Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 9 Sa 340/12

Nichtiger Betriebsratsbeschluss wegen Verfahrensmangel - Vertrauensschutz des Arbeitgebers

(1.) Ein Betriebsratsbeschluss ist nichtig, wenn er entweder einen gesetzeswidrigen Inhalt hat oder nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften führen jedoch nur dann zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn für das Zustandekommen des Beschlusses als wesentlich anzusehen sind.
Als wesentliche Verfahrensvorschriften sind die §25 I 2 BetrVG sowie §25 II BetrVG anzusehen, nach denen im Falle der Verhinderung eines Betriebsratsmitgliedes nach bestimmter Reihenfolge ein Ersatzmitglied zu einer Betriebsratssitzung zu laden ist.
(2.) Bei einem nichtigen Zustimmungsbeschluss des Betriebsrats bezüglich einer Kündigung kommen die Grundsätze des Vertrauensschutzes zugunsten des Arbeitgebers in Betracht. Dies setzt voraus, dass der Betriebsratsvorsitzende bzw. sein Stellvertreter dem Arbeitgeber mitteilt, die Zustimmung sei erteilt.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 09.05.2012, Az.: 7 Ca 36/12, wird zurückgewiesen.

2. Im Wege des Schlussurteils wird die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in ihrer Filiale, XY-Straße in S. weiter zu beschäftigen als Assistant-Manager.

3. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 86 % und der Kläger zu 14 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 21.12.2011 sowie über einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Der 1978 geborene, verheiratete und 4 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit 1997 bei der Beklagten zuletzt in der Funktion des Assistant-Managers in der Filiale der Beklagten in S. beschäftigt. In dieser Filiale werden ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger ist Vorsitzender des in der Filiale errichteten dreiköpfigen Betriebsrats. Weitere Betriebsratsmitglieder sind Frau K. als stellvertretende Vorsitzende und Frau C. als ordentliches Mitglied. Ersatzmitglieder sind in dieser Reihenfolge Frau M., Frau Ak. und Frau A..

Unter dem 14.12.2011 hörte die Beklagte den in der Filiale S. bestehenden Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Sie benutzte hierzu ein Formular "Anhörung des Betriebsrats zu einer Kündigung nach § 102 BetrVG". Wegen der Einzelheiten dieses Anhörungsschreibens wird auf Bl. 103 - 105 d. A. Bezug genommen.

Mit Datum vom 15.12.2011 gelangte auf dem gleichen Formular eine Stellungnahme des Betriebsrats zur Beklagten. In dieser Stellungnahme ist als Reaktion des Betriebsrats die Rubrik "Zustimmung" angekreuzt. Die Rückäußerung des Betriebsrats trägt als Unterschrift jeweils unter Voranstellung des Kürzels "i.A." die Unterschriften von Frau C. und Frau M.. Unter dem 20.12.2011 hörte die Beklagte den Betriebsrat diesmal unter Verwendung eines Formulars "Anhörung des Betriebsrates zu Kündigungen nach § 103 BetrVG" erneut an. Diesbezüglich wird Bezug genommen auf Bl. 108 - 110 d. A. Erneut gelangte als Stellungnahme des Betriebsrats ebenfalls am 20.12.2011 das Formular unter Ankreuzung der Rubrik "Zustimmung" in Rücklauf, welches von Frau C., Frau M. und Frau A. unterschrieben war.

Die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, Frau K., befand sich zum Zeitpunkt beider Anhörungen und der Rückäußerungen des Betriebsrats in Urlaub. Die weiteren Einzelheiten des Ablaufs der Willensbildung des Betriebsrats sind zwischen den Parteien streitig.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Parteien I. Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 09.05.2012, Az.: 7 Ca 36/12 (Bl. 162 ff. d. A.). Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, hat das Arbeitsgericht durch das genannte Teil-Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 21.12.2011, zugegangen am 21.12.2011, zum 21.12.2011 aufgelöst worden ist. Über den Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Filiale der Beklagten in S., hilfsweise in einer anderen Filiale in Rheinland-Pfalz oder Baden Württemberg weiterzubeschäftigen, hat das Arbeitsgericht durch das genannte Teil-Urteil nicht entschieden.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt:

