Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 2 Sa 386/12

Reichweite der Verschwiegenheitspflicht - Diskussionsbeitrag auf Facebook

Im Arbeitsvertrag können Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsklauseln vereinbart werden. Sind nach einer solchen Klausel Äußerungen über "betriebsinterne Vorgänge" und "Betriebsinterna" untersagt, so ist die Klausel verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nur solche Äußerungen untersagt sind, an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat.
Der Redakteur einer Online-Zeitung verstößt nicht gegen seine Verschwiegenheitspflicht, wenn er sich in einem Diskussionsforum auf Facebook zur Frage, welchen Einfluss der Geschäftsführer auf die Inhalte der Online-Zeitung hat, äußert, indem er mitteilt wie viele Mitarbeiter in der Redaktion arbeiten. Dem Arbeitgeber fehlt diesbezüglich ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung, wohingegen die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt wäre, wenn er eine Tatsache, die zur Meinungsbildung beiträgt, unterlassen müsste.
Die Wirksamkeit der Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsklausel wurde unterstellt.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 02.08.2012 - 2 Ca 526/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch.

Die Beklagte war bei der Klägerin, die die "E.-Zeitung" herausgibt, aufgrund Arbeitsvertrags vom 26. Oktober 2011 (Bl. 7-12 d. A.) seit 1. Dezember 2011 als Redakteurin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten zum 21. Februar 2012. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelung:

㤠11 Verschwiegenheitspflicht

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über alle betriebsinternen Vorgänge sowie über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse absolutes Stillschweigen zu bewahren.

Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich ebenfalls auf die in § 4 getroffene Vergütungsvereinbarung.

Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich auf Angelegenheiten anderer Firmen, mit denen das Unternehmen wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden ist und dauert über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus fort.“

Die Beklagte "postet" Beiträge in der "Facebook"-Gruppe "Keine E-zeitung". So schrieb sie beispielsweise:

„... noch was zu den Rechnungen T.S./E-zeitung. Wenn es formell richtige Rechnungen an T.S. gab, die jedoch gar nicht beglichen wurden, dennoch aber beim Finanzamt geltend gemacht wurden, dürfte das die Steuerfahndung interessant finden...“

Unter dem 06. März 2012 gab die Beklagte eine von der Klägerin geforderte Unterlassungserklärung (Bl. 22, 23 d. A.) ab, mit der sie sich gegenüber der Klägerin (im Folgenden "Unterlassungsgläubigerin" genannt) verpflichtete,

"1. es ab sofort zu unterlassen,

Betriebsinterna der Unterlassungsgläubigerin Dritten mitzuteilen und/ oder zu verbreiten und/ oder verbreiten zu lassen, insbesondere wie geschehen gemäß den in der Anlage beigefügten Äußerungen bei Facebook (...),

Dritten gegenüber zu behaupten und/ oder zu verbreiten und/ oder verbreiten zu lassen, die Abrechnung zwischen der Unterlassungsgläubigerin und der Firma T.S. dürfte die Steuerfahndung interessant finden,

sowie

für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 eine Vertragsstrafe an die Unterlassungsgläubigerin zu zahlen, wobei die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe für die jeweils konkrete Zuwiderhandlung nach § 315 Abs. 1 BGB der Unterlassungsgläubigerin überlassen bleibt, allerdings vorbehaltlich der Bestimmung der Angemessenheit gemäß § 315 Abs. 3 BGB durch das zuständige Gericht.“

Unter dem 01. April 2012 findet sich bei "Facebook" folgender Eintrag der Beklagten:

„Denn in der Redaktion sitzen - außer P. D. - nur eine Handvoll GrafikerInnen und AnzeigenberaterInnen, die allesamt nix mit den Inhalten der E-zeitung zu tun haben (...)“

