Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Urteil vom - Az: 11 Sa 663/08

Zur Wirkung eines Geständnisses über die Arbeitgebereigenschaft

Gegenstand eines Geständnisses können auch juristisch eingekleidete Tatsachen sein sowie präjudizielle Rechtsverhältnisse, die Gegenstand einer selbständigen Feststellungsklage sein können. Hierzu ist auch der Vortrag zu rechnen, wer Vertragspartei geworden sei. Tragen beide Parteien des Rechtsstreits vor, dass es ihr Wille gewesen sei, ein Arbeitsverhältnis miteinander zu begründen, so hat das Gericht hiervon als maßgebend auszugehen, auch wenn der schriftliche Vertrag andere Möglichkeiten eröffnen würde.
(Redaktioneller Orientierungssatz)

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.08.2008 - 3 Ca 905/07 - teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.04.2007 beendet wurde.

2. Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.08.2008 - 3 Ca 905/07 - teilweise abgeändert.

Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage wird abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Kündigungen.

Der am 30.01.1954 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.09.1996 Geschäftsführer der S. des L. R.. Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt des Klägers betrug zuletzt 5.666,66 €.

Mit Schreiben vom 08.12.2004 erhielt der Kläger unter dem Briefkopf des Beklagten zu 1 eine von beiden Beklagten unterzeichnete Abmahnung, weil er zur Vorbereitung des Jugendlagers der Sportjugend während der Olympischen Sommerspiele Zahlungen veranlasst habe, ohne sich entsprechende Belege vorlegen zu lassen, wodurch ein Schaden von ca. 90.000,00 € entstanden sei.

Grundlage der streitgegenständlichen Kündigungen ist der Umstand, dass die für die Buchhaltung der Beklagten zu 2 zuständige Mitarbeiterin, die Zeugin E., in den Jahren 2000 bis 2006 fast eine Million Euro veruntreute, wofür nach Auffassung der Beklagten der Kläger mitverantwortlich war.

Am 17.04.2007 wurde der Kläger angehört. Am gleichen Tag informierte der Beklagte zu 1 den Betriebsrat über die beabsichtigte fristlose Kündigung des Klägers. Mit Schreiben vom 20.04.2007 widersprach der Betriebsrat der Kündigung.

Mit Schreiben vom 20.04.2007 erhielt der Kläger unter dem Briefkopf des Beklagten zu 1 eine von beiden Beklagten unterzeichnete fristlose Kündigung. Hiergegen hat der Kläger am 27.04.2007 Kündigungsschutzklage gegen den Beklagten zu 1 erhoben. Seine am 26.06.2007 gegen die Beklagte zu 2 erhobene Kündigungsschutzklage ließ das Arbeitsgericht Mainz mit Beschluss vom 24.01.2008 nachträglich zu. Nach Rechtskraft des Beschlusses stellten die Beklagten unstreitig, dass Arbeitgeber des Klägers der Beklagte zu 1 war.

Weitere Kündigungen erfolgten

-          durch die Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 04.02.2008, dem Kläger zugegangen am 05.02.2008, fristlos,

-          durch den Beklagten zu 1 mit zwei identischen Schreiben vom 06.02.2008, dem Kläger zugegangen am 11.02.2008, fristlos,

-          durch die Beklagte zu 2 mit zwei identischen Schreiben vom 08.02.2008, dem Kläger zugegangen am 11.02.2008, ordentlich zum 30.09.2008,

-          durch den Beklagten zu 1 mit zwei identischen Schreiben vom 08.02.2008, dem Kläger zugegangen am 11.02.2008, ordentlich zum 30.09.2008.