Die streitgegenständliche Kündigung sei mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG rechtsunwirksam. Die unter dem 14.12.2011 erfolgte Einbindung des Betriebsrats stelle keine wirksame Beteiligung nach § 103 BetrVG dar, da ausweislich der vorgelegten Unterlagen nicht ein Verfahren nach § 103 BetrVG, sondern ein solches nach § 102 BetrVG eingeleitet worden sei. Die durch die Betriebsratsmitglieder C. und M. erteilte Zustimmung könne eine Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG nicht ersetzen. Es könne auch nicht unterstellt werden, dass der Betriebsrat in Kenntnis des Sonderkündigungsschutzes des Klägers von sich aus eine Zustimmung nach § 103 BetrVG habe erteilen wollen, da sich die Zustimmung gemäß der Überschrift nur auf eine Kündigung nach § 102 BetrVG bezogen habe. Bei der Behauptung der Beklagten, die Mitglieder des Betriebsratsgremiums hätten in Kenntnis des Sonderkündigungsschutzes des Klägers gehandelt, handele es sich um eine Aussage "ins Blaue hinein". Auch das am 20.12.2011 eingeleitete Zustimmungsverfahren genüge den Anforderungen des § 103 BetrVG nicht. Die Beklagte habe auch unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht darauf vertrauen können, dass der zustimmenden Mitteilung des Betriebsrats ein wirksamer Betriebsratsbeschluss zugrunde gelegen habe.

Das genannte Teil-Urteil ist der Beklagten am 04.07.2012 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 25.07.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 29.08.2012 bis zum 04.10.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 04.10.2012, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des weiteren Schriftsatzes vom 07.11.2012, auf die jeweils ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 262 ff., 284 f. d. A.), im Wesentlichen geltend:

Der Erlass eines Teil-Urteils sei prozessual unzulässig. Das Arbeitsgericht habe die Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag nicht einem Schluss-Urteil vorbehalten können, da dieser rechtlich von der Frage der Wirksamkeit der Kündigung abhängig sei.

Unzutreffend sei das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass es an einer wirksamen Beteiligung des Betriebsrats fehle. Hinsichtlich der vom Betriebsrat im Rahmen der Anhörung vom 14.11.2011 erfolgten Zustimmung habe die Beklagte ungeachtet der Tatsache, dass eine Anhörung im Rahmen eines Verfahrens nach § 102 BetrVG erfolgt sei, die erteilte Zustimmung als solche nach § 103 BetrVG auffassen können. Für den Betriebsrat sei erkennbar gewesen, dass ein Verfahren nach § 103 BetrVG habe eingeleitet werden sollen. Der Betriebsrat und seine Mitglieder hätten um den Sonderkündigungsschutz des Klägers und der Notwendigkeit einer Zustimmung des Betriebsrats gewusst und hätten auch tatsächlich das Schreiben vom 14.12.2011 als Anhörung i. S. des § 103 BetrVG aufgefasst. Der Betriebsrat habe auch in Kenntnis des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes eine Zustimmung erteilt, so dass das Fehlen eines Antrags nach § 103 BetrVG unschädlich sei. Die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats scheitere auch nicht daran, dass dem Betriebsrat nicht im Formular mitgeteilt worden sei, dass der Kläger vier Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei. Die Unterhaltspflichten seien dem Betriebsrat bekannt gewesen. Ferner sei die Mitteilung von Unterhaltspflichten dann, wenn wie hier die Kündigung auf gegen den Arbeitgeber gerichtete Vermögensdelikte gestützt werden solle, entbehrlich. Zwar sei auch der Kündigungssachverhalt im Anhörungsformular nur knapp umrissen, was aber unschädlich sei, weil die Mitarbeiterin C. als einziges seinerzeit nicht verhindertes reguläres Betriebsratsmitglied den gesamten Kündigungssachverhalt selbst mitbekommen habe und von daher den Kündigungssachverhalt vollständig gekannt habe. Unter dem Gesichtspunkt der sogenannten subjektiven Determination sei es auch unschädlich, dass die Anhörung keine Angaben zum bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses enthalte. Ebenso unschädlich sei, dass die Zustimmungserklärung mit dem Zusatz "i.A." unterzeichnet worden sei. Schließlich sei die Behauptung des Klägers unrichtig, der Restaurantleiter habe die Mitarbeiterinnen C. und M. nacheinander aufgesucht und zur sofortigen Unterschriftsleistung aufgefordert.

