Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Beschluss vom - Az: 5 TaBV 19/14

Schein-Konzernbetriebsrat darf Kostenerstattung verlangen

(1.) Der Arbeitgeber trägt die durch die Tätigkeit des Konzernbetriebsrats entstehenden Kosten (§§ 40 Abs. 1, 59 Abs. 1 BetrVG). Arbeitgeber ist das herrschende Unternehmen. Zu diesen Kosten gehören auch Rechtsanwaltskosten, die der Konzernbetriebsrat für erforderlich halten darf.

(2.) Durch die Kostentragungspflicht entsteht zwischen dem herrschenden Unternehmen und dem Konzernbetriebsrat ein vermögensrechtliches gesetzliches Schuldverhältnis. Gläubiger ist der Konzernbetriebsrat, der insoweit als partiell vermögensfähig anzusehen ist.

(3.) Wird ein Konzernbetriebsrat zu Unrecht und unter Verkennung der Gründungsvoraussetzungen (§ 54 BetrVG) errichtet, stehen diesem Gremium von Anfang an keine betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse zu.
Daraus folgt jedoch nicht, dass ein derartiger Konzernbetriebsrat keine Ansprüche auf Freistellung von Kosten erwerben kann, die im Zusammenhang mit seiner Konstituierung oder anlässlich der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben entstanden sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Konzernbetriebsrat unter offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs oder unter Missachtung der sonstigen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen errichtet wurde. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie für Kostenerstattungsansprüche nichtig gewählter Betriebsratsmitglieder.

(4.) Die Prüfung der Erforderlichkeit hat der (Konzern-)Betriebsrat nicht allein anhand seiner subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Er ist vielmehr gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des (Konzern-)Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers bzw. des im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne herrschenden Konzernunternehmens andererseits gegeneinander abzuwägen. Dabei hat er auch die Kostenbelange des Arbeitgebers bzw. herrschenden Unternehmens zu berücksichtigen. Deren Kostentragungspflicht entfällt, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und zu einem Unterliegen des (Konzern-) Betriebsrats führen muss. Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn über eine ungeklärte Rechtsfrage zu entscheiden ist und die Rechtsauffassung des (Konzern-)Betriebsrats vertretbar erscheint.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 24. April 2014, Az. 9 BV 97/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beteiligte zu 2) wird verurteilt, an den Antragsteller € 8.956,89 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2013 zu zahlen. Der weitergehende Zahlungsantrag wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Rechtsanwaltskosten.

Der antragstellende Rechtsanwalt (Beteiligter zu 1) war für den Schein-Konzernbetriebsrat rechtsberatend tätig, der mit dem C. in Rheinland-Pfalz (Beteiligter zu 2) und seinen Gliederungen, die Rettungsdienst betreiben, darüber gestritten hat, ob sie einen Konzern iSv. § 54 Abs. 1 BetrVG bilden, für den ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann. Das BAG hat mit Beschluss vom 09.02.2011 (7 ABR 11/10) rechtskräftig festgestellt, dass der Konzernbetriebsrat nicht wirksam errichtet wurde. Der C. weigert sich den Schein-Konzernbetriebsrat von den in mehreren Angelegenheiten entstandenen Anwaltskosten freizustellen. Dieser trat seine vermeintlichen Freistellungsansprüche an den Antragsteller ab. Im Einzelnen:

Kostenrechnung vom 13.01.2012 über € 8.730,79

Der Antragsteller vertrat den Konzernbetriebsrat in dem Beschlussverfahren (BAG 7 ABR 11/10) ua. gegen den C. durch drei Instanzen. Der Konzernbetriebsrat hatte sich am 05.05.2008 konstituiert. Er verfolgte in dem im Oktober 2008 von ihm beim Arbeitsgericht Mainz eingeleiteten Beschlussverfahren im Wesentlichen das Ziel, seine wirksame Errichtung gerichtlich feststellen zu lassen. Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Beschluss vom 30.04.2009 (8 BV 44/08) die Anträge zurückgewiesen. Das LAG Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 15.12.2009 (3 TaBV 32/09 - Juris) die Beschwerde des Konzernbetriebsrats zurückgewiesen. Das BAG hat mit Beschluss vom 09.02.2011 (7 ABR 11/10 - Juris) dessen Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Bei einem Gegenstandswert von € 40.000,00 entstanden in drei Instanzen Anwaltskosten iHv. € 8.730,79.

