Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 4 Sa 457/13

Rahmenvertrag begründet kein Arbeitsverhältnis - Einzelaufträge als befristete Anstellungen

(1.) Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen.

(2.) Vereinbaren die Auftraggeberin als Pflegedienstleisterin und die Auftragnehmerin, welche Pflegedienstleistungen durchführen soll, dass die Auftragnehmerin in der Wahl ihrer Arbeitszeit und ihres Arbeitsortes frei ist und sich erst mit der Annahme eines Auftrags "bindet", so ist nicht von einem Arbeitsvertrag auszugehen. Insbesondere wird die Auftragnehmerin durch diesen Vertrag nicht zur Leistung von Diensten verpflichtet; auch kann sie nicht durch Ausübung eines Weisungsrechts zum konkreten Einsatz verpflichtet werden.

(3.) Ein abweichender Vertrag wird nicht dadurch geschlossen, dass die Auftragnehmerin vor Vertragsschluss äußert, sie wolle keine selbständige Tätigkeit ausüben und der Auftraggeber entgegnet, dass dies nichts mache und sie den Vertrag trotzdem unterschreiben könne. Die Aussage des Auftraggebers ist nämlich dahin zu verstehen, dass er gerade keine Abweichung vom Vertragsinhalt wolle.

(4.) Einzelne, jeweils befristete Einsätze können rechtlich als Arbeitsverhältnisse zu qualifizieren sein. Dafür spricht jedenfalls, wenn die Auftragnehmerin nach Annahme eines Auftrages nicht mehr frei in der Bestimmung ihres Arbeitsortes und ihrer Arbeitszeit, sondern an die Weisungen der Auftraggeberin gebunden ist.
Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht jedoch selbst bei fehlender schriftlicher Befristung (§ 14 Abs. 4 TzBfG) nicht, wenn die Arbeitnehmerin diesbezüglich keine Entfristungsklage nach § 17 TzBfG erhoben hat.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.09.2013, Az.: 4 Ca 624/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin.

Die Beklagte betreibt einen Pflegedienst unter der Bezeichnung "Seniorenbetreuung C-Stadt". Unter dem Datum vom 01.06.2012 unterzeichneten der Ehemann der Beklagten als deren Vertreter und die Klägerin eine Vereinbarung, die u. a. folgenden Inhalt hat:

"Rahmenvertrag

...

§ 1

Der Auftragnehmer übernimmt die im Auftrag gegebene Betreuung des Betreuungsbefohlenen. Er ist in Bestimmung seines Arbeitsortes und seiner Arbeitszeit frei, soweit er sich durch Auftragsannahme nicht bindet. In Bezug auf die Ausführungen der Betreuung hält er sich an die Weisungen der Seniorenbetreuung C-Stadt und ist zum gesundheitlichen Wohl des Betreuungsbefohlenen verpflichtet.

Der Betreuungsbefohlene hat gegenüber der Betreuungskraft Anspruch auf mindestens ausreichender Betreuung.

...

§ 5

Der Auftragnehmer führt eine selbständige Tätigkeit, auf eigenes wirtschaftliches Risiko aus und verpflichtet sich, alle im Rahmen der Tätigkeit anfallenden Pflicht-Abgaben wie Steuern oder ähnliches selbst abzuführen.

§6

Der Auftragnehmer besitzt eine Erlaubnis zur Ausführung einer selbständigen Tätigkeit. Andernfalls verpflichtet er sich, seine Arbeit als selbständige Tätigkeit anzumelden, gem. § 14 GewO.

§ 7

Der Auftragnehmer rechnet selbstständig über unsere Seniorenbetreuung ab, je nach dem Vertrag zwischen unserer Seniorenbetreuung und dem zu Betreuenden, oder wenn wir durch den Vormund oder deren Vertretung dazu bevollmächtigt sind, Gelder im Namen des zu Betreuenden auszuzahlen.

In einigen Fällen kann auch direkt abgerechnet werden, wenn oben genannte Voraussetzungen entfallen.

Vereinbart ist ein Tagessatz ab 85,00 Euro.

...

Es werden 16% vom Tagessatz für Vermittlungsgebühr an die Seniorenbetreuung abgetreten.

..."

