Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 5 Sa 413/12

Urlaubsabgeltung - ruhendes Arbeitsverhältnis

Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz grundsätzlich allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Dies steht im Einklang mit den Vorgaben der Arbeitzeitrichtlinie, nach der die Entstehung des allen Arbeitnehmern zuerkannten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig gemacht werden darf. Während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit gem. § 33 Abs. 2 S. 6 TVöD besteht dieses fort, so dass Urlaubsansprüche entstehen.
Der Urlaubsanspruch erlischt auf Grund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/ oder eines Übertragungszeitraums von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. Der Anspruch geht jedoch auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres unter (BAG 07.08.2012 - 9 AZR 353/10).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.07.2012 - 7 Ca 753/12 - aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, 5.357,- € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2012 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten noch Urlaubsabgeltung aus einem ruhenden, zwischenzeitlich beendeten Arbeitsverhältnis verlangen kann.

Der 1960 geborene Kläger war vom 01.04.1989 bis 31.12.2011 bei der Beklagten in C-Stadt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der TVöD Anwendung. Der Kläger hatte einen GdB von 50 und war seit 2008 fortdauernd arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 01.04.2009 hat der Kläger eine befristete Erwerbsminderungsrente bezogen; seit dem 01.01.2012 erhält er eine volle Erwerbsminderungsrente.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch des Klägers beträgt 20 Arbeitstage zuzüglich 5 Arbeitstagen Zusatzurlaub aufgrund seiner Schwerbehinderung, also insgesamt 25 Arbeitstage/Jahr.

Mit Schreiben vom 17.11.2011 hat der Kläger gegenüber der Beklagten die Abgeltung des angefallenen Urlaubs für die Kalenderjahre 2009, 2010 und 2011 in Höhe von insgesamt 75 Urlaubstagen beantragt. Mit Schreiben vom 06.12.2011 hat die Beklagte 50 Urlaubstage anerkannt und diese gegenüber dem Kläger abgerechnet. Dabei hat sie für die Kalenderjahre 2008 und 2009 jeweils 25 Urlaubstage abgegolten; für die Jahre 2010 und 2011 hat die Beklagte die Abgeltung abgelehnt. Ausweislich der Abrechung über die Bezüge des Klägers für Januar 2012, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 7 d. A. Bezug genommen wird, hat die Beklagte einen Gesamtbruttobetrag in Höhe von 10.714,00 EUR gegenüber dem Kläger insoweit abgerechnet und den sich daraus ergebenden Nettobetrag ausgezahlt.

Der Kläger hat vorgetragen,
auch für die Zeit des Bezugs der befristeten Erwerbsminderungsrente, also für die Kalenderjahre 2010 und 2011, stehe ihm der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch zu. Da die Beklagte statt der begehrten 75 Tage nur 50 abgerechnet und ausgezahlt habe - was unstreitig ist - werde mit der Klage der Differenzbetrag von weiteren 25 Tagen geltend gemacht. Denn auch bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis sei ein Urlaubsanspruch gegeben.

Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.357,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basis­zinssatz seit dem 01.01.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,
aus § 33 TVöD folge, dass für die Zeit der befristeten Erwerbsminderungsrente das Arbeitsverhältnis ruhe. Damit trete eine grundlegende Umgestaltung des Arbeitsverhältnisses dahingehend ein, dass die beiderseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert seien. Es fehle folglich an dem für das vertragliche Arbeitsverhältnis typischen Austauschverhältnis. Dieses Austauschverhältnis sei aber die Grundvoraussetzung dafür, dass gleichzeitig mit der Erbringung der Arbeitsleistung auch Urlaubsansprüche für den Arbeitnehmer entstehen könnten. Notwendige Folge des Ruhens des Arbeitsverhältnisses sei deshalb, dass für die Dauer dieses Ruhens auch keine Urlaubsansprüche entstehen könnten. Deshalb habe der Kläger zwar für das Kalenderjahr 2009 einen Anspruch auf den vollen Mindesturlaub, da er erst seit dem 01.04.2009 befristet Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen habe. Für die Jahre 2010 und 2011 sei dagegen kein Mindesturlaubsanspruch entstanden, da das Arbeitsverhältnis zu Beginn und während des gesamten Kalenderjahres - unstreitig - geruht habe.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 03.07.2012 - 7 Ca 753/12 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 32 - 37 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 20.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 11.09.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 04.10.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, zur Klarstellung sei deutlich zu machen, dass vorliegend die Urlaubstage für das Kalenderjahr 2010 geltend gemacht würden. Trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund der befristeten Erwerbsminderungsrente sei der Urlaubsanspruch und damit nunmehr der Urlaubsabgeltungsanspruch vollumfänglich gegeben.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 01.10.2012 (Bl. 57, 58 d. A.) nebst Anlage (Bl. 59 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.07.2012 verurteilt, an den Kläger 5.357,00 EUR brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, dass aufgrund des für den streitgegenständlichen Zeitraum ruhenden Arbeitsverhältnisses wegen des Bezuges einer befristeten Erwerbsminderungsrente ein abzugeltender Urlaubsanspruch nicht entstanden sei.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 26.10.2012 (Bl. 69-72 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 19.11.2012.

Entscheidungsgründe

I.  Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.  Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgericht und der Beklagten ist die Klage des Klägers, bezogen auf die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs und des zusätzlichen Urlaubs wegen der Schwerbehinderung des Klägers für das Kalenderjahr 2010 vollumfänglich nebst Zinsen begründet.

Der Anspruch folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG i. V. m. § 125 SGB IX.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass dem Kläger für das Kalenderjahr 2010 ein Urlaubsanspruch erwachsen ist, der aufgrund der zwischenzeitlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist. Denn auch wenn das Arbeitsverhältnis während des gesamten Kalenderjahres ruht, können Urlaubsansprüche entstehen. Insoweit gelten nach der nach der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 - NZA 2012, 1216 folgende Grundsätze:
Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz grundsätzlich allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Dies steht im Einklang mit den Vorgaben der Arbeitzeitrichtlinie, nach der die Entstehung des allen Arbeitnehmern zuerkannten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig gemacht werden darf. Während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit gem. § 33 Abs. 2 S. 6 TVöD besteht dieses fort, so dass Urlaubsansprüche entstehen. Auch durch Tarifvertrag kann in diesem Fall das Entstehen gesetzlicher Urlaubsansprüche nicht wirksam ausgeschlossen werden.
Der Urlaubsanspruch erlischt auf Grund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/ oder eines Übertragungszeitraums von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. Der Anspruch geht jedoch auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres unter. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. § 7 Abs. IV BUrlG enthält jedoch keine Bestimmung der Leistungszeit i. S. des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, sodass der Arbeitgeber grundsätzlich erst durch Mahnung in Verzug kommt.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze war der Urlaubsanspruch des Klägers für das Kalenderjahr 2010 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2011 noch nicht verfallen; folglich ist er, wie beantragt, abzugelten.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung auf die Berufung des Klägers aufzuheben und der Klage vollumfänglich stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.



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