Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 5 Sa 420/18

Kein Schadensersatzanspruch wegen Nichtberücksichtigung eines Bewerbers

(1.) Verlangt ein Bewerber, der sich um ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst bewirbt, Schadensersatz aufgrund seiner Nichtberücksichtigung im Bewerberauswahlverfahren, so besteht dieser Anspruch nur dann, wenn der Bewerber sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit versucht hat, den Schaden im Wege des Primärrechtsschutzes abzuwenden.

(2.) Es soll gerade nicht erlaubt sein, den Schaden entstehen oder gar größer werden zu lassen, um ihn schließlich, gewissermaßen als Lohn für eigene Untätigkeit, dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in Rechnung zu stellen.
(Redaktionelle Orientierungssätze)

Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags in der Zeit vom 09.03.2015 bis zum 08.03.2017 beschäftigt. Zwischen den Parteien wurde u.a. vereinbart, dass sich das befristete Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der C. (TV-BA) in der jeweils gültigen Fassung richtet. Anfang 2017 gab die Beklagte zwei Stellenausschreibungen bekannt, die sich ausdrücklich nur an Arbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsvertrag oder Beamte richtete. Nachdem der Kläger für beide Stellen nicht berücksichtigt worden war, verlangte dieser Schadensersatzanspruch mit dem Inhalt, ihn finanziell so zu stellen, als wäre ihm eine der ausgeschriebenen Stellen übertragen worden. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass aufgrund seiner befristeten Beschäftigung eine unzulässige Benachteiligung vorliege und er somit schlechter behandelt werde, als unbefristet Beschäftigte oder Nichtbeschäftigte. Die Klage des Klägers blieb in den Instanzen erfolglos. Der Anspruch auf Schadensersatz scheitere bereits daran, dass der Kläger schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels im Wege des Primärrechtsschutzes abzuwenden. Es gelte insoweit der Grundsatz, dass der Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz hat. Der Kläger könne sich im vorliegenden Rechtsstreit nicht darauf berufen, die Beklagte habe ihn ausschließlich wegen seiner befristeten Beschäftigung diskriminiert und ihn dementsprechend nicht in den Auswahlverfahren miteinbezogen. Zwischen dem Zugang der Absagen bis zur Besetzung der Stellen mit den Mitbewerberinnen habe der Kläger ausreichend Zeit gehabt, um seinen Bewerbungsverfahrensanspruch im Wege des Eilrechtsschutzes zu sichern – so das LAG.
(Redaktionelle Zusammenfassung)

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 1. August 2018, Az. 1 Ca 441/18, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen Nichtberücksichtigung des Klägers bei zwei Stellenausschreibungen.

Der 1961 geborene Kläger war bei der beklagten C. aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags in der Zeit vom 09.03.2015 bis zum 08.03.2017 beschäftigt. Er wurde als Arbeitsvermittler mit Beratungsaufgaben in der Agentur für Arbeit in F. eingesetzt. Auf das befristete Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der C. (TV-BA) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger wurde zuletzt nach Tätigkeitsebene 4 Entwicklungsstufe 2 TV-BA vergütet; seine Bruttovergütung belief sich auf € 3.502,47 monatlich. Unter dem Datum vom 08.03.2017 erteilte die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, die Beurteilung lautet abschließend: "Er hat die ihm übertragenen Aufgaben zu meiner vollen Zufriedenheit erledigt."

Die Beklagte schrieb Anfang des Jahres 2017 zwei Stellen aus: Eine Stelle für einen Arbeitsvermittler mit Beratungsaufgaben in der Agentur für Arbeit in L. und eine Stelle für einen Sachbearbeiter Leistungsgewährung im Bereich SGB II in der Agentur für Arbeit in M.. Beide Ausschreibungen richteten sich ausdrücklich nur an Dauerkräfte, dh. an Arbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsvertrag oder Beamte. Der Kläger bewarb sich am 10.02.2017 und am 16.02.2017 gleichwohl auf die Stellen. Mit zwei Schreiben vom 14.02.2017 und vom 08.03.2017 teilte die Beklagte dem Kläger für beide Stellen gleichlautend mit, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne, weil er die formalen Voraussetzungen nicht erfülle. Die Ausschreibung richte sich ausschließlich an Dauerkräfte. Die Beklagte besetzte die zwei Stellen jeweils mit Wirkung ab 01.05.2017 mit zwei internen Bewerberinnen; die Zusage erteilte sie ihnen am 26.04.2017.

Der Kläger bewarb sich bis Juni 2017 bei der Beklagten erfolglos auf weitere Stellen. Er war vom 09.03.2017 bis zum 28.02.2018 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld iHv. monatlich € 1.376,10. Seit März 2018 hat der Kläger eine neue Arbeitsstelle, sein Monatsgehalt beim neuen Arbeitgeber beträgt € 2.588,62 brutto.

