Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 2 Sa 244/15

Lohnabrechnung: "Resturlaub 121 Tage"

Grundsätzlich enthält eine Lohnabrechnung kein Schuldanerkenntnis. In aller Regel teilt der Arbeitgeber in der Lohnabrechnung, zu der er nach § 108 GewO verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer nur die Höhe des Lohns und sonstiger Ansprüche, wie hier des Urlaubsanspruchs, mit. Die Lohnabrechnung hat nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Der Lohnabrechnung kann somit regelmäßig nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren will, wenn er diesen Urlaub nach Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag nicht schuldet. Erst recht ergibt sich aus ihr nicht, dass der Arbeitgeber auf die künftige Einwendung des Erlöschens des Urlaubsanspruchs durch Zeitablauf verzichten will. Will der Arbeitgeber mit der Abrechnung eine derartige Erklärung abgeben, so müssen dafür besondere Anhaltspunkte vorliegen.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Im vorliegenden Fall macht der Kläger die Abgeltung von 121 Urlaubstagen geltend. Bereits die Lohnabrechnung für Juli 2006 habe einen Resturlaub von 111 Tagen ausgewiesen. Die Anzahl beruhe auf einer Vereinbarung mit dem damaligen Geschäftsführer, dem Vater des Klägers. Die Urlaubstage sind bis zum Ende des Jahres 2010 auf jeder monatlichen Lohnabrechnung übernommen worden, wobei die Lohnabrechnung für Dezember 2010 121 Urlaubstage auswies. Die Abrechnung für Januar 2011 wies hingegen nur noch 15 Urlaubstage aus.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Beklagten Arbeitgeber Recht gegeben. Soweit die Urlaubstage bis Ende 2010 angesammelt wurden, seien sie heute jedenfalls verfallen. Die Lohnabrechnung alleine sei weder als Schuldanerkenntnis noch als Verzicht auszulegen. Da der Vater des Klägers von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache - der Beklagte ist der Bruder des Klägers -, sei der Kläger für seine Behauptung, es habe eine Vereinbarung gegeben, beweisfällig geblieben.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.03.2015 - 2 Ca 1493/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.03.2015 - 2 Ca 1493/14 - abgeändert, soweit es der Klage stattgegeben hat:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) trägt der Kläger.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.

Der Kläger ist der Bruder des Geschäftsführers der Beklagten. Der von der Beklagten betriebene Innenausbaubetrieb war ursprünglich von Herrn R. A., dem Vater des Klägers und des Geschäftsführers der Beklagten, im Jahr 1997 gegründet worden. Der Kläger und sein Bruder, der Geschäftsführer der Beklagten, waren im Betrieb ihres Vaters als Arbeitnehmer beschäftigt. Im Juli 2006 wurde der Betrieb von der Beklagten im Wege des Betriebsüberganges gemäß § 613 a BGB übernommen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 31. Mai 2011.

