Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 6 Sa 451/11

Rückforderung von Vergütung in der Insolvenz wegen fehlender Arbeitsleistung (Insolvenzanfechtung)

(1.) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung (hier: angeblich nicht arbeitende Arbeitnehmerin) hat die erzielte Bereicherung an die Insolvenzmasse zurück zu gewähren, um den Insolvenzgläubigern nicht zu schaden (§§143, 134 InsO).
(2.) Zum Beleg von Vergütungsansprüchen reicht es regelmäßig aus, wenn ein Arbeitnehmer darlegt, sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten zu haben, um die Arbeitsanweisungen seines Arbeitgebers zu befolgen - die konkret zu leistende Arbeit durch Weisungen zu bestimmen ist dann dessen Sache.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - 2 Ca 1711/10 - vom 09.06.2011 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand


Die Parteien streiten im Rahmen der Insolenzanfechtung über die Rechtsgrundlosigkeit einer gezahlten Arbeitsvergütung.

Der Kläger wurde mit Beschluss vom 1. Februar 2007 durch das Amtsgericht Dresden zum Insolvenzverwalter für das am gleichen Tag vor dem Amtsgericht Dresden eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der F C. & Sohn GmbH in B - 5 IN 0000 - bestellt. Die Beklagte ist die getrennt lebende Ehefrau des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin.

Die Insolvenzschuldnerin F C. & Sohn GmbH war 1991 als Tochter der Firma C. & Sohn GmbH gegründet worden. 1996 wurde - unter Aufbau einer Fertigungsstätte mit zwei Produktionshallen, Büro- und Sozialanbau usw. - eine zweiten Niederlassung in B errichtet. Bis spätestens Mitte 2006 geriet die Insolvenzschuldnerin in eine nicht mehr überwindbare Krise, die zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte. Im Rahmen von Sanierungsbestrebungen der Hausbank war eine Sanierungsbewertung zustande gekommen, in welcher neben Daten, die für die wirtschaftliche Betrachtung wesentlich waren, auch ein Organigramm der Firmenstruktur mit Abteilungen und - nach Ansicht des Klägers: sämtlichen - Namen beschäftigter Mitarbeitern vorkamen, u.a. der der Tochter der Beklagten ( C. [-G.]) in der Personalabteilung, des Sohns (Manuel C.) in der Führungsebene und des Ehemanns der Beklagten (Herbert C.) als Geschäftsführer, nicht indes der der Beklagten (Bl. 20 ff. d.A.).

Seit Beginn der Ehe im September 1972 hatte die Beklagte in unterschiedlichen Tätigkeiten für den Betrieb gearbeitet und hierfür Lohn erhalten. Ein schriftlicher Vertrag nicht abgesetzt worden. Anlässlich der Geburt des ersten Kindes hatte sich die Arbeitszeit der Klägerin reduziert, nach der Geburt des zweiten Kindes in Übereinstimmung mit dem Arbeitgeber die Arbeitserledigung nach Hause verlagert. Auch als die Kinder nicht mehr betreut werden mussten, blieb die Praxis der Arbeit von zuhause aus unverändert. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass die Beklagte 2005 und 2006 - als die Eheleute getrennt lebten - in einem „Beschäftigungsverhältnis“ stand. Der Beklagten gegenüber wurde monatlich ein Bruttogehalt von 1.329,96 EUR (einschließlich Direktversicherung und Pkw-Nutzung) abgerechnet - aufs Jahr besehen 23.513,15 EUR in 2005 und 23.524,69 EUR in 2006, zusammen 47.037,84 EUR (Ablichtungen der Lohn-/ Gehaltsabrechnung 12/05 und 12/06 in Bl. 26 f. d.A.). Auf einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gab die Beklagte am 12. Juli 2007 unter Gegenzeichnung der Arbeitgeberseite an, seit 1. Januar 2005 „bis heute“ als kaufmännische Angestellte beschäftigt gewesen zu sein (Ort der Tätigkeit: zuhause; durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit: Arbeitstage: 5, Stunden: 40; Arbeitszeit: feste Arbeitszeit; Beschreibung der ausgeübten Tätigkeit: OP-Listen bearbeiten, Ausschreibungen anfordern; Tätigkeit wurde aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt; der mitarbeitende Angehörige ist an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit gebunden und das Weisungsrecht wird tatsächlich auch ausgeübt; im Einzelnen Bl. 28-30 d.A.).

Der Kläger erklärte mit Schriftsatz vom 20. Mai 2009 gegenüber der Beklagten die Anfechtung gemäß § 134 InsO wie folgt (Bl. 31 f. d.A.):

„.. Aus den mir bislang vorliegenden Lohnunterlagen wurden sie zumindest in dem Zeitraum ab Januar 2005 als Arbeitnehmerin bei der Insolvenzschuldnerin geführt und haben in den Jahren 2005 und 2006 ein Bruttoentgelt von insgesamt rund 47.000 EUR erhalten. Da von ehemaligen Mitarbeitern auf Anfragen bezüglich ihrer konkreten Tätigkeit im Unternehmen keine plausiblen Angaben gemacht werden konnten und ihre eigenen Angaben vom 12.07.2007 in dem ‚Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen’ auch keine schlüssige Antwort auf Ihre tatsächlich geleistete Arbeit zu lassen, ist nach bisherigem Kenntnisstand nicht auszuschließen, dass es sich vorliegend um ein Scheinarbeitsverhältnis handelt. ... Die erhaltenen Zahlungen ohne adäquate Gegenleistung wären gemäß § 134 InsO anfechtbar mit der Konsequenz, dass die erhaltenen Zahlungen bzw. ein angemessener Teil davon an die Insolvenzmasse zurückzuzahlen sind. Insofern bitte ich Sie, mir bis zum 08.06.2009 mitzuteilen bzw. nachzuweisen, welche Tätigkeiten sie ausgeübt haben ...“

Die Beklagte antwortete am 30. Juni 2009, sie habe ihrem Gehalt entsprechend und wie im Feststellungsbogen vom 12. Juli 2007 erklärt gearbeitet.