Kostenrechnung vom 27.05.2010 über € 226,10

Der Konzernbetriebsrat beauftragte den Antragsteller am 06.05.2010 mit seiner Beratung bezüglich der Besetzung des Konzernbetriebsausschusses, der Problematik des Unterschreitens der Mindestanzahl erforderlicher Mitglieder dieses Ausschusses sowie zur Thematik der Stimmengewichtung. Für die Erstberatung stellte ihm der Antragsteller € 226,10 in Rechnung.

Kostenrechnung vom 22.02.2010 über € 616,13

Der Antragsteller vertrat den Konzernbetriebsrat in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz (1 BV 44/09). In diesem Verfahren, das er mit Antragsschrift vom 30.12.2009 einleitete, verlangte der Konzernbetriebsrat vom Kreisverband, seine Mitglieder G. und S. für erforderliche Konzernbetriebsratstätigkeiten von der Arbeit freizustellen und ihnen die erforderlichen Fahrtkosten zu erstatten. Diesen Antrag hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.01.2010 zurückgenommen. Zur Begründung führte er aus, es sei "nunmehr mitgeteilt" worden, dass der Betriebsteil Rettungsdienst aus dem Kreisverband ausgegliedert und auf die D. gGmbH übertragen worden sei. Da die beiden Betriebsratsmitglieder G. und S. ihre Zugehörigkeit zum Kreisverband verloren hätten, habe sich das Verfahren erledigt. Für dieses Beschlussverfahren entstanden bei einem Gegenstandswert von € 4.000,00 Anwaltskosten iHv. € 616,13.

Kostenrechnung vom 12.02.2011 über € 752,68

Der Antragsteller vertrat den Konzernbetriebsrat in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied (7 BV 35/09). In diesem Verfahren, das er mit Antragsschrift vom 31.12.2009 einleitete, verlangte der Konzernbetriebsrat vom D.-Kreisverband, seine Mitglieder K. und Z. für erforderliche Konzernbetriebsratstätigkeiten von der Arbeit freizustellen und ihnen die erforderlichen Fahrtkosten zu erstatten. Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit rechtskräftigem Beschluss vom 05.08.2010 zurückgewiesen. Für dieses Verfahren entstanden bei einem Gegenstandswert von € 4.000,00 Anwaltskosten iHv. € 752,68.

Mit Schriftsatz vom 05.12.2013 leitete der Antragsteller das vorliegende Beschlussverfahren ein und verlangt vom Landesverband aus abgetretenem Recht die Zahlung von Anwaltskosten in einer Gesamthöhe von € 10.325,70 nebst Zinsen. Zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen in analoger Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.04.2014 (dort Seite 2-5).

Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,

den Landesverband zu verurteilen, an ihn € 10.325,70 iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Landesverband hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 24.04.2014 dem Antrag stattgegeben und - zusammengefasst - ausgeführt, der Zahlungsantrag sei in voller Höhe begründet. Der seinerzeit - wenn auch unwirksam - konstituierte Konzernbetriebsrat habe entsprechend §§ 59 Abs. 1, 40 Abs. 1 BetrVG Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten. Der Antragsteller sei aufgrund der Abtretungen nach § 398 BGB Inhaber dieser Forderungen geworden. Kostenerstattungsansprüche stünden nicht nur wirksam errichteten Konzernbetriebsräten zu, es genüge, dass die Errichtung nicht unter offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs erfolgt sei (BAG 23.08.2006 - 7 ABR 51/05 - Rn. 52 f.). Dies sei hier der Fall. Der Konzernbetriebsrat habe es für erforderlich halten dürfen, die Wirksamkeit seiner Errichtung durch drei Instanzen bis zum BAG (09.02.2011 - 7 ABR 11/10) überprüfen zu lassen. Auch hinsichtlich der Übrigen vom Antragsteller erstellten Rechnungen sei die Erforderlichkeit iSv. § 40 BetrVG zu bejahen. Der Landesverband könne nicht mit Erfolg einwenden, der Konzernbetriebsrat hätte seine Tätigkeit nach der Entscheidung des LAG (15.12.2009 - 3 TaBV 32/09) einstellen müssen. Er habe seine Arbeit vielmehr fortsetzen und auch Kosten verursachen dürfen, etwa durch die Beratung, die der Rechnung vom 27.05.2010 zugrunde lag. Auch diese Kosten seien iSv. § 40 BetrVG erforderlich gewesen. Entsprechendes gelte für die anwaltliche Vertretung in den Beschlussverfahren 1 BV 44/09 und 7 BV 35/09 vor dem Arbeitsgericht Koblenz. Das Arbeitsgericht habe den Konzernbetriebsrat als antragsbefugt angesehen und damit Ansprüche nicht von vornherein ausgeschlossen. Dass der Konzernbetriebsrat seine Ansprüche auch auf einen "groben Verstoß" gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten iSd. § 23 Abs. 3 BetrVG gestützt habe, sei hinsichtlich der verursachten Kosten unerheblich. Im Verfahren 1 BV 44/09 komme es auf den Tag des Eingangs der Antragsschrift (noch in 2009 oder erst in 2010) nicht an, denn der Konzernbetriebsrat hätte nicht wissen müssen, dass zum 01.01.2010 eine Ausgliederung des Rettungsdienstes erfolgen werde. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsbegründung des Arbeitsgerichts wird auf den begründeten Teil des Beschlusses vom 24.04.2014 (dort Seite 5-9) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss, der ihm am 12.09.2014 zugestellt worden ist, hat der Landesverband mit am 07.10.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit am 10.11.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Landesverband macht geltend, er sei nicht zur Erstattung der Anwaltskosten verpflichtet, denn die Konstituierung des Konzernbetriebsrats sei unter offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs erfolgt. Hiervon sei auch der 7. Senat des BAG in seinem Beschluss vom 09.02.2011 (7 ABR 11/10) ausgegangen, denn er habe mit apodiktischer Klarheit ausgeführt, dass der für den Rettungsdienst des D. in Rheinland-Pfalz als Sparten-Konzernbetriebsrat errichtete Konzernbetriebsrat nicht wirksam errichtet worden sei. Die Ausführungen des BAG unter Rn. 20 des Beschlusses, dass die Frage der wirksamen Errichtung des Konzernbetriebsrats für noch anhängige Urteils- oder Beschlussverfahren wegen der Kosten von Bedeutung sei, biete neben der klaren Diktion, dass die gesetzliche Betriebsverfassung die Einrichtung von Sparten-Konzernbetriebsräten nicht vorsehe, einen weiteren deutlichen Hinweis, dass der Senat im entschiedenen Fall von einer offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs ausgegangen sei. Zum gleichen Ergebnis sei das Arbeitsgerichts Koblenz mit zwei im Wesentlichen gleich lautenden Urteilen vom 15.09.2011 (7 Ca 1837/08 und 7 Ca 1838/08) gekommen.

Gegen eine grobe Verkennung des Konzernbegriffs spreche nicht, dass das Beschlussverfahren (7 ABR 11/10) über drei Instanzen geführt worden sei und ein umfangreicher Sach- und Rechtsvortrag der Beteiligten bewältigt werden musste, weshalb die Entscheidungen erster und zweiter Instanz ebenfalls umfangreiche Ausführungen zur Entscheidungsbegründung enthielten. Dies sei bereits dem Umstand geschuldet, dass das jeweilige Vorbringen sehr umfangreich gewesen sei. Außerdem habe die Zahl der Beteiligten (zuletzt 38) hierzu beigetragen. Dass die gesetzliche Betriebsverfassung keinen Sparten-Konzernbetriebsrat vorsehe, sei vom BAG bis zu seinem Beschluss vom 09.02.2011 (7 ABR 11/10) zwar so noch nicht entschieden worden. Hieraus könne aber nicht gefolgert werden, dass die Errichtung des Konzernbetriebsrats als Sparten-Konzernbetriebsrat für den D.-Rettungsdienst vor der BAG-Entscheidung nicht in offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs erfolgt sei. Das BAG habe hier nur eine eindeutige rechtliche Aussage zu einer bereits vor seiner Entscheidung bestehenden Rechtslage getroffen.