Die Klägerin hat vorgetragen, die Äußerung der Beklagten im Zusammenhang mit der Steuerfahndung impliziere den Vorwurf, die beiden Unternehmen würden Steuerstraftaten begehen, was den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) erfülle. Ungeachtet der Unterlassungserklärung vom 6. März 2012 habe die Beklagte mit ihrer Äußerung vom 1. April 2012, die im Zusammenhang mit der Diskussion über den "Einfluss" ihres Geschäftsführers P D. sowie des geschäftsführenden Gesellschafters der T.S. D. GmbH P. L. auf den Inhalt der Zeitung stehe, gegen ihre Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Aufgrund der danach wieder aufgelebten Wiederholungsgefahr sei der geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet und die versprochene Vertragsstrafe verwirkt. Hilfsweise ergebe sich dies daraus, dass trotz Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung die abgemahnten Textpassagen ausweislich der vorgelegten Screenshots noch am 16. März 2012 bei "Facebook" zu finden gewesen seien. Erst auf telefonischen Hinweis ihres Prozessbevollmächtigten, dass die fraglichen Passagen noch immer bei "Facebook" zu finden seien und die Beklagte dadurch fortlaufend gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoße, seien die fraglichen Äußerungen aus dem Internet entfernt worden. Es sei weder erforderlich noch üblich, mit der Unterlassungserklärung zugleich zu fordern, die gerügten Passagen aus dem Internet zu nehmen. Der Beseitigungsanspruch folge vielmehr bereits aus dem Gesetz bzw. dem Umstand, dass nach dem Unterlassungsvertrag die weitere Mitteilung und Verbreitung der Betriebsinterna verboten sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Betriebsinterna Dritten mitzuteilen und/ oder zu verbreiten und/ oder verbreiten zu lassen, insbesondere wie geschehen am 01. April 2012 um 8:38 Uhr bei Facebook durch nachfolgende Äußerung:

„Denn in der Redaktion sitzen - außer P. D. - nur eine Handvoll GrafikerInnen und AnzeigenberaterInnen, die allesamt nix mit den Inhalten der E-zeitung zu tun haben ...“,

der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen sie festgesetzt wird,

 

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine verwirkte Vertragsstrafe zu zahlen in Höhe von 2.000,00 € nebst einem Verzugszins in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2012.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, sie habe mit dem Eintrag vom 1. April 2012 keine Betriebsinterna verraten. Soweit sie mitgeteilt habe, dass "eine Handvoll" Grafiker und Anzeigenberater in der Redaktion sitzen würden, handele es sich angesichts der Auflage und der Ausgestaltung der E.-Zeitung um ein allgemein zugängliches Faktum. Die Anzahl der Grafiker und Anzeigenberater sei nicht nur branchenüblich bekannt, sondern angesichts der Ausgestaltung, der Aufmachung sowie der Verbreitung der Zeitung naheliegend und könne ohne weiteres durch Dritte herausgefunden werden. Gegenstand eines Betriebsinternums im Sinne der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung könnten nur Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sein. Im Übrigen handele es sich um Werturteile, die nicht geeignet seien, die Unterlassungsgläubigerin herabzuwürdigen. In der Unterlassungserklärung sei nicht gefordert worden, dass entsprechende Passagen im Internet herausgenommen werden müssten. Mangels Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung sei die Wiederholungsgefahr nicht gegeben und keine Vertragsstrafe verwirkt.