Dem am 1. Juli 2009 klägerseits beim Amtsgericht Aschersleben beantragten, am 3. Juli 2009 erlassenen und am 8. Juli 2009 zugestellten Mahnbescheid über 47.037,85 EUR aus insolvenzrechtlicher Anfechtung gemäß § 134 InsO nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2007 widersprach die Beklagte am 14. Juli 2009 insgesamt. Das Verfahren wurde am 17. August 2009 antragsgemäß an das Landgericht Kaiserslautern abgegeben.

Am 19. März 2010 rechnete der Kläger der Beklagten gegenüber die Arbeitsmonate Februar und März 2007, während derer er die Beklagte freigestellt hatte, mit jeweils 1.329,36 EUR (brutto) ab, woraus sich - unter Abzug auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener 1.257,15 EUR netto - ein Zahlbetrag von 664,61 EUR ergab. Der Kläger meinte im vorliegenden Verfahren, zur Auskehr verpflichtet gewesen zu sein, solange die Anfechtung nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt gewesen sei, weil das einer kanzleiinternen Vereinbarung entsprochen habe. Unstreitig blieb zwischen den Parteien, dass über den 31. März 2007 hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr bestand.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 29. November 2010 - 3 O 566/09 - erklärte das Landgericht Kaiserslautern den ordentlichen Rechtsweg für unzulässig (Bl. 73 ff. d.A.) und verwies den Rechtsstreit an das örtliche Arbeitsgericht.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen:

Im Betrieb der Insolvenzschuldnerin sei keine nennenswerte Tätigkeit der Beklagten bekannt (Zeugnis Frau D., Herr E.). Die von ihr behaupteten Tätigkeiten seien nicht nach außen in Erscheinung getreten. Sie habe keine entlohnungsgemäßen Arbeitsleistungen erbracht (Zeugnis Herr A., Herr B., Herr Herbert C.). Frau D. habe für die Gemeinschuldnerin alle OP-Listen bearbeitet, Herr E. alle Angebote und Ausschreibungen (Zeugnis Frau D., Herr E.). Beklagtenseits behauptete Recherchen, Ausschreibungsermittlungen gegenüber der öffentlichen Hand, irgendwelches Ausfindigmachen von Bauträgern oder Generalunternehmern habe es nicht gegeben (Nichtwissen). Namentlich behauptete Präsentationen gegenüber Architekten und Bauträgern bedürften der Konkretisierung. Die Insolvenzschuldnerin habe immerhin über ein Hochglanz-Prospekt mit wesentlichen Angaben und eine eigene Homepage für den ersten Zugriff verfügt (was unstreitig blieb). Auch vermeintliche Zuständigkeiten als „Feuerwehr“ oder „Mädchen für alles“ bedürften der Substantiierung. Insbesondere im 40-stündigen Wochenumfang seien solche Arbeiten nicht möglich gewesen. Zudem habe es keinerlei dem Standard elektronischer Vernetzung entsprechende Verbindung zwischen dem vermeintlichen Arbeitsort der Beklagten und dem Betrieb der Insolvenzschuldnerin gegeben, um Arbeitsergebnisse dem kaufmännischen System zuführen zu können (was unstreitig blieb). Weiter hätte die Beklagte, wenn sie eine ihrem ausgezahlten Lohn entsprechende Tätigkeit ausgeführt haben wollte, unter Namensnennung im Organigrame erfasst sein müssen. Ohne erbrachte Arbeitsleistung könne es sich nur um ein Scheinarbeitsverhältnis mit Alimentcharakter gehandelt haben. Er (der Kläger) bestreite (mit Nichtwissen), dass der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin seit 2004 Unterhaltsleistungen erbracht habe. Zwar habe auch er (der Kläger) noch im Frühjahr 2010 Lohn an die Beklagte gezahlt. Grund hierfür sei jedoch nur gewesen, dass Lohnzahlung, Lohnabrechnungen, Abgabenleistungen usw. aus der vormaligen Zeit den äußeren Eindruck eines bestehenden Arbeitsverhältnis erweckt hätten, d.h. der Vertrag von Anfang an gültig gewesen sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zur Insolvenzmasse 47.037,85 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat die Klageabweisung beantragt und ihrerseits vorgetragen:

Sie habe für die Firma unter Einsatz eines PC folgende Arbeiten von zuhause aus erbracht und sei hierfür anschließend wie vertraglich vereinbart entlohnt worden: (1) Recherchieren von Ausschreibungen potentieller Auftraggeber der öffentlichen Hand, von Bauträgern und Generalunternehmern, und zwar orientiert an der Produktpalette und den Kompetenzen und Leistungsvermögen der Insolvenzschuldnerin unter Anforderung von Ausschreibungsunterlagen, (2) Vorstellung der Insolvenzschuldnerin gegenüber Architekten und Bauträgern durch entsprechende Anschreiben unter Darstellung des Unternehmensprofils zum Ziel der Neukundenakquise, (3) Fertigstellung von Kalkulationen unter Übertragung der Kalkulationen in die notwendigen Formblätter, (4) Zuarbeiten in allen anderen Bereichen, je nach Bedarf und Notwendigkeit als „Mädchen für alles“ oder „Feuerwehr“. Aufgrund ihrer langjährigen und firmenbezogenen Berufserfahrung habe sie in den verschiedensten Bereiche eingesetzt werden und - teils eigenständig, teils in Ergänzung oder in Zusammenarbeit mit anderen Arbeitnehmern - anfallende Büroarbeiten zu erledigen vermocht. Eine feste Zuordnung von Arbeitsbereichen habe es nur für die jeweiligen Projekte gegeben. Die Verbindungsbrücke zwischen häuslichem Arbeitsplatz und Betrieb sei die im Betrieb beschäftigte Tochter gewesen, mit der sie tagtäglich in Kontakt gestanden habe. Sie (die Tochter) habe ihr - soweit notwendig - sämtliche Unterlagen und Informationen direkt überbracht bzw. umgekehrt auch wieder mit in die Firma genommen (Zeugnis Frau C.-G., Zeugnis Herr Herbert C.). Die fehlende Erwähnung im Organigramm habe möglicherweise darauf beruht, dass hiermit nur eine Stellungnahme zur Fortführungsfähigkeit und -Würdigkeit bezweckt gewesen sei, in der sie (die Beklagte) keine Rolle mehr gespielt habe, oder dass man sie schlicht übersah. Ansprüche auf Rückgewähr umfassten zumindest keine vollen Bruttolohnsummen und unterlägen der - vorliegend durchgreifenden - Verjährung.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat der Klage mit Urteil vom 9. Juni 2011 - 2 Ca 1711/10 - (auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz Bezug genommen wird, Bl. 138 ff. d.A.) vollumfänglich entsprochen. Es hat dafür gehalten, dass die Klägerin keine nachvollziehbaren Arbeitsleistungen erläutert habe, obgleich sie hierzu aufgrund sekundärer Darlegungslast verpflichtet gewesen sei. Das Geschilderte seien nur Tätigkeiten im Allgemeinen, ohne (wenigstens exemplarischen) Bezug zum genauen Inhalt und zeitlichen Umfang, was auch im Hinblick auf die im Feststellungsbogen aufgeführten Tätigkeiten einer Bearbeiterin von OP-Listen gelte. Auch wenn der Kläger für 2007 noch Vergütungsdifferenzen nachgezahlt habe, liege hierin kein Anerkenntnis einer Lohnzahlungspflicht in 2005 und 2006. Umgekehrt gelte statt dessen, dass, wenn für diese Jahre Arbeitsleistungen fehlten, solche offenbar auch nicht hätten erbracht werden müssen, was wiederum ein Scheinarbeitsverhältnis nahe lege. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass ein Arbeitsverhältnis, obwohl der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht nachkomme, zwei Jahre lang mit monatlichen Vergütungsleistungen bedacht werde.

Das Urteil wurde der Beklagten am 5. Juli 2011 zugestellt. Sie hat hiergegen mit Schriftsatz 27. Juli 2011, eingegangen 29. Juli 2011, Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 5. Oktober 2011 verlängerten Frist mit Schriftsatz vom 30. September 2011, eingegangen am gleichen Tag, begründet.

Die Beklagte trägt zweitinstanzlich vor:

Weil eine ausdrückliche Anfechtung nicht erklärt worden sei (das Schreiben vom 20. Mai 2009 habe allein der Sachverhaltsaufklärung gedient und auch die Klageerhebung stelle keine auslegungsfähige Erklärung dar) sei der Anspruch schon aus formellen Gründen nicht gegeben. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht die sekundäre Darlegungslast überspannt. Es sei nicht möglich, alle Umstände der Arbeitstätigkeit einschließlich zeitlicher Anteile bis ins Detail zu rekonstruieren. Sie (die Beklagte) habe als kaufmännische Angestellte an fünf Tagen der Woche mit insgesamt 40 Stunden von zuhause aus folgende Aufgabenbereiche mit entsprechenden Zeitanteilen bearbeitet:

(1) Recherchieren von Ausschreibungen - hierzu habe sie die von ihrer Tochter erhaltenen Ausschreibungshefte (Bundesausschreibungsblatt; I-Hefte), in denen deutschlandweit Objekte für Fenster und Türen in Kunststoff- und Alu-Bauweise sowie in Holz- und Holz-Alu-Bauweise ausgeschrieben seien, auf passende Bauvorhaben im Angebotsprofil der Insolvenzschuldnerin geprüft und nach telefonischer Rücksprache mit dem Geschäftsführer zum Anlass der Anforderung von Ausschreibungsunterlagen genommen, wobei weitere vergleichbare Recherchen auch im Internet durchgeführt worden seien, was einen täglichen Arbeitsanfall von ein bis zwei Stunden ausgemacht habe -,

(2) Vorstellung des Unternehmens gegenüber Architekten / Unternehmen etc. pp. - hier habe sie (die Beklagte) über das Internet usw. Architekten, Bauträger und Generalunternehmer herausgesucht, um ihnen das Unternehmen anhand von Prospekten und Anschreiben mit dem Ziel, künftig Ausschreibungsunterlagen automatisch zugesandt zu erhalten, sofern neue Vergaben anstünden, präsentiert, was einen täglichen Arbeitsaufwand von etwa einer Stunde umfasst habe -,

(3) sonstige Arbeiten und Korrespondenz - dies habe die Erledigung von Korrespondenzen für den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin auf telefonisch mitgeteilte oder per Handdiktiergerät vorbereitete Diktate beinhaltet, wobei die Kassetten von ihrer Tochter mitgebracht und die fertigen Briefe dieser wieder mitgegeben worden seien, was einen Zeitaufwand von 0,5 bis eine Stunde pro Tag ausgefüllt habe -,

(4) Bearbeitung der OP-Liste der Firma C. in St. J - bei der Insolvenzschuldnerin seien hierzu einmal im Monat Listen der offenen Posten ausgedruckt worden, welche sie von ihrer Tochter zur Abarbeitung überbracht erhalten habe, und die sie über Kontaktaufnahmen mit den Kunden sowie Nachfragen, aufgrund welcher Umstände Zahlungen noch nicht beglichen seien, Anhalten zu Zahlungen, Vereinbarung von Zahlungszielen bzw. (soweit Rückstände auf Mängeln beruht hätten) durch Mängelvermerke für ihre Tochter zur Weitergabe in den Betrieb, erfüllt hätte, dies alles bei einem täglichen Arbeitsaufwand von ein bis zwei Stunden -,

(5) Übertragung von Ausschreibungen und Fertigstellung von Ausschreibungsunterlagen - hier seien täglich ca. drei Ausschreibungen in die vorgesehenen Formulare übertragen worden, Bescheinigungen z.B. für die Berufsgenossenschaft, das Handelsregister, Krankenkassen oder das Finanzamt kopiert, den Unterlagen beigefügt, verpackt und versandt worden (einschließlich Verbringung zur Post mit ca. 20 Min. Fahrtaufwand), woraus abermals je nach Größe der Ausschreibung teilweise bis zu vier Stunden Arbeitszeit hervorgegangen seien (bei hohem Aufmerksamkeitsaufwand, weil die Übertragungen formell und inhaltlich richtig sein müsse, um die Teilnahme an der Ausschreibung zu gewährleisten, es handelte sich schließlich um Ausschreibungen mit Auftragswerten von 1 bis 2 Millionen, wobei pro Seite der Ausschreibung 3-7 Positionen anfielen, je Objekt ca. 200-400 Seiten) - Beweis Zeugnis Frau C.-G., Herr Herbert C., Herr G., Herr H., Herr I.).