In der zuletzt vom früheren Betriebsinhaber R. A. erteilten Lohnabrechnung des Klägers für den Monat Juli 2006 (Bl. 46 d. A.) ist unter der Überschrift "Statistische Werte" ein "Resturlaub" von 111 Tagen angegeben. Dieser "Resturlaub" von 111 Tagen ist in den von der Beklagten erteilten Abrechnungen ab dem Monat August 2006 (Bl. 169 d. A.) übernommen worden, während in der zuvor von der Beklagten erteilten Abrechnung für Juli 2006 (Bl. 168 d. A.) noch ein Urlaubsanspruch von 15 Tagen angegeben war. In der Abrechnung für den Monat Dezember 2010 (Bl. 265 d. A.) ist ein Resturlaub von 121 Tagen ausgewiesen, der in den Abrechnungen ab Januar 2011 (Bl. 267 ff. d.A.) nicht übernommen wurde. In der zuerst erstellten Abrechnung für den Monat Mai 2011 (Bl. 272 d. A.) ist ein anteiliger Urlaubsanspruch von 12,5 Tagen angegeben, der nach Abzug von vier genommenen Urlaubstagen einen Resturlaub von 8,5 Tagen ergibt. Mit der zuletzt erteilten Korrekturabrechnung für den Monat Mai 2011 (Bl. 273 d. A.) wurde von der Beklagten eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.018,13 EUR brutto abgerechnet und gezahlt. In dieser Abrechnung sind als abgerechnete Urlaubstage 8,5 Tage mit der Folge aufgeführt, dass danach kein Resturlaub mehr ausgewiesen ist.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Kaiserslautern am 08. Dezember 2014 eingereichten Klage hat der Kläger die Abgeltung eines "kumulierten" Urlaubsanspruchs von 121 Urlaubstagen in Höhe von 20.663,07 EUR brutto geltend gemacht, der nach seiner Begründung im Schriftsatz vom 30. Januar 2015 aus den Vorjahren bis einschließlich 2010 resultiere.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Mit Urteil vom 19. März 2015 - 2 Ca 1493/14 - hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern der Klage in Höhe von 853,80 EUR brutto stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger im Jahr 2010 26 Urlaubstage und im Jahr 2011 elf Urlaubstage erworben habe, von denen er im Jahr 2010 26 Tage und im Jahr 2011 sechs Tage genommen habe, so dass fünf Tage aus dem Jahr 2011 verblieben und in Höhe von 853,80 EUR brutto abzugelten seien. Die weitergehende Klage sei aber nicht begründet. Der Kläger habe selbst vorgetragen, dass nicht genommener Urlaub stets in das Folgejahr übertragen worden sei. Eine solche vom Gesetz abweichende Übertragungsregelung sei zulässig. Die Vertragsparteien könnten auch andere und weitere Übertragungszeiträume als das gesamte folgende Kalenderjahr vereinbaren. Wenn aber nur in das Folgejahr übertragen werden könne, so folge hieraus kein kumulierter Urlaubsanspruch aus dem gesamten Arbeitsverhältnis. Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung sei nach § 394 BGB unwirksam.