Mit Urteil vom 2. August 2012 - 2 Ca 526/12 - hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch zustehe. Die Beklagte habe nicht gegen sie treffende Geheimhaltungspflichten verstoßen, so dass auch keine Wiederholungsgefahr bestehe. Ein Geheimhaltungsgebot mit hieran anknüpfenden weiteren Rechtsfolgen könne nur für geheimhaltungsbedürftige Umstände begründet werden, nicht für sämtliche den Betrieb betreffende Angelegenheiten. Der Begriff der Betriebsinterna sei daher entsprechend einschränkend auszulegen. Es sei allerdings gleichwohl zweifelhaft, ob die die Beklagte treffenden Verpflichtungen aufgrund ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit Wirkungen entfalten könnten. Unabhängig davon habe die Beklagte gegen ihre Geheimhaltungsverpflichtungen nicht verstoßen, weil ihre streitgegenständlichen Äußerungen hiervon nicht erfasst seien. Der Eintrag, die "Rechnungen T.S./ E-zeitung ... dürfte ... die Steuerfahndung interessant finden", könne schon deshalb kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zum Gegenstand haben, weil die Klägerin selbst die Äußerung als üble Nachrede bewerte, also die Behauptung der Beklagten als unwahr qualifiziere. Ein geheimhaltungsbedürftiger Umstand sei dann aber nicht ersichtlich. Es sei daher unerheblich, bis zu welchem Zeitpunkt sich der Eintrag noch auf der "Facebook"-Seite befunden habe. Mit der Angabe, in der Redaktion der Klägerin gebe es außer dem Geschäftsführer nur eine Handvoll Grafiker und Anzeigenberater, habe die Beklagte ebenfalls kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis verletzt. Die Zahl der beschäftigten Redakteure sei kein geheimhaltungsbedürftiges Betriebsinternum. Der Eintrag der Beklagten sei auch nicht geeignet, die Klägerin abzuqualifizieren. Die Klägerin hätte zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs darlegen müssen, dass sie an der Geheimhaltung ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse habe. Hierfür sei weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Es könne daher nicht angenommen werden, dass schutzwürdige Arbeitgeberinteressen gegenüber den Interessen der Beklagten an der freien Meinungsäußerung überwiegen würden. Auch eine Vertragsstrafe habe die Beklagte deshalb nicht verwirkt.

Gegen das ihr am 24. August 2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27. August 2012, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2012, beim Landesarbeitsgericht Rheinlandpfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet. Mit ihrer Berufungsbegründung vom 23. Oktober 2012 hat sie im Wege der Klageerweiterung zusätzlich die Verurteilung der Beklagten begehrt, es ebenfalls zu unterlassen, Dritten gegenüber zu behaupten und/oder zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen, dass die Abrechnung zwischen ihr und der Firma T.S. die Steuerfahndung interessant finden dürfte.

Die Klägerin trägt vor, in Bezug auf den Komplex "Steuerhinterziehung" habe sich das Arbeitsgericht fehlerhaft mit der Frage beschäftigt, ob es sich bei diesem Eintrag um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis handeln würde, obwohl dies von ihr noch nicht einmal behauptet worden sei. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung erfülle den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) und habe mit dem Verrat von Betriebsinterna nichts zu tun. Aus diesem Grund sei der Vorwurf der Steuerhinterziehung in der vorgelegten Unterlassungserklärung räumlich-textlich von den Betriebsinterna getrennt. Gegen diese Unterlassungsverpflichtung habe die Beklagte aber durch Unterlassung verstoßen, indem sie die fragliche Textpassage nicht aus ihrem "Facebook"-Eintrag gelöscht habe, so dass dieser noch am 16. März 2012 dort zu finden gewesen sei. Seit dem 6. März 2012 folge die Pflicht zum Unterlassen der Äußerung "Steuerhinterziehung" aus dem Unterlassungsvertrag. Bereits dieser Verstoß führe zur Verwirkung einer Vertragsstrafe und begründe den Unterlassungsanspruch. Begehe der Schuldner nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung einen identischen oder im Kern gleichartigen Verstoß, entstehe mit der Zuwiderhandlung ein neuer Unterlassungsanspruch. In Bezug auf den Komplex "Betriebsinterna" habe das Arbeitsgericht den Umfang der Verschwiegenheitspflicht unzulässig beschränkt. Sowohl in § 11 des Arbeitsvertrages als auch in der Unterlassungserklärung vom 6. März 2012 sei neben den echten "Geheimnissen" ausdrücklich auch der Schutz der Betriebsinterna vertraglich vereinbart. Im Übrigen erfasse die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht auch ohne besondere Vereinbarung über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinaus auch schützenswerte Arbeitgeberinteressen in Bezug auf Betriebsinterna. Die vom Arbeitsgericht angedeuteten Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verschwiegenheitsklausel seien übersetzt. Eine solche Vereinbarung bedürfe der Auslegung, nach der sich bestimmen lasse, was aus Sicht des Arbeitgebers schützenswert sei und der Arbeitnehmer nicht verraten dürfe. Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung greife zugunsten der Beklagten nicht ein. Sie könne und wolle das Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung nicht beschneiden. Allerdings verrate die Beklagte fortlaufend "Spezialwissen" an die Gegner der E.-Zeitung, welches ihr nur aus dem Arbeitsverhältnis bekannt sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 2. August 2012 - 2 Ca 526/12 - wie folgt zu entscheiden:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Betriebsinterna der Klägerin Dritten mitzuteilen und/ oder zu verbreiten und/ oder verbreiten zu lassen, insbesondere wie geschehen am 01. April 2012 um 8:38 Uhr bei Facebook durch nachfolgende Äußerung:

„Denn in der Redaktion sitzen - außer P. D. - nur eine Handvoll GrafikerInnen und AnzeigenberaterInnen, die allesamt nix mit den Inhalten der E-zeitung zu tun haben ...“

Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen sie festgesetzt wird.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin eine verwirkte Vertragsstrafe zu zahlen in Höhe von 2.000,00 € nebst einem Verzugszins in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2012.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, es ebenfalls zu unterlassen, Dritten gegenüber zu behaupten und/ oder zu verbreiten und/ oder verbreiten zu lassen, die Abrechnung zwischen der Klägerin und der Firma T.S. dürfte die Steuerfahndung interessant finden.

Der Beklagten wird ferner angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung auch gegen das Verbot aus Ziffer 4. ein Ordnungsgeld bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen sie festgesetzt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, zunächst werde von ihr bestritten, dass der vorgelegte Screenshot vom 16. März 2012 noch auf dem Facebook-Account einsichtig gewesen sei, weil es sich auch um eine am 16. März 2012 aufgerufene Datei handeln könne, die durchaus zu einem früheren Zeitpunkt gespeichert worden sei. Ein derartiger Screenshot sei nicht geeignet, Beweis dafür anzubieten, dass nach Abgabe der Unterlassungserklärung die Inhalte noch im Netz für Dritte auffindbar gewesen seien. Ebenfalls müsse es ihr möglich sein, die entsprechenden Äußerungen nach Abmahnung aus dem Netz entfernen zu lassen. Letztendlich versuche die Klägerin, einen in dieser Form niemals beantragten Löschungsanspruch durchzusetzen. In der Unterlassungserklärung habe sie sich lediglich verpflichtet, dass zukünftig Dritten gegenüber Bestimmtes nicht mehr behauptet bzw. verbreitet werden dürfe. Mit einer zeitlich befristeten Perpetuierung eines Internetauftritts sei keine Vertragsstrafe verwirkt. Im Übrigen sei mit der Äußerung der abgemahnte Tatbestand nicht erfüllt. Im Rahmen der freien Meinungsäußerung müsse es erlaubt sein, derartige Erwägungen, die sehr vorsichtig formuliert gewesen seien, zu wählen. Ein Vorwurf der Steuerhinterziehung sei zu keinem Zeitpunkt erhoben worden. Es sei lediglich unter bestimmten Umständen dargelegt worden, dass sich eine Behörde für die angeführten Umstände interessieren würde, falls diese vorlägen. In Bezug auf die vorgenommene Klageänderung in der Berufungsinstanz erteile sie ausdrücklich nicht ihre Einwilligung. Darüber hinaus sei eine Klageänderung durch Klageerweiterung auch nicht sachdienlich. Bezogen auf ihre Äußerung vom 01. April 2012 handele es sich bei der Zahl der beschäftigten Redakteure um kein geheimhaltungsbedürftiges Betriebsinternum. Die Klägerin hätte darlegen müssen, warum die Anzahl der Redakteure für die Zeitung bedeutsam sei, von den Arbeitnehmern verschwiegen werden müsse und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht berichtet werden dürfe. Bislang habe die Klägerin in keiner Weise dargelegt, wo ihr tatsächliches, rechtliches oder wirtschaftliches Interesse liege, Entsprechendes geheim zu halten oder nicht nach außen dringen zu lassen. Ohne ein solches Interesse könne es keinen Unterlassungsanspruch geben. Tatsächlich wolle die Klägerin erreichen, dass sie sich in keiner Weise überhaupt über die ehemalige Arbeitgeberin äußern solle. Einen solchen "Maulkorb" gebe es weder nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte noch nach allgemeinem Verständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

