Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 11 Sa 42/12

Weiterbeschäftigung; Abfindungsanspruch

Sagen Vertreter des Arbeitgebers in einer Kommissionssitzung mit Mitgliedern des Personalrats die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers für den Fall der Rücknahme seiner Eigenkündigung zu, so liegt hierin kein bindendes rechtsgeschäftliches Angebot an den nicht anwesenden Arbeitnehmer auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zur Weiterbeschäftigung verpflichtet.
(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 17.10.2011, Az.: 1 Ca 253/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung, hilfsweise über einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.

Der 1978 geborene Kläger ist seit dem 01.07.2000 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 4.122,-- € beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Es besteht ein Personalrat. Zum 01.01.2010 übernahm der Kläger bei der Beklagten eine neue Tätigkeit als Gruppenleiter.

Unter Datum vom 04.02.2010 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Gesamtpersonalrat eine Verfahrensregelung zum freiwilligen Ausscheiden von Beschäftigten. Hierin ist unter anderem folgendes geregelt:

 „3.Aufhebungsvertrag

Beschäftigte können mit Zustimmung der L. (= Beklagte) einen Aufhebungsvertrag abschließen und gegen Abfindung ausscheiden.

 (...)

3.7. Beschäftigte, die einen Aufhebungsvertrag abschließen wollen, stellen beim Personalbereich einen schriftlichen Antrag mit bereits erfolgter Stellungnahme des zuständigen Abteilungs- bzw. Bereichsleiters. ...

Die Entscheidung über den Antrag erfolgt innerhalb von 2 Wochen und ist im Fall der Ablehnung schriftlich zu begründen. Der zuständige ÖPR (= örtlicher Personalrat) und der GPR ( = Gesamtpersonalrat) bzw. bei Schwerbehinderten und Gleichgestellten zusätzlich die Schwerbehindertenvertretung werden hierüber unterrichtet.

 (...)

4.Kommission

Es wird eine Kommission gebildet. Diese Kommission tritt im Fall der Ablehnung von Anträgen auf Abschluss eines Vorruhestandsvertrags bzw. eines Aufhebungsvertrags auf Antrag der Beschäftigten innerhalb von 2 Wochen zusammen. Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung. Sie besteht aus zwei Mitgliedern des zuständigen ÖPR und einem Vertreter des GPR, sowie drei Vertretern der L. Die Kommission trifft ihre Entscheidung bei Stimmenmehrheit abschließend.

 (...)

6. Diese Vereinbarung tritt am 01.02.2010 in Kraft und endet mit Inkrafttreten des Beschäftigungssicherungs- und Standortsicherungstarifvertrags, spätestens jedoch am 30.09.2010. Sie entfaltet keine Nachwirkung. Betriebsbedingte Kündigungen sind zunächst für die Laufzeit dieser Vereinbarung ausgeschlossen.“

In mehreren Informationsveranstaltungen forderte die Beklagte ihre Mitarbeiter auf, sich umzuschauen und nach neuen Arbeitsplätzen zu suchen.

Der Kläger stellte am 08.03.2010 den Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzuheben. Mit Schreiben vom 10.03.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie seinen Antrag derzeit ablehnt und das Arbeitsverhältnis mit ihm gern fortsetzen möchte. Darauf beantragte der Kläger die Anhörung der Kommission zu seinem Aufhebungsantrag. Ihm wurde mitgeteilt, dass sich die Kommission am 09.04.2010 mit seinem Antrag befassen wird.

Mit Schreiben vom 30.03.2010 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit folgendem Wortlaut:

 „...hiermit kündige ich, vorbehaltlich der Entscheidung der Kommission zu meinem Antrag auf Aufhebung am 09.04.2010, den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag ordentlich und fristgerecht zum 30.06.2010, spätestens aber zum nächstmöglichen Termin.

Sollte die Kommission meinem Antrag zustimmen, so gilt dieser statt meiner Kündigung, da ich den Antrag auf Aufhebung schon am 01.03.2010 eingereicht habe.