Mit zwei Schreiben vom 27.06.2017 wandte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Beklagte und forderte sie auf, dem Kläger eine der ausgeschriebenen Stellen zu übertragen. Für den Fall einer bereits erfolgten Stellenbesetzung verlangte er vollständige Auskunft zum Bewerbungsverfahren. Die Beklagte antwortete ihm mit Schreiben vom 04.07.2017 und teilte mit, dass sie beide Stellen aus personalwirtschaftlichen Gründen nur für unbefristet Beschäftigte ausgeschrieben habe. Im Übrigen habe sie beide Stellen inzwischen besetzt. Ferner bot sie dem Kläger an, ihm nach Terminvereinbarung jeweils vor Ort Akteneinsicht zu gewähren. Davon machte der Kläger keinen Gebrauch.

Mit seiner am 20.03.2018 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Schadensersatz. Er verlangt die Differenz zwischen einem monatlichen Betrag von € 3.687,31 und dem bezogenen Arbeitslosengeld für die Zeit vom 09.03.2017 bis zum 28.02.2018 sowie für die Zeit vom 01.03.2018 bis zum 31.07.2018 die Entgeltdifferenz zum Arbeitsverdienst beim neuen Arbeitgeber. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass ihm die Beklagte künftige Schäden ersetzen muss.

Der Kläger ist der Ansicht, in seiner Nichtberücksichtigung bei den Stellenausschreibungen aufgrund seiner befristeten Beschäftigung liege eine unzulässige Benachteiligung, insbesondere ein Verstoß gegen §§ 4 Abs. 2 und 5 TzBfG sowie die Richtlinie 1999/70/EG. Eine Akteneinsicht sei ihm nicht zumutbar gewesen. Aus der Nichtgewährung der geforderten Informationen zum Bewerbungsverfahren folge das Indiz, dass er der bestgeeignete Bewerber gewesen sei. Tatsächlich sei dies auch der Fall gewesen, was sich ua. aus dem erteilten Zeugnis ergebe. Ihm sei nicht zumutbar gewesen, während noch laufender Bewerbungsverfahren gegen die Beklagte im Wege einer einstweiligen Verfügung vorzugehen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 32.631,53 nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, weitere zukünftige Schäden zu zahlen, die ihm aufgrund der Nichteinstellung auf den von der Agentur für Arbeit M. ausgeschriebenen Stellen entstehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 01.08.2018 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit dem vorbezeichneten Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger könne keinen Schadensersatz beanspruchen, weil er es unterlassen habe, zumutbaren Primärrechtsschutz zur Abwendung des Schadens in Anspruch zu nehmen. Es gelte der Grundsatz, dass der Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz habe (vgl. BAG 12.12.2017 - 9 AZR 152/17). Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 01.08.2018 Bezug genommen.

Gegen das am 16.11.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 14.12.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18.02.2019 verlängerten Frist mit einem am 18.02.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er macht geltend, die Beklagte habe seine Bewerbungen ausschließlich wegen seiner befristeten Beschäftigung von vornherein nicht berücksichtigt. Dies stelle eine Diskriminierung dar, weil er wegen seiner befristeten Beschäftigung schlechter behandelt worden sei als unbefristet Beschäftigte oder Nichtbeschäftigte. Das Arbeitsgericht habe dies nicht geprüft, aber offenbar unterstellt. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 12.12.2017 - 9 AZR 152/17) sei auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar. Ihm könne das Recht auf Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht abgeschnitten werden, weil die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung beim Auswahlverfahren rechtswidrig gewesen sei. Er sei nicht verpflichtet gewesen, Primärrechtsschutz in Form einer einstweiligen Verfügung geltend zu machen. Der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB stehe seinen Ansprüchen nicht entgegen. Die Vorschrift gelte für Amtspflichtverletzungen soweit ein hoheitliches Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes gegeben sei. Im Streitfall könne ein hoheitliches Handeln der Beklagten nicht angenommen werden, so dass § 839 Abs. 3 BGB keine Anwendung finde. Die Beklagte habe einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag abschließen wollen; dies sei nicht dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen. Auch für eine analoge Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB sei kein Raum, da die Grundsätze des Arbeitsrechts Anwendung fänden. Er habe außergerichtlich seine Ansprüche auf Schadenersatz geltend gemacht, so dass auch nicht von einem "dulde und liquidiere" ausgegangen werden könne. Im Übrigen sei ihm nicht zumutbar gewesen, eine einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats seit der jeweiligen Absage zu beantragen. Er habe bei seinen weiteren Bewerbungen gute Aussichten gehabt, bei der Besetzung einer anderen Stelle berücksichtigt zu werden. Bei lebensnaher Betrachtung hätten seine Chancen auf Erlangung einer Arbeitsstelle gegen Null tendiert, wenn er sich zu einem derart frühen Zeitpunkt entschlossen hätte, einen Rechtsstreit anzustoßen. Gerade im Hinblick auf den Rechtsgedanken der Schadensminderung sei es geboten gewesen, zuzuwarten, ob ihm die Beklagte nicht doch noch eine andere Stelle als die streitgegenständlichen anbieten werde. Der geltend gemachte Schaden sei auch kausal. Die Beklagte habe keine belegte Auskunft über die Stellebesetzungsverfahren, insbesondere durch Vorlage von Protokollen, sowie keine belegte Auskunft, über die Qualifikation der Mitbewerber erteilt. Dies indiziere seine Diskriminierung.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 01.08.2018, Az. 1 Ca 441/18, abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 32.631,53 nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, weitere zukünftige Schäden zu zahlen, die ihm aufgrund der Nichteinstellung auf den von der Agentur für Arbeit M. ausgeschriebenen Stellen entstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht nicht stattgegeben. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz.