Die Berufung der Klägerin hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung ist zwar zulässig. Der zusätzlich gestellte Unterlassungsantrag bleibt jedoch ebenfalls ohne Erfolg.

I. Der Unterlassungsantrag zu 1) ist unbegründet.

Die Beklagte hat mit der zitierten Äußerung vom 01. April 2012 keine Verschwiegenheits- bzw. Unterlassungsverpflichtung verletzt.

Nach § 11 des Arbeitsvertrags der Parteien ist die Beklagte verpflichtet, über alle "betriebsinternen Vorgänge" auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Stillschweigen zu bewahren. In der von ihr unterzeichneten Unterlassungserklärung vom 06. März 2012 hat sich die Beklagte verpflichtet, es ab sofort zu unterlassen, "Betriebsinterna" der Klägerin Dritten mitzuteilen und/oder zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen.

Im Streitfall kann offen bleiben, ob eine derart weitgehende Verschwiegenheitsvereinbarung, die sich auf alle "betriebsinternen Vorgänge" bzw. "Betriebsinterna" erstreckt, nicht bereits wegen einer dadurch bewirkten übermäßigen Vertragsbindung als Einzelabrede nach § 138 BGB insgesamt nichtig bzw. als Formularklausel im Arbeitsvertrag wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist und eine geltungserhaltende Reduktion ausscheidet (vgl. zur Unzulässigkeit sog. "All-Klauseln": Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 714; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Reichold 3. Aufl. § 48 Rn. 39). Eine Verschwiegenheitsvereinbarung kann jedenfalls nur insoweit zulässig sein, als die Geheimhaltung durch berechtigte betriebliche Interessen gedeckt ist (LAG Hamm 5. Oktober 1988 - 15 Sa 1403 /88 - DB 1989, 783; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 714; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 13. Aufl. § 55 Rn. 55; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Reichold 3. Aufl. § 48 Rn. 39; Staudinger-Richardi/Fischinger BGB - Neubearbeitung 2011 § 611 Rn. 650). Auch wenn man davon ausgeht, dass der verwandte Begriff der "betriebsinternen Vorgänge" bzw. der "Betriebsinterna" in diesem Sinne einschränkend ausgelegt werden kann und die der Beklagten auferlegte Verschwiegenheitsverpflichtung insoweit zulässig ist, fehlt es jedenfalls an einem berechtigten Interesse der Klägerin an einer Geheimhaltung der Besetzung ihrer Redaktion.

Im Streitfall erfasst die vereinbarte Verschwiegenheits- bzw. Unterlassungsverpflichtung bei verfassungskonformer Auslegung gemäß §§ 157, 242 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht die angeführte Äußerung der Beklagten vom 1. April 2012. Die Reichweite der Verschwiegenheitspflicht nach § 11 des Arbeitsvertrags bzw. der hiermit korrespondierenden Unterlassungspflicht aus der Unterlassungserklärung vom 6. März 2012 bedarf im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einer verfassungskonformen Auslegung, nach der nur Äußerungen über solche betriebsinternen Vorgänge bzw. Betriebsinterna untersagt sind, an deren Geheimhaltung die Klägerin ein berechtigtes Interesse hat (vgl. Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Reichold 3. Aufl. § 48 Rn. 40; Staudinger-Richardi/Fischinger BGB - Neubearbeitung 2011 § 611 Rn. 650; vgl. zur verfassungskonformen Auslegung eines vertraglichen Nebentätigkeitsverbots im Hinblick auf Art. 12 GG: BAG 26. August 1976 - 2 AZR 377/75 - Rn. 13, DB 1977, 544).