Der Kläger hat vorgetragen:

Im Zusammenhang mit den Straftaten der Zeugin E. seien ihm keine Vorwürfe zu machen. Er habe Bar- und Verrechnungsschecks zur Auffüllung der Barkasse und zur Befriedigung von Forderungen Dritter unterschrieben, nicht aber solche, die auf die Zeugin E. ausgestellt gewesen seien und von ihr hätten eingelöst werden können. Wahrscheinlich habe die Zeugin E. Unterschriften gefälscht oder sie sich erschlichen. Er sei auch bezüglich des Kontos der Beklagten zu 2 nicht allein zeichnungsberechtigt gewesen, sondern eine Mitarbeiterin der Zentralkasse des Beklagten zu 1 habe mit unterschreiben müssen. Offenbar seien bei der Zentralkasse Einbuchungen ohne Prüfung der Belege erfolgt. Da der Beklagte zu 1 die Organisation vorgegeben habe, trage er die Verantwortung für die Schäden. Die Barkasse sei von ihm sowie dem Schatzmeister der Beklagten zu 2 alle zwei Monate überprüft worden. Im Übrigen seien Kontoauszüge und Belege stichprobenartig überprüft worden. Er habe die Zeugin E. so gut überwacht, wie ihm dies aufgrund seiner sonstigen Aufgaben möglich gewesen sei. Weitergehende Überwachungspflichten seien seinem Arbeitsvertrag nicht zu entnehmen. Konkrete Vorgaben habe er nicht gehabt. Erst die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers habe die Machenschaften der Zeugin E. aufdecken können. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wieso nur er, nicht aber sein Stellvertreter G., der
ebenfalls Schecks, noch dazu über größere Summen, unterschrieben habe, entlassen worden sei.

Sämtliche Umstände, die zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 20.04.2007 geführt hätten, seien dem Beklagten zu 1 am 05.04.2007 bekannt gewesen. Die Sachverhaltsermittlungen seien an diesem Tage abgeschlossen gewesen. Nach diesem Datum hätten sich für den Beklagten zu 1 keine neuen Erkenntnisse ergeben. Der Abschlussbericht enthalte keine Neuerungen gegenüber dem Bericht vom 05.04.2007. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1 habe gegenüber dem Betriebsrat sogar ausdrücklich bestätigt, dass die Zwei-Wochen-Frist mit Ablauf des 05.04.2007 begonnen habe, und ihn daher gebeten, seine Äußerungsfrist nicht auszuschöpfen.

Seine, des Klägers, Anhörung sei unwirksam, da sie später als eine Woche nach dem ausschlaggebenden Kenntnissachstand erfolgt sei. Auch sei ihm nicht gesagt worden, dass ein Verdacht gegen ihn bestehe und er im Hinblick auf eine bevorstehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses angehört werde.

Den Beschluss, ihn zu entlassen, habe das Präsidium des Beklagten zu 1 bereits am 17.04.2007, vor der Stellungnahme des Betriebsrats, fest gefasst.

Die Kündigung der Beklagten zu 2 vom 04.02.2008 sei wegen fehlender Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Für sie sowie für die Kündigungen des Beklagten zu 1 vom 06.02.2008 fehle es an einem wichtigen Grund. Auch sei die Zwei-Wochen-Frist nicht gewahrt. Die ordentlichen Kündigungen seien nicht sozial gerechtfertigt. Ebenso wie vor den fristlosen Kündigungen sei der Betriebsrat nicht ausreichend über die Kündigungsgründe informiert worden. Dem Betriebsrat sei lediglich mündlich mitgeteilt worden, es gebe nunmehr ein graphologisches Gutachten, das seine, des Klägers, Unterschriften bestätige. Weitergehende Informationen, insbesondere über den Inhalt des Gutachtens, seien dem Betriebsrat nicht gegeben worden. Der Betriebsrat habe auch keine Gelegenheit erhalten, das Gutachten einzusehen. Dem Betriebsrat gegenüber sei erklärt worden, die neuerlichen Kündigungen sollten ausgesprochen werden, weil sich aufgrund des graphologischen Gutachtens der Verdacht erhärtet habe. Dagegen sei keine Rede davon gewesen, dass das Arbeitsverhältnis nunmehr aufgrund erwiesener Pflichtverletzungen gekündigt werden solle. Ihn entlastende Umstände aus der Ermittlungsakte seien dem Betriebsrat vorenthalten worden, so die Aussage einer Mitarbeiterin des Beklagten zu 1, die Zeugin E. habe sich darüber beschwert, dass er niemals Blankounterschriften geleistet habe. Soweit die Beklagten wiederum Verdachtskündigungen ausgesprochen hätten, hätten sie seine erneute Anhörung versäumt. Das graphologische Gutachten habe dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten bereits am 16.01.2008 vorgelegen und sei spätestens am 17.01.2008 mit den Beklagten besprochen worden. Der Betriebsrat sei am 29.01.2008 tagsüber mündlich angehört worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen ihm und dem Beklagten zu 1 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.04.2007, ihm am gleichen Tage zugegangen, beendet wurde,

2. festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten zu 2 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.04.2007, ihm am gleichen Tage zugegangen, beendet wurde,

3. festzustellen, dass sein durch den Anstellungsvertrag vom 20.06.1996 begründetes Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 2 vom 04.02.2008 nicht beendet wird,

4. festzustellen, dass sein durch den Anstellungsvertrag vom 20.06.1996 begründetes Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen des Beklagten zu 1 vom 06.02.2008 beendet wird,

5. festzustellen, dass sein durch den Anstellungsvertrag vom 20.06.1996 begründetes Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen der Beklagten zu 2 vom 08.02.2008 zum 30.09.2008 beendet wird,

6. festzustellen, dass sein durch den Anstellungsvertrag vom 20.06.1996 begründetes Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen des Beklagten zu 1 vom 08.02.2008 zum 30.09.2008 beendet wird,

7. festzustellen, dass sein durch den Anstellungsvertrag vom 20.06.1996 begründetes Arbeitsverhältnis über den 30.09.2008 hinaus ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen:

Der Kläger sei zuständig gewesen für die Führung der wirtschaftlichen Angelegenheiten der Beklagten zu 2. Die Kündigung vom 20.04.2007 sei erfolgt wegen des Verdachts einer Straftat oder jedenfalls einer schwerwiegenden Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers. Es habe der Verdacht bestanden, dass der Kläger Bar- und Verrechnungsschecks - entweder auf die Zeugin E. ausgestellt oder blanko - unterzeichnet habe, ohne zuvor den Verwendungszweck zu prüfen oder sich nachträglich Nachweise über die Verwendung der Mittel geben zu lassen. Der Kläger habe keinerlei Kontrollen durchgeführt, insbesondere weder Kontoauszüge noch Belege durchgesehen noch die Mittelverwendung zumindest stichprobenartig kontrolliert. Hätte der Kläger die Ausgaben überprüft, hätte er die Manipulationen der Zeugin E., die auch Geld aus der Barkasse entnommen und fingierte Kassenausgabebelege in die Kasse gelegt habe, bemerken müssen. Jedenfalls im Zuge der Erstellung der Jahresabschlüsse hätten dem Kläger Unregelmäßigkeiten auffallen müssen. Beim Beklagten zu 1 seien lediglich die bereits abgeschlossenen Buchungsvorgänge im Finanzbuchhaltungsprogramm erfasst worden.

Nach Bekanntwerden der Vorfälle habe der Vorsitzende der Beklagten zu 2, der Zeuge A., am 14.03.2007 einen Rechtsanwalt aufgesucht. Am 20.03.2007 habe der Beklagte zu 1 die Dr. D. & P. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/ Steuerberatungsgesellschaft mit der Prüfung des Falles beauftragt. Diese sei vom 20.03. bis zum 05.04.2007 mit der Sichtung der Unterlagen in den Geschäftsräumen des Beklagten zu 1 beschäftigt gewesen. Am 05.04.2007 habe sie ihn über den Stand der Ermittlungen informiert und ihm ein Arbeitsexemplar des vorläufigen Berichts der Prüfung zur Verfügung gestellt, der zum großen Teil noch lückenhaft gewesen sei. Den endgültigen Bericht hätten sie erst am 16.04.2007 zur turnusmäßigen Präsidiumssitzung des Beklagten zu 1 fertig gestellt.