Entscheidend sei im Übrigen, dass die Kosten, deren Erstattung hier verlangt werde, von Personen veranlasst worden seien, die in keinem Rechtsverhältnis zum Landesverband stünden, weder bei gesellschaftsrechtlicher noch bei arbeits- oder betriebsverfassungsrechtlicher Betrachtung. Die im Konzernbetriebsrat handelnden Personen seien weder Betriebsräte noch Arbeitnehmer des Landesverbands gewesen. Aufgrund der Entscheidung des BAG, dass ein Konzern nie bestanden habe, sei keine rechtliche Verbindung zwischen dem Landesverband und diesen Personen ersichtlich, die eine Zahlungsverpflichtung begründen könnte. Der Landesverband könne nicht über § 40 BetrVG verpflichtet werden, für durch Rechtsirrtum verursachte Kosten von Personen aufzukommen, zu denen er in keinem rechtlich relevanten Verhältnis stehe.

Der Konzernbetriebsrat habe nach zwei Instanzentscheidungen, die gegen ihn ergangen seien, nicht weiter auf seine wirksame Errichtung vertrauen dürfen. Zum Verfahren 1 BV 44/09 sei überdies klarzustellen, dass dem Konzernbetriebsrat bei Einreichung seines Antrags beim Arbeitsgericht bekannt gewesen sei, dass zum 01.01.2010 der Bereich Rettungsdienst vom D.-Kreisverband K. via Teilbetriebsübergang zur D.-Rettungsdienst R.-M.-E. gGmbH übergeleitet werde. Wegen weiterer Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 10.11.2014 Bezug genommen.

Der Landesverband beantragt zweitinstanzlich,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.04.2014, Az. 9 BV 97/13, abzuändern und den Antrag des Antragstellers (Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 16.12.2014, auf den Bezug genommen wird, als zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde des Landesverbands ist teilweise begründet. Sie hat Erfolg soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Erstattung der Anwaltskosten des Schein-Konzernbetriebsrats in voller Höhe richtet. Der Landesverband ist jedoch verpflichtet, dem Antragsteller Rechtsanwaltskosten iHv. € 8.956,89 nebst Zinsen zu zahlen. Der weitergehende Antrag auf Zahlung von € 1.368,81 ist - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - abzuweisen.

1. Der Landesverband ist verpflichtet, an den Antragsteller gem. Kostenrechnung vom 13.01.2012 die im Beschlussverfahren 7 ABR 11/10 in drei Instanzen entstandenen Anwaltskosten in einer Gesamthöhe von € 8.730,79 zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Landesverband verpflichtet ist, den Konzernbetriebsrat von den Anwaltskosten freizustellen, obwohl das BAG mit Beschluss vom 09.02.2011 (7 ABR 11/10) rechtskräftig festgestellt hat, dass der Konzernbetriebsrat nicht rechtmäßig errichtet worden ist. Es genügt, dass die Errichtung nicht unter offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs erfolgt ist. Die Beschwerdekammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts im Ergebnis und in der Begründung.

Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Diese Bestimmung gilt nach § 59 Abs. 1 BetrVG für den Konzernbetriebsrat entsprechend. Arbeitgeber iSv. §§ 59 Abs. 1, 40 Abs. 1 BetrVG ist das herrschende Unternehmen. Zu den vom herrschenden Unternehmen zu tragenden Kosten gehören auch Rechtsanwaltskosten, die der Konzernbetriebsrat für erforderlich halten darf. Durch diese Kostentragungspflicht entsteht zwischen dem herrschenden Unternehmen und dem Konzernbetriebsrat ein vermögensrechtliches gesetzliches Schuldverhältnis. Gläubiger ist der Konzernbetriebsrat. Wenngleich ihm das Betriebsverfassungsgesetz - ebenso wie dem Betriebsrat - keine generelle Rechts- und Vermögensfähigkeit verleiht, ist er insoweit als partiell vermögensfähig anzusehen (so ausdrücklich BAG 23.08.2006 - 7 ABR 51/05 - Rn. 50 mwN).

Wird ein Konzernbetriebsrat - wie hier - zu Unrecht und unter Verkennung der Voraussetzungen des § 54 BetrVG errichtet, stehen diesem Gremium von Anfang an keine betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse zu. Hierauf kann sich grundsätzlich jederzeit jedermann berufen, der hieran ein rechtliches Interesse hat. Aus dem Fehlen betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse eines nicht rechtmäßig errichteten Konzernbetriebsrats folgt jedoch nicht, dass ein derartiger Konzernbetriebsrat keine Ansprüche auf Freistellung von Kosten erwerben kann, die im Zusammenhang mit seiner Konstituierung oder anlässlich der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben entstanden sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Konzernbetriebsrat unter offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs oder unter Missachtung der sonstigen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen errichtet wurde. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie für Kostenerstattungsansprüche nichtig gewählter Betriebsratsmitglieder (so ausdrücklich BAG 23.08.2006 - 7 ABR 51/05 - Rn. 53 mwN).