1. Die Klageanträge zu 1) und 2) sind zulässig. Mit dem Antrag zu 1) macht der Kläger bezifferte Zahlungsansprüche in Höhe der von ihm errechneten Entgeltdifferenz zwischen dem angenommenen Monatsgehalt, dass er bei der Beklagten bezogen hätte, für die Zeit vom 09.03.2017 bis 28.02.2018 zum Arbeitslosengeld und für die Zeit vom 01.03.2018 bis 31.07.2018 zum Arbeitsentgelt beim neuen Arbeitgeber in einer Gesamthöhe von € 32.631,53 geltend. Mit dem Klageantrag zu 2) erhebt er Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden. Begehrt eine Partei die Feststellung einer Schadensersatzpflicht liegt ein Feststellungsinteresse vor, wenn zukünftige Schäden möglich sind. Dies gilt auch, wenn ihre Art, ihr Umfang und ihr Eintritt noch ungewiss sind. Allerdings muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen. Dafür genügt die nicht entfernt liegende Möglichkeit einer künftigen Verwirklichung der Ersatzpflicht (vgl. BAG 26.01.2017 - 8 AZR 848/13 - Rn. 95 mwN). Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger geht offensichtlich davon aus, dass es ihm in Zukunft nicht mehr gelingen wird, einen Arbeitsplatz mit einer Vergütung zu finden, die dem Tarifentgelt nach Tätigkeitsebene 4 TV-BA entspricht.

2. Die Klageanträge sind unbegründet. Dem Kläger steht wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen auf die zwei Stellen kein Schadensersatzanspruch mit dem Inhalt zu, ihn finanziell so zu stellen, als wäre ihm eine der ausgeschriebenen Stellen mit Wirkung zum 09.03.2017 übertragen worden. Die Berufungskammer folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Die Berufungsangriffe des Klägers bleiben erfolglos.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass ein Schadensersatzanspruch bereits daran scheitert, dass es der Kläger in vorwerfbarer Weise unterlassen hat, die Nichtberücksichtigung seiner zwei Bewerbungen vom 10.02.2017 und vom 16.02.2017 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzugreifen. Der Kläger kann sich deshalb im vorliegenden Rechtsstreit nicht darauf berufen, die Beklagte habe ihn wegen seiner befristeten Beschäftigung diskriminiert und schuldhaft nicht in die Bewerberauswahl einbezogen.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz hat. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben soll nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat. Es soll nicht erlaubt sein, den Schaden entstehen oder größer werden zu lassen, um ihn schließlich, gewissermaßen als Lohn für eigene Untätigkeit, dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in Rechnung zu stellen. § 839 Abs. 3 BGB ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht gilt (MüKoBGB/Papier/Shirvani 7. Aufl. BGB § 839 Rn. 329 f). Dieser Grundsatz gilt entgegen der Ansicht der Berufung auch für Schadensersatzansprüche von Bewerbern, die sich - wie der Kläger - um ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst bewerben. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits für den Fall entschieden, dass ein nicht berücksichtigte Bewerber Schadensersatz wegen Abbruchs des Auswahlverfahrens verlangt. Er muss zuvor die Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht haben, wenn ihm dies zumutbar und möglich war (vgl. ausführlich BAG 12.12.2017 - 9 AZR 152/17). Diese Rechtsprechung kann uneingeschränkt auf den vorliegenden Fall übertragen werden (vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg 01.11.2018 - 21 Sa 1643/17 - Rn. 79).

