Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 8 Sa 260/13

Keine Führungsposition mehr - Versetzung unwirksam

(1.) Eine Versetzung ist unwirksam, wenn sie nicht den vertraglichen Vereinbarungen entpricht. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist dementsprechend beschränkt.

(2.) Ist ein Arbeitnehmer in führender Position, d.h. mit Personalverantwortung (hier: für 4 Mitarbeiter), tätig, so ist eine Versetzung unwirksam, wenn der betreffende Arbeitnehmer nach der Versetzung keine Personalverantwortung mehr tragen würde und auch keine Kompensation dessen erfolgt.
Als Maßstab gelten in jedem Fall die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Demgegenüber kommt einer Betriebsvereinbarung, die die beiden Tätigkeiten hinsichtlich der Vergütung als gleichwertig einstuft, nur eine geringe Aussagekraft zu.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 2.5.2013 - 8 Ca 258/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben der Beklagten vom 1.2.2013 vorgenommene Herausnahme des Klägers aus der Funktion Gruppenleiter "Application Europe" und Übertragung einer Tätigkeit als Projektleiter "Pilot Plant" unwirksam ist.

Im Übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

Die Beklagte hat ¾ und der Kläger ¼ der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Der Kläger ist seit dem 01.04.1989 bei der Beklagten als Chemiker beschäftigt. Die näheren Modalitäten des Arbeitsverhältnisses bestimmen sich nach dem Inhalt eines Arbeitsvertrages vom 10.01.1990, der u. a. folgende Bestimmungen enthält:

"A. Dienstzeit und Tätigkeit

Ab 01.04.1989 gehören Sie unseren Unternehmen an und sind tätig als

Chemiker

.......

D. Sonstige Vereinbarungen und Hinweise

1. Übertragung anderer Tätigkeiten

Wir behalten uns vor, Ihnen in unserem oder in einem anderen in- oder ausländischen Unternehmen der  B-Gruppe eine andere - Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten sowie Ihrer beruflichen Stellung entsprechende - Tätigkeit zu übertragen.

In diesem Fall werden wir rechtzeitig vorher ein Gespräch mit Ihnen führen und Ihre persönlichen und familiären Belange soweit wie möglich berücksichtigen

......."

Seit 1998 war der Kläger "Head of Application", seit 2004 Leiter eines Getränkelabors der Beklagten in  L, wo - außer dem Kläger - durchschnittlich vier Personen arbeiten. Dem Kläger oblag diesbezüglich die fachliche Führung. Ab 2007 erhielt der Kläger die Funktion als Gruppenleiter "Applications Head Europe". Er führte die jährlichen Mitarbeitergespräche und hatte ein Vorschlagsrecht in Bezug auf die Höhe der Jahresprämie. Anfang 2011 erweiterten sich die Zuständigkeiten des Klägers durch die Übernahme der Leitung weiterer Labore der Beklagten in  I. In Bezug auf die dortigen 13 Mitarbeiter stand dem Kläger ebenfalls die fachliche Führung zu, die beiden dort beschäftigten Teamleiter berichteten direkt an den Kläger, der die Mitarbeiter - und Zielvereinbarungsgespräche führte. Die für die seinerzeitige Position des Klägers maßgebliche Planstellenbeschreibung "Gruppenleiter Anwendungstechnik" nennt unter der Rubrik "Erfahrung" ausdrücklich das Erfordernis "Führungserfahrung".

Mit Schreiben vom 01.02.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er mit sofortiger Wirkung auf die Position eines Projektleiters "Pilot Plant" unter Beibehaltung seiner bisherigen (außertariflichen) Vergütung versetzt werde. In der für diese Stelle maßgeblichen Planstellenbeschreibung "Pilot Plant Project Leader" wird das Erfordernis einer Führungserfahrung nicht genannt.

Mit seiner am 06.02.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit dieser Versetzungsmaßnahme geltend gemacht.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 02.05.2013 (Bl. 190 bis 194 d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