Bitte, bestätigen Sie mir, nach Entscheidung der Kommission, den Erhalt meiner Kündigung und das Aufhebungsdatum des Arbeitsvertrags schriftlich....“

Am 09.04.2010 befasste sich die Kommission mit dem Antrag des Klägers. Auf Seiten der Beklagten waren unter anderem Herr Z, Leiter des Bereichs Back Office Financial Markets, und Herr Y, Personalleiter, Teilnehmer der Kommissionssitzung. Im Protokoll ist folgendes festgehalten:

3 Monate GL (= Gruppenleiter), dann gekündigt

(hat woanders neue Herausforderung)

wurde seit März 09 darauf vorbereitet

Nachfolger erforderlich

Keine doppelte Freiwilligkeit

Entscheidung Kommission: negativ votiert, einstimmig“

Die Beklagte teilte dem Kläger am 09.04.2010 schriftlich mit, dass die Kommission seinen Antrag abschließend abgelehnt habe.

Hierauf hat der Kläger mit E-Mail vom 28.04.2010 seine Eigenkündigung zurückgenommen und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Die Beklagte stimmte dieser Erklärung nicht zu.

Mit Schriftsatz vom 08.02.2011 hat der Kläger Klage erhoben und in der Hauptsache seine Weiterbeschäftigung, hilfsweise die Zahlung einer Abfindung nach der Berechnungsformel in der Verfahrensregelung geltend gemacht.

Der Kläger hat in der ersten Instanz wie folgt vorgetragen:

Seine Eigenkündigung vom 30.03.2010 sei unzulässig, da sie unter der Bedingung gestanden habe, dass er für den Verlust des Arbeitsplatzes die in der Dienstvereinbarung vorgesehene Abfindung erhalte. Er habe nur gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden wollen. Mit dem Schreiben vom 30.03.2010 habe er lediglich erreichen wollen, dass mit der Beklagten Einigkeit über den Zeitpunkt seines Ausscheidens erzielt wird.

Jedenfalls habe der Vertreter der Beklagten, Herr Z, in der Kommissionssitzung im Beisein des Personalleiters erklärt, dass man den Kläger, wenn er seine Kündigung zurücknehme, weiterbeschäftigen werde. Dieses Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses habe er angenommen.

Hilfsweise stehe ihm ein Anspruch auf die Abfindung zu, da die Beklagte durch ihr Verhalten seine Kündigung veranlasst habe. Da er keine Anschlussbeschäftigung gehabt habe und auch nach wie vor ohne Anstellung sei, hätte er ohne die berechtige Erwartung einer Abfindungszahlung von sich aus keine Eigenkündigung erklärt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Gruppenleiter weiter zu beschäftigen;

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung in Höhe von 38.844,80 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bestehe schon deshalb nicht, weil der Kläger das Arbeitsverhältnis durch seine vorsorgliche Eigenkündigung wirksam beendet habe. In der Kommissionssitzung vom 09.04.2010 sei darüber gesprochen worden, ob der Kläger weiterbeschäftigt würde, wenn er die Eigenkündigung zurücknähme. Die Teilnehmer aus dem Personalbereich hätten sofort deutlich gemacht, dass dies nicht möglich sei. Es sei dem Kläger auch bekannt gewesen, dass Herr Z als Leiter des Bereichs „Back Office Financial Markets“ zu einer solchen Zusage auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gar nicht berechtigt gewesen wäre.

Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil vom 17.10.2011 die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, da er das Arbeitsverhältnis durch seine Eigenkündigung wirksam zum 30.06.2011 beendet habe. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Eigenkündigung nicht ohnehin wirksam sei. Jedenfalls sei es dem Kläger nach Treu und Glauben bzw. unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung verwehrt, sich erst im Rahmen seiner Klageschrift vom 08.02.2011 auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Kündigung zu berufen. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt werde, dass Herr Z in der Kommissionssitzung eine Zusage auf Weiterbeschäftigung für den Fall der Rücknahme der Eigenkündigung des Klägers gemacht habe, ergäbe sich auch hieraus kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Zum einen sei dem Kläger bekannt gewesen, dass Herr Z zu einer solchen Zusage nicht berechtigt gewesen wäre, zum anderen wäre das Angebot nur gegenüber den Personalratsmitgliedern erfolgt, welche weder Vertreter noch Empfangsboten des Klägers seien. Es bestehe auch kein Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Abfindung. Zwischen den Parteien sei kein Aufhebungsvertrag im Sinne der Verfahrensregelung zustande gekommen. Die Beklagte sei auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen bzw. aus der Fürsorgepflicht, den Vorschriften von Treu und Glauben bzw. auf der Grundlage des Grundsatzes „venire contra factum proprium“ verpflichtet gewesen, den Antrag des Klägers auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags positiv zu bescheiden.