Die Kündigungen im Februar 2008 seien ausgesprochen worden, nachdem die Staatsanwaltschaft ihrem Prozessbevollmächtigten am 22.01.2008 die Ermittlungsakten die Zeugin E. betreffend übersandt habe. Am 24.01.2008 habe eine Vorstandssitzung der Beklagten zu 2 stattgefunden, am Abend des 29.01.2008 turnusgemäß eine Präsidiumssitzung des Beklagten zu 1. Ihr Prozessbevollmächtigter habe jeweils über den wesentlichen Inhalt der Ermittlungsakten informiert. Es sei jeweils beschlossen worden, nunmehr aufgrund erwiesener Pflichtverletzungen des Klägers zu kündigen. Die Verdachtsmomente gegen den Kläger hätten sich vollumfänglich bestätigt. Insbesondere hätten von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene graphologische Gutachten bestätigt, dass die Unterschriften des Klägers auf den Scheckformularen mit hoher, teilweise sehr hoher Wahrscheinlichkeit echt seien. Der Geschäftsführer der Beklagten zu 2, der Zeuge E., habe den Betriebsrat am 25.01.2008 über die Kündigungsabsicht informiert. Nach der Präsidiumssitzung habe auch der Beklagte zu 1 das Betriebsratsanhörungsverfahren eingeleitet, wobei der Betriebsrat ohnehin bereits durch die Beklagte zu 2 sachlich informiert gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.08.2008 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 2 nicht durch die Kündigung vom 20.04.2008, nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 2 vom 04.02.2008 und auch nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 2 vom 08.02.2008 beendet worden ist. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Der allgemeine Feststellungsantrag sei unzulässig, da es am erforderlichen Feststellungsinteresse fehle. Es sei nicht ersichtlich, dass weitere Beendigungstatbestände außer den mit den anderen Klageanträgen angegriffenen in Betracht kämen.

Die gegen die Kündigungen des Beklagten zu 1 gerichteten Klageanträge seien unbegründet, weil ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 nicht bestanden habe. Die Arbeitgebereigenschaft könne nicht unstreitig gestellt werden. Aus den von den Parteien vorgetragenen Umständen ergebe sich, dass Arbeitgeberin des Klägers die Beklagte zu 2 gewesen sei.

Mit der wegen der Kündigung vom 20.04.2007 gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Klage habe der Kläger Erfolg. Zwar habe sich die Beklagte zu 2 auf diese Kündigung berufen, die Kündigungserklärung sei ihr aber nicht zuzuordnen. Vielmehr ergebe die Auslegung, dass lediglich der Beklagte zu 1 diese Kündigung ausgesprochen habe.

Die Kündigung der Beklagten zu 2 vom 04.02.2008 sei unwirksam, weil die Beklagte zu 2 nicht schlüssig und unter Beweisantritt vorgetragen habe, den Betriebsrat zu einer beabsichtigen außerordentlichen Kündigung angehört zu haben. Vor den ordentlichen Kündigungen der Beklagten zu 2 vom 08.02.2008 sei der Betriebsrat nicht ausführlich genug angehört worden.

Bezüglich des genauen Inhalts der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.08.2008 verwiesen.

Das Urteil ist den Beklagten am 10.10.2008, dem Kläger am 14.10.2008 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 29.10.2008, bei Gericht eingegangen am 30.10.2008, hat der Kläger und mit Schriftsatz vom 06.11.2008, bei Gericht am gleichen Tage eingegangen, hat die Beklagte zu 2 Berufung eingelegt. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte zu 2 haben jeweils mit Schriftsatz vom 09.01.2009, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, die Berufung begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

1.         unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts festzustellen, dass das zwischen ihm und dem Beklagten zu 1 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.04.2007 beendet wurde,

2.         unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts festzustellen, dass das zwischen ihm und dem Beklagten zu 1 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1 vom 06.02.2008 beendet wurde,

3.         unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten zu 1 auch nicht durch die Kündigung vom 08.02.2008 zum 30.09.2008 beendet wurde,

4.         die Berufung der Beklagten zu 2 zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1 beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

unter Abänderung des am 28.08.2008 verkündeten und am 10.10.2008 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Mainz, Az. 3 Ca 905/07 die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor:

Bei der Frage, zwischen welchen Parteien arbeitsvertragliche Beziehungen begründet worden sind, handele es sich um eine Rechtstatsache, die Gegenstand eines Geständnisses sein könne.