In der Folgezeit führte die Klägerin im Auftrag der Beklagten Betreuungsleistungen durch am 05.06./06.06.2012, vom 14.06. bis 28.06.2012, vom 22.07. bis 31.07.2012 und vom 01.08. bis 12.08.2012. Für ihre Tätigkeit erteilte die Klägerin der Beklagten jeweils Rechnungen, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 23 bis 24 R d. A. Bezug genommen wird. Die Beklagte zahlte an die Klägerin für deren Tätigkeit insgesamt 3.215,60 €.

Etwa drei Wochen nach dem letzten Einsatz der Klägerin erklärte ihr der Ehemann der Beklagten in einem Telefonat: "Wir trennen uns." In einem Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 13.09.2012 erklärte der Ehemann der Beklagten diesbezüglich, man habe die Klägerin nicht entlassen, sie werde jedoch nicht mehr eingeteilt. Letztlich existiert ein Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 20.09.2012, in welchem die Beklagte die sofortige Auflösung des Rahmenvertrages bestätigt. Die Klägerin hat den Zugang dieses Schreibens bestritten.

Mit ihrer am 10.10.2012 beim Arbeitsgericht eingereichten und mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin die Beklagte (zunächst) auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit ab August 2012 in Anspruch genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 19.12.2012 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt. Auf die hiergegen von der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten mit Beschluss vom 18.06.2013 für zulässig erklärt mit der Begründung, es könne offen bleiben, ob das Beschäftigungsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis qualifiziert werden könne, da die Klägerin jedenfalls wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich u. a. geltend gemacht, zwischen ihr und der Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Sie - die Klägerin - habe den Ehemann der Beklagten, der (unstreitig) die Vertragsverhandlungen geführt habe, schon vor Unterzeichnung des Rahmenvertrages darauf hingewiesen, dass sie nicht als Selbständige tätig werden wolle. Der Ehemann der Beklagten habe ihr daraufhin erklärt, dass dies nichts ausmache und sie den Rahmenvertrag dennoch unterschreiben könne. Hinsichtlich der ihr erteilten Aufträge und deren Ausführung sei sie den Weisungen des Ehemannes der Beklagten unterworfen gewesen. Im Einstellungsgespräch sei eine Vergütung von 100,00 € netto je Einsatztag vereinbart worden. Gründe, die eine fristlose Kündigung hätten rechtfertigen können, seien nicht gegeben. Das Schreiben der Beklagten vom 20.09.2012 habe sie erstmals im Verlauf des vorliegenden Rechtstreits - zusammen mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 31.07.2013 - erhalten.

Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.000 € netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2012 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.000 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.10.2012 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.200 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.11.2012 zu zahlen;.

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.200 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.12.2012 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.100 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.1.2013 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.000 € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.2.2013 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.000 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.3.2013 zu zahlen ;

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.100 € netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1.4.2013 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.200 € netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1.5.2013 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 2.000 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2013 zu zahlen;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mündliche Kündigung von Herrn Günter C. nicht beendet wurde;

hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteiendurch das Schreiben vom 20.09.2012 nicht beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.  