Das Urteil ist dem Kläger am 22.12.2011 zugestellt worden. Er hat hiergegen am Montag, den 23.01.2012 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 19.03.2012, eingegangen am 20.03.2012, innerhalb der bis zum 22.03.2012 verlängerten Frist begründet.

Der Kläger begründet die Berufung wie folgt:

Das Arbeitsgericht stütze seine Entscheidung unter anderem darauf, dass der Kläger unstreitig gewusst habe, dass der Bereichsleiter Z zu einer Zusage auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der Kommission nicht berechtigt gewesen wäre. Er habe diese Behauptung der Beklagten aber mehrfach in seinen Schriftsätzen bestritten. In der Kommission sei es konkret um die Behandlung und Entscheidung über seinen Antrag gegangen. Da er selbst nicht zur Teilnahme an der Sitzung berechtigt war, habe der Personalrat als sein Vertreter fungiert. So habe sich der Personalrat auch selbst verstanden, denn er sei von sich aus zum Kläger gekommen und habe ihn über das Ergebnis der Kommissionssitzung informiert. Die Beklagte verhalte sich höchst widersprüchlich und treuwidrig, indem sie den Personalrat in der Kommissionssitzung mit einer Zusage zunächst ruhig stellt und sich danach nicht mehr an diese Zusage gebunden fühlt. Nur wegen der Zusage der Weiterbeschäftigung durch Herrn Z in Anwesenheit des Personalleiters sei das negative Votum des Personalrats über seinen Antrag erfolgt.

Ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Verhalten könne ihm wegen des Schreibens vom 30.03.2010 nicht vorgeworfen werden. Aufgrund einer von ihm fehlinterpretierten Regelung des Tarifvertrags sei er der Auffassung gewesen, dass er den Kündigungszeitpunkt, den 30.06.2010, einhalten müsse. Aus dem Kündigungsschreiben werde jedenfalls deutlich, dass er das Arbeitsverhältnis ohne eine Abfindung nicht habe beenden wollen.

Die Beklagte habe ihn zum Ausspruch der Eigenkündigung veranlasst, indem sie in mehreren Betriebsversammlungen in X wiederholt mitgeteilt habe, dass nach Vorgaben der EU 3.000 Arbeitsplätze abgebaut werden müssten. Zwar seien Kündigungen bis zum 30.09.2010 durch den Standortsicherungsvertrag ausgeschlossen gewesen. Aber die Befristung dieser Regelung erwecke bei den Mitarbeitern in Zusammenschau mit der Aufforderung des Vorstandes, sich nach neuen Arbeitsplätzen umzusehen, den Eindruck, dass danach betriebsbedingte Kündigungen erfolgen werden.

Er sei davon ausgegangen, dass sein Antrag auf ein einvernehmliches Ausscheiden gegen Zahlung einer Abfindung genehmigt worden sei, da die Beklagte ihre Ablehnung entgegen Ziffer 3.7. der Verfahrensregelung nicht schriftlich begründet habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 17.10.2011 - 1 Ca 253/11 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Gruppenleiter weiter zu beschäftigen,

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 38.844,80 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 20.04.2012, auf welche Bezug genommen wird, als zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Feststellungen in den Sitzungsprotokollen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass dem Kläger weder ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung noch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Abfindung zusteht.

I.

Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung scheitert daran, dass der Kläger sein Arbeitsverhältnis durch die Eigenkündigung vom 30.03.2010 wirksam zum 30.06.2010 beendet hat.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist seine Eigenkündigung nicht schon deshalb unwirksam, weil sie unter einer unzulässigen Bedingung erklärt worden ist.

a) Als einseitiges Rechtsgeschäft ist die Kündigung grundsätzlich bedingungsfeindlich (BAG 15.03.2001 - 2 AZR 705/99 - BAGE 97, 193; 27.06.1968 - 2 AZR 329/67 - AP BGB § 626 Bedingung Nr. 1). Ausnahmen gelten für eine sog. Potestativbedingung und eine bloße Rechtsbedingung.