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 9. Juni 2011 abzuändern und die Klage - auch in ihrer hilfsweisen Fassung des Berufungsrechtszugs - abweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

sowie hilfsweise sinngemäß

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zur Insolvenzmasse 37.199,67 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2009 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihre Erstattungsansprüche gemäß § 26 SGB IV gegenüber der Einzugsstelle (DAK B, K 4, B, Sozialversicherungsnummer: 00000000), ersatzweise gegenüber den Sozialversicherungsträgern (D, Bundesagentur für A, Deutsche Rentenversicherung/Mitteldeutschland) für das Jahr 2005 in Höhe von insgesamt 4.876,57 EUR und für das Jahr 2006 in Höhe von insgesamt 4.961,61 EUR an den Kläger abzutreten.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt weiter vor:

Die Anfechtung sei mit Mahnbescheidsantrag und späterer Klagebegründung ausreichend geltend gemacht. Zu erstatten sei jedweder geldwerte Vorteil, auch in Gestalt von ersparten Aufwendungen (Dienstwagen o.ä.). Selbst mit weiterem Vortrag habe die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Die Beklagte habe die behaupteten Tätigkeiten nicht bei der Insolvenzschuldnerin erbracht, schon gar nicht im behaupteten Zeitumfang (Zeugnis Herr A., Herr B., Herr Herbert C.). Es seien keine Arbeitsergebnisse in den normalen Unternehmenskreislauf integriert worden. Vielmehr sei das Organigramm für den status quo der seinerzeitigen Belegschaft beachtlich. Bei Diktaten für den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin könne es sich nicht um Gegenstände des Unternehmens gehandelt haben. Die in St. J ehemals ansässige C. & Sohn GmbH sei im Zeitraum 2005 bis 2006 in die M Verwaltungsgesellschaft mbH umbenannt worden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahren sei fehlender Masse gescheitert (was unstreitig blieb).

Die Kammer hat über die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe zwischen 2005 und 2006 keinerlei Arbeitsleistungen erbracht, namentlich nicht OP-Listen betreut oder Ausschreibungen und Angebote begleitet, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Frau D., Herr E., Herr A., Herr B. und Herr Herbert C., sowie gegenbeweislich durch Vernehmung des Herrn Herbert C. und der Frau C.-G. erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 15. Februar 2013 in Bl. 372 ff. d.A. Bezug genommen.

Des weiteren wird für den Sach- und Streitsstand zweiter Instanz ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze (der Beklagten vom 30. September 2011 [Bl. 171 ff. d.A.], 17. Februar 2012 [Bl. 234 d.A.], 5. November 2012 [Bl. 192 f. d.A.], 30. November 2012 [Bl. 328 f. d.A.], 19. Dezember 2012 [Bl. 333, 336 d.A.], 8. Januar 2013 [Bl. 351 d.A.] und 17. Januar 2013 [Bl. 367 d.A.] sowie des Klägers vom 20. Oktober 2011 [Bl. 205 ff. d.A.], 7. Februar 2012 [Bl. 232 d.A.], 27. Februar 2012 [Bl. 235 d.A.], 12. September 2012 [Bl. 260 d.A.], 13. September 2012 [Bl. 262 ff. d.A.], 15. Oktober 2012 [Bl. 280 d.A.] und 29. Oktober 2012 [Bl. 286 f. d.A.]) nebst Anlagen, die zur Gerichtsakte gereichten Unterlage sowie die Protokolle vom 27. Januar 2012, 24. August 2012 und 15. Februar 2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe


A.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage erweist sich zumindest nach ergänzendem Vorbringen der Beklagten in zweiter Instanz sowie durchgeführter Beweisaufnahme als unbegründet.

I.
Die Berufung ist zulässig (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG). Die Beklagte ist im Umfang des erstinstanzlich ausgeurteilten Zahlungsbetrags, der die Grenze des § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG übersteigt, beschwert. Sie hat ihr Rechtsmittel form- und fristgerecht angebracht (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

II.
Die Klage ist im Hauptantrag zulässig, aber nicht begründet. Spätestens aus dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ergab sich unzweifelhaft, dass die Beklagte die in Abrede gestellten Arbeitstätigkeiten im geschuldeten Umfang doch erbracht hatte. Der auf den Erfolgsfall gerichtete Hilfsantrag fällt nicht mehr zur Entscheidung an.

1. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig. Sie genügt den Anforderungen aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt Wertersatz aus insolvenzrechtlicher Anfechtung gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1, § 134 InsO. Den Bestimmtheitsanforderungen genügt ein solcher Klageantrag, wenn er den Wertersatz konkret beziffert und einen Sachvortrag umfasst, der die Tatsachen, aus denen der Anfechtungsanspruch hergeleitet wird, erkennen lässt (HK-InsO/ Kreft 5. Aufl. § 146 Rn. 8). Diesen Voraussetzungen wurde vorliegend genügt.