Auch Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen grundsätzlich den Grundrechtsschutz. Die Behauptung einer Tatsache ist streng genommen zwar keine Meinungsäußerung, fällt aber gleichwohl in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, weil und soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen ist, welche Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet. Der Schutz von Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zur Meinungsbildung nichts beitragen können, so dass nur die bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst wird (BVerfG 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 - Rn. 58, NJW-RR 2010, 470). Danach fällt die Äußerung der Beklagten vom 01. April 2012, deren Wahrheitsgehalt auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Beklagte hat ihre Äußerung in einem Diskussionsforum bei Facebook gemacht, in dem es um die Frage geht, inwiefern der Geschäftsführer der Klägerin sowie der geschäftsführende Gesellschafter der T.S. D. GmbH "Einfluss" auf den Inhalt der Zeitung nehmen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte auch ihren Beitrag vom 01. April 2012 zur Meinungsbildung in der betreffenden Facebook-Gruppe eingestellt. Mithin ist im Streitfall das Interesse der Beklagten an freier Kommunikation und Kritik im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit zu berücksichtigen, die für die Beurteilung der Vertragsrechte und Vertragspflichten auch und gerade in Bezug auf die Pflichtenstellung eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers Maßstäbe setzt (vgl. BGH 20. Januar 1981 - VI ZR 162/79 - Rn. 32, NJW 1981, 1089). Auch die Pressefreiheit (Satz 2 des Artikel 5 Abs. 1 GG) ist um der Meinungsfreiheit willen (Satz 1 des Artikel 5 Abs. 1 GG) gewährleistet; sie soll der öffentlichen Meinungsbildung das Forum der Medien für die freie geistige Auseinandersetzung garantieren. Mit diesen Zielen wäre es aber nicht vereinbar, wenn ein Zeitungsverlag die Pressefreiheit auch dafür in Anspruch nehmen könnte, den redaktionellen Arbeitsbereich und seine Entscheidungsstrukturen unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis von vornherein einer öffentlichen Diskussion zu entziehen, die durch die Verfassungsgarantien des Artikel 5 Abs. 1 GG gesichert, nicht aber beschränkt werden soll (BGH 20. Januar 1981 - VI ZR 162/79 - Rn. 38, NJW 1981, 1089).

Im Streitfall ist ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Klägerin weder vorgetragen noch ersichtlich. Gemäß der zutreffenden Feststellung des Arbeitsgerichts kann daher nicht angenommen werden, dass schutzwürdige Arbeitgeberinteressen gegenüber den Interessen der Beklagten an der freien Meinungsäußerung überwiegen. Bei verfassungskonformer Auslegung erfassen die von der Beklagten übernommenen Verschwiegenheitspflichten nicht ihre durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Äußerung vom 1. April 2012, weil hierdurch kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Klägerin beeinträchtigt wird.

II. Der Antrag zu 2), mit dem die Klägerin die Androhung eines Ordnungsgeldes begehrt, ist nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist erkennbar nur für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsantrag zu 1) gestellt (vgl. BAG 03. Mai 2006 - 1 ABR 14/05 -, Rn. 34, DB 2007, 60).

III. Der mit dem Antrag zu 3) geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe besteht nicht.

1. Gemäß den obigen Ausführungen hat die Beklagte mit ihrer Äußerung vom 01. April 2012 gegen keine Unterlassungsverpflichtung aus der Unterlassungserklärung vom 06. März 2012 verstoßen.

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin beinhaltet die Unterlassungserklärung vom 06. März 2012 keine Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung der bezeichneten Textpassage aus dem Internet.