Jedenfalls sei das unter dem 20.12.2011 eingeleitete Beteiligungsverfahren nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe unter Vertrauensschutzgesichtspunkten auf die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses des Betriebsrats vertrauen dürfen. Mangels eigener Wahrnehmung zum Zustandekommen des Beschlusses habe sie von einem ordnungsgemäßen internen Verfahren des Betriebsrats ausgehen können. Selbst wenn der Beschluss unter den drei Betriebsratsmitgliedern C., M. und Auer im Rahmen einer Telefonkonferenz gefasst worden sein sollte, führe dies nicht zur Unwirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses. Sie habe auch insoweit auf die Wirksamkeit des Beschlusses vertrauen können, da sie keinen Umstand gekannt habe, der die Unwirksamkeit des Beschlusses nach sich ziehe. Sie habe nur gewusst, dass einer ihrer Mitarbeiter gebeten worden war, das Schreiben bei der Mitarbeiterin A. vorbeizufahren, um auch dieser die Unterschrift zu ermöglichen. Die Zeugin A. wollte und sollte vorsorglich unterschreiben, um zu dokumentieren, dass sie den Beschluss ihrer Betriebsratskollegen mittrage. Auch die Formalien der Beschlüsse seien in Ordnung gewesen. Jedenfalls lägen keine gegenteiligen Informationen vor. Schließlich sei auch ein wichtiger Grund, der zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung berechtige, gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 09.05.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen und den gestellten Weiterbeschäftigungsantrag ebenfalls abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und dem Weiterbeschäftigungsantrag zu entsprechen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 29.10.2012 und des weiteren Schriftsatzes vom 12.11.2012, auf die Bezug genommen wird (Bl. 274 ff., 281 f. d. A.), als zutreffend.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und -auch inhaltlich ausreichend- begründet.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht bereits deshalb mit der Folge einer Aufhebung des angefochtenen Teil-Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht begründet, weil es sich um ein unzulässiges Teil-Urteil handelte.

a) Gem. § 301 ZPO kann ein Teil-Urteil u.a. erlassen werden, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine zur Entscheidung reif ist. Ein Teil-Urteil darf nicht erlassen werden, wenn die Gefahr der Widersprüchlichkeit von Teil- und Schlussurteil besteht, was u.a. in Fällen sog. Präjudiziabilität anzunehmen ist. Diese ist gegeben, wenn die Entscheidung des Rest-Streits eine Vorfrage für den erledigten Teilstreit erfasst (vgl. etwa: GK-ArbGG/Vossen, § 68 ArbGG, Rz. 17 a;Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 301 ZPO Rz. 7; BAG 29.1.1981 -2 AZR 1055/78- EzA § 9 KSchG nF Nr. 10).

Ob dem Kläger ein Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zusteht, ist u.a. von der Vorfrage abhängig, ob nach gerichtlicher Feststellung die streitgegenständliche Kündigung rechtsunwirksam ist.

b) Ob entgegen § 68 ArbGG im Falle eines unzulässigen Teil-Urteils eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht erfolgen kann, wird unterschiedlich beurteilt (bejahend etwa GK-ArbGG/Vossen, aaO., Rz. 17 mwN; offen gelassen in BAG 4.5.2006 -8 AZR 311/05-, juris).

Die Berufungskammer ist im Hinblick auf den in Bestandsschutzstreitigkeiten in besonderer Weise geltenden Beschleunigungsgrundsatz der Auffassung, dass der unzulässig geteilte Streitgegenstand in der Rechtsmittelinstanz zusammengeführt werden und das Berufungsgericht dann den beim Arbeitsgericht anhängig gebliebenen Teil an sich ziehen kann (vgl. BAG 24.11.2004 -10 AZR 169/04- EzA § 61 ArbGG 1979 Nr. 19; BAG 12.8.1993 -6 AZR 553/92- EzA § 301 ZPO Nr. 3; ebenso etwa BGH 12.1.1999 -VI ZR 77/98, NJW 1999, 734; offen gelassen in BAG 4.5.2006 -8 AZR 311/05, juris). Demnach war vorliegend im Berufungsverfahren auch über den gestellten Weiterbeschäftigungsantrag zu entscheiden (dazu unten 3.).

