Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 2 Sa 192/12

Verhaltensbedingte Kündigung - Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitgeber kommt seiner Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzverfahren nicht nach, wenn er die Kündigung lediglich auf einen Beschwerdeanruf stützt, in dem behauptet wurde, die betreffende Arbeitnehmerin (Spielhallenmitarbeiterin) biete in der Spielhalle Falschgeld an. Vielmehr müsse der Arbeitgeber der Beschwerde nachgehen und diese auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen sowie konkrete Tatumstände benennen können.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 08.03.2012 - 3 Ca 1529/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochenen ordentlichen Arbeitgeberkündigung. Nach ihren Angaben war die Klägerin in der Zeit ca. 3 Jahre bei der Beklagten als Spielhallenaufsicht beschäftigt, zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 930,00 EUR, als ihr die Beklagte mit Schreiben vom 04.11.2011 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15.12.2011 kündigte.

Wegen Betriebsgröße findet auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.

Die Klägerin hat Kündigungsgründe bestritten und beantragt,
festzustellen, dass die Kündigung vom 04.11.2011 zum 15.12.2011 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, am 02.11.2011 einen Anruf erhalten zu haben, dass die Klägerin in der Spielhalle Falschgeld anbiete. Weiter verweist sie auf zwei Abmahnungen vom 27.10.2009 und vom 07.04.2010. In der ersten Abmahnung wird der Klägerin vorgehalten, es habe eine Kundenbeschwerde gegeben, dass sie nach einem Toilettengang nach Alkohol gerochen habe, in der zweiten Abmahnung wird ihr vorgehalten, Beschwerden hätten ergeben, die Klägerin habe Gäste zu lange auf Getränke warten lassen, die Tür zum Tresorraum nicht immer verschlossen, Spielgeräte nicht mit neuem Geld befüllt und ihren Freund/Lebensgefährten trotz Hausverbotes an den Geräten spielen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 08.03.2012 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Im Wesentlichen hat es ausgeführt, sämtliche der Klägerin vorgeworfenen Fehlverhalten seien lediglich abstrakt behauptet ohne auch nur eine einzige Situation konkret nach Zeit, Ort, genauen Umständen oder beteiligten Personen zu beschreiben. Insbesondere hinsichtlich der Kündigung beschränke sich der Sachvortrag auf die schlichte Behauptung, sie habe am 02.11.2011 einen Anruf erhalten, die Klägerin biete in der Spielhalle Falschgeld an. Diesen von der Klägerin nachdrücklich bestrittenen Vorwurf habe sie in keiner Weise näher konkretisiert, etwa wann und wo in der Spielhalle genau die Klägerin wem Falschgeld in welcher Form angeboten haben soll und insbesondere, wie die Beklagte überhaupt zu der Gewissheit oder jedenfalls einem hinreichend begründeten Verdacht gelangt sei, dass es sich um Falschgeld handele. Sie scheine sich einzig und allein auf den Anruf einer Frau R. zu stützen, welche nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin auch annehme, diese habe Falschgeld von ihrem Freund und dieser es wiederum vom Prozessbevollmächtigten der Kläger erhalten. Den in diesem Anruf geäußerten Anschuldigungen gegen die Klägerin sei die Beklagte offenbar auch überhaupt nicht nachgegangen, sondern habe der Klägerin direkt gekündigt. Da die Beklagte ihr pauschales Vorbringen mit keinem Wort näher präzisiert oder begründet habe, sei sie der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Ihre Kündigung sei daher unwirksam. Ihr Beweisantritt auf Vernehmung der als Zeugin benannten Frau R. sei nicht nur verspätet erfolgt, sondern sei auch unzulässig gewesen, da es sich um einen reinen Ausforschungsbeweis gehandelt hätte.

Auf die Rechtmäßigkeit der beiden Abmahnungen komme es nicht mehr an.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 29.März 2012 zugestellt. Sie hat hiergegen am 19. April 2012 Berufung eingelegt und ihre Berufung mit am 29. Mai 2012 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe den Sachvortrag nicht ausreichend gewürdigt. Sowohl im Hinblick auf die in der Vergangenheit erteilten Abmahnungen als auch im Hinblick auf die Kündigungsgründe sei ausreichend Vortrag gehalten worden. In unmittelbarer Zeit in den Wochen vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung sei es wieder zu gehäuften Beschwerden, welche wiederum das bereits abgemahnte Verhalten der Klägerin zum Gegenstand hatten, gekommen. Dieser Vortrag sei unter Beweis gestellt worden durch Zeugnis der Frau U. B., welche die telefonischen Beschwerden der Gäste entgegengenommen hatte.

Bezüglich des Vorwurfs des Falschgeldes sei dieser ebenfalls durch Zeugnis der Frau B. unter Beweis gestellt worden, da ein entsprechender Anruf im Betrieb eingegangen sei. Dieser Anruf habe letztlich den Höhepunkt von Beschwerden betreffend die Klägerin gebildet, so dass die Kündigung auszusprechen war.

Darüber hinaus habe die Klägerin persönlich nach Urteil der ersten Instanz die Beklagte auf eine Einigung angesprochen.

Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 08.03.2012 - 3 Ca 1529/11 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Eine Einigung zwischen den Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht getroffen worden, komme auch für sie nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 12.07.2012.
 

Entscheidungsgründe

I.  Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

II.  Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht Trier festgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem sorgfältig und vollständig begründeten arbeitsgerichtlichen Urteil rechtfertigen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher voll umfänglich Bezug auf die Begründung des angefochtenen Urteils.

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:
Auch im Berufungsverfahren hat die Beklagte die fehlende Konkretisierung der gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe nicht nachgeholt. Der Hinweis der Beklagten auf erstinstanzlichen Sachvortrag, der vom Arbeitsgericht als unzureichend angesehen wurde, ersetzt keine Substantiierung der einzelnen Vorwürfe nach Ort, Art und konkretem Zeitpunkt.

Insbesondere sind die nach letzter erteilter Abmahnung und vor ausgesprochener Kündigung erhobenen Vorwürfe der Arbeitsleistung der Klägerin in keinster Weise konkretisiert, so dass die Kammer nicht feststellen konnte, ob etwaige Defizite in der Arbeitsleistung der Klägerin als verhaltensbedingte Kündigungsgründe angelastet werden können. Dass allein der Anruf einer dritten Person, deren Wahrheitsgehalt in keinster Form überprüft und auch nur andeutungsweise festgestellt werden kann, einen Grund für einen verständigen Arbeitgeber bilden könnte, die ordentliche Kündigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses auszusprechen, ist vom Arbeitsgericht ebenso zutreffend entschieden worden.

Das Urteil kann auch deswegen nicht abgeändert werden, weil die Klägerin nach Erlass des angefochtenen Urteils mit der Beklagten eine Verständigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gefunden hätte. Eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Parteien ist evident nicht zustande gekommen.

III.  Damit musste die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO der Zurückweisung unterliegen.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehend angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.



Sie kennen die Kanzlei Labisch aus folgenden Medien:

Logo SWR1
Logo SWR4
Logo RPR1
Logo Wiesbadener Kurier
Logo Geißener Anzeiger
Logo Wormser Zeitung
Logo Wiesbadener Tagblatt
Logo Main Spitze
Logo Frankfurter Rundschau
Logo Handelsblatt
Logo Allgemeine Zeitung
Logo Darmstädter Echo
Logo Focus
Logo NTV
Logo ZDF WISO
Lexikon schließen
Schließen