Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 10 Sa 39/13

Keine Kündigungsschutzklage - kein Schadensersatz

Wird eine arbeitgeberseitige Kündigung nicht innerhalb der 3-wöchigen Ausschlussfrist vom Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage angegriffen, so gilt die Kündigung als wirksam. Dies gilt auch, wenn nach dem Vertrag kein Kündigungsrecht bestand.
Schadensersatzansprüche wegen einer "rechtswidrigen" Kündigung können in diesem Fall nicht mehr erhoben werden.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7. November 2012, Az.: 7 Ca 974/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin, weil ihr die Beklagte gekündigt hat, und über Prämienansprüche wegen der Anwerbung von neuen Mitarbeitern.

Die Beklagte betreibt mehrere Senioreneinrichtungen. Die 1961 geborene Klägerin schloss mit der Beklagten am 28.02.2011 einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Danach wurde sie ab 01.09.2011 als Heim- und Verwaltungsleiterin einer neu eröffneten Pflegeeinrichtung zu einem Bruttomonatsgehalt von € 5.500,00 eingestellt. In der Zeit vom 25.02.2011 bis 31.08.2011 war die Klägerin auf freiberuflicher Basis bei der Beklagten tätig. In § 1 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 28.02.2011 heißt es u.a.:
„Die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit“.
In § 6 ist geregelt:
„Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis, unbeschadete des Rechts zur außerordentlichen Kündigung, ohne Angabe von Gründen beiderseits mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden.“

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.02.2012 zum 29.02.2012. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin, die am 01.05.2012 ein neues Arbeitsverhältnis angetreten hat, keine Klage erhoben. Sie verlangt Schadensersatz wegen entgangenen Verdienstes iHv. € 11.000,00 für die Monate März und April 2012. Da sie in dieser Zeit Arbeitslosengeld iHv. € 4.036,20 bezogen hat, reduziert sie die Klageforderung auf € 6.963,80 brutto. Außerdem macht sie für die Monate Mai und Juni 2012 Schadensersatz iHv. € 1.000 geltend, weil sie beim neuen Arbeitgeber ein um € 500,00 niedrigeres Monatsgehalt erziele.

Die Klägerin behauptet, sie habe ihr unkündbares Arbeitsverhältnis bei der Stadt C-Stadt aufgegeben, um zur Beklagten zu wechseln. Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihr vor Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrags wiederholt zugesichert, dass er „niemals von einer Kündigung innerhalb der Probezeit Gebrauch machen werde“. Sie könne sich „unbedingt darauf verlassen“, dass eine Kündigung innerhalb der Probezeit ausgeschlossen sei.

Die Klägerin macht außerdem die Zahlung von € 4.000,00 mit der Begründung geltend, sie habe für die Beklagte insgesamt vier Fachkräfte angeworben. Am 01.07.2011 sei eine examinierte Altenpflegerin sowie eine Servicekraft, am 01.08.2011 ein Haustechniker und am 01.10.2011 eine Altenpflegeschülerin mit Examen zur APH bei der Beklagten eingetreten. Die Beklagte habe auf Seite 25 ihres Strategiepapiers „Gewinnung neuer Mitarbeiter“ (Anlage K 10 zur Klageschrift) eine Provision von € 1.000,00 für die Gewinnung und Bindung von Fachkräften ausgelobt.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.11.2012 (dort Seite 2-7) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne keinen Schadensersatz beanspruchen. Es fehle an der erforderlichen Kausalität zwischen dem behaupteten Verstoß gegen den angeblich mündlich vereinbarten Kündigungsausschluss und dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden (entgangenes bzw. vermindertes Arbeitsentgelt von März bis Juni 2012). Selbst wenn man die rechtswirksame Vereinbarung eines Kündigungsausschlusses unterstelle, sei für den Verdienstausfall allein ursächlich, dass die Klägerin nicht innerhalb von drei Wochen gegen die ausgesprochene Kündigung vom 09.02.2012 Klage erhoben habe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Prämie wegen der Werbung von vier Arbeitnehmern. Der Anspruch scheitere bereits daran, dass die Klägerin zur bestrittenen Anwerbung von vier Mitarbeitern nicht substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen habe. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 8-10 des erstinstanzlichen Urteils vom 07.11.2012 Bezug genommen.

Das Urteil ist der Klägerin am 31.12.2012 zugestellt worden. Sie hat mit am 25.01.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 28.02.2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin macht geltend, die Ansicht des Arbeitsgerichts, sie hätte gegen die Kündigung der Beklagten Klage erheben müssen, um Schadensersatzansprüche zu erhalten, sei unzutreffend. Die vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidungen seien nicht einschlägig. Sie sei durch die absprachewidrige Kündigung innerhalb der nur pro forma in den Vertragstext aufgenommenen Probezeitklausel in ihrem Vertrauensverhältnis zur Seriosität der Beklagten derart nachhaltig erschüttert worden, dass sie unter keinen Umständen bei der Beklagten weiter gearbeitet hätte. Dies selbst dann nicht, wenn sie in einem Kündigungsschutzprozess obsiegt hätte. Sie sei nicht gezwungen, einen Kündigungsschutzprozess zu führen, um Schadensersatzansprüche zu erhalten. Sie stünde quasi rechtsschutzlos da, wenn sie den entstandenen Schaden nicht isoliert vom Bestand des Arbeitsverhältnisses geltend machen könne. Zur geltend gemachten Werbeprämie sei nicht nachvollziehbar, weshalb sie keinen beweistauglichen Vortrag gehalten haben soll. Sie habe sehr wohl in allen Punkten Beweis angetreten, den das Arbeitsgericht nicht erhoben habe. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 28.02.2013 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.11.2012, Az.: 7 Ca 974/12, im Kostenpunkt aufzuheben und im Übrigen wie folgt zu ändern: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 11.963,80 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf p.a. seit dem 03.05.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 05.04.2013, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.  In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalls infolge der Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch einen Prämienanspruch für die Anwerbung neuer Mitarbeiter.

Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und überzeugend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer umfassenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Das Vorbringen veranlasst lediglich folgende Ausführungen:

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz iHv. € 7.963,80 wegen entgangenem bzw. vermindertem Arbeitsentgelt für die Monate von März bis Juni 2012, weil die Beklagte das am 01.09.2011 begonnene Arbeitsverhältnis am 09.02. zum 29.02.2012 gekündigt hat.

Die Klägerin trägt vor, sie habe mit der Beklagten vor Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags mündlich vereinbart, dass ihr während der sechsmonatigen Probezeit, die im schriftlichen Vertrag ausdrücklich geregelt worden ist, nicht gekündigt werden dürfe. Selbst wenn diese - bestrittene - Behauptung zutreffen sollte, ist ihr die Beklagte nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Die Kündigung der Beklagten vom 09.02. zum 29.02.2012 ist, auch wenn ein Kündigungsverbot in der Probezeit vereinbart worden sein sollte, wirksam, weil die Klägerin die Kündigung nicht innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich angegriffen hat. Die Kündigung gilt aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG als rechtswirksam. Eine Arbeitnehmerin, die - wie die Klägerin - gegen die Kündigung keine Klage erhoben hat, muss gegen sich gelten lassen, dass die Kündigung wirksam ist. Eine rechtswirksame Kündigung löst keine Schadensersatzpflichten des Kündigenden nach §§ 280 Abs. 1 oder 823 Abs. 2 oder 826 BGB aus. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin kein beliebiges Wahlrecht zwischen der Geltendmachung des Bestandsschutzes und finanzieller Entschädigungsleistungen in Form von Schadensersatz hat. Es gilt gerade nicht der Grundsatz „Dulde und liquidiere“, sondern dass eine Kündigung innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich angegriffen werden muss. Der Bestandsschutz hat Vorrang (so auch: LAG Köln 01.09.2009 - 7 Ta 184/09 - Juris).

Das Argument der Berufung, die Klägerin hätte nach Ausspruch der Kündigung unter keinen Umständen bei der Beklagten weiterarbeiten wollen, so dass sie nicht gezwungen werden könne, die Kündigung gerichtlich anzugreifen, um Schadensersatzansprüche zu erlangen, ist nicht nachvollziehbar. Nimmt man den Vortrag ernst, dass die Klägerin nicht mehr bei der Beklagten arbeiten wollte, ist ihr kein Schaden entstanden, weil sie in der Zeit von März bis Juni 2012 mangels Arbeitswilligkeit auch kein Monatsgehalt von € 5.500,00 brutto verdient hätte.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von € 4.000,00 für die Anwerbung von vier Mitarbeitern. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Entgegen der Annahme der Klägerin ist das Strategiepapier „Gewinnung neuer Mitarbeiter“ nicht als bindendes Zahlungsversprechen im Sinne einer Auslobung nach § 657 BGB anzusehen. Das Papier beschäftigt sich allgemein mit der Frage, welche Aktivitäten von Arbeitgebern entwickelt werden können, um in der Pflege neue Mitarbeiter zu gewinnen. Aus verständiger Sicht kann dem Text des Strategiepapiers keine bindende Leistungsverpflichtung entnommen werden. Die Ausschreibungsbedingungen sind vielmehr im Schreiben der Beklagten vom 26.10.2010 „Aktion 2010 - Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ enthalten. Danach sucht die Beklagte qualifizierte Pflegefachkräfte, für deren erfolgreiche Vermittlung sie die Zahlung von € 1.000,00 brutto auslobt. Drei der vier Personen, die die Klägerin in ihrer Liste aufgeführt hat, die ihrem außergerichtlichen Geltendmachungsschreiben vom 05.03.2012 beigefügt war, sind keine qualifizierten Pflegefachkräfte. Lediglich bei einer Person handelt es sich um eine examinierte Altenpflegerin. Auch zweitinstanzlich hat die Klägerin nicht ansatzweise dargelegt, dass sie diese Bewerberin iSd. Auslobung vom 26.10.2010 empfohlen hat. Dazu wäre erforderlich gewesen, das vollständig ausgefüllte „Empfehlungsblatt“ zusammen mit den Bewerbungsunterlagen der externen Bewerberin an die Geschäftsleitung zu senden. Hierzu fehlt jedweder Vortrag.

III.  Nach alledem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.



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