Der Betriebsrat sei ausreichend informiert worden, was sich bereits aus dem Inhalt seiner Stellungnahmen ergebe. Auf seine Bedenken habe das Arbeitsgericht nicht hingewiesen und ihnen auch keine Schriftsatzfrist eingeräumt, so dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei. Die Betriebsratsvorsitzende, die Zeugin B., sei bereits bei der Anhörung des Klägers am 17.04.2007 dabei gewesen, als die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe erörtert worden seien. Im Anschluss daran seien die Gründe für die beabsichtigte Kündigung dem Betriebsrat nochmals durch den Geschäftsführer des Beklagten zu 1 sowie dessen Prozessbevollmächtigten erläutert worden. Am 25.01.2008 habe der Zeuge E. bei der Zeugin B. vorgesprochen und sie über den am Vortag gefassten Beschluss des Vorstands der Beklagten zu 2 zur beabsichtigten Kündigung des Klägers informiert. Er habe ihr mitgeteilt, dass aufgrund des graphologischen Gutachtens und der Aussage der Zeugin E. nunmehr feststehe, dass der Kläger entgegen seinem Vortrag Schecks unterzeichnet und keine Kontrolle der Finanzen durchgeführt habe. Am 29.01.2008 habe der Zeuge E. den Sachverhalt noch einmal ausführlich mit dem Betriebsrat besprochen. Am 30.01.2008 habe der Zeuge C. den Betriebsrat über die nunmehr auch vom Beklagten zu 1 beabsichtigten Kündigungen wegen desselben Sachverhalts informiert. Die Zeugin B. habe dabei geäußert, eine ausführliche Information des Betriebsrats sei nicht mehr erforderlich, da dem Betriebsrat aufgrund der Anhörung vom 29.01.2008 die Angelegenheit hinlänglich bekannt sei.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C. und B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.09.2009 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

I.  Die nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. c ArbGG statthaften Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 2 sind gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweisen sich auch sonst als zulässig.

II.  Die Berufungen haben auch, soweit im Rahmen dieses Teilurteils über sie entschieden worden ist, in der Sache Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts war für die Entscheidung davon auszugehen, dass Arbeitgeber des Klägers der Beklagte zu 1 war.

Die Frage, wer Vertragspartei geworden ist, ist grundsätzlich anhand sämtlicher Umstände des konkreten Falles zu ermitteln. Entscheidend ist dabei neben dem Wortlaut der Vertragsurkunde die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses. Der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien ist selbst dann maßgeblich, wenn er im Vertragstext keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat. Was sie über ihren übereinstimmenden Willen vortragen, steht im Zivilprozess zur Disposition der Parteien (BGH, Urteil vom 06.10.2005, III ZR 367/04; BGH, Urteil vom 16.07.2003, XII ZR 100/00).

Zwar hat der Beklagte zu 1 ursprünglich bestritten, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Kläger bestand. Arbeitgeber des Klägers sei vielmehr die Beklagte zu 2 gewesen. Später stellte der Beklagte zu 1 jedoch ausdrücklich unstreitig, dass er Arbeitgeber des Klägers war. Hierbei handelte es sich um ein Ge-ständnis im Sinne des § 288 ZPO, das der Beklagte zu 1 in der mündlichen Verhandlung wiederholt hat. An dieses ist das Gericht gebunden. Das Geständnis hätte nur dann übergangen werden dürfen, wenn das Gegenteil offenkundig oder allein möglich gewesen wäre, wovon vorliegend nicht auszugehen war.

Zugestanden werden können zwar grundsätzlich nur Tatsachenbehauptungen, keine Rechtsbegriffe. Gegenstand eines Geständnisses können darüber hinaus aber auch juristisch eingekleidete Tatsachen sein sowie präjudizielle Rechtsverhältnisse, die Gegenstand einer selbständigen Feststellungsklage sein können. Hierzu ist auch der Vortrag zu rechnen, wer Vertragspartei geworden sei (BGH, Urteil vom 06.10.2005, III ZR 367/04; BGH, Urteil vom 16.07.2003, XII ZR 100/00). Tragen beide Parteien des Rechtsstreits vor, dass es ihr Wille gewesen sei, ein Arbeitsverhältnis miteinander zu begründen, so hat das Gericht hiervon als maßgebend auszugehen, auch wenn der schriftliche Vertrag andere Möglichkeiten eröffnen würde.