aa) Bei der Potestativbedingung ist der Eintritt der Bedingung allein vom Willen des Kündigungsempfängers abhängig, der Gekündigte kann sich also im Zeitpunkt der Kündigung sofort entschließen, ob er die Bedingung erfüllen will oder nicht. In diesem Fall entsteht für den Gekündigten keine Ungewissheit.

bb) Der typische Anwendungsfall der Kündigung unter einer Rechtsbedingung ist die vorsorgliche Kündigung. Diese wird für den Fall erklärt, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits aus anderen Gründen, insbesondere wegen einer zeitlich vorhergehenden Kündigung aufgelöst ist. Eine derartige vorsorgliche Kündigung ist eine unbedingte Kündigung und deshalb zulässig, weil der Kündigungsempfänger weiß, dass das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beendet werden soll und er darüber nicht in Unsicherheit gelassen wird. Die vorsorgliche Kündigung steht nur unter dem Vorbehalt, dass sie gegenstandslos wird, falls das Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt endet (LAG Köln 10.07.2003 - 10 Sa 177/03 - zitiert nach juris, Rn. 32).

b) Die Auslegung des Kündigungsschreibens des Klägers vom 30.03.2010 aus der Sicht eines objektiven Empfängerhorizontes gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die Kündigungserklärung eine bloße Rechtsbedingung beinhaltet und damit wirksam ist. Mit der gewählten Formulierung „vorbehaltlich“ hat der Kläger eine vorsorgliche Kündigung ausgesprochen, die für den Fall gelten sollte, dass die Kommission am 09.04.2010 seinen Antrag auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung ablehnen sollte. In Satz 2 seines Schreibens hat der Kläger ausgeführt, dass für den Fall, dass die Kommission am 09.04.2010 seinem Antrag auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zustimmen sollte, statt der einseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsvertrags zustande kommen sollte. Wenn für diesen Fall die Eigenkündigung keine Wirkung haben soll, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis im Fall der negativen Entscheidung der Kommission durch seine Eigenkündigung beenden wollte. Der Kläger hat durch die gewählte Formulierung deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er in jedem Fall das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beenden will. Hätte der Kläger im Fall einer negativen Entscheidung der Kommission bei der Beklagten weiterbeschäftigt werden wollen, so hätte es einer Eigenkündigung nicht bedurft. Der Kläger hätte in Ruhe die Entscheidung der Kommission abwarten können.

Für die Beklagte als Kündigungsempfängerin bestand keine Unsicherheit über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Sie musste nicht erst noch Nachforschungen anstellen, um feststellen zu können, ob das Arbeitsverhältnis noch besteht. Mit Kenntnis der Kommissionsentscheidung vom 09.04.2010 war klar, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch einen Aufhebungsvertrag, sondern auf der Grundlage der einseitigen Kündigung des Klägers beendet wird.

Dem Kündigungsschreiben lässt sich entgegen der Auffassung der Berufung nicht entnehmen, dass der Kläger allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung wünschte. Dies hat er in dem Schreiben wörtlich und auch dem Sinn nach nicht zum Ausdruck gebracht. Vielmehr folgt im Umkehrschluss aus dem 2. Satz „Sollte die Kommission meinem Antrag zustimmen, so gilt dieser statt meiner Kündigung...“, dass die Kündigung gerade für den Fall einer ablehnenden Entscheidung der Kommission ausgesprochen worden ist.

2. Selbst wenn das Kündigungsschreiben des Klägers eine unzulässige Bedingung enthalten sollte, so war es dem Kläger nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Kündigung zu berufen.

a) Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12.03.2009 (- 2 AZR 894/07 - BAGE 130, 14 = juris, Rn. 18) ausgeführt, dass die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer schriftlich erklärten Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer selbst regelmäßig treuwidrig ist. Auch wenn es sich im dortigen Fall um eine fristlose Eigenkündigung handelte, sind die Grundsätze dieser Entscheidung auch für den vorliegenden Fall einer ordentlichen Arbeitnehmerkündigung von Relevanz. Nach § 242 BGB ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der eigenen Kündigung zu berufen, da er gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstößt, wenn er geltend macht, die Eigenkündigung habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Eine schriftliche, ohne jedes Drängen des Arbeitgebers abgegebene Kündigungserklärung spricht regelmäßig für eine ernsthafte und endgültige Lösungsabsicht des Arbeitnehmers.