2. Die Klage ist im Hauptantrag aber nicht begründet. Dem Kläger steht kein Wertersatz aus insolvenzrechtlicher Anfechtung zu. Nach § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO hat der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung die erzielte Bereicherung zwar zurück zu gewähren, wenn die Leistung unentgeltlich i.S.d. § 134 InsO erlangt war, nicht nur Gelegenheitsgeschenke betraf und im Erhalt nicht länger als vier Jahre bis zur Insolvenzeröffnung zurück lag. Die Voraussetzungen der Unentgeltlichkeit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

a) Dem Kläger fehlte allerdings nicht schon die Anfechtungsbefugnis. Er hatte zwar in Anlage K 1 lediglich eine Ablichtung seiner Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter vom 10. Januar 2007 zur Gerichtsakte gereicht (Bl. 14 f. d.A.). Nach § 129 Abs. 1 InsO ist anfechtungsbefugt indes nur der (schlussendliche) Insolvenzverwalter. Zwischen den Parteien bestand aber über die nachfolgend zur vorläufigen Bestellung erfolgte Einsetzung als eigentlichem Insolvenzverwalter (Beschluss des Amtsgerichts L-Stadt vom 1. Februar 2007, Az.  000/00) kein Streit. Es gab bei Schluss der mündlichen Verhandlung weiter auch keinen Anhaltspunkt, dass das Insolvenzverfahren bereits vollständig und ohne Nachtragsverteilung beendet gewesen sein sollte (zu dieser sachlichen Begrenzung der Rechtsausübung etwa Huber in Gottwald Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl. § 51 Rn. 10).

b) Entgegen dem Beklagteneinwand war das Anfechtungsrecht des Klägers auch nicht nach § 134 Abs. 1, § 146 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Die Insolvenzanfechtung bedarf keiner gesonderten Erklärung (BGH 1.2.2007 - IX ZR 96/04 - Rn. 20, NZI 2007, 230). Die Würdigung des auf eine solche Erklärung gleichwohl deutenden Klägerschreibens vom 20.Mai 2009 konnte vor diesem Hintergrund letztlich auf sich beruhen. Das Anfechtungsrecht war mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und zugleich - in Gestalt des Rückgewähranspruchs aus anfechtbarem Rechtsgeschäft - auch fällig geworden. Auf diesen Beginn vom 1. Februar 2007 endete die Verjährungsfrist nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB (zur Anwendbarkeit HK-InsO/ Kreft § 146 Rn. 11) mit Ablauf des 31. Dezember 2010 und war vorliegend mit Zustellung des Mahnbescheids - unter Hinweis auf das klägerseitige Anfechtungsrecht - unter dem 8. Juli 2009 rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

c) Der Beklagten war allerdings zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 31. Dezember 2006 keine unberechtigte weil unentgeltliche Arbeitsentgeltleistung zugekommen, die sie an den Kläger zurückgewähren musste.

aa) Unentgeltlich ist eine Leistung, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zu Gunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert zufließen soll (BGH 21.12.2010 - IX ZR 199/10 - Rn. 10, NZI 2011, 107). Bei einer Leistung im Rahmen eines entgeltlichen Vertrags liegt Entgeltlichkeit vor, soweit durch die Leistung eine bestehende Verbindlichkeit erfüllt wird; Gegenleistung ist dann die vom Schuldner erlangte Befreiung von seiner Verbindlichkeit (BGH 9.12.2010 - IX ZR 60/10 - Rn. 10, NJW 2011, 1732). Bei Zahlungen auf eine Nichtschuld fehlt es an der Entgeltlichkeit einer Leistung (BGH 21.12.2010 - IX ZR 199/10 - Rn. 12, a.a.O.). Leistung ist jede Schmälerung des Schuldnervermögens, durch welche die Insolvenzgläubiger unmittelbar oder mittelbar benachteiligt werden (BGH 19.4.2007 - IX ZR 79/05 - Rn. 14, NZI 2007, 403). Dem anfechtenden Insolvenzverwalter obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Vornahme einer unentgeltlichen Leistung sowie die Verursachung einer Gläubigerbenachteiligung. Soweit die Entscheidung von (sei es auch indiziellen) Umständen aus dem Bereich des Anfechtungsgegners abhängt - zum Beispiel ob dieser eine Gegenleistung erbracht hat -, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast (MünchKommInsO/ Kirchhof 2. Aufl. § 134 Rn. 49).

bb) Eine Leistung auf eine Nichtschuld ist nicht anzunehmen.

(1) Der Kläger selbst bringt zum Bestehen einer rechtswirksamen Verbindlichkeit schon Wesentliches vor. So führt er aus, dass die Beklagte in den Jahren 2005 und 2006 in einem „Beschäftigungsverhältnis“ zur Insolvenzschuldnerin gestanden habe (S. 3 der Anspruchsbegründungsschrift vom 8. Oktober 2009, Bl. 12 d.A.), was angesichts der klaren Regelung in § 7 Abs. 1 SGB IV kaum anders als durch Bestehen eines Arbeitsverhältnisses denkbar ist. Er legt zudem auch Abrechnungen des jeweils letzten Kalendermonats der bezeichneten Jahre vor, welche die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen wiedergeben (Anlagen K 6, 7, Bl. 27 f. d.A.), was gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. §§ 28 e Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 SGB IV wiederum nur unter der Voraussetzung eines bestehenden Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses Sinn ergeben konnte. Des Weiteren reichte der Kläger selbst den bereits in seinem Namen für die Insolvenzschuldnerin gegengezeichneten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 12. Juli 2007 zur Gerichtsakte, indem ebenfalls gerade der Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten ausgeführt wird (Anlage K 7, Bl. 28 ff. d.A.).

(2) Soweit der Kläger meint, von einem Scheingeschäft ausgehen zu können, folgt ihm die Berufungskammer nicht.

(a) Ob ein Rechtsgeschäft wirklich gewollt oder nur zum Schein abgeschlossen wird, hängt davon ab, ob die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit ihm verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, oder ob sie ein ernstlich gemeintes Rechtsgeschäft doch für notwendig erachten. Ein bei seinem Abschluss tatsächlich gewollter Vertrag wird nicht deshalb zum Scheingeschäft, weil der mit ihm bezweckte Erfolg in der gewählten Rechtsform nicht erreicht werden kann (BGH 20.7.2006 - IX ZR 226/03 - Rn. 11, NJW-RR 2006, 1555). Die Darlegungs- und Beweislast, dass ein nur dem äußeren Anschein nach bestehendes Rechtsverhältnis hervorgerufen werden sollte, liegt bei demjenigen, der sich auf die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts beruft (BAG 9.2.1995 - 2 AZR 389/94 - zu II 4 der Gründe, NZA 1996, 249).

