntnisse schließen es jedenfalls nicht von vornherein aus, dass die Betriebsratsmitglieder in der Lage sind, sich weiteres Wissen anzueignen, durch das der Gutachtenauftrag gegenüber dem vom Betriebsrat zuletzt gestellten Antrag zumindest begrenzt werden kann.

Vorliegend beabsichtigt der Betriebsrat, einen eigenen Entwurf einer Betriebsvereinbarung zu erarbeiten. Die Arbeitgeberin hat ihrerseits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie den von ihr vorgelegten Entwurf nicht als endgültig betrachtet, sondern den Betriebsrat gebeten, stichpunktartig mitzuteilen, welche Regelungsinhalte nach Ansicht des Betriebsrats noch von Bedeutung sind. Sie hat angekündigt, den Entwurf der Betriebsvereinbarung zu ergänzen und dem Betriebsrat ggfs. eine Kostenübernahme für die Überprüfung eines solchen, überarbeiteten Entwurfs zu erteilen. Durch ein solches Procedere kann der Gutachtenauftrag gegenüber dem vom Betriebsrat zuletzt gestellten Antrag begrenzt werden, da sich erst dann feststellen lässt, welche Regelungsvorstellungen die Arbeitgeberin entwickelt, inwieweit diese von den Vorstellungen des Betriebsrats abweichen oder diese aus seiner Sicht nicht ausreichend umsetzen. Damit wird dann auch der Kreis ggfs. dann noch zu klärender rechtlicher Fragestellungen abgesteckt und eingegrenzt.

Für die Erarbeitung eigener Reglungsvorschläge bedarf es aber noch keiner Hinzuziehung eines Sachverständigen, sondern nur der Erarbeitung von Regelungsvorschlägen bzw. von Regelungszielen, die für den Betriebsrat von Bedeutung sind. Sofern der Betriebsrat aufgrund aktuell fehlender Kenntnisse die typischerweise im Zusammenhang mit einer Videoüberwachung auftretenden Regelungsbereiche nicht kennt, stehen hierfür andere, kostengünstigere Informationsmöglichkeiten zur Verfügung, etwa in Form des Besuchs entsprechender Schulungen oder der Lektüre von Fachliteratur. Es existieren auch zahlreiche, frei auch über das Internet zugängliche Musterbetriebsvereinbarungen, anhand derer zumindest ermittelbar ist, welche Fragestellungen zum Schutz der Rechte der betroffenen Arbeitnehmer einer Regelung zugeführt werden sollten. Der Betriebsrat hat vorliegend nicht dargelegt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er ihm zugängliche Fachliteratur ausgewertet oder sich um den Besuch entsprechender Schulungsveranstaltungen bemüht hat. Die Arbeitgeberin hat ferner auf die Möglichkeit verwiesen, Kontakt mit den bei ihr beschäftigten Datenschutzbeauftragten aufzunehmen. Hierauf ist der Betriebsrat nicht eingegangen. Der Betriebsrat ist aber gehalten, die vom Arbeitgeber angebotenen Möglichkeiten zur Unterrichtung durch Fachkräfte des Betriebs oder Unternehmens zu nutzen (BAG -7 ABR 51/90 -EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 40).

Dem Betriebsrat ist es auch nicht unzumutbar, diese vorrangigen Möglichkeiten zu nutzen. Die Arbeitgeberin ist nach Maßgabe des Beschlusses des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.1.2012, Az. 12 BV 44/11, nach Zurückweisung der hiergegen gerichteten Beschwerde durch die Beschwerdekammer mit Beschluss vom heutigen Tag (9 TaBV 10/12) gehalten es zu unterlassen, die Videoüberwachung in Betrieb zu nehmen. Sofern die Arbeitgeberin ihrerseits ein Einigungsstellenverfahren einleitet, kommt die Hinzuziehung anwaltlicher Vertretung unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG in Betracht.

4. Auf die Beschwerde war daher der angefochtene Beschluss wie geschehen abzuändern und der Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung der §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.



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