es wird festgestellt, dass die mit Schreiben der Beklagten vom 01.02.2013 vorgenommene Herausnahme des Klägers aus der Funktion Gruppenleiter „Application Europe“ und die Übertragung einer Tätigkeit als Projektleiter „Pilot Plant“ mit Wirkung ab 01.02.2013 unwirksam ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 01.02.2013 hinaus als Gruppenleiter „Application Europe“ bzw. in einer adäquaten Gruppenleiterfunktion zu den bisherigen Arbeitsbedingungen   weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 02.05.2013 insgesamt stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 194 bis 198 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 12.06.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.06.2013 Berufung eingelegt und diese am 12.08.2013 begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sie bei der streitgegenständlichen Versetzung die Grenzen des Direktionsrechts nicht überschritten. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel gewähre dem Kläger lediglich einen Anspruch auf eine gleichwertige, nicht hingegen auf eine gleichartige Tätigkeit. Die Bezugnahme auf Kenntnisse, Fähigkeiten sowie berufliche Stellung drücke gerade nicht den Willen der Arbeitsvertragsparteien zu einer Einschränkung des Direktionsrechts aus. Vielmehr gebe die Regelung deklaratorisch die ohnehin bestehende Verpflichtung wieder, das arbeitgeberseitige Weisungsrecht nur im Rahmen billigen Ermessens sowie unter Berücksichtigung der klägerischen Qualifikation sowie seines Karrierestatus auszuüben. Eine Konkretisierung auf eine bestimmte Art der Tätigkeit (fachlich, organisatorisch, mit oder ohne Personalverantwortung) habe nicht stattgefunden, vielmehr lediglich eine Beschränkung auf eine bestimmte Wertigkeit der Tätigkeit. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung den Begriff der Gleichwertigkeit einseitig auf durch die vom Kläger wahrgenommenen Führungsaufgaben verengt. Ob die Arbeiten gleichwertig seien, könne nur festgestellt werden, indem die geschuldeten Tätigkeiten insgesamt inhaltlich miteinander verglichen würden. Entscheidend sei daher ein Gesamtvergleich aller Tätigkeiten bzw. der Stellen. Ein einheitlicher Bewertungsmaßstab ergebe sich diesbezüglich aus der Betriebsvereinbarung " B Job Grades". Insoweit habe sie - die Beklagte - bereits erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass sowohl die bisherige als auch die neu übernommene Stelle des Klägers mit dem Job Grade 6.1 bewertet seien. Auch in seiner früheren Position habe der Kläger lediglich in sehr begrenztem Umfang eine Vorgesetztenfunktion ausgeübt. Hinsichtlich der ihm im Getränkelabor  L unterstellten Arbeitnehmer habe sich die Arbeitgeberfunktion des Klägers darauf beschränkt, diesen fachliche Weisungen zu erteilen und sie im Rahmen eines jährlichen Beurteilungsgesprächs in fachlicher Hinsicht zu bewerten sowie anschließend einen Vorschlag für Gehaltsanpassungen zu unterbreiten. Hinsichtlich der Arbeitnehmer in  I habe der Kläger stets lediglich fachliche Führungsaufgaben wahrgenommen. Auch in seiner neuen Position werde der Kläger perspektivisch Mitarbeiter führen, d. h. es würden zukünftig 5 bis 6 Personen dauerhaft in dem Projekt arbeiten, die dem Kläger fachlich untergeordnet seien. Der Kläger manage ein Projektteam, welchem 9 Arbeitnehmer angehörten. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger im Rahmen seiner neuen Tätigkeit ein deutlich höheres Budget zu verantworten habe. In seiner alten Stellung habe er ein Budget von ca. 2,3 Millionen Euro pro Jahr verantwortet. In seiner neuen Position seien es ca. 2 Millionen Euro Projektplanungskosten. Die Baukosten für die vom Kläger zu planende Pilotanlage, sollte diese gebaut werden, beliefen sich auf ca. 15 bis 20 Millionen Euro, die Betriebskosten der Anlage nach Abschluss der Planungs- und Bauphase ca. 2,5 Millionen Euro jährlich. Bei der Position "Pilot Plant Project Leader" handele es sich um eine äußerst verantwortungsvolle und komplexe Aufgabe in einem strategisch wichtigen Feld und mit entsprechender Sichtbarkeit über den Unternehmensbereich hinaus mit großem Einfluss auf das künftige Geschäft. In der Pilotanlage sollten - als Vorstufe zur industriellen Großproduktion - Produktmuster im mittleren Maßstab entsprechend der jeweiligen Kundenwünsche entwickelt und formuliert werden. Parallel dazu sei ein Abrechnungssystem zur Nutzung der Anlage zu entwickeln und zu etablieren.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 12.08.2013 (Bl.     238 bis 257 d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.11.2013 (Bl. 308 bis 321 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 04.09.2013 (Bl. 268 bis 287 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Letztlich wird ergänzend auf die Sitzungsniederschrift vom 04.12.2013 (Bl. 322 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch nur zum Teil Erfolg. Das Arbeitsgericht hat in seiner Entscheidung sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzungsmaßnahme festgestellt. Der auf tatsächliche Beschäftigung gerichtete Klageantrag zu 2. erweist sich hingegen als unzulässig.