(b) Vorliegend fehlt substantiierter Klägervortrag dazu, zwischen welchen Personen zu welchem Zweck wann welches andere als eine Arbeitsverhältnis für die Klägerin begründet worden sein mochte.

(aa) Nach dem nicht weiter in Abrede gestellte Beklagtenvorbringen, seit Beginn der Ehe (1972) unter wechselnden Tätigkeitsinhalten im Arbeitsverhältnis zur Insolvenzschuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin gestanden zu haben, war von einem bereits lange bestehenden Rechtsverhältnis auszugehen. Dies hatte der Kläger weder in Abrede gestellt noch widerlegt, dass er den Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 12. Juli 2007 in seinem Namen gegenzeichnete oder gegenzeichnen ließ, der immerhin bis auf das Datum der Eheschließung zurückreichte (Anlage K 7, dort Ziff. 3.8, Bl. 30 d.A.).

(bb) Der pauschale Beweisantritt unter Benennung dreier Zeugen für den Umstand, dass allein ein gegenleistungsfreier Lohnerhalt auf das Bestehen eines Scheinrechtsverhältnis hindeuten mochte (Schriftsatz 02.12.09, Bl. 46. d.A.), war unerheblich, weil dies auf eine Einvernahme über rechtliche Werturteile oder bloße Ausforschung hinauslief. Dem Beweis zugänglich sind allein Tatsachen, d.h. konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörende Geschehnisse oder Zustände (LAG Rheinland-Pfalz 16.8.2011 - 3 Sa 167/11 - zu A I 2 b aa der Gründe, NZA-RR 2012, 5), die der Kläger nicht weiter ausführte. Für einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Ehegattenarbeitsverhältnisse willensgemäß in jedem Trennungsfall automatisch in Scheingeschäfte zum Zweck der leistungsfreien Alimentation umschlagen sollen, fehlt jede verallgemeinerbare Tatsachenbasis.

(cc) Der Kläger konnte vor diesem Hintergrund nicht offen lassen, ob und ggf. seit wann welche trennungsbezogenen Unterhaltsansprüche seitens der Beklagten bestanden haben mochten und ggf. wie bedient oder nicht bedient wurden. Mit bloßem Nichtwissen, ob der Geschäftsführer Unterhalt gewährte, war der Darlegungslast des Klägers nicht genügt. Zudem war zu beachten, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen zur Insolvenzanfechtung in § 143 i.V.m. §§ 130 ff. InsO von einer Umkehr der Beweislast gegenüber nahestehenden Personen gerade abgesehen hatte (HK-InsO/ Kreft § 143 Rn. 34).

(dd) Gegen ein Scheingeschäft sprach schlussendlich auch der Umstand, dass der Kläger selbst - und zwar noch nach Anhängigmachung des vorliegenden Anspruchs am 8. Juli 2009 und nach vorangegangener schriftlicher Erläuterung vom 20. Mai 2009 mithin in Kenntnis aller Umstände - mit Schreiben vom 19. März 2010 sämtliche Restlohnssummen aus 2007 an die Beklagte gezahlt hatte, ohne dabei irgendwelche Vorbehalte zu artikulieren (vgl. Bl. 122 d.A.). War damit für 2007 ein Rechtsgeschäft zumindest kraft Bestätigung i.S.d. § 141 BGB in Wirksamkeit erwachsen, ließ sich an der Tragfähigkeit der Rechtsgrundlage für die vorangegangene Zeit ebenfalls kaum ernsthaft zweifeln. Anderes konnte schließlich auch aus keiner irgendwie erläuterten oder nach außen kenntlich gemachten „Kanzleipraxis“ des Klägers folgen.

cc) Die Lohngewährung gegenüber der Beklagten war zwischen Januar 2005 und Dezember 2006 nicht gegenleistungsfrei erfolgt.

(1) Die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten betrafen Vergütungs- und Gratifikationsansprüche. Für Gratifikationen, die der Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis leistet, gilt generell, dass sie nicht unentgeltlich i.S.d. § 134 InsO erfolgen (Huber in Gottwald Insolvenzrechts-Handbuch § 49 Rn. 14). Soweit der Kläger daneben Lohnansprüche der Beklagten bezweifelte, gilt, dass zum Beleg von Vergütungsansprüchen regelmäßig ausreicht, wenn ein Arbeitnehmer darlegt, sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten zu haben, um die Arbeitsanweisungen seines Arbeitgebers zu befolgen - die konkret zu leistende Arbeit durch Weisungen zu bestimmen ist dann dessen Sache (§ 106 GewO) - (BAG 18.4.2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, NZA 2012, 998). Im insolvenzrechtlichen Anfechtungszusammenhang können an die sekundäre Darlegungslast von Arbeitnehmern keine höheren Anforderungen gestellt werden. Belegt der Arbeitnehmer sein ausreichendes Angebot ist es Sache des Anfechtenden das Gegenteil darzulegen und zu beweisen.

(2) Selbst wenn man das Klägervorbringen letztlich dahin auffassen wollte, die Beklagte habe nicht nur keine beim Arbeitgeber angekommenen Ergebnisse vorzuweisen, sondern auch keine ausreichenden Arbeitsleistungen angeboten, war die Beklagte dem spätestens in zweiter Instanz ausreichend entgegen getreten, indem sie nach Ort (zu Hause), Zeit (regelmäßig 40 Wochenstunden an 5 Tagen) und Inhalt (Recherchieren von Ausschreibungen, Vorstellung des Unternehmens gegenüber Architekten / Unternehmen etc. pp., sonstige Arbeiten und Korrespondenz, Bearbeitung der OP-Liste der Firma C. in St. J und Übertragung von Ausschreibungen und Fertigstellung von Ausschreibungsunterlagen) Leistungsangaben gemacht hatte. Den hiergegen gerichteten Vortrag konnte der Kläger nicht beweiskräftig widerlegen.