Gegen das ihm am 07. Mai 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Mai 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 01. Juni 2015 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 01. Juli 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 06. Juli 2015 eingegangen und der Beklagten am 13. Juli 2015 zugestellt, begründet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. August 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 12. August 2015 eingegangen, Anschlussberufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Er trägt vor, die Parteien des damaligen Arbeitsverhältnisses hätten einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen bei Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche vereinbart. Aus den vorgelegten Verdienstbescheinigungen ergebe sich, dass der Urlaub tatsächlich aus allen vorangegangenen Jahren kumuliert worden sei. Aus der von ihm vorgetragenen Vereinbarung, dass der nicht genommene Urlaub stets in das Folgejahr zu übertragen sei, sei zu schließen, dass damit eine Kumulierung im Sinne einer von Jahr zu Jahr aneinandergereihten Anhäufung von Urlaubstagen gemeint sei. Ihm sei durchaus bekannt, dass sich aus den überlassenen Verdienstabrechnungen klagbare Ansprüche im Hinblick auf die darin enthaltenen Angaben zum Resturlaub nicht ergeben würden. Dementsprechend habe er seinen Urlaubsabgeltungsanspruch aber nicht allein auf die vorgelegten Verdienstbescheinigungen gestützt, sondern auf die von ihm geschilderten Vereinbarungen. Der nicht verfallene Urlaub sei jeweils dem beauftragten Steuerbüro K. gemeldet worden, woraufhin sich entsprechend dem Lohnberechnungsprogramm des Steuerberatungsbüros die entsprechenden Änderungen ergeben hätten, die ja letztendlich nicht willkürlich, sondern auf entsprechenden Auftrag seiner Mutter, Frau A., eingesetzt worden seien. Soweit die kumulierten Urlaubstage zeitnah mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld durch die Beklagte aus den jeweiligen Gehaltsbescheinigungen verschwunden seien, sei dies vor dem Hintergrund erfolgt, dass Kurzarbeitergeld nicht gewährt werde, wenn extrem hohe Urlaubsansprüche von Mitarbeitern bestünden. Um dies zu umgehen, seien die kumulierten Urlaubsansprüche der Mitarbeiter gestrichen worden. Gleichwohl sei ihm von seinen Eltern zugesichert worden, dass die aufgelaufenen 121 Urlaubstagen aus den Vorjahren, einschließlich des anteiligen Urlaubs des Kalenderjahres 2011, ihm gewährt werden würden. Der von der Beklagten angeführte Umstand, dass die hohe Zahl der Resturlaubsansprüche aus der Zeit des Einzelunternehmens nach Gründung der GmbH in das dortige System übernommen worden sei, spreche ja gerade dafür, dass auf Seiten der Beklagten damals auch bewusst gewesen sei, dass ihm dieser Urlaubsanspruch zustehe und er auch nicht verfallen sei. Ansonsten hätte man ihn ja tatsächlich dann nicht in das neue Lohnabrechnungssystem übernommen. Er gehe davon aus, dass man sich bei der Beklagten hierüber tatsächlich Gedanken gemacht habe. Eine nachvollziehbare Auflistung dahingehend, dass er etwa mehr Urlaubstage genommen habe, als ihm zugestanden hätten oder in das System eingepflegt worden seien, existiere nicht. Der Vortrag der Beklagten, dass jeweils auf Zuruf der Frau A. der Jahresurlaub wieder hinzugefügt worden sei, zeige mit aller Deutlichkeit, dass es gerade seine Eltern gewesen seien, die Sorge dafür getragen hätten, dass der ihm jeweils zustehende Jahresurlaub auch auf den Einzelverdienstbescheinigungen aufgesetzt worden sei, um eben diese Urlaubsansprüche auch zu erhalten. Auch der Umstand, dass sich der Resturlaub nach den vorgelegten Abrechnungen für die Monate Juli und August 2006 von 15 Tagen auf 109 Tage erhöht habe, zeige, dass man zu diesem Zeitpunkt Wert darauf gelegt habe, die ihm tatsächlich noch zustehenden Urlaubstage aus der Vergangenheit auch zu sichern. In Bezug auf die in der Abrechnung für den Monat Mai 2011 ausgewiesene Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.018,13 EUR brutto bleibe offen, ob damit 8,5 Resturlaubstage abgegolten seien.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19. März 2015 - 2 Ca 1493/14 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.663,07 EUR brutto als Urlaubsabgeltung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beantragt im Wege der Anschlussberufung,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19. März 2015 - 2 Ca 1493/14 - abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die erteilten Abrechnungen würden keine anspruchsbegründende Wirkung für eine kumulierte Übertragung sämtlicher Urlaubsansprüche entfalten. Vielmehr bezwecke die Abrechnung lediglich die Information über die erfolgte Zahlung und begründe weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis im Hinblick auf etwaige dort vermerkte Urlaubstage. Denn die Lohnabrechnung habe nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Ihr könne somit regelmäßig nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren wolle, wenn er diesen Urlaub nicht schulde. Erst recht ergebe sich aus ihr nicht, dass der Arbeitgeber auf die künftige Einwendung des Erlöschens des Urlaubsanspruchs durch Zeitablauf verzichten wolle. Aus der bloßen Zahl der in einer Gehaltsabrechnung aufgeführten Urlaubstage lasse sich keine Schlussfolgerung auf eine Vereinbarung über die Kumulation von Urlaubsansprüchen seit 1997 ziehen. Die hohe Zahl der Resturlaubsansprüche resultiere aus der Zeit des Einzelunternehmens, während der Kläger im Übrigen bis auf wenige Urlaubstage seinen jeweiligen gesamten Jahresurlaub in Anspruch genommen habe. Weiterhin könne den Lohnabrechnungen auch deshalb keine Indizwirkung zukommen, weil gemäß der von ihr vorgelegten Aufstellung Urlaubstage in der Abrechnung fehlen würden und umgekehrt Urlaubstage in der Abrechnung ohne entsprechenden Urlaub enthalten seien. Das Arbeitsgericht habe in dem mit ihrer Anschlussberufung angegriffenen Urteil trotz der mit der Abrechnung für den Monat Mai 2011 erfolgten Abgeltung von 8,5 Resturlaubstagen diesen Resturlaubsanspruch zugesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Urlaubsansprüche aus den Vorjahren bis einschließlich 2010 sind jeweils mit Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres verfallen, so dass der Klageanspruch auf Urlaubsabgeltung unbegründet ist.

Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist hingegen begründet. Bei der vom Arbeitsgericht zuerkannten Urlaubsabgeltung in Höhe von 853,80 EUR brutto handelt es sich nach der Urteilsbegründung um die Abgeltung von fünf Tagen Resturlaub aus dem Jahr 2011, die nicht Streitgegenstand der Klage waren, die sich auf den Urlaub aus den Vorjahren bezogen hat. Zwar ist der hierin liegende Verstoß gegen § 308 ZPO dadurch geheilt worden, dass der Kläger die Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagen beantragt hat und hierin eine zulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz liegt. Die Beklagte hat aber zur Abgeltung des anteiligen Resturlaubs aus dem Jahr 2011 ausweislich der vorgelegten Korrekturabrechnung für den Monat Mai 2011 bereits Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.018,13 EUR brutto gezahlt, die den vom Arbeitsgericht zuerkannten Betrag übersteigt.

I. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der mit der Klage erhobene Anspruch auf Abgeltung des geltend gemachten kumulierten Urlaubsanspruchs von insgesamt 121 Urlaubstagen aus den Vorjahren bis einschließlich 2010 besteht nicht, weil diese Urlaubsansprüche verfallen sind.

Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG muss der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Danach sind die Urlaubsansprüche des Klägers aus den Vorjahren bis einschließlich 2010 jeweils mit Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres verfallen.

Zwar hat der Kläger vorgetragen, es sei zwischen den Parteien vereinbart gewesen, dass nicht genommener Urlaub stets übertragen werde, die Anzahl der Urlaubstage in den Abrechnungen entsprechend der tatsächlichen Urlaubsnahme aufgenommen worden sei und ihm im Frühjahr 2011 im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt worden sei, dass die 121 Urlaubstage aus den Vorjahren zwar nicht mehr in der Abrechnung aufgeführt würden, aber erhalten blieben. Der als Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat aber für seinen Vortrag keinen geeigneten Beweis angeboten. Die von ihm hierfür benannten Zeugen und R. A. sind als Beweismittel ungeeignet, weil diese sich mit ihrem Schreiben vom 17. November 2015 nach Erhalt der Ladung (mit dem als Anlage beigefügten Beweisbeschluss vom 12. November 2015) auf das ihnen als Eltern des Klägers zustehende Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben (§ 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich allein aus den vorgelegten Abrechnungen nicht herleiten, dass die Parteien eine fortlaufende Übertragung von Urlaubsansprüchen vereinbart haben. Die vom Kläger geltend gemachten Urlaubsansprüche resultieren insbesondere aus der Zeit vor dem im Juli 2006 erfolgten Betriebsübergang. Zwar ist ein Resturlaub von 111 Tagen in den von der Beklagten erteilten Lohnabrechnungen ab August 2006 übernommen und dann fortlaufend in den Abrechnungen bis Dezember 2010 mit berücksichtigt worden, wonach in der Abrechnung für den Monat Dezember 2010 ein Resturlaub von 121 Tagen angegeben ist. Diese fortlaufende Saldierung in den Abrechnungen lässt aber ohne eine ihr zugrundeliegende Absprache der Parteien nicht den Schluss darauf zu, dass die Beklagte auf die Einwendung des Erlöschens von Urlaubsansprüchen durch Zeitablauf verzichtet bzw. den in der Abrechnung ausgewiesenen Resturlaubsanspruch anerkannt hat. Ein abstraktes Schuldanerkenntnis scheidet schon deshalb aus, weil die gesetzliche Schriftform (§§ 781, 126 BGB) nicht eingehalten ist. Die Gehaltsabrechnungen können auch nicht als formlos wirksame deklaratorische Schuldanerkenntnisse angesehen werden, mit denen die Beklagte darauf verzichtet hat, sich auf den Verfall des Urlaubs aus den Vorjahren zu berufen. Grundsätzlich enthält eine Lohnabrechnung kein Schuldanerkenntnis. In aller Regel teilt der Arbeitgeber in der Lohnabrechnung, zu der er nach § 108 GewO verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer nur die Höhe des Lohns und sonstiger Ansprüche, wie hier des Urlaubsanspruchs, mit. Die Lohnabrechnung hat nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Der Lohnabrechnung kann somit regelmäßig nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Zahl der angegebenen Urlaubstage auch dann gewähren will, wenn er diesen Urlaub nach Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag nicht schuldet. Erst recht ergibt sich aus ihr nicht, dass der Arbeitgeber auf die künftige Einwendung des Erlöschens des Urlaubsanspruchs durch Zeitablauf verzichten will. Will der Arbeitgeber mit der Abrechnung eine derartige Erklärung abgeben, so müssen dafür besondere Anhaltspunkte vorliegen (BAG 10. März 1987 - 8 AZR 610/84 - Rn. 18, NZA 1987, 557; LAG Rheinland-Pfalz 09. Oktober 2002 - 9 Sa 654/02 - Rn. 32, DB 2003, 156; LAG Schleswig-Holstein 09. Mai 2007 - 6 Sa 436/06 - Rnr. 47, juris).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die fortlaufende Saldierung der Urlaubsansprüche in den Abrechnungen auf einer Übertragungsvereinbarung bzw. einem Verzicht auf die künftige Einwendung des Erlöschens der Urlaubsansprüche durch Zeitablauf beruht, liegen nicht vor. Auch wenn die in dem jeweiligen Urlaubsjahr gewährten Urlaubstage dem mit den Abrechnungen betrauten Steuerbüro von Frau A. jeweils mitgeteilt wurden, lässt dies noch keine Rückschlüsse darauf zu, ob und ggf. inwieweit Urlaubsansprüche in nachfolgende Urlaubsjahre absprachegemäß übertragen wurden. Insbesondere fehlen besondere Anhaltspunkte dafür, dass die in den Abrechnungen mit Hilfe des D-Systems fortgeschriebenen Urlaubsdaten nicht nur informatorischen Charakter haben und einen angenommenen Urlaubskontostand widerspiegeln sollen, sondern die Beklagte mit den Abrechnungen mehr beabsichtigte, als die Höhe der Arbeitsvergütung und der sonstigen Ansprüche dem Kläger einfach mitzuteilen.