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, zwischen ihr und der Klägerin sei kein Arbeitsverhältnis begründet worden. Die Klägerin sei vielmehr, wie sich aus den Bestimmungen des Rahmenvertrages ergebe, als Selbständige tätig gewesen. Die Klägerin habe jeweils selbst entscheiden können, ob sie einen Betreuungsauftrag annehmen wolle. Auch hinsichtlich ihrer Arbeitszeit sei die Klägerin frei gewesen. Ein Tagessatz von 100,00 € netto sei zu keinem Zeitpunkt vereinbart worden; vielmehr habe man sich - wie sich ebenfalls aus dem Rahmenvertrag ergebe - auf einen Tagessatz von 85,00 €, der im Einzelfall auch habe erhöht werden können, verständigt. Die Kündigung sei zu Recht ausgesprochen worden, da die Klägerin ihr von einem Betreuten anvertrautes Geld zweckwidrig verwendet habe.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.09.2013 (Bl. 166-170 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.09.2013 abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 10 dieses Urteils (= Bl. 170-174 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 26.09.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.10.2013 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass zwischen ihr und der Beklagten kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei, sei unzutreffend. Zu keinem Zeitpunkt habe sie als Selbständige tätig werden wollen und dies auch bei Vertragsunterzeichnung deutlich gemacht. Letztlich habe sie den Vertrag nur unterzeichnet, weil ihr seitens des Ehemanns des Beklagten zugesichert worden sei, "dies mache nichts aus", sie könne den Rahmenvertrag dennoch unterschreiben. Die tatsächliche Durchführung des Vertrages spreche ebenfalls für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Sie - die Klägerin - sei bezüglich der Vornahme der Pflegetätigkeiten, des Wechsels der Pflegetätigkeiten sowie der Art und Weise der Pflegetätigkeiten weisungsgebunden gewesen. Es sei ihr nicht möglich gewesen, ihre Tätigkeit frei zu gestalten. Die Beklagte habe über ihren Ehemann mitteilen lassen, wo, wann und wie sie zu arbeiten habe. Die betreffenden Arbeitsanweisungen habe sie bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 20.03.2013 dargestellt. Der Ehemann der Beklagten habe sie angewiesen, sie solle sich ein Handy besorgen, um täglich Rückmeldung an ihn zu geben. Nach Unterzeichnung des Vertrages habe er sie angewiesen, am darauffolgenden Montag die Arbeit zu beginnen und zu einer pflegebedürftigen Dame nach Bayern zu fahren. Am 10.06.2012 habe er ihr telefonisch die Anweisung gegeben, am darauffolgenden Donnerstag nach Heidelberg zu einem Patienten zu fahren und dort spätestens um 13.00 Uhr zu erscheinen, um die Betreuung von einer anderen Pflegerin zu übernehmen.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 25.10.2013 (Bl. 191-198 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen,

an die Klägerin 2.300,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen;

an die Klägerin 2.000,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2012 zu zahlen;

an die Klägerin 2.300,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2012 zu zahlen;

an die Klägerin 2.200,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2012 zu zahlen;

an die Klägerin 2.100,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2013 zu zahlen;

an die Klägerin 2.300,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2013 zu zahlen;

an die Klägerin 2.000,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2013 zu zahlen;

an die Klägerin 2.100,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2013 zu zahlen;

an die Klägerin 2.200,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2013 zu zahlen;

an die Klägerin 2.300,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2013 zu zahlen;

an die Klägerin 2.000,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2013 zu zahlen;

an die Klägerin 2.300,00 € netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2013 zu zahlen;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mündliche Kündigung durch Herrn Günter C. nicht beendet wurde;

hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch das Schreiben vom 20.09.2012 nicht beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht dabei im Wesentlichen geltend, nach Maßgabe des geschlossenen Rahmenvertrages sei die Klägerin keineswegs als Arbeitnehmerin beschäftigt worden.

 Die Klägerin habe sowohl ihren Arbeitsort als auch ihre Arbeitszeit frei wählen können und gemäß § 7 des Rahmenvertrages selbständig abgerechnet. Auch eine feste Vergütung sei nicht vereinbart worden, sondern lediglich ein Mindesttagessatz, was typischerweise für die Selbständigkeit des Vertragspartners spreche. Die Klägerin sei bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich um kein Arbeitsverhältnis, sondern um eine selbständige Tätigkeit handele. Konkrete Arbeitsanweisungen seien der Klägerin nicht erteilt worden. Sie habe vielmehr lediglich die allgemeinen Regeln für die Pflegebedürfnisse der Betreuten zu beachten gehabt. Der Klägerin sei nicht vorgegeben worden, wo, wann und wie sie zu arbeiten habe. Diesbezüglich habe sich die Klägerin bereits erstinstanzlich zu Unrecht auf eine E-Mail vom 10.06.2012 berufen. Mit dieser E-Mail sei der Klägerin lediglich ein Angebot für die Betreuung einer Person unterbreitet worden. Die Klägerin sei frei gewesen, dieses Angebot anzunehmen. Anweisungen, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu erscheinen, seien der Klägerin nicht erteilt worden. Vielmehr sei die Klägerin lediglich darum gebeten worden, eine Betreuung zu übernehmen bzw. eine andere Pflegerin abzulösen.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungserwiderungsschrift vom 26.11.2013 (Bl. 212-216 d. A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz vom 27.11.2013 (Bl. 217 f. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr zu Recht abgewiesen.

II.  1. Die Zahlungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütungszahlung für die Monate August 2012 bis Juli 2013.