Mit der von ihr unterzeichneten Unterlassungserklärung vom 06. März 2012 hat sich die Beklagte lediglich verpflichtet, es "ab sofort" zu unterlassen, Dritten gegenüber zu behaupten und/oder zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen, die Abrechnung zwischen der Unterlassungsgläubigerin und der Firma T.S. dürfte die Steuerfahndung interessant finden. Danach hat sich die Beklagte nur zur künftigen Unterlassung einer derartigen Äußerung, nicht aber zur Löschung einer entsprechenden Textpassage aus ihrem "Facebook-Eintrag" verpflichtet. Dementsprechend bezieht sich auch die in der Unterlassungserklärung vom 06. März 2012 enthaltene Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe auf den Fall einer "künftigen Zuwiderhandlung". Entgegen der Ansicht der Klägerin kann vorliegend die von der Beklagten übernommene Unterlassungsverpflichtung nicht mit einer Beseitigungsverpflichtung gleichgesetzt werden. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch haben hier grundsätzlich unterschiedliche Inhalte. Die Nichtbeseitigung einer Störung kann nur dann mit einer Fortsetzung der Beeinträchtigungshandlung gleichzusetzen sein, wenn ein bestehender Störungszustand durch weitere Verletzungshandlungen fortlaufend "erneuert" wird (vgl. BGH 29. Mai 2009 - V ZR 15/08, Rn. 9, NJW 2009, 2528). Das ist aber hier nicht der Fall. Die Unterlassungserklärung der Beklagten bezieht sich auf die künftige Unterlassung der bezeichneten Behauptung ("ab sofort"). Eine unterbliebene Löschung der am 25. Februar 2012 gemachten Äußerung bei Facebook stellt keine fortgesetzte Erneuerung der Äußerung dar.

Unabhängig davon sind nach dem telefonischen Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. März 2012 die betreffenden Passagen unstreitig aus dem Internet entfernt worden. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte dem Anliegen der Klägerin sofort Rechnung getragen und zeitnah die Entfernung veranlasst hat, handelt es sich selbst bei Annahme eines Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht allenfalls um eine geringfügige Zuwiderhandlung, die gemäß § 242 BGB hinzunehmen ist (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/Gottwald 6. Aufl. § 339 Rn. 44 m.w.N.).

IV. Der Unterlassungsantrag zu 4) ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung ist als Klageänderung gemäß § 533 ZPO zulässig.

Die Sachdienlichkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz ist zu bejahen. In Anbetracht des mit dem Antrag zu 3) weiterverfolgten Vertragsstrafenanspruchs kann der zusätzliche Unterlassungsantrag zu 4) auf diejenigen Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

2. Der Unterlassungsantrag zu 4) ist aber unbegründet.

Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob die Äußerung der Beklagten vom 25. Februar 2012, nach der die angeführte Abrechnung ggf. die Steuerfahndung interessant finden dürfte, überhaupt einen Unterlassungsanspruch der Klägerin begründet hat. Jedenfalls räumte die von der Beklagten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr aus (vgl. BGH 24. Oktober 2005 - II ZR 56/04 - Rn. 5, NJW-RR 2006, 566). Nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 06. März 2012 hat die Beklagte derartige Äußerungen nicht mehr gemacht. Gemäß den obigen Ausführungen liegt allein in der unterbliebenen Löschung der entsprechenden Textpassage aus dem "Facebook-Eintrag" keine Zuwiderhandlung gegen die mit der Unterlassungserklärung übernommene Unterlassungsverpflichtung. Die Nichtbeseitigung der entsprechenden Textpassage stellt keine fortgesetzte Erneuerung der Äußerung dar; ihr kann deshalb mit einem Unterlassungsantrag begegnet werden (vgl. BGH 29. Mai 2009 - V ZR 15/08 - Rn. 9, NJW 2009, 2528).

Im Übrigen sind nach dem telefonischen Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. März 2012 die betreffenden Passagen unstreitig aus dem Internet entfernt worden. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte dem Anliegen der Klägerin sofort Rechnung getragen und zeitnah die Entfernung veranlasst hat, vermag auch bei Annahme einer entsprechenden Verpflichtung allein deren geringfügig verzögerte Erfüllung jedenfalls nicht die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr zu begründen.

V. Der Antrag zu 5), mit dem die Klägerin die Androhung eines Ordnungsgeldes begehrt, ist erkennbar nur für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsantrag zu 4) gestellt und deshalb nicht zur Entscheidung angefallen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.



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