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass im Streitfall die Errichtung eines auf den Bereich des Rettungsdienstes innerhalb des Landesverbands und seiner Untergliederungen beschränkten Konzernbetriebsrats zwar gesetzlich nicht möglich, jedoch nicht unter offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs erfolgt ist.

Der Konzernbetriebsrat konnte bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Führung eines Prozesses durch drei Instanzen und die Beauftragung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten. Die Prüfung der Erforderlichkeit hat der (Konzern-)Betriebsrat nicht allein anhand seiner subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Er ist vielmehr gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des (Konzern-)Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers bzw. des im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne herrschenden Konzernunternehmens andererseits gegeneinander abzuwägen. Dabei hat er auch die Kostenbelange des Arbeitgebers bzw. herrschenden Unternehmens zu berücksichtigen. Deren Kostentragungspflicht entfällt, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und zu einem Unterliegen des (Konzern-) Betriebsrats führen muss. Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn über eine ungeklärte Rechtsfrage zu entscheiden ist und die Rechtsauffassung des (Konzern-)Betriebsrats vertretbar erscheint (vgl. hierzu BAG 19.03.2003 - 7 ABR 15/02 - Rn. 9 mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Rechtsverfolgung durch den Konzernbetriebsrat in dem Beschlussverfahren 7 ABR 11/10 durch drei Instanzen nicht offensichtlich aussichtslos. Die Rechtsfragen, ob der Landesverband mit den damals beteiligten Kreisverbänden und gGmbHs einen Konzern, und ob der Rettungsdienst eine konzernbetriebsratsfähige Einheit bildet, waren bis zur Entscheidung des BAG vom 09.02.2011 höchstrichterlich nicht entschieden. Bereits deshalb konnte das Beschlussverfahren nicht als aussichtslos angesehen werden, zumal das LAG Rheinland-Pfalz wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen im Beschluss vom 15.12.2009 (3 TaBV 32/09) die Rechtsbeschwerde zugelassen hatte.

Entgegen der Ansicht des Landesverbands folgt aus dem Wortlaut des Beschlusses des BAG vom 09.02.2011, insbesondere aus den Ausführungen in Rn. 20 nicht, dass der 7. Senat "mit apodiktischer Klarheit" eine offensichtliche Verkennung des Konzernbegriffs angenommen hat. Das Adverb "offensichtlich" wird zur Einschätzung oder Beurteilung der Rechtsfragen im Beschluss vom 09.02.2011 an keiner Stelle verwendet. Das BAG ist der Frage, ob der Landesverband verpflichtet ist, den Konzernbetriebsrat für das Beschlussverfahren 7 ABR 11/10 von den in drei Instanzen angefallenen Rechtsanwaltskosten freizustellen, mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachgegangen.

Der Einwand des Landesverbands, er sei zur Erstattung der Anwaltskosten nicht verpflichtet, weil er in keinem Rechtsverhältnis zu den für den Konzernbetriebsrat handelnden Personen stehe, verfängt nicht. Nach der Rechtsprechung des BAG entsteht durch die Kostentragungspflicht iSv. §§ 59 Abs. 1, § 40 Abs. 1 BetrVG zwischen dem herrschenden Unternehmen und dem Konzernbetriebsrat ein vermögensrechtliches gesetzliches Schuldverhältnis (vgl. BAG 23.08.2006 - 7 ABR 51/05 - Rn. 50-51). Es ist für die Kostentragungspflicht des Landesverbands unerheblich, dass er nach der Entscheidung des BAG vom 09.02.2011 kein herrschendes Konzernunternehmen ist. Der Landesverband wurde im Beschlussverfahren 7 ABR 11/10 als „herrschendes Unternehmen“ in Anspruch genommen. Der Verfahrensgegenstand berührte seine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition. Daraus leitet sich seine Kostentragungspflicht ab. Da der Konzernbetriebsrat den Freistellungsanspruch an den Antragsteller abgetreten hat, wandelt sich dessen Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch des beauftragten Rechtsanwalts.