(3) Für das Ergebnis der Beweisaufnahme ist dabei gemäß § 286 Abs. 1 ZPO auszuführen, dass die klägerischen Zeugen weder explizit noch implizit ausschließen konnten, dass sich die Beklagte der Insolvenzschuldnerin zur Arbeit zur Verfügung gestellt und auf Zuweisung anforderungsgemäße Leistungen tatsächlich erbracht hatte. Im Gegenteil bekundeten teils Kläger- und durchgehen Beklagtenzeugen, dass tatsächlich und ordnungsgemäß gearbeitet worden war.

(a) Frau D. konnte die eine alleinige OP-Listenführung im Kundenbereich nur für den in B geführten Inhalt erläutern, worum den es nach dem Beklagtenvorbringen, OP-Listen für St. J erbracht zu haben, indes nicht weiter ging. Entgegen dem Klägervorbringen bestätigte sie ausdrücklich, dass nicht nur sie OP-Listen-Führerin war, sondern allein in B noch eine weitere Kraft vorhanden war. Sie erklärte zudem auch dass selbstständige Listenführungen des Weiteren in St. J, und zwar für die dortigen Firmen M und C., existierten. Dass die Beklagte zu denjenigen zählte, die dort OP-Listen bearbeiteten, schloss die Zeugin nicht aus, sondern ließ es explizit offen („wer dort was gemacht hat, weiß ich nicht“). Die Zeugin gab ihre Aussage flüssig und auf Nachfrage erklärend sowie widerspruchsfrei ab. Glaubwürdigkeitszweifel bestanden nicht.

(b) Auch Herr E. gab - und entgegen der Klägerbehauptung - an, keineswegs der einzige Ausschreibungs- und Angebotseinholer der Insolvenzschuldnerin gewesen zu sein, sondern sprach allein für den Standort B von zwei bis drei Kalkulatoren und weiteren am Standort „E“. Auszuschließen, dass die Beklagte zu den dort tätigen Sachbearbeitern gehörte, vermochte er - unter eindrucksvollem Andeuten der Masse von Ausschreibungen und Recherchen unter Aufheben der Hände - gerade nicht. Aus eigener Erfahrung schilderte er die zu leistende Arbeit auch als rein „händisch“ und von zu Hause aus ausführbar, was eine Bearbeitung in der beklagtenseits geschilderten Weise ohne Weiteres möglich erscheinen ließ. Auch dieser Zeuge machte seine Aussage bruchlos und auf Nachfrage illustrierend sowie widerspruchsfrei. Glaubwürdigkeitszweifel bestanden ebenfalls nicht.

(c) Weiter ließ auch Herr B. offen, wer bei der Insolvenzschuldnerin welche Recherchen betrieben haben sollte und wer nicht. Er verwies als Projektleiter in St. J - nachvollziehbar - auf die bereits fertig bei ihm angelangten Aufträge. Hinsichtlich der Begleitung von OP-Listen gab er indes - entgegen dem Klägervorbringen - an, mit der Beklagten wegen offener Posten aus Altfällen bisweilen zu tun gehabt zu haben, ohne dass er dies zeitlich näher abgrenzen und für die Jahre 2005 und 2006 ausschließen konnte. Die hierbei bekundeten Erinnerungslücken waren aufgrund des sechs- bis siebenjährigen Zeitabstands verständlich. Es gab auch sonst keinen Grund, an der Glaubhaftigkeit der Aussage oder der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln. Seine Einlassungen waren frei, auf Nachfrage klar stellend und in sich widerspruchsfrei gehalten.

(d) Auch Herr A. war als Beschäftigter der C. & Sohn GmbH in St. J nicht in der Lage Auskünfte über fehlende Beschäftigungslagen bei der Insolvenzschuldnerin zu geben. In Erläuterung der von Mitarbeitern für seinen Arbeitgeber - die C. & Sohn GmbH, St. J - erfüllten Aufgeben bezeichnete er statt dessen die Beklagte ausdrücklich und unter illustrierendem Hinweis auf faktische Verflechtungen im Geschäftslauf der Gesellschaften insgesamt als Sachbearbeiterin für Außenstände. Zudem verwies er auf externe Kräfte für die Angebotsbearbeitung und erinnerte sich auch an Ausführungen von B aus, ohne dabei die Beklagte in irgendeiner Weise auszuschließen. Weder Glaubwürdigkeitszweifel gegenüber dem Zeugen noch Glaubhaftigkeitszweifel an seiner Aussage ließen die Einlassung in Frage stehen.