II. Die Anschlussberufung der Beklagten ist begründet.

1. Bei den 121 Urlaubstagen, die dem Klageanspruch auf Urlaubsabgeltung zugrunde liegen, handelt es sich nach der Klagebegründung im Schriftsatz vom 30. Januar 2015 um den Urlaub aus den Vorjahren, d. h. um die nach dem Vortrag des Klägers kumulierten Urlaubsansprüche bis einschließlich 2010 und nicht um den anteiligen Urlaubsanspruch für das Jahr 2011. Soweit das Arbeitsgericht dem Kläger nach seiner Urteilsbegründung einen Betrag in Höhe von 853,80 EUR brutto als Abgeltung der restlichen fünf Tage Urlaub für das Jahr 2011 zugesprochen hat, ist ein darin liegender Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO (vgl. BAG 07. August 2012 - 9 AZR 189/11 - juris) dadurch geheilt worden, dass der Kläger beantragt hat, die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen. Damit hat er sich den Urteilsausspruch des Arbeitsgerichts insoweit zu eigen gemacht und so im Wege der in der Berufungsinstanz noch möglichen Klageerweiterung in sein Klagebegehren aufgenommen (vgl. BGH 07. November 1989 - VI ZR 278/88 - Rnr. 13, NJW-RR 1990, 380; BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rnr. 15 und 16, NZA 2006, 798).

2. Ein Anspruch des Klägers auf Abgeltung seines anteiligen Resturlaubs für das Jahr 2011 in Höhe von 853,80 EUR brutto besteht nicht, weil dieser Anspruch jedenfalls aufgrund der von der Beklagen gezahlten Urlaubsabgeltung in Höhe eines übersteigenden Betrages von 1.018,13 EUR brutto gemäß der korrigierten Lohnabrechnung für den Monat Mai 2011 erloschen ist. Aus der von der Beklagten erteilten Abrechnung für den Monat Mai 2011 und ihrer Korrekturabrechnung für diesen Monat ergibt sich, dass die Beklagte für das Jahr 2011 von einem anteiligen Urlaubsanspruch von 12,5 Tagen (30 Urlaubstage x 5/12) ausgegangen ist und unter Berücksichtigung von vier genommenen Urlaubstagen 8,5 Urlaubstage mit dem als Urlaubsabgeltung abgerechneten Betrag in Höhe von 1.018,13 EUR brutto abgerechnet und gezahlt hat. Damit ist der vom Arbeitsgericht zuerkannte Anspruch auf Abgeltung von restlichen fünf Urlaubstagen aus dem Jahr 2011 in Höhe von 853,80 EUR brutto durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.



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