Soweit sich der Landesverband auf die klageabweisenden Urteile des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.09.2011 in den Verfahren 7 Ca 1837/08 und 7 Ca 1838/08 beruft, die zwei Schein-Konzernbetriebsratsmitglieder (K. und Z.) wegen Vergütungsansprüchen bei Sitzungsteilnahme und Reisekostenerstattung angestrengt haben, verhilft dies seiner Beschwerde nicht zum Erfolg. Die Erforderlichkeit der Einleitung des Beschlussverfahrens 7 ABR 11/10 und der Hinzuziehung eines Anwalts ist ex ante zu dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die Kosten ausgelöst werden (vgl. BAG 18.07.2012 - 7 ABR 23/11 - Rn. 37 mwN). Das schließt es aus, die Erforderlichkeit einer kostenverursachenden Maßnahme mit Erkenntnissen zu begründen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt oder während des Verfahrens über die Kostenfreistellung entstanden sein können (vgl. BAG 15.11.2000 - 7 ABR 24/00 - Rn. 18 mwN). Das Arbeitsgericht Koblenz hat in den beiden Urteilsverfahren die Entscheidung des BAG vom 09.02.2011 abgewartet und dann eine ex post-Betrachtung angestellt, die für die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten jedoch nicht maßgeblich ist.

Eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Schein-Konzernbetriebsrats über die Beauftragung des Antragstellers stellt der Landesverband nicht in Abrede. Auch gegen die Höhe der in drei Instanzen entstandenen Honorarkosten von € 8.730,79 erhebt er keine Einwendungen. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

2. Der Landesverband ist verpflichtet, an den Antragsteller gem. Kostenrechnung vom 27.05.2010 die für eine Beratung des Schein-Konzernbetriebsrats entstandenen Anwaltskosten iHv. € 226,10 zu zahlen. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Da die Errichtung des Konzernbetriebsrats - wie oben ausgeführt - nicht unter offensichtlicher Verkennung des Konzernbegriffs erfolgt ist, kann der Antragsteller auch die Erstattung seiner Honorarkosten für dessen Beratung zur Zusammensetzung des Konzernbetriebsausschusses verlangen. Die Beratung war zur Erfüllung der (vermeintlichen) Aufgaben erforderlich. Der Antragsteller hat dem Vorsitzenden konkrete aktuelle Fragen beantwortet. Das Honorar war der Höhe nach nicht unverhältnismäßig. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

Entgegen der Ansicht des Landesverbands ist für seine Kostenfreistellungspflicht unerheblich, dass der Schein-Konzernbetriebsrat trotz seines Unterliegens vor dem Arbeitsgericht (30.04.2009 - 8 BV 44/08) und vor dem LAG Rheinland-Pfalz (15.12.2009 - 3 TaBV 32/09) seine Arbeit ungerührt fortgesetzt und durch die Beauftragung des Antragstellers mit seiner Beratung am 06.05.2010 auch noch weitere Kosten verursacht hat. Nachdem das LAG die Rechtsbeschwerde zugelassen hatte, war der zweitinstanzliche Beschluss, dass der Konzernbetriebsrat nicht wirksam errichtet worden ist, bis zur Entscheidung des BAG am 09.02.2011 (7 ABR 11/10) nicht rechtskräftig.

3. Der Landesverband ist nicht verpflichtet, an den Antragsteller gem. Kostenrechnung vom 22.02.2010 die im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz 1 BV 44/09 entstandenen Anwaltskosten iHv. € 616,13 zu zahlen. Insoweit hat das Rechtsmittel Erfolg.

Dem Schein-Konzernbetriebsrat war nach Faktenlage bereits bei Einleitung des Beschlussverfahrens 1 BV 44/09 gegen den D.-Kreisverband K.-St. mit Schriftsatz vom 30.12.2009 bekannt, dass der Betriebsbereich Rettungsdienst zum 01.01.2010 zur D.-Rettungsdienst R.-M.-E. gGmbH übergeleitet werden wird. Die Konzernbetriebsratsmitglieder G. und S., deren Freistellung für Konzernbetriebsratstätigkeit und Fahrtkostenerstattungsansprüche in dem Beschlussverfahren erstrebt wurde, hatten Kenntnis von dem beabsichtigten Teilbetriebsübergang. So hatte der Betriebsrat des D.-Kreisverbandes K.-St., dessen Vorsitzender das Konzernbetriebsratsmitglied G. war, am 22.12.2009 beim Arbeitsgericht Koblenz einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, dem eindeutig zu entnehmen ist, dass ihm die zum 01.01.2010 anstehende Umstrukturierung bereits bestens bekannt war. Auch der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats F. hatte positive Kenntnis von diesen Umständen, denn im Sitzungsprotokoll des Konzernbetriebsrats vom 25.11.2009 ist unter TOP 10 festgehalten, dass er die Anwesenden ausführlich über die geplanten Fusionen im Jahr 2010 informiert hat.