Der Zeitraum vom 01.08. bis einschließlich 12.08.2012, in welchem die Klägerin Pflegeleistungen erbracht hat, wurden seitens der Beklagten - unstreitig mit dem von der Klägerin geltend gemachten Tagessatz von 100,00 € - vergütet. Die geltend gemachte Forderung ist daher insoweit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Nach dem 12.08.2012 hat die Klägerin keinerlei Tätigkeiten für die Beklagte mehr erbracht, sodass Zahlungsansprüche unmittelbar aus § 611 Abs. 1 BGB nicht mehr entstehen konnten. Solche ergeben sich auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB). Die Beklagte befand sich nämlich nicht mit der Annahme der Dienste der Klägerin in Verzug, da nach dem 12.08.2012 zwischen den Parteien kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis mehr bestand. Zwischen den Parteien sind vielmehr lediglich einzelne, für die Dauer der von der Klägerin jeweils übernommenen Pflegeleistungen befristete Arbeitsverträge zustande gekommen.

a) Durch den Rahmenvertrag vom 01.06.2012 ist kein Arbeitsverhältnis begründet worden.

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend (BAG v. 20.01.2010 - 5 AZR 106/09 - AP Nr. 120 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 Abs. 1 BGB, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet. Allerdings muss die Arbeitsleistung nicht schon von vornherein festgelegt sein. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung kann auch beinhalten, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitig zu treffende Weisung auslöst. Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG). Demgegenüber ist ein Vertrag, der keine Verpflichtung zur Dienstleistung begründet, kein Dienstvertrag und damit auch kein Arbeitsvertrag. Daher ist eine Rahmenvereinbarung, welche nur die Bedingungen der erst noch abzuschließenden Arbeitsverträge wiedergibt, selbst aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet, kein Arbeitsvertrag (BAG v. 15.02.2012 - 10 AZR 111/11 - AP Nr. 122 zu § 611 BGB Abhängigkeit, m. w. N.).

Gemessen daran ist die Rahmenvereinbarung vom 01.06.2012 kein Arbeitsvertrag. Dabei ist unerheblich, dass nach dem Wortlaut des § 5 des Rahmenvertrages eine Tätigkeit auf selbständiger Basis vereinbart ist. Dies stünde einer Einordnung des Vertrags als Arbeitsverhältnis nicht entgegen, da durch Parteivereinbarungen die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden kann. Ist der Betreffende nach dem objektiven Geschäftsinhalt Arbeitnehmer, so können die davon abweichenden Bezeichnungen und Vorstellungen der Parteien daran nichts ändern. Dies gilt erst recht, wenn derartige Verträge nicht ausgehandelt, sondern - wie vorliegend - von der einen Partei vorformuliert werden.

Die Klägerin hat jedoch nicht bereits im Rahmenvertrag die Übernahme konkreter Pflegediensteinsätze zugesagt bzw. sich zu deren Übernahme verpflichtet. Der Beklagten wurde auch nicht das Recht eingeräumt, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts einen konkreten Einsatz der Klägerin herbeizuführen. Dies ergibt sich aus § 1 des Rahmenvertrages, der vorsieht, dass sich die Klägerin erst durch Annahme ihr angebotener Aufträge "bindet", d. h. rechtlich verpflichtet. Eine irgendwie geartete Verpflichtung der Klägerin zur Annahme von Aufträgen, lässt sich den vertraglichen Bestimmungen nicht entnehmen. Die Klägerin war daher in der Entscheidung frei, ob sie einen Einzelauftrag annimmt oder ablehnt. Damit entstand eine Verpflichtung noch nicht aufgrund des Rahmenvertrages, sondern es bedurfte des Abschlusses von Einzelvereinbarungen.

Eine von den Bestimmungen des Rahmenvertrages abweichende und diese nach § 305b BGB verdrängende mündliche Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Zwar behauptet die Klägerin, sie habe vor Vertragsunterzeichnung deutlich gemacht, dass sie nicht, wie dort vorgesehen, als Selbständige tätig werden wolle. Durch die von der Beklagten behauptete Äußerung des Ehemanns der Beklagten, dies mache nichts, und sie - die Klägerin - könne den Rahmenvertrag gleichwohl unterschreiben, ist jedoch keine vom Vertragstext abweichende Vereinbarung zustande gekommen. Mit der betreffenden Äußerung hat der Ehemann der Beklagten nämlich gerade nicht zu erkennen gegeben, dass er mit einer Änderung des vorformulierten Vertragstextes bzw. mit einer Beschäftigung der Klägerin zu anderen als den dort vorgesehenen Bedingungen einverstanden sei. Darüber hinaus begründete der Rahmenvertrag - wie bereits ausgeführt - ohnehin nicht bereits die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung konkreter Dienste, die entweder im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses oder eines Arbeitsverhältnisses durchzuführen waren. Deren rechtliche Einordnung ergibt sich vielmehr aus den Umständen, unter denen die von der Klägerin angenommenen Aufträge jeweils durchzuführen waren, d. h. ob und inwieweit die Klägerin dabei einem Weisungsrecht der Beklagten unterworfen war.