II.  1. Die zulässige Feststellungsklage ist begründet. Die streitgegenständliche Versetzung des Klägers von der Position "Gruppenleiter Application Europe" auf die Position Projektleiter "Pilot Plant" ist unwirksam. Die betreffende Maßnahme ist nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt.

Der Umfang des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts beurteilt sich nach § 106 Satz 1 GewO. Nach dieser Bestimmung kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Der Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit einer Versetzung beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Zulässigkeits-voraussetzungen für die Versetzung. Dazu gehört nicht nur, dass er darlegt und ggf. beweist, dass eine Entscheidung billigem Ermessen entspricht, sondern auch, dass die Versetzung im Rahmen der gesetzlichen, arbeitsvertraglichen und kollektiv-rechtlichen Grenzen erfolgt ist (BAG v. 13.03.2007 - 9 AZR 433/06 - AP Nr. 26 zu § 307 BGB).

Arbeitsvertraglich haben die Parteien keine verbindliche Festlegung dahingehend getroffen, dass der Kläger ausschließlich - wie zuletzt vor seiner Versetzung - als Gruppenleiter Application Europe zu beschäftigen ist. Im Arbeitsvertrag ist die Tätigkeit des Klägers vielmehr lediglich als diejenige eines Chemikers bezeichnet, wobei sich die Beklagte unter D. 1. des Arbeitsvertrages vorbehalten hat, dem Kläger innerhalb der Unternehmensgruppe eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie seiner beruflichen Stellung entsprechende Tätigkeiten zu übertragen. Eine solche Klausel ist weder gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, noch benachteiligt sie den Kläger i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen; sie verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (BAG v. 13.03.2007 - 9 AZR 433/06 - a. a. O.).

Eine solche arbeitsvertragliche Bestimmung rechtfertigt indessen nicht die Zuweisung von Tätigkeiten, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht gleichwertig sind. Die Klausel "Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten sowie Ihrer beruflichen Stellung entsprechende Tätigkeit" stellt nicht zuletzt auch auf den bisherigen beruflichen Werdegang, d. h. auf den Karrierestatus des Klägers ab. Die Übertragung einer anderen, neuen Position im Unternehmen entspricht nicht nur dann nicht den vertraglich vereinbarten Merkmalen (Kenntnisse, Fähigkeiten, berufliche Stellung) des Arbeitnehmers, wenn sie ihn gemessen an diesen überfordert, sondern auch dann, wenn die Anforderungen der neu übertragenen Position hinter der Vorbildung, den Fähigkeiten des Arbeitnehmers und dessen beruflichen Werdegang zurückbleiben, ihn also unterfordern und daher mit der bisherigen Position nicht gleichwertig sind. Die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit in diesem Sinne bestimmt sich dabei nicht nur nach dem unmittelbaren Tätigkeitsinhalt selbst, sondern auch nach den betrieblichen Rahmenbedingungen, unter denen die Tätigkeit ausgeübt werden soll. Zu diesen Rahmenbedingungen zählt insbesondere die Einordnung der Stelle in die Betriebshierarchie ebenso wie z. B. die Frage, ob, und wenn ja, in welchem Umfang die Tätigkeit mit Vorgesetztenfunktionen gegenüber anderen Mitarbeitern verbunden ist. Nicht zuletzt durch diese Rahmenbedingungen wird maßgeblich das soziale Ansehen beeinflusst, das mit der Ausübung einer bestimmten vertraglichen Tätigkeit verbunden ist (LAG Köln v. 22.12.2004 - 7 Sa 839/04 -, zitiert nach juris).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die dem Kläger übertragene Tätigkeit als Projektleiter nicht gleichwertig ist mit seiner vorherigen Tätigkeit als Gruppenleiter.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich eine Gleichwertigkeit der beiden Positionen nicht bereits daraus, dass - nach ihrer Behauptung - sowohl die vorherige als auch die neue Stelle des Klägers nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung " B Job Grades" mit dem Job Grade 6.1 bewertet sind. Zwar sollen nach dieser Betriebsvereinbarung (Bl. 258 bis 262 d. A.) bei einer Stellenbewertung insgesamt 8 Kriterien (Fachkompetenz, Managementkompetenz, Sozialkompetenz, Denkrahmen, Komplexität, Entscheidungsverantwortung, Personalkostenverantwortung, Grad der Verantwortung) herangezogen werden. Die betreffende Betriebsvereinbarung verfolgt jedoch erkennbar in erster Linie das Ziel der Schaffung einer Vergütungsordnung für außertarifliche Mitarbeiter. Hinsichtlich des mit einer bestimmten Position verbundenen sozialen Ansehens, welches sich keineswegs ausschließlich aus der Höhe der Arbeitsvergütung herleiten lässt, kommt einem solchen Stellenbewertungssystem jedoch nur sehr eingeschränkte Aussagekraft zu. Es fehlt insoweit jedoch bereits an einem Sachvortrag der Beklagten, aus dem sich ergeben könnte, auf welchen konkreten Bewertungsmerkmalen und deren Gewichtung sowohl die alte als auch die neue Position des Klägers dem Job Grade 6.1 entsprechen. Das Vorbringen der Beklagten lässt diesbezüglich jegliche Subsumtion der Tätigkeiten unter die Bewertungsmerkmale der Betriebsvereinbarung vermissen. Aus der bloßen Behauptung der Beklagten, beide Stellen unterfielen dem Job Grade 6.1 lässt sich somit letztlich nichts für eine Gleichwertigkeit der Positionen herleiten.