2. Die Berufung bleibt ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 21.12.2011 richtet. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass diese Kündigung bereits mangels der nach § 103 BetrVG erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats rechtsunwirksam ist.

a) Der Kläger ist Vorsitzender des Betriebs der Beklagten in S.. Gem. § 15 Abs. 1 KSchG kann sein Arbeitsverhältnis nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden und nur dann, wenn hierfür vorher die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine wirksame Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG vorlag, trägt im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber.

b) Ein Betriebsratsbeschluss ist nichtig, wenn er entweder einen gesetzeswidrigen Inhalt hat oder nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, wobei jedoch nur grobe Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die für das Zustandekommen als wesentlich anzusehen sind, die Folge der Nichtigkeit des Beschlusses nach sich ziehen (vgl. etwa BAG 23.8.1984 -2 AZR 391/83- EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 30).

Der Betriebsrat fasst seine Entscheidungen durch Beschlüsse, die in einer Sitzung nach rechtzeitiger, unter Mitteilung der Tagesordnung erfolgenden Einladung zu fassen sind, § 29 Abs. 2 BetrVG. Zu diesen Sitzungen sind die Betriebsratsmitglieder und im Falle der Verhinderung eines Betriebratsmitglieds ein Ersatzmitglied (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) zu laden. Die Ladung von Ersatzmitgliedern hat dabei in bestimmter Reihenfolge zu erfolgen, § 25 Abs. 2 BetrVG. Hierbei handelt es sich jeweils um wesentliche Verfahrensvorschriften, deren Nichtbeachtung zur Nichtigkeit des Beschlusses führt (vgl. nur DLW/Wildschütz, Kap. 13, Rz. 648 ff. mwN.).

c) Vorliegend bestand der 3-köpfige Betriebsrat neben dem Kläger als Vorsitzendem aus den weiter gewählten Mitgliedern Frau K. als stellvertretende Vorsitzende und Frau C. Ersatzmitglieder waren nach Reigenfolge aufgezählt Frau M, Frau Ak. und Frau A..

aa) Verhindert an einer Beratung und Beschlussfassung teilzunehmen war aufgrund eigener Betroffenheit der Kläger. Ebenso war die stellvertretende Vorsitzende Frau K. infolge Urlaubs verhindert.

Der Betriebsrat bestand damit an den Tagen der Beschlussfassung über die Anträge der Beklagten vom 14. und 20.12.2011 aus dem ordentlichen Mitglied Frau C. und den Ersatzmitgliedern Frau M. und Frau Ak..

bb) An der Beschlussfassung hinsichtlich der Zustimmung unter dem 20.12.2011 beteiligt war in welcher Weise auch immer nach Darstellung der Beklagten aber Frau A. und damit ein Ersatzmitglied, welches in Anwendung des § 25 Abs. 2 BetrVG nicht infolge der Verhinderung des Klägers und der stellvertretenden Vorsitzenden vorübergehend nachrückte. Für eine Verhinderung auch des Ersatzmitglieds Frau Ak. ist nichts ersichtlich. Soweit die Beklagte erstinstanzlich hinsichtlich der Beschlussfassung über ihren Antrag vom 20.12.2011 pauschal behauptet hat, sie gehe davon aus, dass Frau C. die formalen Voraussetzungen für einen wirksamen Beschluss geschaffen habe, aber offenbar die beiden Ersatzmitglieder nicht erreicht habe oder diese seien wohl an einer Teilnahme verhindert gewesen, ändert dies nichts an der rechtlichen Beurteilung. Die Ladung zu einer Betriebsratssitzung hat rechtzeitig zu erfolgen, § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG. Sie muss so erfolgen, dass die Teilnehmer sich für die Sitzung frei machen und sich angemessen vorbereiten können (vgl. GK-BetrVG /Raab, 10. Aufl., § 29 Rz. 35; BAG 24.5.2006 -7 AZR 201/05- EzA § 29 BetrVG 2001 Nr. 1). Welche Einladungsfrist angemessen ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Da dem Betriebsrat in entsprechender Anwendung des § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auch im Falle des § 103 BetrVG eine Äußerungsfrist von 3 Tagen verbleibt, konnte Frau C. nicht davon ausgehen, dass bei nicht sofortiger Erreichbarkeit der berufenen Ersatzmitglieder diese verhindert waren. Eine sofortige Entscheidung war weder geboten, noch unter Berücksichtigung des Zwecks der rechtzeitigen Einladung zulässig.

cc) Hinsichtlich der Beschlussfassungen vom 14. und 20.12.2011 ist ferner Folgendes festzuhalten:

Infolge der Verhinderung des Klägers und auch seiner Stellvertreterin war der Betriebsrat ohne Vorsitzenden, dem die rechtzeitige Einladung unter Mitteilung einer Tagesordnung nach § 29 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und im Rahmen der gefassten Beschlüsse die Vertretung des Betriebsrats nach Außen obliegt, § 26 Abs. 2 BetrVG.