Einem von dem im Rahmenvertrag vorgesehenen Prinzip, wonach eine Verpflichtung der Klägerin zur Dienstleistung erst durch Annahme eines ihr erteilten bzw. angebotenen Auftrages entsteht, abweichende tatsächliche Durchführung der Tätigkeit der Klägerin lässt sich dem Vorbringen der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht entnehmen. Insbesondere sind keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen oder ersichtlich, aus denen sich ergeben könnte, dass die Klägerin nicht in der Entscheidung frei war, ob sie einen Einzelauftrag annimmt oder ablehnt. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, sie sei vom Ehemann der Beklagten jeweils telefonisch angewiesen worden, bestimmte Betreuungsdienste zu übernehmen. In Ermangelung einer zumindest sinngemäßen Wiedergabe der von der Klägerin als Anweisungen bezeichneten Erklärungen, die möglicherweise lediglich als (dringliche) Bitte zur Übernahme eines Auftrages formuliert waren, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese von der Klägerin als eine zu befolgende, einseitige Leistungsbestimmung zu verstehen waren. Auch ansonsten sind keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass die Klägerin nicht zur Ablehnung der ihr erteilten Aufträge berechtigt war oder die zumindest aus ihrer Sicht einen gewissen Zwang zur Auftragsannahme begründen konnten. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich diesbezüglich auch nichts aus der an sie gerichteten E-Mail des Ehemanns der Beklagten vom 10.06.2012 (Bl. 32 d. A.). Diese enthält lediglich den Namen eines Patienten, den Einsatzort und den vereinbarten Tagessatz sowie die Mitteilung, dass die Klägerin ihre Rechnungen zum 15. oder zum 1. des Folgemonats erstellen solle. Eine von der Klägerin, die sich im Übrigen zuvor unstreitig über die Nichterteilung von Aufträgen beschwert hatte, zu befolgende Anweisung lässt sich der E-Mail nicht entnehmen.

Letztlich stellt die zwischen den Parteien geschlossene Rahmenvereinbarung nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt auch keine unzulässige, zu einem unbefristeten Dauerarbeitsverhältnis führende Vertragsgestaltung dar. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor (vgl. BAG v. 15.02.2012 - 10 AZR 111/11 - NZA 2012, 733).

b) Zwischen den Parteien ist auch zu einem späteren Zeitpunkt, d. h. nach Abschluss des Rahmenvertrages kein unbefristeter Arbeitsvertrag zustande gekommen. Zwar spricht einiges dafür, dass die einzelnen, jeweils befristeten Einsätze der Klägerin, bei denen sie Betreuungs- bzw. Pflegedienstleistungen erbracht hat, rechtlich als Arbeitsverhältnisse zu qualifizieren sind. Denn die Klägerin war nach Maßgabe der in § 1 des Rahmenvertrages enthaltenen Bestimmungen nach Annahme eines Auftrages nicht mehr frei in der Bestimmung ihres Arbeitsortes und ihrer Arbeitszeit sondern die Weisungen der Beklagten gebunden. Auch wurde die nach § 14 Abs. 4 TzBfG bzgl. der Befristung der einzelnen Verträge erforderliche Schriftform nicht gewahrt. Gleichwohl gelten die Befristungen vorliegend gemäß § 17 Satz 1 und 2 TzBfG i. V. m. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da die Klägerin diesbezüglich keine Entfristungsklage nach § 17 TzBfG erhoben hat.

2. Das Feststellungsbegehren der Klägerin erweist sich sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag bereits deshalb als unbegründet, weil nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen im Zeitpunkt des Ausspruchs der beiden (behaupteten) Kündigungen kein Arbeitsverhältnis (mehr) zwischen den Parteien bestand.

III.  Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand in Ansehen der in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.



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