Der Beklagte zu 1 hat darüber hinaus nicht nur eingeräumt, Arbeitgeber des Klägers gewesen zu sein, sondern hat auch die tatsächlichen Umstände, die der Kläger zur Stützung seiner diesbezüglichen Behauptung vorgetragen hatte, ausdrücklich unstreitig gestellt, etwa dass der frühere Vorsitzende der Beklagten zu 2 Vertretungsmacht hatte, den Arbeitsvertrag für den Beklagten zu 1 abzuschließen, und dass alle Beteiligten wussten, dass er als Vertreter des Beklagten zu 1 in dessen Namen handelte, dass Lohnabrechnungen und Arbeitsbescheinigung den Beklagten zu 1 als Arbeitgeber auswiesen, dass der Beklagte zu 1 wesentliche Arbeitgeberfunktionen (z.B. Erteilung von Weisungen, Ausspruch einer Abmahnung) ausübte und dass der Beklagte zu 1 die Personalakte des Klägers führte. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 war daher für die Entscheidung zugrunde zu legen. Ob der Beklagte zu 1 ursprünglich bewusst falsch vorgetragen hatte und aus welchen Gründen der Vortrag später geändert wurde, ist unerheblich.

2. Daher waren die gegen die Kündigungen der Beklagten zu 2 vom 20.04.2007 - soweit das Schreiben vom 20.04.2007 überhaupt als Kündigung der Beklagten zu 2 auszulegen war, was offen bleiben konnte -, vom 04.02.2008 und vom 08.02.2008 gerichteten Klagen abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten zu 2 dementsprechend abzuändern.

Die gegen die vorbezeichneten Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzanträge sind unschlüssig. Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage ist die Frage, ob das Arbeitsverhältnis durch eine ganz bestimmte, in der Klage bezeichnete Kündigung aufgelöst wird oder nicht. Dabei ist eine Kündigungsschutzklage nur dann schlüssig erhoben, wenn der Kläger behauptet, zwischen ihm und dem Kündigenden bestehe ein Arbeitsverhältnis. Danach sind die gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Kündigungsschutzanträge unzulässig, weil nach dem eigenen Vortrag des Klägers ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten zu 2 nicht besteht.

3. Die Kündigung des Beklagten zu 1 vom 20.04.2007 ist unwirksam und beendete das Arbeitsverhältnis nicht.

a) Die Kündigungsschutzklage ist innerhalb der Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7, 13 KSchG erhoben worden.

b) Die Kündigungserklärung vom 20.04.2007 ist dem Beklagten zu 1 zuzurechnen. Das Kündigungsschreiben ist auf Briefpapier des Beklagten zu 1 verfasst und jedenfalls auch von einem seiner Vertreter unterzeichnet. Der Beklagte zu 1 wollte kündigen, und der Kläger hat die Kündigung auch als eine solche des Beklagten zu 1 verstanden. Ergänzend wird auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

c) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Der Beklagte zu 1 stützt die Kündigung vom 20.04.2007 auf den Verdacht von Straftaten oder zumindest Pflichtwidrigkeiten des Klägers im Zusammenhang mit den Veruntreuungen durch die Zeugin E.. Bei Ausspruch der Kündigung habe der Verdacht bestanden, dass der Kläger Schecks entweder blanko ausgestellt oder aber jedenfalls deren ordnungsgemäße Verwendung nicht einmal stichprobenartig überprüft habe. Ein derartiges Verhalten ist, je nach den Umständen des konkreten Einzelfalles, grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kann nicht nur eine erwiesene Tat, sondern auch bereits ein dringender Verdacht einem Arbeitsverhältnis die Vertrauensgrundlage entziehen.