(e) Darüber hinaus wurden vom Zeugen Herbert C. die Kerntätigkeiten der Beklagten nach Zuweisung und Durchführung für 2005 und 2006 bestätigt, und zwar sowohl im Hinblick auf den fraglichen Gesamtzeitraum, als auch den Ort und den wesentlichen Inhalt der Vornahmen. Hiernach war die Beklagte in Heimarbeit von ihm einerseits in die Realisierung von Außenständen der C. & Sohn GmbH sowie der M eingebunden gewesen, die einen erheblichen Wertumfang gehabt hatten, und hielt in schwierigen Fällen mit ihm (dem Zeugen) hierüber Rücksprache, so dass er an die Kunden selbst herantreten konnte. Zum anderen oblagen (so der Zeuge weiter) der Beklagten Recherche und Auswertung von Angebotsblättern, die mehrmals wöchentlich kamen und mehrstündigen sensiblem Aufwand erforderten. Auszuschließen, dass daneben nicht noch weitere Tätigkeiten anfielen, vermochte der Zeuge im Hinblick auf die lange Beschäftigungszeit der Beklagten ebenfalls nicht. Er verwies ergänzend etwa auf die Einbindung der Beklagten in Finanzierungsplanungen. Auch ohne nähere Kontrollen hegte der Zeuge insgesamt keinen Zweifel, dass die Beklagte ihre Arbeitszeiten in irgendeiner Form vernachlässigt haben sollte („ich musste ... nicht sagen, wann sie was zu tun hat“). Auch für die Kammer ergab sich aufgrund von Zahl, Umfang und Zeitaufwand für die Auswertung von Ausschreibungen, die erheblichen „Altlasten“ sowie die offenbar auf eingefahrenen Gleisen weiter vollzogenen Aufgabenfelder (wie etwa Finanzierungsplanungen) kein Anhalt für zeitliche Minderleistungen. Die Kammer hatte, da sich die Aussagen des Zeugen ohne weiteres in die der vorangehörten Zeugen fügte, auch keinen Grund eine parteinehmende oder begünstigende Einlassung anzunehmen. Schon Herr E. hatte die Massen von ausgewerteten Angebotsunterlagen angesprochen, die im Endwert der wöchentlich nötigen Angebotszahlen (40 bis 50) mit der des Zeugen (sechs Mitarbeiter mit 10 Angeboten) wesentlich übereinstimmte. Herrn B. hatte für seinen Dienst in St. J von Rückfragen der Beklagten zu „uralten“ offenen Posten gesprochen, was dem Geschäftsführerzeugnis entsprach. Allein wegen getrennten Lebens vermochte die Kammer auch nicht anzunehmen, dass die Jahrzehnte umfassende Aufbauarbeit für das Familienunternehmen schlagartig nicht mehr fortführbar war und eine professionelle Abwicklung des Arbeitsverhältnisses in der vom Zeugen geschilderten Art unwiederbringlich ausschloss. Die Kammer hielt den Zeugen mithin für glaubwürdig und seine Aussage zum Beleg des von ihm ihr gegenüber wahrgenommenen Direktionsrechts für glaubhaft.

(f) Frau C.-G. schließlich bestätigte ebenfalls die Bearbeitung von OP-Listen, die Auswertung von Ausschreibungen einschließlich nachfolgender Übertragungen und etwaigen Kundenakquisen nebst Recherchen im Internet. Aufgrund des geschilderten Umstand, dass sie der Beklagten Unterlagen persönlich überbrachte sowie kraft eigener Stellung in personalleitender Position war, musste die Zeugin in der Lage sein, aus eigener Wahrnehmung über die Arbeiten der Beklagten zu berichten. Die von ihr übereinstimmend mit Herrn Herbert C. und Herrn E. bekundete Masse von auszuwertenden Unterlagen für den betriebsnotwendigen Umsatz („... brauchte die Kalkulation großes Futter“), ließ trotz persönlicher Nähe der Zeugin zur Beklagtenpartei nicht am objektiven Einlassungswert zweifeln. Übereinstimmung bestand auch im Hinblick auf die OP-Listenführung zu den Darstellungen der Frau D.. Neben der Glaubhaftigkeit der Aussage stand auch die Glaubwürdigkeit der Zeugin - auch wegen ihres unbefangenen Auftretens - nicht in Frage.

(4) Die Kammer vermochte dem Kläger auch in der Bewertung von Indizien nicht zu folgen. Das Fehlen von Arbeitsergebnissen am Standort B ließ sich im Hinblick auf die für den Standort St. J geführten OP-Listen unschwer damit erklären, dass nach Bekundung der Zeugin Frau D. in B nur die dortige Liste war. Auch ergab sich hinsichtlich diverser Angebotsvorarbeiten schon aus der Masse und teilweisen Unergiebigkeit durchzuführender Arbeiten geradezu zwangsläufig, dass nur schwer nachvollziehbar sein konnte, ob wer wann welche Vorarbeit erbracht hatte. Die Schilderung des Projektleiters B., überlassene Aufträge nicht näher nach ihrer Entstehung erkannt zu haben, belegte die Untunlichkeit etwaiger Rückschlusserwägungen. Ähnliches mochte für weitere Zuarbeiten der Beklagten im Rahmen von Finanzplanungen o.ä. gelten, für die selbstverständliche Mitwirkungen aufgrund familiärer Abstimmungsstrukturen und betroffenen Persönlichkeitssphären (nachvollziehbar) ohne Kenntlichmachungen nach außen geblieben sein mochten. Auch das Fehlen des Beklagtennamens im Organigramm ließ sich zwanglos dieserart erklären. Organigramme tragen zudem keine generalisierbare Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit in sich. Dass Arbeiten von zuhause aus auch ohne besondere technische Vernetzung möglich waren, hatte Herr E. für sämtliche Angebotsvorbereitungen erläutert. Für die Führung von OP-Listen fehlte jeder Anhalt, die Dinge anders zu sehen, nachdem die Beklagte ihre Arbeit wie von Herrn Herbert C. und Frau C.-G. bekundet jahrzehntelang in Heimarbeit verrichtet hatte.

(5) Der Anspruch war damit in tatsächlicher Hinsicht nicht weiter belegt.

3. Der auf gerichtlichen Hinweis im Termin vom 24. August 2012 angebrachte Hilfsantrag war als echter Eventualantrag allein für den Fall der Begründetheit des Anspruchs gestellt. Er trug dem Umstand Rechnung, dass die Rechtsfolge der Anfechtung eine Rückgewähr entsprechend den Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung ausgelöst haben mochte (BGH 20.4. 2010 - IX ZR 163/09 - Rn. 7, NJW 2010, 2125), für die die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung Wertersatz als im Regelfall durch Nettolohnrückzahlung, Steuerbefreiung gegenüber dem Fiskus und Übertragung von Erstattungsansprüchen nach § 26 SGB IV geschuldet ansieht (BAG 9.4.2008 - 4 AZR 164/07 - Rn. 57, ZTR 2009, 95). Da der Anspruch vorliegend jedoch tatbestandlich schon nicht belegt war, fiel der Hilfsantrag nicht zur Entscheidung an.

B.
Die Kostenentscheidung ergab sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da es an Gründen hierzu i.S.d. § 72 Abs. 2 ArbGG fehlte.



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