Da die Einleitung des Beschlussverfahrens 1 BV 44/09 von vornherein aussichtlos war, entfällt eine Kostentragungspflicht des Landesverbands.

4. Der Landesverband ist nicht verpflichtet, an den Antragsteller gem. Kostenrechnung vom 12.02.2011 die im Beschlussverfahren 7 BV 35/09 vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - entstandenen Anwaltskosten iHv. € 752,68 zu zahlen. Auch insoweit ist die Beschwerde erfolgreich.

In diesem Verfahren hat der Schein-Konzernbetriebsrat mit Schriftsatz vom 30.12.2009 beantragt, den DRK-Kreisverband Ahrweiler bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu verpflichten, seine bei ihm beschäftigten Mitglieder für erforderliche Konzernbetriebsratstätigkeit von der Arbeit freizustellen und die erforderlichen Fahrtkosten zu erstatten. Diesen Anspruch hat er auf einen groben Verstoß gegen die Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz iSd. § 23 Abs. 3 BetrVG gestützt. Der Vorwurf eines "groben Verstoßes" erweist sich vor dem Hintergrund, das der Konzernbetriebsrat am 15.12.2009 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3 TaBV 32/09) in zweiter Instanz erneut verloren hatte, als völlig haltlos. Der Landesverband und die DRK-Kreisverbände durften ihre - auch objektiv richtige - Rechtsansicht verteidigen, ohne dass ihnen vorgeworfen werden könnte, sie hätten gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten grob verstoßen.

Der Schein-Konzernbetriebsrat durfte die Erforderlichkeit der Einleitung des Beschlussverfahrens 7 BV 35/09 nicht allein aufgrund seiner subjektiven Bedürfnisse beurteilen. Er hatte wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder die Kosten tragen müssten. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entfällt bei einer offensichtlich aussichtslosen oder mutwilligen Rechtsverfolgung des Betriebsrats (vgl. BAG 18.07.2012 - 7 ABR 23/11 - Rn. 37 mwN).

So liegt der Fall hier. Bei vernünftiger Betrachtung konnte der Schein-Konzernbetriebsrat das Verhalten des Landesverbandes und der Kreisverbände nicht als grober Verstoß iSv. § 23 Abs. 1 BetrVG ansehen. Der von ihm eingenommene Rechtsstandpunkt war angesichts seines Unterliegens in zwei Instanzen (zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei Einleitung des Verfahrens Ende Dezember 2009) unvertretbar.

Auch für den im Beschlussverfahren 7 BV 35/09 gestellten Hilfsantrag, den Kreisverband zu verpflichten, die bei ihm beschäftigten Mitglieder des Konzernbetriebsrats (K. und Z.) für erforderliche Konzernbetriebsratstätigkeit freizustellen und die erforderlichen Fahrtkosten zu erstatten, ist der Landesverband nicht zur Begleichung der Anwaltskosten verpflichtet. Der Hilfsantrag war unzulässig, denn er zielte als Leistungsantrag darauf ab, die Erforderlichkeit zukünftiger kostenauslösender Maßnahmen feststellen zu lassen. Das ist nicht möglich. Die durch die Tätigkeit des (Konzern-)Betriebsrats entstehenden Kosten sind nur im Rahmen von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit vom Arbeitgeber bzw. herrschenden Unternehmen zu tragen. Dabei steht dem (Konzern-)Betriebsrat bei der Subsumtion der Umstände des die Kosten auslösenden Einzelfalls ein Beurteilungsspielraum zu, den er jedesmal von neuem ausfüllen muss (vgl. BAG 16.10.1986 - 6 ABR 4/84). Diese nach dem Gesetz notwendige Einzelfallbetrachtung, die Notwendigkeit einer immer wieder neuen Entscheidung, verbot die mit dem Hilfsantrag gleichsam "auf Vorrat" begehrte Verpflichtung.

III. Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien der §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnte, besteht nicht.



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