b) Entgegen der Auffassung der Berufung kann die Beklagte hier auch schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen. Die Beklagte hat den Kläger nicht in eine Situation getrieben, in der er zur Wahrung seiner Rechte eine Eigenkündigung hätte aussprechen müssen. Sofern er wegen einer von ihm fehlinterpretierten Regelung des Tarifvertrags der Auffassung war, dass er den Kündigungszeitpunkt 30.06.2010 einhalten müsse, hätte es nahegelegen, sich hierüber zunächst mit der Personalabteilung der Beklagten ins Benehmen zu setzen.

3. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung folgt auch nicht aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten.

a) Die nachträgliche „Rücknahme“ der Kündigung durch den Kläger führt nicht zu einem Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses. Diese Erklärung beinhaltet nur das Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Dieses Angebot ist durch die Beklagte unstreitig nicht angenommen worden.

b) Der Kläger kann den Anspruch auf Weiterbeschäftigung auch nicht aus der von ihm behaupteten Zusage des Herrn Z als Vertreter der Beklagten in der Kommissionssitzung vom 09.04.2010 herleiten. Die Beklagte hat eine entsprechende Zusage für den Fall der Rücknahme der Eigenkündigung durch den Kläger bestritten. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass sich Herr Z in diesem Sinn gegenüber den Mitgliedern des Personalrats in Anwesenheit des Personalleiters geäußert hat, beinhaltet diese Erklärung kein bindendes Angebot an den Kläger auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

aa) Für den Bereich der Gesamtzusage ist höchstrichterlich folgendes anerkannt: Wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat eine Gesamtzusage bekannt macht, so ersetzt dieses Verhalten nicht den für ein rechtsgeschäftliches Vertragsangebot erforderlichen Zugang einer solchen Willenserklärung bei den zu begünstigenden Arbeitnehmern (BAG 28.06.2006 - 10 AZR 385/05 - zitiert nach juris, Rn. 32).

bb) Diese Situation ist mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar, denn es macht von der juristischen Bewertung her keinen Unterschied, ob sich die Zusage einer individualrechtlichen Leistung auf eine Personenmehrheit von Arbeitnehmern oder - wie hier - auf einen einzelnen Arbeitnehmer bezieht. In der Äußerung eines Vertreters der Beklagten in der Kommissionssitzung liegt kein wirksames rechtsgeschäftliches Angebot der Beklagten an den Kläger auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger selbst hat an der Sitzung der Kommission nicht teilgenommen. Die in der Sitzung anwesenden Personalratsmitglieder fungierten weder als gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter des Klägers noch als dessen Empfangsboten, sondern nahmen hier die mit ihrem Mandat einhergehenden Amtspflichten wahr.

Selbst wenn die Äußerung des Herrn Z, wie vom Kläger behauptet, gefallen ist, resultiert hieraus keine Selbstbindung der Beklagten aus § 242 BGB, die sie nach Treu und Glauben verpflichtet, das Angebot des Klägers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anzunehmen. Wenn die Beklagte eine bestimmte Verhaltensweise, die sie in der Kommissionssitzung zugesagt hat, gegenüber dem Kläger nicht umsetzt, führt das nicht zum Entstehen eines individualrechtlichen Anspruchs des Klägers. Der vom Kläger behauptete Verstoß gegen eine Absprache zwischen den Kommissionsmitgliedern kann allein kollektivrechtlich sanktioniert werden, nicht aber zum Entstehen eins individualrechtlichen Anspruchs des Klägers führen.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise eingeklagte Abfindung.