Sind sowohl der Vorsitzende als auch der stellvertretende Vorsitzende verhindert, nehmen die verbleibenden Mitglieder bzw. die nachrückenden Mitglieder nicht ohne weiteres die Aufgaben des Vorsitzenden wahr. Besteht -wofür vorliegend nichts ersichtlich ist- keine generelle Regelung für diesen Fall, ist die Vertretung ggfs. ad hoc durch Beschluss zu regeln (vgl. GK-BetrVG/Raab, 9. Aufl., § 26 Rz. 67 mwN.).Auch hierzu bedarf es einer Sitzung unter Beteiligung der Betriebsratsmitglieder und der nach den gesetzlichen Regelungen heranzuziehenden Ersatzmitglieder. Dass eine solche Regelung durch vorherigen ad-hoc-Beschluss wirksam gefasst worden wäre, ist nicht ersichtlich.

d) Wie das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 23.8.1984 -2 AZR 391/83- EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 30) ausgeführt hat, gelten die Grundsätze der sog. Sphärentheorie, die im Rahmen des § 102 BetrVG entwickelt wurden, für im Verantwortungsbereich des Betriebsrats liegende Fehler im Rahmen des Verfahrens nach § 103 BetrVG nicht. In Betracht kommt bei einem nichtigen Zustimmungsbeschluss nur die Anwendung der Grundsätze des Vertrauensschutzes zugunsten des Arbeitgebers (BAG 23.8.1984 aaO.), was allerdings voraussetzt, dass der für die Außenvertretung zuständige (§ 26 Abs. 2 BetrVG) Betriebsratsvorsitzende bzw. sein Stellvertreter dem Arbeitgeber mitteilt, die Zustimmung sei erteilt.

Bereits hieran fehlt es vorliegend. Die Mitteilung der Zustimmung erfolgte weder bei dem unter dem 14.12. noch unter dem unter dem 20.12.2011 eingeleiteten Anhörungs- bzw. Zustimmungsverfahren durch die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende. Die Rückäußerung des Betriebsrats vom 15.12.2011 erfolgte mit dem Zusatz „i.A.“ durch Frau C. und durch Frau M., diejenige vom 20.12.2011 durch Frau C., Frau M. und Frau A.. Schon mangels einer Mitteilung durch den Vorsitzenden bzw. eines Stellvertreters scheidet ein Vertrauensschutz aus.

Unabhängig hiervon musste die Beklagte aber auch deshalb Zweifel an einem ordnungsgemäßen Beschluss haben, weil ihr bekannt war, dass der Kläger aus Rechtsgründen und die stellvertretende Vorsitzende wegen Urlaubs an einer Sitzungsteilnahme und Beschlussfassung gehindert waren. Wenn sodann die Rückäußerungen des Betriebsrats nicht von allen heranzuziehenden Mitgliedern unterschrieben und zudem die Stellungnahme des Betriebsrats vom 20.12.2011 am gleichen Tag der Anhörung zurückgereicht wurde, konnte sie nicht von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung durch das Gremium unter Wahrung einer rechtzeitigen Einladung ausgehen. Hinsichtlich der unter dem 15.12.2011 mitgeteilten Zustimmung scheidet ein Vertrauensschutz zudem bereits deshalb aus, weil die Beklagte auf der Grundlage dieser Betriebsratsbeteiligung noch nicht die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen und somit noch kein Vertrauen betätigt hatte. Sie hat vielmehr vor Ausspruch der Kündigung den in ihrem Bereich liegenden Fehler bemerkt und sodann eine erneute Beteiligung des Betriebsrats veranlasst.

3. Wie bereits eingangs ausgeführt (oben II. 1.) hatte die Berufungskammer auch über den erstinstanzlich noch nicht beschiedenen Antrag auf tatsächliche Weiterbeschäftigung bis zum Rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzrechtsstreits zu entscheiden.

 

Die Klage ist auch mit diesem Antrag begründet. Sowohl erst-, als auch zweitinstanzlich ist festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 21.12.2011 aufgelöst worden ist. Nach Maßgabe der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.2.1985 (EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9) überwiegt damit das Interesse des Klägers an einer tatsächlichen Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits. Überwiegende entgegenstehende Interessen der Beklagten sind nicht gegeben.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.



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