Entgegen der Ansicht der Berufung ist im Streitfall nicht zu prüfen, ob die Nichtberücksichtigung der zwei Bewerbungen des (damals) befristet beschäftigten Klägers vom 10.02.2017 und 16.02.2017 rechtswidrig war, weil die Beklagte den Bewerberkreis nicht auf Dauerkräfte, dh. auf Arbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsvertrag oder Beamte, hätte beschränken dürften. Zwischen dem Zugang der Absagen vom 14.02.2017 und vom 08.03.2017 bis zur Besetzung der Stellen mit den Mitbewerberinnen am 01.05.2017 hatte der Kläger ausreichend Zeit, um seinen Bewerbungsverfahrensanspruch im Wege des Eilrechtsschutzes zu sichern. Dadurch hätte er den nunmehr behaupteten Schaden abwenden können. Ein Wahlrecht des Bewerbers zwischen alsbaldigem Primärrechtsschutz gegen eine seiner Auffassung nach rechtswidrige, seinen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzende Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers einerseits und einem späteren Schadensersatzbegehren andererseits besteht nicht.

Nachdem der Kläger mit zwei Schreiben vom 14.02.2017 und vom 08.03.2017 über die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen mit der Begründung informiert worden war, die Stellenausschreibungen richteten sich nur an Arbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsvertrag, hätte er umgehend rechtliche Schritte einleiten müssen. Die beiden Mitteilungen der Beklagten versetzten ihn in die Lage, darüber befinden zu können, ob er wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen aufgrund seiner befristeten Beschäftigung und eines von ihm angenommenen Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 2 und 5 TzBfG und die unionsrechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 1999/70/EG gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Der Kläger hatte hinreichend Zeit einstweiligen Rechtsschutz zu ergreifen, denn beide Stellen sind erst am 01.05.2017 besetzt worden. Die Anwaltsschreiben vom 27.06.2017, mit denen der Kläger erstmals Anspruch auf die zwei Stellen geltend gemacht und "vollständige Auskunft" zum Bewerbungsverfahren verlangt hat, waren erheblich verspätet. Seit Zugang der Absagen waren über drei Monate verstrichen.

Entgegen der Ansicht der Berufung war es dem Kläger nicht unzumutbar, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, weil er meint, er hätte sich damit seine Erfolgsaussichten bei weiteren Bewerbungen verdorben. Die Beklagte ist als öffentliche Arbeitgeber an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Die Bestimmung begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien (vgl. BAG 12.10.2010 - 9 AZR 554/09 - Rn. 33 mwN). Die Beklagte darf einen Bewerber nicht deshalb benachteiligen, weil er seine ihm vermeintlich zustehenden Rechte gerichtlich geltend macht. Dies ergibt sich auch aus dem in § 612a BGB geregelten Benachteiligungsverbot. Auch das Argument der Berufung, es sei zur "Schadensminderung" geboten gewesen, binnen Monatsfrist nach den zwei Absagen keinen vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen, sondern zuzuwarten, ob die Beklagte dem Kläger nicht doch noch eine andere Stelle anbieten werden, verfängt nicht. Der Kläger hat durch sein Vorgehen, den Schaden nicht gemindert, sondern es in vorwerfbarer Weise unterlassen, seinen vermeintlichen Anspruch durch Inanspruchnahme von gerichtlichem Primärrechtsschutz durchzusetzen.

Die Berufungskammer muss im Streitfall nicht entscheiden, ob der Kläger unter den Kandidaten, die sich auf die zwei Stellen beworben haben, nach den in Art. 33 Abs. 2 genannten Kriterien der bestqualifizierte Bewerber war. Für eine Reduktion des der Beklagten zustehenden Auswahlermessens spricht jedenfalls nicht, dass das Arbeitszeugnis mit Datum vom 08.03.2018 die Beurteilung enthält, dass der Kläger die ihm übertragenen Aufgaben "zu meiner vollen Zufriedenheit" erledigt habe. Das ist ersichtlich keine Spitzenbeurteilung. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger meint, die Beklagte hätte die Stellen mit ihm besetzen müssen, weil sie ihm keine "belegten Auskünfte" über das Stellenbesetzungsverfahren erteilt habe. Die Auskunftsbegehren des Klägers vom 27.06.2017 waren erheblich verspätet. Gleichwohl wurde ihm angeboten, die Akten nach Vereinbarung eines Termins vor Ort einzusehen. Davon hat er unstreitig keinen Gebrauch gemacht. Weshalb ihm diese nicht zumutbar gewesen sein soll, erschließt sich nicht.

III.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.



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