Es besteht kein Anspruch unmittelbar aus der zwischen der Beklagten und ihrem Gesamtpersonalrat geschlossenen Verfahrensregelung zum freiwilligen Ausscheiden von Beschäftigten. Denn es ist zwischen den Parteien kein Aufhebungsvertrag im Sinne dieser Verfahrensregelung zustande gekommen. Zwar hat der Kläger unter Datum vom 08.03.2010 einen Antrag auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung gestellt. Dieser Antrag ist von der Beklagten jedoch abgelehnt worden.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist keine Zustimmungsfiktion eingetreten, weil die Beklagte ihren Antrag nicht - wie in Ziffer 3.7 (2) der Dienstvereinbarung geregelt - innerhalb von zwei Wochen schriftlich mit Begründung abgelehnt hat. Die Versäumung der Frist hat nicht zur Folge, dass der Aufhebungsvertrag als zu Stande gekommen gilt. Ein Vertrag kommt durch ein Angebot und dessen Annahme zu Stande. Schweigen stellt nach § 147 BGB in der Regel keine Willenserklärung dar. Wer auf ein Angebot nicht bzw. nicht rechtzeitig reagiert, stimmt diesem nicht zu. Im Übrigen steht einer fingierten Annahmeerklärung durch Schweigen bzw. nicht rechtzeitiger Ablehnung des Angebots bereits das gesetzliche Schriftformerfordernis der §§ 623, 126 BGB entgegen. Zudem hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass es sich bei Ziffer 3.7. (2) der Dienstvereinbarung ersichtlich nur um eine Verfahrensregelung handelt, durch welche die Beklagte zu einer zügigen Bearbeitung der Anträge der Beschäftigten angehalten werden soll (so auch LAG Rheinland-Pfalz 22.09.2011 - 10 Sa 182/11 - zitiert nach juris, Rn. 37).

3. Die Beklagte war nicht verpflichtet, mit der Klägerin einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Sie war nach dem Prinzip der Abschlussfreiheit in ihrer Entscheidung frei, mit welchen Beschäftigten sie im Rahmen der Dienstvereinbarung zum freiwilligen Ausscheiden vom 04.02.2010 einen Aufhebungsvertrag abschloss. Sie war weder zur Annahme entsprechender Angebote verpflichtet noch hatte sie sich durch selbst gesetzte Regeln, etwa durch eine Gesamtzusage, in einer Art und Weise gebunden, die es ihr unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verbot, das Angebot des Klägers auf Vertragsaufhebung gegen Abfindung nicht anzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, findet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz keine Anwendung, wenn ein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses trifft und Abfindungen zahlt, die dem Grunde und der Höhe nach - wie hier in der Dienstvereinbarung vom 04.02.2010 - geregelt sind (vgl. BAG 17.12.2009 - 6 AZR 242/09 - NZA 2010, 273).

4. Der Kläger kann die Abfindung nicht mit dem Argument beanspruchen, die Beklagte habe seine Eigenkündigung „veranlasst“.

a) Im Hinblick auf Abfindungsleistungen aus einem Sozialplan wird es als mit dem arbeitsgerichtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar angesehen, wenn die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Leistungen zwischen Arbeitnehmern unterscheiden, denen in Folge einer Betriebsänderung gekündigt worden ist und solchen, die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet haben. Die Betriebspartner können davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst beenden, schon einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, so dass sie der Verlust des Arbeitsplatzes im Betrieb nicht so schwer trifft (BAG 19.07.1995 - 10 AZR 885/94 - BB 1995, 2534). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird dann angenommen, wenn die Eigenkündigung oder der Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber veranlasst worden ist. In diesem Fall ist eine Gleichbehandlung mit den gekündigten Arbeitnehmern geboten. Eine Veranlassung liegt allerdings nur dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendige Kündigung zu vermeiden. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügen nicht, um eine Veranlassung in diesem Sinne anzunehmen (BAG 19.07.1995 - 10 AZR 885/94 - BB 1995, 2534, 2535).

b) Auch nach dem Vortrag des Klägers selbst ist seine Eigenkündigung nicht in diesem Sinne von der Beklagten veranlasst worden. Die Tatsache, dass bei der Beklagten aufgrund von EU-Vorgaben bis zu 3.000 Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, reicht nicht aus, um eine Veranlassung seitens der Beklagten bejahen zu können. In Ziffer 6 der Dienstvereinbarung waren betriebsbedingte Kündigungen bis zum 30.09.2010 ausdrücklich ausgeschlossen. Der Kläger musste daher bis zum 30.09.2010 nicht mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen. Eine konkret bevorstehende Gefahr für den Bestand des Arbeitsverhältnisses lag deshalb im Kündigungszeitpunkt nicht vor.

C.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.



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