Die Ungleichwertigkeit der dem Kläger im Wege der streitbefangenen Versetzung übertragenen Position im Verhältnis zu seiner früheren Position als Gruppenleiter ergibt sich maßgeblich - worauf das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung zutreffend abgestellt hat - aus dem Wegfall der vom Kläger zuvor innegehabten Vorgesetztenfunktionen. Dem Kläger waren als Gruppenleiter unstreitig nicht nur 4 Mitarbeiter im Getränkelabor  L unterstellt, denen er fachliche Weisungen zu erteilen hatte und die er im Rahmen von Beurteilungsgesprächen in fachlicher Hinsicht bewertete und für die er anschließend Vorschläge bezüglich Gehaltsanpassungen bzw. der Höhe der Jahresprämie unterbreitete. Ihm oblag überdies die fachliche Führung der 13 im Labor der Beklagten in  I beschäftigten Arbeitnehmer, wobei ihm auch die beiden dort tätigen Teamleiter unterstellt waren, mit denen er Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgespräche führte. Demgegenüber soll seine neue Funktion als Projektleiter "Pilot Plant" nach Behauptung der Beklagten lediglich perspektivisch, d. h. irgendwann zukünftig, mit Personalverantwortung ausgestattet werden. Soweit die Beklagte behauptet, dem vom Kläger gemanagten Projektteam gehörten 9 Arbeitnehmer an, so ist weder vorgetragen noch ersichtlich, ob und in welchem Umfang der Kläger insoweit eine fachliche Führungsverantwortung übertragen ist. Der Kläger hat das Bestehen einer solchen Führungsverantwortung in der Berufungsverhandlung vom 04.12.2013 ausdrücklich in Abrede gestellt.

Die Ungleichwertigkeit der beiden Positionen bezüglich des Erfordernisses einer Führungs- bzw. Personalverantwortung ergibt sich auch aus den maßgeblichen Planstellenbeschreibungen. Während in der Planstellenbeschreibung "Gruppenleiter Anwendungstechnik" als Hauptaufgaben u. a. das "Führen der anwendungstechnischen Labors und der Anwendungsspezialisten sowie die Verantwortung für die Weiterentwicklung des Teams" genannt ist und das Erfordernis der "Führungserfahrung" explizit aufgeführt wird, findet sich in der Planstellenbeschreibung "Pilot Plant Project Leader" kein Anhaltspunkt, dass diese Stelle mit einer irgendwie gearteten Vorgesetztenfunktion verbunden ist. Überdies hatte die Beklagte (bereits erstinstanzlich) die streitbefangene Versetzung mit Mängeln in der Personalführung des Klägers begründet und damit selbst zum Ausdruck gebracht, dass ihm zukünftig eine solche gerade nicht mehr übertragen werden soll. Bestätigt wird dies durch den Inhalt der an den Kläger gerichteten E-Mail vom 11.12.2012 (Bl. 171 d. A.), in welcher seitens der Beklagten bestätigt wurde, dass der Kläger "in der neuen Organisation nicht als Führungskraft" eingesetzt werde.