Ob gegen den Kläger ein objektiv durch Tatsachen begründeter dringender Tatverdacht bestand, bedurfte jedoch keiner Entscheidung. Denn entweder hat der Beklagte zu 1 die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt, oder er hat weder den Kläger noch den Betriebsrat vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß angehört.

aa) Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Entscheidet sich der Kündigungsberechtigte aufgrund eines Anfangsverdachts, der auf einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung hindeutet, weitere Ermittlungen durchzuführen, so muss er dies zügig tun.

Der Beklagte zu 1 hat angegeben, nach Bekanntwerden der Vorfälle am 20.03.2007 die Dr. D. & P. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/ Steuerberatungsgesellschaft mit der Prüfung beauftragt zu haben. Die Dr. D. & P. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/ Steuerberatungsgesellschaft soll die Unterlagen in den Geschäftsräumen bis zum 05.04.2007 gesichtet und dem Beklagten zu 1 an diesem Tag einen vorläufigen Bericht der Prüfung zur Verfügung gestellt haben. Zugunsten des Beklagten zu 1 kann davon ausgegangen werden, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt war. Der Beklagte zu 1 hätte dann aber gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB die Kündigung bis zum 19.04.2007 aussprechen müssen, so dass die Kündigung vom 20.04.2007 verspätet war.

Der Argumentation des Beklagten zu 1, der Bericht vom 05.04.2007 sei noch lückenhaft gewesen und den endgültigen Bericht habe er erst am 16.04.2007 erhalten, vermochte das Gericht nicht zu folgen. Schon die Existenz eines Berichtes mit dem Datum 16.04.2007 hat der Beklagte zu 1 nicht nachgewiesen, vielmehr einen Bericht vom 20.04.2007 zur Akte gereicht. Der Beklagte zu 1 hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, sich möglicherweise im Datum geirrt zu haben. Wenn der Bericht das Datum 20.04.2007 trage, sei von der Richtigkeit dieses Datums auszugehen. Die Behauptung des Beklagten zu 1, der Bericht vom 20.04.2007 enthalte gegenüber dem Bericht vom 05.04.2007 weitergehende Informationen, ist zudem unsubstantiiert geblieben. Den Bericht vom 05.04.2007 hat der Beklagte zu 1 nicht vorgelegt. Welche darüber hinausgehenden Feststellungen und Erkenntnisse der Bericht vom 20.04.2007 enthalten haben sollte, die die Entscheidung des Beklagten zu 1 beeinflusst hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es konnte daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB bis zum 20.04.2007 weiterhin gehemmt war.

bb) Geht man demgegenüber mit dem Beklagten zu 1 davon aus, dass erst der Inhalt des Berichtes vom 20.04.2007 den Beklagten zu 1 dazu veranlasste, die Kündigung des Klägers zu betreiben, so ist die Kündigung ebenfalls unwirksam. Denn dann fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung sowohl des Klägers als auch des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung. Kläger und Betriebsrat wurden nämlich am 17.04.2007 angehört. Zu diesem Zeitpunkt aber lag der Bericht vom 20.04.2007 noch nicht vor und konnte daher auch nicht Gegenstand der Anhörung sein. Beide Anhörungen waren indes Wirksamkeitsvoraussetzungen. Zur Anhörung des Klägers ist der Arbeitgeber, der eine Verdachtskündigung ausspricht, aufgrund der ihm obliegenden Aufklärungspflicht verpflichtet, zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG.

Auf das Vorliegen etwaiger weiterer Unwirksamkeitsgründe kam es danach nicht mehr entscheidungserheblich an.

4. Hinsichtlich der Kündigungen des Beklagten zu 1 vom 06.02.2008 und vom 08.02.2008 war der Rechtsstreit noch nicht zur Endentscheidung reif, so dass gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Teilurteil zu ergehen hatte.

5. Bezüglich des erstinstanzlich gestellten allgemeinen Feststellungsantrags ist das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig geworden, da der Kläger das Urteil insoweit nicht mit der Berufung angegriffen hat.

III.  Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten, da sie nur einheitlich getroffen werden kann.

Gründe, die gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision gebieten würden, sind nicht ersichtlich.



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