Der Wegfall der Personalverantwortung bzw. der Vorgesetztenfunktionen des Klägers wird auch nicht durch eine höhere Budgetverantwortung kompensiert. Dies gilt gerade dann, wenn man insoweit den Sachvortrag der Beklagten zugrunde legt. Danach hatte der Kläger in seiner alten Stellung ein Budget von ca. 750.000,00 Euro direkt sowie ein weiteres Budget von ca. 1,6 Millionen Euro indirekt zu verantworten. Demgegenüber haben die Parteien in der Berufungsverhandlung vom 04.12.2013 übereinstimmend erklärt. dass sich die exakte Höhe des dem Kläger zur Verfügung stehenden Projektbudgets in seiner neuen Position derzeit noch überhaupt nicht absehen lasse. Diesbezüglich steht nach Behauptung der Beklagten lediglich fest, dass die Baukosten der vom Kläger zu konzipierenden Anlage, falls diese gebaut wird, ca. 15 bis 20 Millionen Euro betragen und dass sich das Planungsbudget auf insgesamt ca. 2 Millionen Euro belaufe; letztlich betragen die Betriebskosten der Anlage im Falle ihrer Inbetriebnahme ca. 2,5 Millionen Euro jährlich. Es handelt sich daher, abgesehen von dem auf die ganze Planungsphase bezogenen Planungsbudget ausschließlich um solche Kosten, die dann entstehen können, wenn das betreffende Projekt tatsächlich realisiert wird. Eine derzeit bestehende Kostenverantwortung des Klägers ist insoweit nicht ersichtlich.

Insgesamt ergibt sich somit, dass die dem Kläger im Wege der streitbefangenen Versetzungsmaßnahme übertragenen Position als "Projektleiter Pilot Plant" nicht als gleichwertig angesehen werden kann mit der von ihm zuvor innegehabten Position eines "Gruppenleiters Application Europe". Die betreffende Tätigkeit eines Projektleiters entspricht im Hinblick auf den Wegfall der Vorgesetztenfunktionen bzw. der Personalverantwortung des Klägers sowie in Ermangelung einer Kompensation dieses Wegfalls nicht den unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdegangs bzw. seines Karrierestatus zu beurteilenden Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne der unter D. 1. des Arbeitsvertrages getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, die den Umfang des Direktionsrechts der Beklagten festlegt.

2. Der auf tatsächliche Beschäftigung gerichtete Klageantrag zu 2. ist unzulässig. Er genügt nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein. Die klagende Partei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen. Der Streit der Parteien darf nicht in die Vollstreckung verlagert werden. Diese Anforderung ist auch erfüllt, wenn der Antrag durch Auslegung, insbesondere unter Heranziehung der Klageschrift und des sonstigen Vorbringens des Klägers, hinreichend bestimmt ist (BAG v. 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 - AP Nr. 8 zu  § 81 SGB IX, m. w. N.).

Diesen Anforderungen wird der Klageantrag zu 2. nicht gerecht.

Der Antrag lässt - auch unter Heranziehung der Klageschrift und des sonstigen Vorbringens des Klägers - nicht erkennen, auf welche konkrete Position bzw. Tätigkeit das Beschäftigungsverlangen des Klägers gerichtet ist. Zwar nennt der Kläger in seinem Antrag ausdrücklich die Position des "Gruppenleiters Application Europe". Er begehrt eine Beschäftigung, wie sich aus den weiteren Formulierungen des Antrages ergibt, jedoch gerade nicht ausschließlich auf dieser konkreten Position, sondern vielmehr "bzw. in einer adäquaten Gruppenleiterfunktion", ohne dabei den Begriff "adäquat" in irgendeiner Weise näher zu bestimmen. Bei einer diesem Antrag stattgebenden Entscheidung bestünde Unklarheit darüber, auf  welchen Positionen die Beklagte den Kläger beschäftigen könnte, um den titulierten Anspruch zu erfüllen. Es bestünde - gerade im Hinblick auf die im vorliegenden Rechtsstreit zu Tage getretenen unterschiedlichen Auffassungen der Parteien bezüglich der Gleichwertigkeit verschiedener Stellen - die Gefahr einer weiteren Auseinandersetzung der Parteien im Rahmen eines etwaigen Vollstreckungsverfahrens über die Frage, ob eine dem Kläger übertragene Tätigkeit als eine "adäquate" Gruppenleiterfunktion im Sinne des Klageantrages angesehen werden könnte. Damit würde der Streit der Parteien in die Vollstreckung verlagert.

III.  Nach alledem war der auf Beschäftigung gerichtete Klageantrag des Klägers unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.



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